Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: NEMAX
  Thema Posts Stand
Archivierte Beiträge bis 16. Januar 2002 20    14.2. - 18:27
Archivierte Beiträge bis 27. August 2001 20    27.8. - 15:06
Archivierte Beiträge bis 7. Juli 2001 20    10.7. - 17:10
Archivierte Beiträge bis 1. Mai 2001 20    2.5. - 08:47
Archivierte Beiträge bis 20. April 2001 20    20.4. - 13:33
Archivierte Beiträge bis 29. März 2001 20    30.3. - 10:07
Archivierte Beiträge bis 19. März 2001 20    19.3. - 17:58
Archivierte Beiträge bis 6. März 2001 20    7.3. - 09:50
Archivierte Beiträge bis 28. Februar 2001 20    28.2. - 17:05

chinaman - Mittwoch, 13. Februar 2002 - 19:56
KOMMENTAR: Das Aus für den Neuen Markt (WO)

Ein radikaler Wandel muss kommen oder der Neue Markt steht vor dem Aus, glaubt wallstreet:online-Redakteur Michael Barck

„Jeden Tag eine Pleite“, lautet das Motto der Frankfurter Wachstumsbörse. Die Frustration der Anleger am Neuen Markt wird täglich größer. Neben dem Verlust bleibt manchmal das Gefühl, dass man über den Tisch gezogen wurde.

Eins vorab: Ein Unternehmen kann pleite gehen, das ist keine Schande. Die Art und Weise jedoch, wie sich am Neuen Markt die Pleiten ankündigen, ist höchst fragwürdig. Das Schema, mit dem sich Insolvenzen ankündigen, ist fast immer dasselbe: Der Kurs fällt, das Unternehmen beschwichtigt, es gäbe keinen Grund zur Unruhe, der Kurs fällt weiter – meist unter höheren Umsätzen – und irgendwann kommt dann die ominöse Ad-hoc: „Auf Grund drohender Zahlungsunfähigkeit...“. Vorher gewusst hat natürlich niemand davon. Nun gut: Jeder ist solange unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen wird. Allein der Glaube an das vielfach Gesagte, dass man sich alles nicht erklären kann, fehlt.

Das treibt dem Anleger die Zornesröte ins Gesicht – verständlicherweise macht in den Chatboards des Internets immer wieder das Wort Betrug die Runde. Die Institutionen, welche die Machenschaften der Insider aufdecken oder verhindern sollen, haben bis dato versagt. Kaum ein Prüferfolg durch die Bundesaufsichtsämter, eine lasche Gesetzgebung und – viel schlimmer – nirgendwo auch nur der Ansatz von Einsicht bei den Verantwortlichen oder ein Funke Motivation, die Gegebenheiten drastisch zu verbessern. Auch das vierte Finanzmarktförderungsgesetz sollte da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.

Das in dieser Situation etwas geschehen muss, ist klar. Dass kaum etwas geschehen wird, ebenso. In dieser Form ist der Neue Markt dem Tod geweiht, wenn er nicht sogar längst im Sterben liegt. Gestern habe ich getitelt: „Begrabt den Nemax50!“. Heute möchte ich noch einen Schritt weiter gehen. „Begrabt den Neuen Markt“, denn so wie jetzt will ihn keiner mehr.

j_r_ewing - Donnerstag, 14. Februar 2002 - 11:27
Nicht übel, diese "Kreuziget ihn"-Stimmung. Gute Chance für Schnäppchen in Qualitätspapieren, wenn es zur Ausschüttlungsphase kommt !

Gruß
JR

stw - Donnerstag, 14. Februar 2002 - 18:27
Sehe ich genauso wie JR. Meiner Meinung nach sehen wir für fundamental astreine Nebenwerte (und die gibts sowohl im NEMAX als auch im MDAX und SMAX) derzeit Einstiegskurse über die wir in 3-5 Jahren sehr glücklich sein werden.

:-) stw

chinaman - Donnerstag, 14. Februar 2002 - 19:08
Na ja, ganz so himmelhochjauchzend bin ich da nicht (mehr).

Wieviel fundamental astreine Nebenwerte gibt es denn wohl im Nemax ? Wer sagt uns denn, dass sich nicht auch bspw. eine TV Loonland als eine zweite Helkon entpuppt ?

Der Standort Deutschland hat auf jeden Fall schweren Schaden genommen. Die aufkeimende Aktienkultur wurde den kurzfristigen Geschäftsinteressen der Emissionsbanken und Alteigentümer geopfert. Die letztendlich guten Nebenwerte werden sicherlich einiges Aufwärtspotential haben. Aber dazu braucht es keinen Neuen Markt, das gilt (wie stw richtig bemerkt) auch für SMAX Werte und sogar auch den geregelten Markt.

Es bleibt weiterhin aus Anlegersicht das große Problem, aus vielen schlechten Werten die wenigen Perlen zu fischen.

j_r_ewing - Freitag, 15. Februar 2002 - 02:29
Genau. Ums Perlenfischen kommt man nicht herum.

Aber die schlechte Stimmung wird sich im Laufe der Zeit erledigen, wie jede andere auch. Die Geschichte lehrt, daß man sich auf das schlechte Gedächtnis verlassen kann. Schließlich gab es auch die Idiotenrally 2000, die im Herbst 99 startete - zwei Jahre nach dem Rußland-Crash, und drei Jahre nach dem Hongkong-Crash.
Na gut, diesmal waren ein Haufen Youngster dabei, die es eine gute Idee fanden, in ihre Lieblingsfetische (PC, Filme, Handy) zu investieren. Aber wer sagt, daß es sowas - in üblicherem Ausmaß - beim nächsten mal nicht geben wird ?

chinaman - Freitag, 15. Februar 2002 - 06:15
"Das dicke Ende kommt noch"
Quelle: stockworld.de

Alljährlich berechnet die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) die mittel- und langfristige Kursentwicklung von Standardtiteln und Neuer Markt-Aktien, um herauszufinden, wer das Kapital der Investoren vermehrt und wer es vernichtet hat. Nach zweijährigen Kursrückgängen ist die Liste der Kapitalvernichter naturgemäß sehr lang. Besonders negativ falle auf der sogenannten "Watchlist 2002" der Neue Markt auf, so die DSW.

Für die Rangliste wird die Performance der Aktien über verschiedene Zeiträume ermittelt und ein gewichteter Durchschnitt gebildet. Dabei legt die DSW den Schwerpunkt auf die langfristige Wertentwicklung. Bei Standardtiteln ist der Fokus auf die Fünfjahres- , am Neuen Markt auf die Zweijahresentwicklung gerichtet. Mehr als 500 Aktien haben die Anlegerschützer unter die Lupe genommen.

Am Neuen Markt bescherten demnach 90 Prozent der 178 untersuchten Unternehmen den Anteilseignern in den vergangenen zwei Jahren Kursverluste. Die größten Kapitalvernichter waren Brokat [ Kurs/Chart ] (durchschnittlich -96,1 Prozent jährliche (!) Performance) vor Kinowelt [ Kurs/Chart ] (- 94,1)und Micrologica [ Kurs/Chart ] (- 92,9).

Es wird noch schlimmer

"Das dicke Ende kommt erst noch", warnt DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker die Anleger bei der Präsentation der Daten. In 2002 dürfte die Zahl der Unternehmenspleiten am Neuen Markt noch steigen. Schuld an dem Fiasko tragen auch die Banken, so Hocker. Bei Anlageberatern sei manchmal erschreckende Unkenntnis festzustellen. Die Institute hätten an den Provisionen für die Börsengänge gut verdient und deshalb auch nicht börsenreifen Firmen aufs Parkett geholfen.

Aber auch mit vermeintlich soliden Standardtiteln und Nebenwerten ist der Privatanleger nicht immer auf der sicheren Seite. Vor allem kleinere Unternehmen fallen mit dauerhafter Underperformance auf. Kaufring erreicht eine atemberaubende Durchschnittsperformance von - 56,0 Prozent jährlich über die vergangenen fünf Jahre. Das Trauerspiel wird wahrscheinlich demnächst in der Insolvenz enden. Der Gerüstbauer Plettac und Büroartikelhersteller Herlitz folgen dichtauf in der Schreckensbilanz der Standardaktien.

Auf die Mitglieder des DAX 30 ist deutlich mehr Verlass. Unter den 50 größten Kapitalvernichtern finden sich einige Mitglieder aus SDAX und MDAX, aber kein einziger DAX-Wert. Bei den Blue Chips entwickelte sich nach Angaben der DSW die Commerzbank [ Kurs/Chart ] mit -2,3 Prozent p.a. am schlechtesten.

