Eine Einführung in die Portfolio Selection Theory

Einleitung

Heute gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Anlageformen. Neben den klassischen Geldanlage-Instrumenten Sparbuch, Sparbrief und den festverzinslichen Wertpapieren haben sich in den letzten Jahren in Deutschland auch Aktien, Investmentfonds, Optionsscheine und Zertifikate bei einem breiten Publikum durchgesetzt.

All diese Anlageformen unterschieden sich jedoch zum Teil sehr erheblich, was die Rendite, die Sicherheit und die Verfügbarkeit angeht.

Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten "magischen Dreieck" der Geldanlage:

Sicherheit

Verfügbarkeit

Rendite

Eine gleichzeitige Maximierung aller drei Größen ist bei keiner Anlageform möglich. Prinzipiell gilt: je höher die Verfügbarkeit einer Anlageform bzw. je höher die Sicherheit einer Anlageform, um so niedriger ist leider auch die dabei zu erwartende Rendite.

Dieses "Dilemma" ist aber keineswegs ein Problem der Neuzeit: Bereits 1738 formulierte der schweizer Mathematiker Daniel Bernoulli in seinem "Versuch einer neuen Theorie der Wertbestimmung von Glücksfällen" das sogenannte Bernoulli-Prinzip: "Wähle diejenige Handlungsalternative, für die der Erwartungswert des Risikonutzens sein Maximum erreicht!"

Erwartungswert, Risiko und Nutzen sind auch Begriffe, mit denen sich Harry M. Markowitz in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts intensiv beschäftigt hat: mit seiner Portfolio Selection Theory hat er die Grundlage für eine neue Forschungsdisziplin geschaffen, die sich mit der Anwendung mathematisch-statistischer Prinzipen zur Depot-Optimierung beschäftigt. Markowitz gelang es, den wissenschaftlichen Nachweis über die positive Auswirkung von Diversifikation, d.h. die Streuung der angelegten Gelder über mehrere Anlageobjekte, auf das Risiko des Gesamtportfolios zu erbringen. Dies ist eine Grundregel die heute jeder Investor und Anlageberater als selbstverständlich erachtet. 1990 erhielt Markowitz für seine Forschung auf dem Gebiet der Investmenttheorie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. 

Die Portfolio-Theorie wurde später immer weiter entwickelt und verfeinert, z.B. in Form des Single-Index-Modells, des Capital-Asset-Pricing oder des Arbitrage-Pricing.

Ziel dieser Einführung in die Portfolio Selection Theory ist es, die grundlegenden Prinzipien, Methoden und Anwendungsmöglichkeiten in 10 Kapiteln anschaulich und praxisnah darzustellen, ohne dass man hierzu ein Mathematik- oder Ökonomie-Studium absolviert haben muss. Die Kenntnisse der  Grundrechenarten sowie einige Grundlagenkenntnisse über die wichtigsten  Geldanlageinstrumente (insbesondere Aktien) reichen vollkommen aus. Diese Einführung hat insbesondere nicht den Anspruch eine wissenschaftliche Arbeit zu sein: sie ist in erster Linie für interessierte Privatanleger gedacht.

Natürlich kann man so nur an der Oberfläche dieses hochkomplexen und spannenden Wissenschaftsgebiets bleiben, aber wenn es gelingt, Lust auf "mehr" zu machen, hat diese Einführung Ihren Zweck erfüllt. Zum Schluss werden daher noch einige Literaturtipps gegeben, für diejenigen, die vertieft in dieses Thema einsteigen möchten. 

In den folgenden Ausführungen werden nun die Grundbegriffe und möglichen Anwendungsgebiete der mathematisch-statistischen Depotoptimierung dargestellt. Dabei beschränken wir uns in erster Linie auf Geldanlagen in Aktien, jedoch gelten die Aussagen sinngemäß auch für jede andere Anlageform.

Noch ein Wort zu den Begrifflichkeiten: Oft wird die Portfolio Selection Theory mit Technischer (Chart-)Analyse, Charttechnik, Technischen Indikatoren etc. gleichgesetzt bzw. diesen zugeordnet. Leider werden diese "Vokabeln" nicht immer sehr präzise verwendet. Es haben sich jedoch in der Fachliteratur folgende Festlegungen durchgesetzt:

Technische Analyse, versucht auf Basis von historischen Kursdaten Erkenntnisse über künftige Kursentwicklungen zu gewinnen. Zu dieser Disziplin gehören die Chartanalyse (oder auch Charttechnik) und die Indikatorenanlyse (oder auch Indikatorentechnik). Für den Charttechniker ist der Chart, als graphische oder visuelle Darstellung der Kurse primäres Werkzeug, mit dem er versucht, subjektiv bzw. interpretativ Kursverläufe zu prognostizieren. Der Indikatorentechniker hingegen, beschäftigt sich mit mathematisch-statistischen Analysen des vorliegenden Kursdatenmaterials. Er berechnet sogenannte Indikatoren, die objektiv und eindeutig interpretierbar sind.

Eine relativ junge Forschungsrichtung ist die Quantitative Analyse, die versucht, mathematisch-technische Analyse (also Indikatorenanalyse) und Fundamentalanalyse miteinander zu verbinden. Wichtigste Vertreter dieser Disziplinen sind James P. O'Shaughnessy und Harry M. Markowitz, dessen Theorie in dieser "Einführung in die Portfolio Selction Theory" nun einmal näher erläutert wird.

Betrachten wir hierzu beispielsweise die Kursverläufe der folgenden 3 Aktien (Werte sind fiktive Beispielzahlen):

 

Aktie A

Aktie B

Aktie C

1996

62,- EUR

41,- EUR

23,- EUR

1997

66,- EUR

49,- EUR

30,- EUR

1998

74,- EUR

45,- EUR

29,- EUR

1999

78,- EUR

53,- EUR

32,- EUR

2000

70,- EUR

52,- EUR

37,- EUR

Auf den ersten Blick gibt diese Tabelle keinen Aufschluss über die Erfolgschancen und Risiken einer Geldanlage in einer der drei Aktien. Stellen wir daher die Kursverläufe in einem Diagramm (oder auch Chart) dar:

Kann nun ohne weitere "Rechenarbeit" eine Entscheidung getroffen werden, welche dieser drei Aktien "die beste" Geldanlage wäre? In welchem Verhältnis sollten die Aktien in einem Depot vorhanden sein oder ist es gar sinnvoll, den gesamten Anlagebetrag ausschließlich in eine einzige der drei Aktie zu investieren? Kann ein Investment in eine der drei Aktien sogar gänzlich ausgeschlossen werden? 

Wir wollen versuchen, diese Fragen mit Hilfe des Instrumentariums der Portfolio-Theorie zu erklären. 

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