© 14.02.2002 www.stock-world.de

prof_b - Freitag, 15. Februar 2002 - 10:32
Naja, Stockpicking ist wohl immer angesagt, nur ob man es wirklich schafft, das ist die Frage.

Wer hatte in 2001 schon eine Adidas, SoftM, Stada oder Möbel-Walther mit hoher Depotgewichtung?

NEMAX-All-Share befindet sich noch 15 % unter seiner 200-d-Linie, also für mich kein Kauf.

Bei gutem Wind (NEMAX über seiner 200-d-Linie)würde ich aber wieder umsteigen und gegebenenfalls sogar die lahmen Enten (Krones) in NEMAX-Werte tauschen. Aber das kann noch dauern.
Prof

prof_b - Mittwoch, 20. Februar 2002 - 11:34
Es gibt wieder Haue. Die Vermutung, dass man nicht in Indizes investieren darf, die >10% unter ihrer 200-d-Linie stehen, scheint sich zu bestätigen.
Prof

buylowsellhigh - Mittwoch, 20. Februar 2002 - 17:34
Magazin: Wertberichtigungen am Neuen Markt zu erwarten
München (vwd) - Anleger müssen offenbar bei zahlreichen Nemax-50-Gesellschaften damit rechnen, dass die Firmenwerte, die in Zeiten der Börseneuphorie in immense Höhen getrieben wurden, nicht nachhaltig sind. Wie die "Börse Online" in ihrer am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, tragen die Nemax-50-Gesellschaften derzeit 4,86 Mrd EUR an Firmenwerten mit sich herum. Das entspreche 19 Prozent der Börsenkapitalisierung.
Neun der größten Wachstumsunternehmen kommen auf Beträge von mehr als 100 Mio EUR, berichtet das Magazin weiter. Mehr als 200 Mio EUR immaterielles Vermögen verzeichneten Evotec, D. Logistics, Consors, die DAB Bank und PrimaCom. Spitzenreiter T-Online erreiche knapp zwei Mrd EUR. Peter Barkow, Analyst bei HSBC Trinkaus & Burkhard, bestätigte laut der Zeitung Befürchtungen, dass in den kommenden Wochen die Abschreibungswelle höher schlagen wird. Anders als bei Quartalsberichten müssten Wirtschaftsprüfer die Angaben zum Jahresabschluss testieren und dürften daher auf weiteren Berichtigungen bestehen.
Hinzu kämen steuerliche Anreize: Zum letzten Mal könnten unter bestimmten Bedingungen steuerliche Abschreibungen auf inländische Beteiligungen beim Finanzamt geltend gemacht werden, vor allem bei Übernahmen gegen Bargeld.
vwd/12/20.2.2002/gre/tw
--
kommt mir schon seit letztem Jahr so vor als ob so ziemlich alle Firmen momentan alles Schlechte in die Abschlüsse packen, um nachher umso besser dazustehen.Wahrscheinlich nutzen die Insider dann auch noch die günstigen Kurse um nachher umso besser abzusahnen...

chinaman - Freitag, 26. Juli 2002 - 11:54
Mal was zum Schmunzeln (oder auch zum Weinen)

;-)
Gruss
Chinaman


Bericht aus dem Casino der Neuen Ökonomie
Anfang und Ende eines Start-Up-Unternehmens.
Gespräch mit einem Gründer*


"Beim heiligen Aktionär", rief Couture, "erzähle uns deine Geschichte!"

Vorbemerkung

In den letzten Jahren sind auf dem Börsenmarkt wiederholt Unternehmen aufgetaucht, die auf das Internet setzten, hohe Erwartungen schürten und verhießen, die Gesetze der ‚alten Ökonomie' aufzuheben. Diese Start-Up-Firmen zogen Kapital an und produzierten mit dem Versprechen nahezu schrankenloser Wachstumschancen Finanzblasen enormen Ausmaßes. "Viele dieser jungen Firmen", urteilt ein erfahrener Vertreter der ‚alten Ökonomie' in der Süddeutschen Zeitung vom 13.2.2002, "hatten doch gar kein richtiges Produkt, das eigentliche Produkt war die Börsenstory".
Von den phantasievollen Geschäftsmodellen und geschönten Zahlenwerken haben, wie in den USA der Fall Enron und in Deutschland die Krise der Kirch-Gruppe zeigen, offensichtlich auch Unternehmen aus solideren Sektoren viel gelernt. Und in noch einer Hinsicht bildet die ‚neue Ökonomie' nur die Spitze des gesamten ökonomischen Eisbergs: Der in privater Hand konzentrierte Reichtum, der als Risikokapital auf seine Vermehrung lauert, ist ebenso groß wie - nach dem Platzen der Blase im Frühjahr 2000 - die Scheu vor einem neuen Abenteuer. In den USA sind (laut New York Times vom 25. März 2002) die Investitionen aus Venture Capital im letzten Quartal 2001 auf 6 Milliarden $ (gegenüber 27 Milliarden $ im ersten Quartal 2000) zurückgegangen. Das brüchiger werdende Verwertungskalkül hat Alan Greenspan (laut Neuer Zürcher Zeitung vom 28.2.2002) wie folgt umrissen: Der Wert eines Großteils der Aktiva vieler New-Economy-Firmen beruhe "auf konzeptionellen Aspekten wie Re-putation. Deren Wert könne viel rascher dahinschwinden, als es bei Fabriken der Fall sei - auch dies ein Vorgang, auf den man sich künftig vermehrt einzustellen hat." Damit sind die Verhältnisse in der modernen ‚Dienstleistungsökonomie' deutlich labiler geworden.
Wir dokumentieren im Folgenden das Konzentrat eines langen Gesprächs mit dem Mitgründer eines deutschen Start-Up-Unternehmens. Die innere Logik des hier geschilderten Handelns hat Honoré de Balzac schon vor 1840 in seinen Erzählungen über die ‚Epoche der Gier' dargelegt.** Die sozialen Folgen dieses Handelns in einer neuen, alten ‚Epoche der Gier' liegen auf der Hand.

Kühle Kalküle

Es waren vier der kecksten Vögel, die auf den sich ständig erneuernden Wogen der gegenwärtigen Generation sich wiegten, liebenswürdige junge Leute, deren Existenz rätselhaft ist, von deren Zinsen und Besitzungen niemand etwas weiß, und die doch gut leben.

(Welche Interessen und Zufälle haben die ersten Gründer zusammengeführt?)
Mein Freund B. hatte vorher schon eine Software-Firma gegründet - klein aber erfolgreich. Und er kannte C., einen abgebrochenen Jurastudenten. Der hat mal hier, mal da gejobbt. Dann traf er ihn irgendwo zufällig wieder, in der S-Bahn. Und beide gingen gerade schwanger mit solchen Gründungsideen. Nun, und da haben sich eben die zwei gesagt: "Ach, lass uns doch mal gucken, lass uns mal was zusammen machen." So hat sich das irgendwie zusammengefunden. Als ich dazu gestoßen bin, trafen wir uns im November 1999 in einer kleinen Wohnung in der Lindenstraße. Ich erinnere mich, die war ganz verraucht. Wir waren so um die sechs, ich kann ein paar Leute einfach aufzählen. Da war C., der hat Jura studiert und abgebrochen, so ungefähr 23 Jahre alt. Dann gab es Herrn P., der ist der Sohn von einem ganz Großen aus der Immobilienbranche. Dieser ‚Immobilienprinz', so um die 35, hatte seinen Cousin mitgebracht, der war so alt wie ich, also knapp 30. Dann war da B., der Freund, der mit mir zusammen studiert hat und über den ich selbst erst reingekommen bin. Die haben beschlossen, mich ins Gründerteam reinzunehmen, weil sie halt einen Techniker brauchten. Also meine Qualifikation war handfester und (lacht) offensichtlich wichtig für ein Internet-Unternehmen. Und ein Rechtsanwalt, der da noch saß, der kam nicht ins Gründerteam. Bei der Gründung waren es dann sieben Leute, die ihre Anteile gezeichnet haben.
(Hatten Sie eine zündende Idee für das gemeinsame Geschäftsmodell?)
Die Idee wurde eigentlich dadurch geboren: Wir haben gesehen, dass es eine ganze Reihe von neuen Internetfirmen gibt, die es innerhalb von kürzester Zeit geschafft haben, an die Börse zu gehen und dort sehr viel Geld einzunehmen. Das war im Grunde die Idee, die dahinter steckte: der Börsengang in zwei oder drei Jahren - und auf dem Weg dorthin schon möglichst viel zu verdienen.
(Aber was war die inhaltliche Vorstellung? Das wirklich Neue?)
Die Ausgangsidee: was.com sollte ein "Special Internet" werden. Wir wollten im Grunde genommen die große Vielfalt an Informationen im Internet, wo man in der Informationsflut ertrinkt, für den Benutzern vereinfachen und ihn dadurch an uns binden. Unsere Businesspläne hatten mehrere Einnahmequellen vorgesehen. Da sind einmal die Anzeigen - dieser Markt ist dann im Laufe des letzten Jahres total zusammengebrochen. Ein zweiter Aspekt war E-Commerce. Davon hatten wir wilde Vorstellungen, die man zwar mal formuliert, aber nie genauer verfolgt, geschweige denn überprüft hat.
Der grundlegende Gedanke war: Wenn wir es schaffen, dass die Leute über uns das Internet benutzen, dann sollte es auch möglich sein, von den Anbietern der Produkte auf unseren Seiten eine Umsatzprovision zu kassieren. Zudem wollten wir versuchen, für kleine Läden oder neue Leute, die noch nicht im Internet verkaufen, einen leichteren Weg zu schaffen, da auch hineinzukommen. Es waren also diese zwei Säulen: Provision und Reklame. Ich gestehe aber ehrlich, dass der eigentliche Nutzwert der ganzen Sache dann einfach in den Hintergrund getreten ist gegenüber der Idee, dass man mit irgendwelchen relativ einfachen Sachen an die Börse gehen kann.
(Sie waren nun ein kleiner Gründerkreis. Wie oft traf man sich? Wie eng war die Zusammenarbeit?)
Die Gründer und die ersten engen Mitarbeiter haben sich seit dem Spätherbst 1999 jeden Tag - auch samstags und sonntags - getroffen und daran gearbeitet. Zu Anfang stand die Suche nach Investoren im Mittelpunkt, und natürlich ganz praktisch die Suche nach einem Büro. Die ersten drei Monate gab's kein Gehalt, da hatten wir überhaupt kein Geld. Und die ersten Computer und so was, die habe ich auch noch aus eigener Tasche bezahlt. Die ersten paar Tausend Mark - das waren eben Betriebsmittel. Und dann ging 's für mich relativ bald los: die informationstechnische Infrastruktur aufbauen, ein Rechnernetz und E-Mail und das alles. Ich habe mich reingekniet, damit alles funktioniert. Die anderen haben sich stärker um die Investoren gekümmert, die Leute aufgetan und sie zu überzeugen versucht. Wir haben alle gleich intensiv dran gearbeitet, so dass keiner irgendwie hinterher hinkte. Und das war auch irgendwie sehr gemeinschaftlich. Ich weiß noch, beim Kabellegen, als wir ein neues Büro hatten, da haben mir alle geholfen. Der Rechtsanwalt hat zum Beispiel gelernt, wie man die Kabel mit Spezialsteckern zusammensteckt, "Crimpen" nennt man das. So haben wir alle angepackt. Umgekehrt hab' ich auch die Businesspläne gelesen und mit gerechnet. Unterschiedliche persönliche Antriebe gab es schon, wir kamen ja aus verschiedenen beruflichen Ecken. Aber im Grunde genommen war der Grad der Begeisterung bei allen gleich. Also eine ganz große Euphorie.
(Euphorie ist das eine, Geld das andere. Wer von dem Gründerteam hat, nach dem Schumpeterschen Ideal des ‚Gründers', auch materiell fast alles gewagt?)
Nun, viel haben wir eigentlich nicht riskiert. Irgendwie hat jeder ungefähr 10.000 DM eingebracht. Im Grunde war es etwas seltsam, dass keiner von den Leuten, die im Gründerteam dabei waren, über diesen ursprünglichen Einsatz hinaus etwas investiert hat. Gerade dieser Immobilenprinz, wo man eigentlich denkt, der kann es sich leisten. Aber der sagte den anderen: Das ist alles familiär gebunden und das kann ich nicht aufs Spiel setzen.

Auf Investorensuche

Wir leben in einer Epoche der Gier, wo man sich um den Wert einer Sache nicht kümmert, wenn man daran verdienen kann, dass man sie einem Mitmenschen verkauft; und man verkauft sie an den Mitmenschen, weil die Habgier des Aktionärs, der an einen Gewinn glaubt, der Gier des Gründers ähnelt, der den Plan gemacht hat.

(Wie kam das Gründerteam an die ersten Investoren? Gibt es Adressen, Netzwerke, die man kennen muss?)
Nun, da gab es in der Stadt zum Beispiel diesen Silicon City Club. Ein Marktplatz der neuen Einfälle, wo man sich zusammenfindet, wo ganz viele Leute rumlaufen, die irgendwas machen wollen. Das ist unheimlich faszinierend. Da kann man auf den First Tuesday gehen, der einmal monatlich stattfindet. Da kriegt jeder so einen Aufkleber. Rot heißt Investor, grün ist das Zeichen: man hat 'ne Geschäftsidee. Da kann man dann Leute suchen. Damals - ich hatte überhaupt keine Ahnung, als ich da hinging - wurde mir aber von den anderen erzählt: "Das ist eher ungünstig, denn die wollen immer gleich sehr hohe Anteile an der Firma haben und hauen einen über's Ohr."
Wir versuchten es anders, nämlich zuerst mit Business Angels zu arbeiten. Das sind Leute, die aus irgendwelchen Gründen Geld übrig haben und das gerne in junge Unternehmer investieren. Die wollen ihren Einsatz beim späteren Börsengang des Start-Ups mit Gewinn wieder reinholen. Sie haben viel Erfahrung und zumindest Beziehungen. Ein paar der Investoren waren auch Verwandte oder Geschäftsverbindungen von unserem Immobilienprinzen - wo es dann nachher ein bisschen schwierig ist, wenn man sagen muss, dass das Geld (lacht) leider weg ist. Über dieses Netzwerk kam zum Beispiel auch Herr Dr. S., ehemals Vorstandsmitglied eines großen Unternehmens. Dann hat B. viele Leute mitgebracht, die er irgendwo kannte. Zum Beispiel einen Orthopädieprofessor, der früher sein Büro neben seiner Firma hatte, solche Geschichten eben. Und es war damals in der Goldgräberstimmung tatsächlich so, dass reiche Leute nach solchen Anlagen gesucht haben. Wenn man also jemanden ansprach, der irgendwie Geld hatte, dann sagte der: "Oh, junge Unternehmer - und Internet!!" Die waren schon bereit, etwas zu investieren, und hofften dann auf den Börsengang.
In der ersten Phase hatten wir als Investoren nur Business Angels, ungefähr zehn. Das sind Leute, die beliebig viel Geld haben. Für die ist das n' Spiel: "Ach, probieren wir das mal, ist mal was anderes. Erfrischend so was, und ein junges Team!" Die wollen auch helfen, ein bisschen Erfahrung weitergeben. Nun dachte ich, solche Leute könnten uns intensiver beraten. Aber unsere haben das kaum gemacht. Schon zu Anfang war es so, dass zum Beispiel niemand den Businessplan sehr kritisch hinterfragt hat. Man hat das nur zur Kenntnis genommen. Ein ganz eindrucksvolles Beispiel ist dieser Orthopädieprofessor, ein Luxemburger, den B. mitgebracht hatte. Der hat die Business-Pläne gar nicht lesen wollen. Sagte nur: "Dir vertrau' ich, Dir vertrau' ich. Wenn du das sagst, Dir vertrau ich!!". Zumeist kamen die Investoren einmal vorbei und haben sich das Büro angeschaut, haben sich gefreut, haben gelächelt. Aber das war oft nur ein Besuch von einer Stunde oder so, mehr eigentlich nicht. Unser Vorstandsvorsitzender, der Immobilienprinz, hat irgendwann mal gesagt: "Wenn es Dir andere Leute zutrauen, etwas zu leisten, dann kannst Du's auch machen!"
(Wieviel Geld haben die Business Angels in Ihr Geschäftsmodell investiert?)
Die erste Tranche war - so ganz grob - drei Millionen Mark, über zehn Investoren verteilt. Aber ganz ohne Banken. Das Irre ist nun, dass wir für diese ungefähr drei Millionen Mark nur 10 % unserer Firma weggegeben haben. Das war das Faszinierende, dass wir behauptet haben: "Diese Idee, die wir haben, die ist soo toll, dass die Firma 30 Millionen Mark wert ist." Und wir konnten das sogar ‚belegen' anhand von anderen Firmen, die irgendwie ähnliche Ideen hatten. Die waren schon verkauft, und das war dann beweisbar: für so und so viel Millionen. Und da haben wir halt gesagt: "Bums, dann sind wir auch so viel wert!" Der einzelne Investor denkt also, mit jeweils 300.000 Mark ist er bei einem tollen Projekt dabei. Das muss man sich mal vorstellen: Das waren zehn Investoren, und jeder einzelne hatte nur ein Prozent Anteil. Das war für uns günstiger, als wenn uns eine Bank Geld gibt und den privaten Grundbesitz als Sicherheit verlangt. Das hatte also geklappt.

Expansionswut

Viele Leute haben die Zuversicht, die ihnen die Illusion vermittelt, für Energie genommen.

(Wie hat sich der Personalstand im Unternehmen von Ende 1999 bis zum Sommer 2000 entwickelt?)
Vom Personal her sind wir sehr, sehr schnell gewachsen. Wir haben ständig neue Leute eingestellt. Ich hatte große Probleme in meinem IT-Bereich. Da war es damals schon wahnsinnig schwer, einigermaßen qualifizierte Leute zu bekommen. Wir haben zum Teil Studenten von der Hochschule genommen. Dann war da der Content-Bereich. Unser Konzept war ja, dass wir sagten: 'Special Internet' ist persönlich auf die User zugeschnitten. Deshalb haben wir Experten als Guides angeworben, ungefähr 300 Stück. Zum Beispiel Medizinprofessoren, und das gleich mehrere. Oder das konnte auch ein Soziologe sein, ein Literaturwisssenschaftler oder ein Historiker. Oder da war ein Automechaniker, der eine Autoseite betreute. Praktisch also zu allen Lebensbereichen. Insgesamt hatten wir etwa 300 freie Mitarbeiter als Guides. Ich weiß noch, wie ich da stapelweise Verträge unterzeichnet habe.
Jeder Guide bekam von uns zunächst 100 Mark monatlich für die persönlichen Online-Kosten. Seine weiteren Einkünfte sollten von zwei Dingen abhängen: von unseren Werbeeinnahmen und von den Page Impressions, also praktisch von der Anzahl der clicks auf die jeweilige Content-Seite. Weil aber die Werbeeinnahmen spärlich blieben, kamen die kaum auf ihr Geld. 500 Mark monatlich waren schon das Maximum. Im Grunde war das für eine seriöse Arbeit viel zu wenig. Und alle diese Experten mussten wir dann noch vom Hause aus anleiten. Dafür hatten wir 12 bis 15 sogenannte Category-Manager. Zum Beispiel eine Zahnmedizinerin, die alle Medizinexperten und den ganzen Bereich Gesundheit und Wellness betreut hat. Solche Leute finden sich relativ leicht unter älteren Studenten. Davon haben wir jede Menge eingestellt, manchmal sogar mit Praktikantenverträgen. Da waren die Leute zum Teil nur einen Monat da oder zwei. Und wir haben sie aus einem einfachen Grund "Manager" genannt: Man kann den Leuten weniger Geld bezahlen, wenn man ihnen 'nen schönen Titel gibt. So einfach ist der Trick.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir viel zu sehr auf Masse gesetzt haben. Wir brauchten die Leute einfach so dringend, dass wir oft die Qualifikation nicht genügend geprüft und viel zu schnell eingestellt haben. Also praktisch jeden, der kam und irgendwie nett aussah oder einen guten Eindruck gemacht hat. Ich weiß das speziell von meinem informationstechnischen Bereich. Da hab' ich praktisch jeden eingestellt, der irgendwie so halbwegs Verdacht erregte, dass er's kann (lacht). Was bei über 50 Prozent auch geklappt hat, sogar 70 Prozent waren gut, aber man bleibt dann halt auf 30 Prozent sitzen.
Unter dem Strich waren wir innerhalb kürzester Zeit ungefähr 50, 60 Mitarbeiter. Wenn man die Halbtagskräfte dazu zählt, sogar über 70. Mit den Praktikanten und ‚Studis' waren es schließlich noch mehr. Auch unser Leitungsteam wurde erweitert. Wir haben noch einen Gründer dazu genommen, der dann auch Anteile bekommen hat. Den haben alle sehr geschätzt. Er war vorher bei einer Unternehmensberatung und hat dann den Finanzbereich gemacht. Den hielten wir auch für fähig, den Börsengang vorzubereiten. Das haben wir keinem von uns Erstgründern zugetraut. Der wäre also derjenige gewesen, der das beherrscht hätte.
(Wie war dieses Wachstum räumlich zu verkraften?)
Zuerst wurde der informationstechnische Bereich in ein anderes Büro im gleichen Haus verlegt, dann haben wir ganze Stockwerke dazu gemietet. Und zum Schluss zogen wir um in ein riesengroßes Büro auf einer Etage, ohne Trennwände. Nur eine Besprechungsecke war durch eine Wand abgetrennt, die wir aus leeren Computerkartons aufgeschichtet hatten. In dieser ersten Ausbauphase sind wir täglich zu Ikea gefahren und haben die großen Spanplatten zu 100 Mark angekarrt. Am Anfang haben wir alles noch zusammen gemacht. Da war ich bei Promarkt und hab' da in mein kleines Auto so viel Computer rein gequetscht wie es nur geht. Bei den Ikea-Einkäufen, da haben wir Studenten gehabt. Und täglich hat unser Lieferant 10 Computer gebracht. Der war ganz verschwitzt. Und wir haben ihn angelächelt und gesagt: "Ja, morgen brauchen wir noch mal 10 neue!"
(Ließ Sie das Gründungsfieber auch im Privatleben nicht mehr los?)
Was für ein Privatleben meinen Sie (lacht)? Ich hab' praktisch von Januar bis September überhaupt kein Privatleben gehabt. Bin morgens aufgestanden, habe geduscht, nicht gefrühstückt. Bin in die Firma gefahren, war dann meist mit der erste. War dann in der Firma bis abends um ... was weiß ich, elf, zwölf, zehn, bin nach Hause gefahren und hab' mich dann schlafen gelegt. Das ging jeden Tag so. Am Wochenende hab' ich mir hin und wieder mal gegönnt, da haben wir erst um mittags um zwölf angefangen - am Samstag und Sonntag.
(Auch am Sonntag?)
Ja klar. - Gut, manchmal hat man am Samstagabend noch mal was anderes gemacht. Aber ich bin so 'n Mensch, der sich da so rein versetzt. Ich habe auch letztes Jahr keine Partnerin gehabt - fast instinktiv, ich hab' einfach nicht das Bedürfnis gehabt nach Verbindlichkeit.
Es ist schon so, dass die Arbeit für mich eben Vergnügen ist. Dass das insgesamt eine Sache ist und es für mich keinen Unterschied zwischen Arbeit und Leben gibt. Für mich ist das ein Erlebnis, wie wenn man ins Theater geht oder ‚nen tollen Kinofilm sieht oder so was. Es ist ja auch manchmal wie Live-Kino gewesen. Denn man ist ja Mitspieler, man ist selber mitten drin. Das ist die Faszination dabei. Das Gefühl hielt auch die ganze Zeit an, solange es voranging, solange immer irgendwas passiert ist. Wenn zum Beispiel die Fernsehteams zu uns gekommen sind. Das hat also allen unheimlich viel Spaß gemacht und die Stimmung verbessert. Die öffentliche Aufmerksamkeit, das war ja auch so mit das einzige .... oder eine der wenigen messbaren Erfolgs-'Zahlen', die wir hatten.
(Strahlt das auch auf alle anderen Mitarbeiter aus? Verlangt man von allen anderen dasselbe Engagement?)
Ja, also zu Anfang bestimmt. Da sind viele Leute auch am Wochenende gekommen, die von der Technik sowieso, und auch die Category-Manager. Das war aber nur 'ne relativ kurze Periode, ganz auf dem Höhepunkt, so ein, zwei Monate lang. Natürlich haben wir gehofft, dass wir durch unsere Anwesenheit die anderen mitreißen, dass die Leute länger bleiben, weil ich selbst viel da bin. Es gibt speziell das Gerücht, Informatiker würden auch ohne Gehalt arbeiten, aber sie hüten sich davor, ihrem Arbeitgeber das zu sagen (lacht).

Anrufung des venture capitalist

Spekulation, das ist ein Handel, durch den ein Mann sämtliche Umsätze an sich reißt und die Gewinne absahnt, ehe sie existieren; ein Verfahren, die Hoffnung planmäßig auszubeuten.

(Wie lang dauerte der Gründungsoptimismus an? Im März 2000 ist ja in Amerika der Gipfel der Kursentwicklung am ‚Neuen Markt' erreicht)
Ja, also da war die Hochphase im März/April. Ich hab' gerade bei mir eine alte E-Mail gefunden. Die hatte ich Ende Mai 2000 an die anderen Vorstände geschickt. So ein Memo, wo ich mal ein bisschen reflektiere und ein paar Sachen aufschreibe über die Strategie. Dort spreche ich bereits über zunehmende Skepsis gegenüber Internet-Unternehmen. Und mein letzter Satz ist: Wir sollten überlegen, ob man nicht jetzt versuchen sollte, die Firma schon in dieser Phase zu verkaufen. Das waren - das zeigt mir zumindest meine e-mail - erste Zweifel, die ich Ende Mai schon gehegt habe. Sie wurden genährt von diesen unausgegorenen Produktplänen. Wir hatten gar keine richtige Vorstellung davon, was wir machen wollten. Ich hab' dann plötzlich gemerkt, dass es eigentlich nie eine richtige Produktdefinition gegeben hat. Ständig wurde von mir verlangt, dass ich dieses Produkt entwickeln soll. Aber wir wussten gar nicht was! Und die haben alle so in einer Euphorie gelebt. Sie hatten auch sehr großes Vertrauen in mich: "Oh ja, der Techniker wird das schon machen. Der wird schon irgendwas entwickeln, was dann das ‚Special Internet' ist."
Auf mir lag dann plötzliche diese Last, die durch meine Skepsis immer größer wurde - auch weil die Business Angels dann doch genauer nachgefragt haben: "Was ist denn das nun? Ja, wo bleibt der Internet-Auftritt? Das wollen wir jetzt mal sehen ..." Die wollten jetzt - spätestens als wir im Mai das zweite Mal um Geld angefragt hatten - Genaueres wissen. Beim zweiten Mal haben wir dann gesagt: "Jetzt könnt ihr zusammen wieder 10 % kaufen. Dieses Mal ist es allerdings ein bisschen teurer. Die Firma ist jetzt 60 Millionen wert." Da fing es dann allerdings an, schwieriger zu werden, obwohl wir damals gerade ‚gelauncht' hatten: das Produkt stand nun als Portal im Internet, zum Anschauen und Anklicken. Es wurde trotzdem schwieriger. Wir hatten zwar diese tollen Businesspläne. Und nach denen steigt der Umsatz unaufhörlich, und wir erreichen den ‚break even' - also die schwarzen Zahlen - im Jahre 2003. Aber das sind in Wahrheit ganz furchtbar aus der Luft gegriffene Annahmen gewesen.
(Ende März begann dann der Abstieg vom Kursgipfel der New Economy. Hat Sie das sehr getroffen oder zu Reaktionen veranlasst?)
Nun, das fiel bei uns mit der zweiten Finanzierungsphase zusammen. Da fingen die Business Angels an zu fragen: "Wieviel habt Ihr schon gemacht?" Als die Investoren bei der zweiten Tranche kritisch nachgefragt haben, da haben wir fast täglich unseren Businessplan auf dem excel sheet geändert. Wir wussten, was unten in den Spalten als Umsatz und Gewinn drin stehen musste. Also haben wir zum Beispiel bei der Prognose über die Häufigkeit der Website-Kontakte einfach immer neue Zahlen hochgerechnet und abenteuerliche Wachstumsraten für die zukünftigen Werbeeinnahmen eingetragen. Man sagte sich eben: "Die Konkurrenz macht das auch so. Und die glauben uns." Und weil das nicht gereicht hat, haben wir aus Deutschland eben Europa gemacht.
(Ist diese zweite Finanzierungswelle noch erfolgreich gewesen?)
Da haben die Business-Angels kaum mehr mitgemacht. Ich glaube, nur noch drei dieser Leute haben noch etwas nachgeschossen, aber das war zu wenig. Deshalb haben wir eine Venture Capital-Firma hinzu genommen. Das wurde mir damals von den anderen Leuten, die bessere Ökonomen sind, so erläutert: Das sei sehr positiv, weil die eben über mehr Beziehungen verfügen, und es gelte für eine Firma auch als Nachweis der Seriosität. Wir haben dann viele Gespräche geführt. Das war aber schon sehr schwierig. Eigentlich hatten wir viel Glück, weil doch noch ein kleines, technologie-basiertes Haus in München zugesagt hat. Die waren irgendwie zu überzeugen. Wir haben behauptet: Die Firma ist etwa 50 Millionen wert. Und die haben dann 10 Prozent gekauft. Das brachte 5 Millionen in die Kasse. Wir waren damals ihr größtes Investment, sie hatten noch nie so viel Geld investiert und noch nie so wenig Prozente dafür bekommen. Aber dieser Mensch von der Venture Capital-Firma war ganz begeistert. Er war so happy und jedenfalls überzeugt, einen ganz tollen Coup gemacht zu haben. Das war so kurz vor der Jahresmitte 2000. Aber uns hätte es damals schon skeptisch machen müssen, dass andere Interessenten sehr viel vorsichtiger waren.

Auszug aus dem Casino

Die tugendhaftesten Kaufleute begehen mit größter Offenherzigkeit die größte Unredlichkeit: Man zieht sich, so gut man kann, aus einem schlechten Geschäft.

(Wo ist, im Rückblick gesehen, der Punkt, an dem Sie spürten, das ganze Unternehmen könnte schief gehen?)
Die großen Zweifel kamen eigentlich erst im Sommer 2000, als das Klima unheimlich schwierig wurde. Wir hatten nach wie vor nur diese Business-Angels, plus das neue Venture Capital. Mehr nicht. Und dann ging's eben nicht mehr weiter. Auf dem Papier war nun ja der Börsengang für 2002 geplant. Deshalb haben die anderen Gründer begonnen, zu anderen Investoren Kontakt aufzunehmen. Und dann merkten sie, es wird sehr, sehr schwierig. Man spürte, wie einige Leute, die man neu ansprach, immer reservierter wurden. Wir hatten mal einen Hoffnungsschimmer, Zusagen oder eben vermeintliche Zusagen. Unter anderem auch von einer großen Internetfirma, die sehr interessiert schien. Die haben dann unseren Laden auseinander genommen, sind also durch die Bücher und haben alles angeschaut - aber dann doch plötzlich abgesagt. Das passierte uns zwei, drei Mal, dass man sich gerade ein bisschen entspannte und dachte "Ach, jetzt geht's". Aber dann hat es immer doch nicht geklappt.
Kurz davor, im Mai, gab's noch eine Episode. Irgendwann sagte der P.: "Unser amerikanisches Vorbild für das Expertenmodell, die grasp-it.com, die geht nach England." Das war für uns, weil wir in unseren aufgemotzten Businessplänen Europa schon mit 'verkauft' haben, natürlich schlimm. Die kommen da jetzt plötzlich von Amerika auf den europäischen Kontinent. Dann haben wir uns entschlossen: Wir machen auch England! Das war ungefähr im Juni, als es schon kriselte. Wir dachten: Na ja, das ist dann vielleicht auch gut für unser Portal, da haben wir gleich noch ein zweites Land. Wir haben in England zwei Leute gefunden, sehr engagierte, sehr, sehr engagierte Leute. Der eine, der war vorher bei einer anderen Internetfirma in England Geschäftsführer. Wir haben dann in aller Schnelle ein Büro in London aufgemacht. Haben die ganze Technik umgestellt, dass man auch alles auf Englisch machen kann. Von denen aus England kam ein Hilfstechniker, der hat bei uns gelernt, und ich hab' für eine Woche einen unserer Techniker rüber geschickt. Und die in London haben Leute eingestellt, Category-Manager und auch externe Guides. Aber was heißt hier "eingestellt"? Denen haben wir Geld in Aussicht gestellt, sobald der Launch kommt. Und die haben dann Inhalte produziert, wie wild alles reingetippt. Zunächst einmal unbezahlt. Die beiden Londoner Leiter, die 'fest' gearbeitet haben, denen haben wir erst mal eine größere Summe für den Anfang gegeben, so ungefähr 100.000 Mark.
(Das Geld rinnt also dahin und es kommt kein neues nach. Wann schrillten endgültig die Alarmglocken?)
Wir hatten eine Projektion, wie lange unser Geld reicht. Uns war klar, wir haben etwas 50 Leute fest angestellt und ungefähr 40 mit Verträgen gebunden, das kann man einfach ausrechnen. Also wir hatten ein Datum. Wir wussten: Wenn wir einfach so weiter machen, haben wir an dem und dem Tag - irgendwann im August - kein Geld mehr. Das hieß also, im Juni müssten wir einen Investor haben, damit das klappt. Tja, dann wurde es Juli und wir mussten die Notbremse ziehen.
Als erstes haben wir die Marketing-Ausgaben ganz gestrichen. Der Marketingdirektor hat noch lange geweint, dass sie ihm sein Geld weggenommen haben. Das war ganz schlimm. Dann wurde in London das Büro zugemacht und die Leute entlassen - das geht in England wohl leichter. Und was mir dann immer weh getan hat, es kamen diese armen Londoner Guides, die haben da überhaupt nichts mitbekommen. Sie haben keinen Brief erhalten, weder von uns noch von England aus. Nicht einmal einen richtigen Abschied. Die haben also immer noch gehofft und dann in ihrer Verzweiflung e-mails an alle möglichen Adressen geschickt. Über Monate ging das noch, dass die Leute geschrieben haben, zum Teil ganz verzweifelt ...

Späte Beichte

Es gibt keine absolute Tugend, wohl aber Umstände.

(Wann war den Gründern klar, dass die Firma wirklich am Ende ist?)
Ende August. Da hatten wir ganz streng diesen Termin vor uns: Dann und dann ist das Geld alle. Ich weiß noch genau, ich war so hilflos und hab' mich - obgleich ich mich für einen besonnen Menschen halte - mit treiben lassen in der Geschäftsführung. Ich hab' dann im August, weil es so mies stand, den anderen Gründern als erster gesagt: "Ich will raus, ich will's nicht mehr machen." Und habe natürlich auch gesagt, ich gebe meine Anteile ab.
(Wann sagten Sie es der Belegschaft?)
Das war dann praktisch zur gleichen Zeit. Im August hieß es, dass wir keinen Neuen mehr einstellen. Da waren wir um die 90 Mitarbeiter, inklusive der Praktikanten. Wie chaotisch und unkoordiniert die Personalpolitik lief, habe ich erst nachher erfahren. So wurden noch Ende August Bewerbergespräche für das Merchandising geführt, das der Marketingtyp noch aufbauen wollte. Und ein Witz am Rande: Dasselbe Vorstandsmitglied hat noch im August für alle Mitarbeiter einen kollektiven Benutzervertrag mit einem Fitness-Studio abgeschlossen.
(Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter über die Lage informiert?)
Der Schock für die Belegschaft kam gleich Anfang September. Da haben wir ein großes Meeting einberufen. Alle saßen im Kreis. Die Stimmung werde ich nie vergessen. Für die meisten aus der Belegschaft kam alles völlig überraschend - sie haben es sicherlich anders erlebt als wir. Wir haben eröffnet, dass jetzt die Mittel erschöpft sind, dass („vielleicht, wahrscheinlich“) erst im November neue Fondsmittel zur Verfügung stünden, sofern Verhandlungen über die dritte Tranche günstig verlaufen. Und dann der Appell des Vorstands: „Sie sollten erst mal auf das Septembergehalt verzichten.“ Einer fragte: „Was ist mit denen, die sich das nicht leisten können?“ Unser Vorsitzender: "Die müssen dann gehen".
In allen Feldern - außer der Technik - haben wir dann angefangen, stark abzubauen. Wir waren immer noch ziemlich viele. Aber wir haben eigentlich nie aktiv oder ausdrücklich einen Entschluss gefasst, dass wir 10% entlassen oder so was.
(Aber dramatisch waren die Entscheidungen schon?)
Ja, ja. Wir haben Listen gehabt, und da haben wir eben gesagt: "Den brauchen wir dringend und den nicht." Dann haben wir zum Teil mit den Leuten Gespräche geführt. Natürlich steht immer die Drohung mit der Kündigung im Raum, in dem Sinne: "Also wenn du es nicht selbst machst, dann kündigen wir Dir."
(Kannten die Betroffenen in dieser Lage ihre Rechte und Pflichten? Ging es deshalb so 'glatt', weil es vorher so nett informell gewesen war?)
Ja. Also .... (lange Pause) es war sehr informell. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir sehr viele Studenten hatten und solche Leute. Die waren es gewohnt, nur mal 'ne Weile zu jobben. Die Freien Mitarbeiter haben wir sofort nach Hause geschickt. Bei vielen Category-Managern hatten wir zumeist Praktikantenverträge. Also das hab' ich eigentlich nie als so furchtbar empfunden. Das waren fast alles junge Leute, die hatten wir zum Teil aus dem Studium rausgeholt. Und, na ja, es ist vielleicht gut, wenn sie jetzt weiter studieren.

Kleine Bilanz

„Hat sie dir Geld geliehen?“ fragte Bixiou. Alle brachen in Gelächter aus.

(Was ist nach Ihrem Ausscheiden geschehen?)
Zur Abwendung des Konkurses haben die alten Eigentümer was.com an die notyet AG verkauft, das ist eine größere Internet-Aktiengesellschaft. Die wird zwar längerfristig finanziert, steht aber im Prinzip vor denselben Problemen. Der Verkaufserlös lag nicht bei den früher geplanten 60-90 Millionen, sondern bei einem einstelligen Betrag, noch unter dem Einstiegspreis der Business Angels.
(Wie sehen Sie im Rückblick die Interessen der Gründer, der Business Angels und des Venture Capital?)
Unsere Investoren waren alles reiche Leute – also ich fand es nicht richtig schlimm. Und die Venture Capital-Unternehmen hofften halt Geld zu machen – das ist ganz klar. Ich glaube, viele lebten in der Illusion, dass der Markt der Möglichkeiten sehr groß ist und sich noch ausweitet, dass es gar nicht genug Dotcom-Unternehmen geben kann. So nach dem Motto: „Es gibt ja auch Tausende, Zehntausende Supermärkte!“ Das konnte man sich schon einreden, das hatte eine gewisse Logik. Wobei natürlich die Kluft zwischen den Kursen und den Gewinnen immer größer wurde und es auch kritische Artikel gab. Aber das ist immer so leicht zu sagen im Nachhinein.
Für den Marketingchef war es eine riesige Katastrophe. Der ist sehr karrierebewusst – war vorher bei einer großen Firma in der Lifestyle-Branche Werbechef gewesen. Der sah uns als Sprungbrett. Und er ist der einzige, der darunter richtig gelitten hat: "Keine Success Story!", rief er, das sei ganz furchtbar für seinen Lebenslauf. Der war richtig fix und fertig. Da ging es um seine persönliche Karriere. Vor kurzem war er zu Besuch in der alten Firma. Er findet nichts Neues. Er will natürlich auch nicht absteigen. Aber kurzfristig mal was anderes zu machen fällt ihm nicht ein.
(Und die anderen?)
Die sehen das gelassener. Der Jurastudent will vielleicht weiterstudieren. Und die anderen sind ohnehin Selbständige oder kommen aus der Beraterbranche. Der Finanzvorstand hat inzwischen einen neuen Job und verdient ganz ausgezeichnet. Man sagt ja, dass allein diese Erfahrung schon was bringt in der Karriere. Ich habe sogar von einem Amerikaner gehört: Ich gebe nur Geld an Leute, die schon zweimal pleite gemacht haben (lacht).
(Denken Sie noch über die verlorenen Illusionen nach, über den Preis des Ganzen?)
Manchmal denke ich: Es ist ein großes Problem gewesen, dieses „zu viel, zu schnell und einfach zu wenig durchdacht“. Das widerspricht auch meinem Denken als Ingenieur. Da hab‘ ich sehr drunter gelitten, dass ich alles immer so schnell machen musste. Ich hab‘ es dann hinbekommen - eigentlich mochte ich das nicht.
Vielleicht gab es bei mir sogar ‘nen Punkt: „Ach, es ist endlich vorbei“ - dass ich auch ein bisschen dieses Ende ersehnt habe. Mir wurde jetzt gesagt, ich hätte die ersten grauen Haare bekommen, und ich merke im Nachhinein, dass ich noch nicht das Bedürfnis gehabt habe, eine neue Tätigkeit aufzunehmen. Bin wohl jemand, der Zeit braucht, um das zu verarbeiten. Aber ich denke noch oft an diese Tage, weil die Firma doch auch so‘ n bisschen mein Baby mit ist.

Nach dem Verkauf

Anfang 2001: Bei was.com, der neuen Tochter der notyet AG, herrscht ein neuer Ton. Nine-toFive-Stimmung macht sich breit. Die Restbelegschaft ist auf circa 30 geschrumpft.
März 2001: Die Personalreferentin wirkt noch am Wochenende an den Planungen der neuen Eigentümer mit. Am Montag lässt man ihr mitteilen, sie möge von sich aus kündigen. Der Versuch, einen Betriebsrat zu etablieren, scheitert, weil sich unter dem enormen Druck kein Kandidat für die Besetzung findet.
Mai 2001: was.com ist in neue Räume umgezogen. Von der Büromöbelkollektion werden nur die Eckstücke gekauft und platzsparend zusammengerückt: Arbeit wie in der Legebatterie.
September 2001: Der Kurs der notyet AG ist binnen eines Jahres von 250 auf 6 gefallen.
Januar 2002: Nach anhaltend großen Verlusten und ungenügenden Page Impressions geht was.com in der Firma notyet AG auf. An die verbliebenen Mitarbeiter erfolgt die Mitteilung: Das Berliner Büro wird geschlossen, der alte Firmenname was.com erlischt.


--------------------------------------------------------------------------------

* Einige Merkmale des realen Falles können nur verschlüsselt wiedergegeben werden. Das Gespräch führte Ulf Kadritzke, Professor für Soziologie an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin. Die Zitate am Beginn der einzelnen Abschnitte stammen aus den Novellen „César Birroteau“ (1837) und „Das Bankhaus Nucingen“ (1839) von Honoré de Balzac.
** Die Zitate am Beginn der einzelnen Abschnitte stammen aus den Novellen „César Birroteau“ (1837) und „Das Bankhaus Nucingen“ (1839) von Honoré de Balzac.

chinaman - Donnerstag, 26. September 2002 - 13:19
Adieu Neuer Markt, oder: radikal halbherzig – halbherzig radikal

Eine kritische Kurzbetrachtung der neuen Regelvorschläge für die deutsche Börse.

Die Deutsche Börse will den Aktienmarkt komplett umkrempeln, die Börse soll neu segmentiert werden, den Neuen Markt und den Smax wird es spätestens zum Jahresende 2003 nicht mehr geben.

Es soll der Big Bang werden, den die Deutsche Börse den Anlegern präsentiert. Die, die zuletzt in Scharen vor Bilanzskandalen, vermeintlichen Abzocken und massiven Kursverlusten geflüchtet sind, versucht man nun mit einer Börsenreform zurückzugewinnen. Die Änderungen im Regelwerk fußen auf den neuen Bestimmungen des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes.

Zukünftig wird es zwei Segmente geben: Den „Domestic Standard“ mit den gesetzlichen Mindeststandards an Publizitätspflichten, der sich vor allem an kleinere und inländisch orientierte Werte richtet. Dazu kommt der „Prime Standard“, der international übliche Standards setzt – die aber auch schon vom Neuen Markt bekannt sind: Unter anderem Quartalsberichte, laufende Berichterstattung in englischer Sprache, Analystenkonferenzen. Nichts wirklich neues also.

Die Indizes der Deutschen Börse sollen sich zukünftig nur noch aus Unternehmen speisen, die den „Prime Standard“ erfüllen. Die größten Unternehmen werden nach wie vor im Dax notiert, Small Caps und Mid Caps in Branchenindizes. Diese sollen in zwei Gruppen aufgeteilt werden: Klassische Branchen und Technologie und damit den bisherigen Index-Konzepten von Neuer Markt und Mdax/Sdax nahe kommen.

Was die Börse als große Erneuerung verkaufen will, ist nur zum Teil eine wirkliche Revolution gegen den Vertrauensverlust. Wirklich neue Maßstäbe werden nicht angesetzt. Der größte Fortschritt ist sicherlich, dass es zukünftig den Neuen Markt nicht mehr als privatrechtlich organisiertes Marktsegment geben wird, was nach Ansicht der Deutschen Börse das Vertrauen von Investoren stärken sollte. Doch wie die Regeln dann im Rahmen eines öffentlich-rechtlich organisierten Marktes durchgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Schärfere Regeln sind immer gut, doch müssen sie auch umgesetzt werden – erst das schafft Vertrauen. Und davon ist die deutsche Börse noch weit entfernt.

Dieser Kommentar wird Ihnen von 4investors präsentiert.

prof - Donnerstag, 26. September 2002 - 13:42
Da muss ich meinen Vergleichsindex umstellen. Eine sofortige Auflösung des NM mit Eintrittsmöglichkeiten in MDAX/SMAX wäre viel besser.
Prof

stw - Donnerstag, 26. September 2002 - 16:23
Möchte mich wohlbehalten aus dem Urlaub zurückmelden. Aber was muß ich da feststellen: wenn ich die aktuellen Kurse mit denen vor 14 Tagen vergleiche, dann fällt mir ja überhaupt nichts mehr ein... o weia !!!

Und jetzt wird sogar der Neue Markt offiziell zu Grabe getragen. Hätte ich nicht gedacht, dass die Dt. Börse da so schnell und fast schon panikhaft reagiert. Ziemlich schwaches Bild, das die Deutschen da mal wieder abgeben in der Welt.

:-) stw

prof - Donnerstag, 26. September 2002 - 16:31
Die Aufweichung des europaweiten Stabilitätsziel finde ich auch Höchstbedenklich.
Der Verteilungskampf in der EU wird mit der Reszession zunehmen. Die Eu könnte wirtschaftlich auseinanderbrechen.
Italien, Frankreich, Deutschland sind Riesenschlawiner ...

chinaman - Freitag, 27. September 2002 - 08:38
@ stw: Willkommen zu Hause ! Ich hoffe, Du hast Dich gut erholt ...

Ebenfalls bedenklich ist wohl auch, dass unsere liebe Bundesregierung schon wieder ganz eifrig an Aktionen feilt, die Sie am besten beherrscht: Das weitere Erhöhen von Steuern. Bis jetzt im Focus: Tabaksteuer, Mehrwertsteuer, Abschaffung Ehegattensplitting und Kürzung Kilometergeld, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann täglich um weitere Ideen abgehobener Politiker ergänzt werden !

:-((
Gruß
Chinaman

prof - Freitag, 27. September 2002 - 08:54
In mir wird das Feindbild des Staates wieder wach, welches ich zu DDR-Zeiten hatte.

Ich kann mit sowas umgehen, die kriegen wir auch noch klein ...

chinaman - Freitag, 27. September 2002 - 09:21
26.09.2002 - 17:22 Uhr
Kommentar: Das Todesurteil für den Neuen Markt ist gefällt
- von vwd Korrespondent Claus-Detlef Großmann -

Die Deutsche Börse AG hat mit einer länglichen Presseerklärung an diesem Donnerstag das Todesurteil über den Neuen Markt gefällt. Spätestens Ende 2003 soll das Segment aufgegeben werden. Damit kommt die Geschichte von Glanz und Qual dieses Markts an ihr Ende. Nach dem beispiellosen Aufstieg folgte ein nun zweieinhalb Jahre andauernder Niedergang, der den Nemax-50 von Ständen deutlich oberhalb von 9.000 Punkten bis auf kümmerliche 325 Stellen dahinschmelzen ließ.

Wer wurde nicht alles für diesen Kursverfall verantwortlich gemacht! Die kriminellen Machenschaften in diesem Segment hätten zu einem Vertrauensverlust geführt, hieß es, und die Banken hätten in ihrer Gier nach lukrativen IPO-Mandaten nicht börsenreife Unternehmen in das Segment eingeführt. Das alles ist richtig aber wohl nicht die eigentliche Wahrheit In letzter Instanz ist der Neue Markt schlichtweg der rapiden Verschlechterung der makroökonomischen Bedingungen für Technologiewerte zum Opfer gefallen.

Die Idee des Neuen Marktes selbst war die Ausgeburt einer Spekulationsblase, wie sie die Wirtschaftsgeschichte für neue Technologien in ihrer Einführungsphase immer wieder verzeichnen musste. An den Folgen des säkularen Booms, Überinvestitionskrise und Überschuldung, leidet der Technologiesektor heute weltweit. Schon seit längerer Zeit waren die Investoren daher nicht mehr bereit, eine Prämie auf Techstocks zu zahlen Damit hatte aber ein eigenständiges Technologiesegment seine Daseinsberechtigung verloren.

Noch sind die Börsenpläne nicht im Detail klar, doch sollen die Technologiebranchen im Mid- und Small-Cap-Bereich zu einer Gruppe zusammengefasst werden, auf die es auch Derivate geben dürfte. Entscheidende Voraussetzung für den Erfolg dieses Konzepts aber ist ein rasches Ende der Durststrecke für Techstocks. Zarte Hoffnungen knüpfen sich dabei an Anzeichen eines steigenden Handyabsatzes und an den überfälligen Ersatzzyklus für PCs. Solange es aber im Techbereich nicht vorwärts geht dürfte auch das zweite Leben des Neuen Markts nicht sonderlich erfolgreich verlaufen. Da kann die Deutsche Börse machen, was sie will.
vwd/26.9.2002/cg/jhe/reh

chinaman - Freitag, 27. September 2002 - 10:41
Aus der FTD vom 27.9.2002
Börse beerdigt den Neuen Markt
Von Ina Bauer, Frankfurt

Die Deutsche Börse baut den Aktienmarkt radikal um und schließt dabei die Segmente Neuer Markt und Smax. Mit dieser überraschend drastischen Entscheidung reagierte die Börse am Donnerstag auf den Kursverfall und den völligen Vertrauensverlust am Neuen Markt, der vor fünfeinhalb Jahren als Börsensegment für Wachstumsunternehmen gestartet war.

Das Abenteuer des Kleinstwertesegments Smax währte weniger als dreieinhalb Jahre. Mit dem Neuanfang will die Börse Vertrauen zurückgewinnen, das vor allem durch zahlreiche Skandale bei Firmen am Neuen Markt zerrüttet ist. Ab Anfang 2003 soll der deutsche Aktienmarkt dazu in zwei neue Segmente geteilt werden, die "Prime Standard" und "Domestic Standard" heißen sollen. Die Indizes sollen neu geordnet werden, wovon der Dax aber ausgenommen bleibt.

Neuer Markt und Smax sollen nach einer Übergangsfrist spätestens Ende 2003 geschlossen werden. Die Börse spricht damit eine einseitige Kündigung einer privatrechtlichen Vereinbarung mit den im Neuen Markt und Smax notierten Unternehmen aus. Im Gegensatz zu einigen Rechtsexperten erwartet sie aber keine juristischen Probleme.


Höhere Transparenz


Mit der Zweiteilung des Aktienmarktes will die Börse mit "Prime Standard" ein Qualitätssegment schaffen, das Investoren höhere Transparenz bieten und den Unternehmen den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt ermöglichen soll. Derzeit erfüllen nach Angaben der Börse rund 600 Unternehmen diese Anforderungen. Die restlichen 170 Aktiengesellschaften werden vermutlich dem Domestic Standard zugeteilt. Für dieses Segment sollen die gesetzlichen Mindestanforderungen gelten. Die rechtliche Grundlage für den Kurswechsel der Börse wurde durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz geschaffen, das am 1. Juli in Kraft getreten ist. Vorher hatte die Börse versucht, mehr Transparenz über den Umweg privatrechtlicher Verträge und Indexkriterien durchzusetzen. Auf Grundlage des neues Gesetzes können Verstöße gegen das Regelwerk nun schärfer geahndet werden.


Pläne der Börse für ein Qualitätssegment waren bereits Mitte Mai bekannt geworden. Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Details und vor allem des Endes des Neuen Marktes kam am Donnerstag aber überraschend. Denn der Börsenrat soll erst am 16. Oktober im Grundsatz über die Zweiteilung entscheiden. Konkurrenzbörsen, Marktteilnehmer und die betroffenen Unternehmen reagierten am Donnerstag sehr unterschiedlich. Die London Stock Exchange, Euronext und die Nasdaq Europe hoffen auf Firmen, die von der Deutschen Börse abwandern. Nasdaq-Europe-Vorstand Jörg Franke, Ex-Vorstand der Deutschen Börse, sagte: "Natürlich waren die Probleme des Neuen Marktes ein Thema im Vorstand und Aufsichtsrat. Die Marktteilnehmer haben Veränderungen, die sie wollten, an die Börse herangetragen."


Neuanfang


Kurt Ochner, als ehemaliger Star unter den Managern von Neuer-Markt-Fonds ein Profiteur der Börsenblase, spricht von einem Neuanfang. Fondsmanager wie Jochen Matthee von Invesco, die sich mit Wachstumswerten und Small Caps noch ihr Geld verdienen, begrüßen die Auflösung des Neuen Marktes. Es sei gut, dass der Staat nun die Rolle des Schiedsrichters übernehme.


Einige von der FTD befragte Dax-Unternehmen taten die Neuordnung als Problem des Neuen Marktes ab. Autohersteller BMW geht davon aus, die Kriterien für eine Aufnahme in Prime Standard zu erfüllen. Konkurrent Porsche bleibt dickköpfig. Da der Sportwagenhersteller sich weigert, Quartalsberichte zu veröffentlichen, dürfte er im Domestic-Standard-Segment landen. Das Nemax-50-Unternehmen Singulus meldete bereits die Zusage für das Prime-Segment. Singulus hatte sich mehrfach für härtere Börsenregeln eingesetzt.


--------------------------------------------------------------------------------


Aufstieg und Fall


Start Mobilcom und der Ingenieurdienstleister Bertrandt wurden am 10. März 1997 als erste Firmen am Neuen Markt notiert.


Wende An seinem dritten Geburtstag erreichte der Nemax 50 seinen Höchststand bei 9665 Punkten. Am Donnerstag schloss der Index bei gerade noch 367 Zählern.



© 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration: FTD

chinaman - Donnerstag, 31. Oktober 2002 - 12:38
W I R T S C H A F T
Spiegel online

„TecDax“ löst Neuen Markt ab

F rüher als bisher erwartet wird ein neues Indexsystem die Stimmung am deutschen Aktienmarkt messen. Der Neue-Markt-Index Nemax 50 wird bereits am 24. März 2003 vom TecDAX abgelöst, in dem nur noch dreißig Technologie-Unternehmen enthalten sind, wie die Deutsche Börse AG am Donnerstag im Frankfurt am Main mitteilte.

Im Rahmen der Neustrukturierung soll der Nachfolger des Nemax 50 wie zuvor von Experten gefordert nur 30 Unternehmen umfassen. Zudem werde der bisherige MDax-Index von derzeit 70 auf 50 Werte verkleinert.

Die 30 größten börsennotierten Unternehmen sollen weiterhin im Deutschen Aktienindex Dax zusammengefasst werden. Der SMax für kleinere Werte werde weiterhin 50 Unternehmen umfassen. Bis Ende 2004 werde der Nemax 50 weiter berechnet. Die neuen Indizes sollen am 24. März 2003 starten, die neue Börsenregeln sollen ab dem 1. Januar 2003 gelten.

Ab Anfang 2003 wird zwischen zwei Transparenzstandards unterschieden. Im General Standard werden die Anforderungen gelten, welche die deutschen Gesetzen vorschreiben. Im so genannten Prime Standard kommen „international übliche Transparenzanforderungen“ hinzu wie Quartalsberichte, Rechnungslegung nach einem internationalen Standard (IAS oder US-GAAP), Vorlage eines Unternehmenskalenders, mindestens eine Analystenkonferenz pro Jahr sowie Ad-hoc-Mitteilungen zusätzlich in englischer Sprache.

In die Auswahlindizes werden nur Unternehmen aufgenommen, welche die erhöhten Transparenzanforderungen des Prime-Standard-Segments erfüllen. Für die Unternehmen im Prime Standard wird es durchgehend insgesamt 18 Branchenindizes sowie einen Prime All-Share-Index geben. Über alle Segmente übergreifend wird der CDax alle deutsche Werte im Prime Standard und General Standard erfassen.

31.10.02, 10:57 Uhr

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: NEMAX
Eine Nachricht hinzufügen

Benutzername:   Dies ist ein privater Board-Bereich. Bitte geben Sie Ihre ID und Ihr Passwort an.
Passwort: