Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: demografische Wirtschaftsfaktoren
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Archivierte Beiträge bis 25. Februar 2004 20    3.6. - 08:50

prof - Mittwoch, 25. Februar 2004 - 15:08
@mib: Vor allem solltest du daran denken, dass du mit einem eigenen Haus ortsgebunden bist.
Falls du das Teil einmal verkaufen oder vermieten willst, hast du ein Problem.
Prof

chinaman - Donnerstag, 26. Februar 2004 - 08:41
"in USA werden im Prinzip alle geerbten Immobilien nach dem Verkehrswert besteuert "

Na ja, hier nennt man das halt Einheitswert. Die Verkehrswerte passen sich den Einheitswerten immer besser nach unten an ;-)). Die Unterschiede werden also von alleine kleiner ... Dazu kommen halt die Freibeträge, gibts die den in den USA nicht ?

Wenn es wirklich zur vollen Besteuerung der Verkehrswerte kommen sollte, stellt sich natürlich die Frage der praktischen Ermittlung. Wie ist dies in den USA gelöst ?

Die Immobilien wären dann gleichgestellt mit Geldvermögen, aber auch nicht schlechter gestellt, vorausgesetzt es kann tatsächlich ein fairer Verkehrswert festgestellt werden ...


:-)
Gruß
Chinaman

chinaman - Donnerstag, 3. Juni 2004 - 08:50
Immobilienpreise sinken, aber keiner kauft
Mangels Finanzierungsmöglichkeit der privaten Anleger kommt kein Nachfrageschub zustande
Berlin - Was Immobilien-Verkäufer wenig freut, macht den Käufern Laune: Ihnen bescheren die aktuellen Kaufpreise die höchsten Renditen seit zehn Jahren. Folgt man der Kaufpreisübersicht für Immobilien-Investments der DB Immobilien, dann stehen die Kaufpreisfaktoren auf einem Zehnjahres-Tief. Ein Nachfrageschub wird aber dennoch nicht ausgelöst.


1995 sah alles noch ganz anders aus. Seinerzeit mussten für Investment-Objekte in Spitzenlagen Kaufpreise in Höhe der zwanzigfachen Jahresmiete gezahlt werden. Dagegen werden heute laut DB Immobilien auch in den Top-Lagen der Bürohochburgen kaum Kaufpreise über dem 18-fachen der Jahresmiete realisiert. Das deprimierende an der Untersuchung der DB-Immobilien: Es gibt für Verkäufer keine Nische mit positiven Vorzeichen; weder die Unterscheidung der Objektarten, noch die Lage zeigt eine erfreulichere Tendenz.


Was das auf der anderen Seite für Käufer bedeutet, berechnet DB Immobilien so: Die Durchschnittspreise im Immobilien-Investment-Markt werden bis zum Jahr 2002 mit rund 15 Jahresmieten angesetzt. Bei einem pauschalen Bewirtschaftungskosten-Ansatz von 20 Prozent stand unter dem Strich eine Netto-Rendite von etwa 5,3 Prozent. 2003 kam dann der Einbruch: Der Kaufpreisvervielfältiger sank auf 14,2 - und das bei gleichzeitig rückläufigen Büromieten. Zum zweiten Quartal dieses Jahres gaben die Preise erneut nach, wenn auch mit verminderter Geschwindigkeit. Aus den statistischen 13,7 Jahresmieten, die ein Investment-Objekt jetzt kostet, ergeben sich - ebenfalls rein rechnerisch - 5,8 Prozent Rendite.


Ob sich der Preis-Trend der ersten Monate weiter fortsetzt, mögen auch die DB Immobilien-Auguren nicht vorhersagen. Aber zumindest in den ostdeutschen Städten scheint ihnen ein weiterer Rückgang des Kaufpreis-Faktors "kaum noch vorstellbar". Die Beispielrechnung: Bei einer Jahresmiete von 72 Euro/qm für ein Büro in Dresden und einem Multiplikator von zwölf für eine "2er-Lage" sind selbst die reinen Herstellungskosten dieses Bürohauses nicht mehr zu decken.


Solch ein Kaufpreiseinbruch müsste nach den Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft eigentlich das Angebot verknappen und die Nachfrage beflügeln. Laut DB Immobilien stimmt nur ersteres: Private Verkäufer als größte Anbietergruppe auf dem deutschen Markt halten sich zurück und warten auf bessere Zeiten; auf den Markt drängen lediglich Altbestände institutioneller Anbieter. Dagegen kommt die Nachfrage überhaupt nicht in Schwung. Dazu die Untersuchung: "Mangels Finanzierungsmöglichkeit (restriktive Kreditvergabe der Banken) und ungenügender Eigenkapitalausstattung der privaten Anleger kommt derzeit kein Nachfrageschub zustande, der Preise stabilisieren oder gar anheben könnte." Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt bekommt mithin eine miserable Beurteilung: zu knappes Angebot an Qualitätsimmobilien, flügellahme Nachfrage. Diese Situation lässt selbst die eherne Anlegermaxime "Lage, Lage, Lage" ins wanken geraten.


Heute heißt es "Mieter, Mieter, Mieter". Denn was nützt es einem Investor, wenn er in einer Top-Lage hohe Mieten aufruft, aber 30 bis 40 Prozent Leerstand verkraften muss? Damit geht die Renditekalkulation den Bach hinunter, und die Flächen sind nur zu stark reduzierten Mieten zu füllen. Auf diese Weise demontieren sich in Krisenzeiten Spitzenlagen von allein. Die DB Immobilien-Untersuchung meint die Investoren-Wünsche genau zu kennen: "Vollvermietung, bonitätsstarke Mieter, mittel- bis langfristige Verträge, Risikostreuung durch guten Mietermix zeichnen heute ein Spitzenobjekt aus."


Das Fazit aus der Studie liegt eigentlich auf der Hand: Die Zeit zum Kaufen ist optimal. DB Immobilien setzt auf mittlere Lagen in den Investmentzentren, aber auch auf mittelgroße Standorte, wo die Mietschwankungen kleiner und die Mietsicherheit höher sind als in den Spitzenlagen. IM


Artikel erschienen am 3. Juni 2004
Die Welt

buylowsellhigh - Donnerstag, 3. Juni 2004 - 10:13
Bei nur 6% Rendite ist es doch kein Wunder das niemand Immobilien kauft.Ist da überhaupt die Abschreibung/Reparaturen mit eingerechnet? Mit größeren Wertzuwächsen ist doch auch nicht zu rechnen.Ein halbwegs fairer Preis wären m.E. höchstens 10 Jahresmieten.

stw - Donnerstag, 3. Juni 2004 - 10:44
Ich erlebe den Markt für Immobilien gerade am eigenen Leib, da ich eine 3-Zimmer-ETW verkaufen möchte. Vor 8 Jahren gemäß einem Wertgutachten zu fairem Preis gekauft, bringe ich die momentan nicht los zum vernünftigen Preis. ICh hab die Nase voll von Immobilien, das neue Domizil ist jedenfalls gemietet.

:-) stw

chinaman - Donnerstag, 3. Juni 2004 - 13:34
"Ist da überhaupt die Abschreibung/Reparaturen mit eingerechnet? "

Ja, die sind Bestandteil des "pauschalen Bewirtschaftungskosten-Ansatz von 20 Prozent".

Das "Problem" ist die erwartete Preisentwicklung. In den 90er hat jeder trotz niedriger Rendite gekauft, weil er die steigenden Preise linear gedanklich fortgeschrieben hat. Heute schreibt jeder stagnierende oder gar fallende Preise gedanklich fort und denkt an die demographische Entwicklung ...

Allerdings sind dementsprechend die Neubauaktivitäten dramatisch eingebrochen und die Anzahl der Haushalte steigt (noch). Ob es vielleicht gar mal wieder (vorübergehend) Wohnungsknappheit in Ballungsgebieten gibt ?


:-)
Gruß
Chinaman

chinaman - Donnerstag, 10. Juni 2004 - 06:31
Das Eigenheim hat wenig Zukunft
Studie: Zahl der Neubauten wird zurückgehen - Häuser in ländlichen Regionen in 20 Jahren fast unverkäuflich
Berlin - Einfamilienhäuser drohen in weiten Teilen Deutschlands zum Auslaufmodell zu werden. Nach einer Studie der Vereins- und Westbank wird die Zahl der Neubauten in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen. Ursache ist die demografische Entwicklung.


Bis 2050 wird die Einwohnerzahl Deutschlands nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes von derzeit 82,5 Millionen auf nur noch 75 Mio. sinken. Gleichzeitig wird der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich zunehmen. Den Berechnungen zufolge wird in 45 Jahren die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre sein. Ein Drittel der Einwohner werden gar ihren 60. Geburtstag bereits gefeiert haben.


"Bereits lange zuvor wird sich jedoch der Rückgang bei der Altersgruppe der 30- bis 40jährigen, den traditionellen Erwerbern von Einfamilienhäusern, deutlich am Markt bemerkbar machen", prognostiziert Ulf Teubel, Volkswirt der Vereins- und Westbank und Autor der Studie. In den kommenden Jahren werde zunächst der Vorzieheffekt aus der Diskussion um die Streichung der Eigenheimzulage dafür sorgen, dass die Zahl der Neubauten zurückgeht. Um die staatliche Subvention noch in vollem Umfang mitnehmen zu können, hatten sich zahlreiche Familien im vergangenen Jahr noch kurzfristig zum Bau eines eigenen Heims entschlossen. Bundesweit war es dadurch zu einem Anstieg der Baugenehmigungen um zwölf Prozent gekommen. "Damit ist das Nachfragepotenzial für die nächsten Jahre zu einem erheblichen Teil ausgeschöpft", meint Teubel.


Dass sich die Situation danach erholt, sei nicht zu erwarten. Noch schneller als der Anteil der 30- bis 40jährigen an der Gesamtbevölkerung zurückgeht, sinkt die Bereitschaft zur Eheschließung. Teubel: "Singles erwerben kein Eigenheim." Hinzu kommen der ansteigende Ölpreis und die reduzierte Fahrtkostenpauschale. "Für Pendler wird es immer teurer, vom eigenen Heim im Umland zum Arbeitsplatz in der Stadt zu gelangen", argumentiert der Volkswirt. Angesichts der kontinuierlich steigenden Nachfrage nach Rohöl in China und Indien sei nicht zu erwarten, dass die Kraftstoffpreise wieder fallen werden. Unterstützt wird Teubel in dieser Ansicht durch diverse Studien. Barclays Capital etwa geht davon aus, dass der Ölpreis weiter zulegen wird. Lehmann Brothers hält in kommenden Jahren sogar Notierungen von 50 US-Dollar pro Fass für "nicht unwahrscheinlich" - was einer Preissteigerung von 25 Prozent entsprechen würde.


Dies werde nicht nur dazu führen, dass Eigenheime in ländlichen Regionen immer weniger gefragt sind. "Mehr und mehr Menschen werden auch vom Haus auf dem Land wieder in eine Wohnung in der Stadt zurückkehren", meint der Volkswirt. Vorreiter des künftigen Trends werden die Senioren sein. Teubel: "Ältere Menschen finden in der Stadt die bessere medizinische Versorgung, ein breiter gefächertes kulturelles Angebot und sind zudem von den Mühen der Gartenarbeit befreit."


Sobald die Landflucht in größerem Umfang einsetze, könnte sich ein Teufelskreis entwickeln, fürchtet der Analyst. "Je weniger Menschen in den Dörfern wohnen desto höhere Beiträge werden sie für die Strom- und Wasserversorgung, für die Müllabfuhr und die Abwasserentsorgung zahlen müssen." Denn die Grundkosten für die Unterhaltung der kommunalen Infrastruktur bleiben gleich, unabhängig von der Anzahl der Nutzer. Es könnte sogar zu einem Kostenanstieg kommen, weil Rückbauten in den Versorgungsnetzen nötig werden, um zu verhindern, dass Trinkwasser in nicht mehr benötigten Leitungen verkeimt und Abwasser aus maroden Rohren sickert. Die steigenden Gebühren dürften noch mehr Menschen veranlassen, in die Städte zu ziehen, was wiederum zu höheren Beiträgen für die verbleibende Bevölkerung führt.


Aussterbende Dörfer, in denen nur noch wenige Häuser bewohnt sind, prägen bereits heute zahlreiche ländliche Regionen Ostdeutschlands. "Ähnlich Bilder könnte es ab 2030 auch in Regionen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins geben", fürchtet Teubel. Wer mit dem Gedanken spielt, ein Haus auf dem Land zu erwerben, müsse damit rechnen, dass die Immobilie in 20 Jahren an Wert verloren haben wird - oder gar unverkäuflich ist. hai


Artikel erschienen am 10. Juni 2004
Die Welt

prof - Freitag, 11. Juni 2004 - 10:11
Ich sehe ähnliche Probleme im Eigenheim-Bereich. Man muss das Ding abstoßen, sobald die Kinder aus dem Haus sind. Dann lohnt sich eher die Parterre-Mietwohnung. Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt die emotionale Bindung an ein Haus oft schon zu groß.
Prof

chinaman - Montag, 14. Juni 2004 - 09:45
Düstere Aussichten bei Anlage-Immobilien
Experten prognostizieren schwindende Wertentwicklung - Entscheidend ist der Standort
Hamburg - Immobilien eignen sich nur noch bedingt als Investment zur Altersversorgung. Angesichts sinkender Preise und stagnierender Mieten sollten Anleger nach Ansicht von Experten genau überlegen, ob und vor allem wo sie investieren.


"Die jährlichen Wertsteigerungen aus der Vergangenheit von rund drei Prozent lassen sich nicht mehr auf die Zukunft übertragen und sind vielfach nicht mehr realisierbar", sagt Tobias Just, Immobilienexperte der Deutschen Bank Research. Bei der Auswahl geeigneter Anlage-Immobilien wird der Standort immer wichtiger.


Je attraktiver er ist, desto besser ist die zu erwartende Wertsteigerung. Das gilt vor allem für Großstädte wie Hamburg, München, Düsseldorf und Stuttgart sowie die Rhein-Main-Region, wie Just sagt. Verlierer seien Nord- und Ostdeutschland, mit Ausnahme von Dresden, Leipzig und der Region um Jena. Gerade in wirtschaftlich schwachen Regionen müssten Immobilien-Anleger mit rapiden Werteinbußen bis hin zum Totalverlust rechnen.


Nach Angaben des Analysehauses Feri können Immobilienbesitzer bis 2020 in Schnitt nur noch mit einem Wertzuwachs von jährlich 0,5 Prozent rechnen, zugleich würden die Mieteinnahmen bei Wohnungen in den meisten Städten sinken.


Lediglich bei Einfamilienhäusern an überdurchschnittlichen Standorten wie München, Frankfurt/Main, Köln oder Hamburg seien von 2005 bis 2020 jährliche Wertsteigerungen zwischen 2,9 Prozent und 3,4 Prozent zu erwarten. Bei Eigentumswohnungen sind es hier zwischen 2,6 und 3,2 Prozent.


Wichtiges Kriterium für den Immobilienmarkt ist die demografische Entwicklung in Deutschland. Nach einer Studie der Deutschen Bank wird die Bevölkerungszahl ab 2012 zwar zurückgehen, allerdings wird die Nachfrage nach Wohnflächen bis 2030 noch zunehmen.


"Grund dafür ist, dass durch die große Zahl Älterer die Zahl der Haushalte wächst", sagt Just. Nach 2030 sei dann allerdings ein deutlicher Rückgang bei der Nachfrage nach Wohnimmobilien zu erwarten.


Die Entwicklung der Wohnungsmärkte wird künftig sehr unterschiedlich sein. "Wichtig für den Standort ist, dass er wirtschaftlich gut da steht, es eine geringe Arbeitslosenquote und wenig Abwanderung gibt", sagt Feri-Experte Thorsten Schilling. Überall dort, wo das der Fall sei, stünden die Chancen auf eine Wertsteigerung gut.


Das bestätigt auch Jörg Sahr vom Magazin "Finanztest" der Stiftung Warentest. "In wirtschaftlich aufsteigenden Regionen bleiben Immobilien ein risikoarmes Investment." Allerdings seien sie nicht für jeden geeignet und eigneten sich nicht als Basisanlage. "Wer als Kleinanleger beispielsweise über 20 Prozent Eigenkapital verfügt und 100.000 Euro finanzieren muss, der sollte sich ein anderes Investment suchen", betont Sahr.


Die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser sanken nach Berechnungen des Münchner Analysehauses Bulwien 2003 im Bundesschnitt um rund ein Prozent. Dennoch bleiben Immobilien für die Deutschen höchst attraktiv. 77 Prozent sehen sie nach einer Infratest-Umfrage langfristig als sichere Altersvorsorge an, bei der Lebensversicherung glaubt das hingegen nur jeder Dritte, und auf die gesetzliche Rente vertrauen gerade einmal 15 Prozent. AP


Artikel erschienen am 14. Juni 2004
Die Welt

chinaman - Mittwoch, 23. Juni 2004 - 08:03
Düstere Zukunft für Bürobauten auf dem flachen Land
Durch den Bevölkerungsrückgang fehlen ab 2015 Arbeitskräfte - Unternehmen müssen Standorte in Metropolregionen verlagern
Berlin - Büro- und Einzelhandelsimmobilien in ländlichen Regionen werden von 2015 an kaum noch vermietbar sein, warnt Harald Michel, Geschäftsführer des Instituts für angewandte Demographie: "Durch die starke Abwanderung junger Menschen in die Metropolregionen werden in Klein- und Mittelstädten bald die Arbeitskräfte und die Kaufkraft fehlen."


Jene Unternehmen, die jetzt noch in Klein- und Mittelstädten im ländlichen Raum angesiedelt sind, würden bald gezwungen sein, ihre Standorte in die Metropolregionen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München, Stuttgart und den Rhein-Main-Neckar-Raum zu verlegen. "Schon in wenigen Jahren werden nur noch dort junge qualifizierte Arbeitskräfte zu finden sein", sagt Michel. Spätestens vom Jahr 2015 an könnten weder kleine noch große Betriebe darauf hoffen, neu einzustellende Mitarbeiter in ländliche Regionen locken zu können. "In zehn Jahren werden doppelt so viele Menschen in Rente gehen, wie Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt kommen", zitiert Michel aus demografischen Untersuchungen des Instituts: "Nicht mehr die Erwerbslosigkeit wird dann das Thema sein, sondern die Suche nach Arbeitskräften."


Die produzierende und verarbeitende Industrie verschärft derzeit durch die Auslagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer die Probleme von morgen. Jüngere Leute, die heute die einstigen Industriestandorte verlassen, um in Metropolregionen Arbeit zu finden, werden in zehn Jahren kaum gewillt sein, in "heruntergekommene Orte bar jeder nennbaren Infrastruktur zu ziehen", prognostiziert der Institutsleiter. Während in den Neuen Bundesländern der Bevölkerungsrückgang um jährlich 120 000 Menschen augenfällig ist, werde oft übersehen, dass auch große Teile des Ruhrgebiets, Bremerhaven, die Region Peine-Salzgitter, das südliche Niedersachsen, Nordhessen, Oberfranken und der Bayrische Wald kontinuierlich junge Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren verlieren.


Für Unternehmen, die abseits der Metropolregionen überwiegend Frauen in Büroarbeitsplätzen beschäftigen, komme erschwerend hinzu, dass junge Frauen die Speerspitze der Wanderungsbewegungen bildeten. Michel: "Sie ziehen nicht nur in die Großstädte, weil es dort mehr Arbeitsplätze gibt, sondern auch, weil dort die Chance größer ist, einen Lebenspartner zu finden." Angesichts des dann herrschenden Mangels an Arbeitskräften werde es keinen Grund für verheiratete Frauen aus Berlin, Frankfurt oder München geben, nach Peine, Stendal oder Duisburg zu ziehen, um dort einen Bürojob anzunehmen und eine Wochenendbeziehung zu führen. Michel: "Die Unternehmen werden langfristig nicht umhinkommen, ihre Standorte in die künftigen Populationszentren zu verlagern."


Für den Büroimmobilienmarkt außerhalb der Metropolregionen werde dies dramatische Konsequenzen haben. "Mieter werden fortziehen und Nachmieter kaum zu finden sein", fürchtet er. Der Marktwert der Immobilien werde dadurch gegen Null tendieren. Erschwerend komme hinzu, dass die öffentliche Hand in Klein- und Mittelstädten in den kommenden Jahren immer mehr eigene Bürogebäude auf den Markt werfen werde. Michel: "Wenn die Bevölkerung schrumpft, müssen auch die Verwaltungen Stellen abbauen." Um die Haushalte zu entlasten, erwägen bereits heute immer mehr Kommunen den Verkauf oder die Vermietung eigener Gebäude.


Auch für Einzelhandelszentren abseits der Metropolregionen ist der Institutsleiter skeptisch gestimmt: "Da nur alte Menschen und Sozialhilfeempfänger zurückbleiben, wird die Bevölkerung in den Räumen zwischen den Populationszentren immer mehr Kaufkraft verlieren." Schon jetzt seien Manager von Shopping-Centern in den Neuen Bundesländern höchst alarmiert, weil Langzeitarbeitslose, die einen erheblichen Teil der Bevölkerung ausmachen, durch die neuen Reformen bald nur noch Sozialhilfe erhalten werden. hai


Artikel erschienen am 21. Juni 2004
Die Welt

chinaman - Donnerstag, 18. November 2004 - 09:25
Immobilien schützen nicht mehr vor Inflationsgefahren


Demographischer Trend drückt auf die Werte

Berlin - Nicht nur beim Erdöl, auch bei anderen Rohstoffen, sind die Preise deutlich angestiegen. Das hat Angst vor einer Inflation geweckt. Doch Experten warnen davor, aus Furcht vor einer Geldentwertung in Immobilien zu investieren. Die demographische Entwicklung in Europa lasse das einstige Betongold zunehmend brüchiger erscheinen.


Bisher sehen Volkswirte - den Preisanstiegen bei Rohstoffen zum Trotz - keinen Grund, das Inflationsgespenst an die Wand zu malen. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat in seinem jüngsten Monatsbericht "keine Hinweise auf inflationäre Spannungen" ausgemacht. In ihrer Kreditmarkt-Studie zum Ende des dritten Quartals stellt die EZB ernüchternd fest, daß die Nachfrage der Unternehmen nach Fremdkapital "zum dritten Mal in Folge leicht gesunken" sei - ein deutlicher Hinweis, daß die europäische Wirtschaft eher stagniert, als expandiert.


"Der Anstieg der Rohstoffpreise ist rein zyklisch bedingt", beruhigt Christoph Weil, Senior Economist der Commerzbank. "Das Wirtschaftswachstum in Asien und den USA hat die Nachfrage angehoben." Eine Inflationsgefahr für Europa lasse sich daraus nicht ableiten. Zudem habe die Aufwertung des Euros die Preisanstiege auf dieser Seite des Atlantiks deutlich abgemildert. Diese Auffassung vertritt auch Volker Hofmann, Volkswirt beim Bundesverband Deutscher Banken. Zum einen könnten Unternehmen wegen des harten Wettbewerbs die höheren Rohstoffkosten nicht an die Verbraucher durchreichen. Zum anderen hätten die Gewerkschaften keine Möglichkeit, Lohnerhöhungen durchzusetzen, da die Arbeitgeber problemlos Produktion und Backoffice-Bereiche in Niedriglohnländer verlagern können.


Doch selbst wenn eine Inflationsgefahr existieren würde, seien Immobilien längst keine sichere Anlageform mehr, um Kapital vor einem Wertverfall zu schützen. Hofmann: "Die demographische Entwicklung spricht gegen Immobilienanlagen." Denn nicht nur in Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern würden in den nächsten Jahrzehnten die Einwohnerzahlen deutlich zurückgehen. Hofmann: "In Spanien, Italien und Griechenland sind die Geburtenraten sogar noch niedriger als in Deutschland."


Insbesondere in wirtschaftlich schwachen Regionen, aus denen immer mehr junge Menschen flüchten, müßten Anleger damit rechnen, daß Immobilien deutlich an Wert verlieren und möglicherweise eines Tages nicht mehr vermietbar sind. Die Auswirkungen dieser Entwicklung seien schon jetzt am Immobilienmarkt in Deutschland zu spüren, meint Commerzbank-Economist Weil: "Seit Jahren stagnieren die Preise oder fallen sogar leicht."


Daß nicht nur Eigenheimen, sondern auch Gewerbeimmobilien erhebliche Wertverluste drohen, zeigt eine Studie von Aengevelt Research. Danach sind 37 Prozent aller leerstehenden Bürogebäude in Leipzig bereits seit mehr als fünf Jahren nicht mehr vermietet worden. In Magdeburg sind 33 Prozent aller unvermieteten Objekte von diesem strukturellen Leerstand betroffen, in Berlin immerhin noch 28 Prozent. Geschäftsführer Wulff Aengevelt: "Diese Gebäude sind Marktleichen, die vermutlich nie mehr einen Mieter finden werden."


Bei Anlagen in anderen europäische Länder sei das Risiko eines Wertverlustes vielleicht sogar noch größer, fürchtet Hofmann: "In Großbritannien, Spanien, Südfrankreich und Teilen Irlands sind die Märkte überhitzt." Sollte sich dort tatsächlich eine Blase gebildet haben, sei es nur eine Frage der Zeit, bis sie platzen werde. rhai


Artikel erschienen am Do, 18. November 2004
Die Welt

prof - Donnerstag, 18. November 2004 - 10:33
Stimmt, mir scheinen Immobiliengeschäfte, Fonds usw auch unsinnig.
Sinnvoll scheint der selbstgenutzte Wohnraum, aber auch nur dann, wenn man ortsässig bleiben will. Die Neubausiedlungen im Speckgürtel dürften mehr leiden, als attraktive Wohnungen in belebten Altstädten. Im Alter wird eine Neubausiedlung zum Problem wenn man kein Auto mehr fahren kann.

Man kann allerdings davon ausgehen, dass leergezogener Wohnraum innerhalb weniger Jahre verfällt. Dann sind die Kosten einer Renovierung so hoch, dass diese unwirtschaftlich wird.
Ergo wird nach einigen Jahren leergezogener Wohnraum "vernichtet" und steht dem Markt nicht mehr zur Verfügung! Es hilft nur noch die Abrissbirne, in unserem Landkreis verschwinden öfter mal Plattenbauten ...
Prof

chinaman - Donnerstag, 18. November 2004 - 11:16
Ich war letztes Wochenende beruflich in Leipzig. Ich war ehrlich gesagt negativ überrascht, wie viele unsanierte und zerfallene Gebäude es auch mitten in der Stadt doch noch gibt ...

:-(
Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 18. Oktober 2006 - 04:40
Handelsblatt Nr. 196 vom 11.10.06 Seite 32


KAPITALMARKTRISIKEN: Der Bevölkerungstrend schlägt sich in sinkenden Ertragserwartungen für Aktien und Anleihen nieder

Alterung wird zum Stresstest

INGO NARAT UDO RETTBERG | FRANKFURT Nicht über alle großen Gefahren einer alternden Bevölkerung in den Industrieländern reden Wirtschaftsexperten gern. Einig ist man sich in der Erwartung geringerer Wertpapierrenditen. Sprengstoff liegt aber vor allem in den Anspannungen der Sozialsysteme und denkbaren Verlagerungen von Investitionsstandorten in die Schwellenländer - mit extremen Belastungen für die gesellschaftlichen Systeme, Ökonomien und Finanzmärkte. "Der demographische Umbruch kommt nicht mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, er kommt garantiert - außerdem wird er teuer für die Gesellschaft und nicht reibungslos verlaufen", warnt Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaften an der Universität Freiburg.

Das Problem für viele Industrieländer besteht in der Entwicklung weg von einer gesunden Bevölkerungspyramide. Die Generation der Baby-Boomer strebt ins Rentenalter, während die Geburtenzahlen sinken. Dadurch fällt zunächst die Bevölkerungszahl. Helmut Kaiser, verantwortlich für die globale Anlagestrategie bei der Deutschen Bank, taxiert den "Verlust" in den kommenden vier Jahrzehnten auf zwölf Millionen Menschen allein in Deutschland.

Vor allem sinkt der Anteil der möglichen Erwerbstätigen um ein Viertel, während gleichzeitig der Anteil der Älteren zunimmt. "Sollte alles beim Alten bleiben, verschlechtert sich ab 2015 das Verhältnis Erwerbstätiger zu Rentnern zunehmend. Ab 2050 wird es sogar dramatisch, dann kommen auf einen Beitragszahler zwei Rentner", sagt Kaiser (siehe auch "Die Lasten wachsen").

Im internationalen Vergleich sieht die Lage beispielsweise in den USA besser aus, weil das Land eine aktive Einwanderungspolitik betreibt und auf diese Weise seinen Arbeitsmarkt belebt. Fachleute beschreiben den Unterschied: Die USA fördert eine Migration in den Arbeitsmarkt, Deutschland eine Migration in die Sozialsysteme.

Welchen Sprengstoff die Zukunft birgt, errechnet Kaiser in einem Szenario auf Basis von Daten der Deutschen Bank. Darin unterstellt er, dass die entscheidenden Größen wie Geburtenrate, Nettozuwanderung oder tatsächliches Renteneintrittsalter konstant bleiben. Dann würde die deutsche Wirtschaft langfristig mit einem Prozent Wachstum rechnen können. Ohne Reformen müssten außerdem die Sozialversicherungskosten explodieren, die Beitragssätze von derzeit 35,2 bis zum Jahr 2050 auf über 50 Prozent nach oben schnellen.

Unter solchen Voraussetzungen würden die Börsen insbesondere der großen Industrieländer in eine Ära geringerer Erträge eintauchen. Bundesbankpräsident Axel Weber sagte bereits Anfang des Jahres: "Es dürfte aus rein demographischen Gründen zu einem leichten Rückgang der Renditen kommen."

Kaiser nennt Zahlen: "Wenn wir nichts tun, erwarten wir bei Aktien langfristig zwei bis drei Prozentpunkte an jährlichen Erträgen weniger, bei Anleihen ein bis eineinhalb Prozentpunkte." Seine Zielkorridore für Aktien liegen dann bei fünf bis sieben Prozent Ertrag, bei deutschen Anleihen bei 2,5 bis 4,5 Prozent Rendite pro Jahr. "Die Anreize zum Sparen würden sinken, der Vermögenseffekt ebenso. Das gleiche gilt für die Kapitalverzinsung der Unternehmen, was im Endeffekt das Risiko einer Abwärtsspirale bergen würde", sagt Kaiser.

Seiner Meinung nach bietet nur ein Bündel von Veränderungen Lösungsmöglichkeiten: Zuwanderung, höhere Geburtenrate, höheres Renteneintrittsalter und ein ergänzendes Kapitaldeckungsverfahren zur Altersvorsorge. "Wir brauchen ein Pensionsfondssystem wie in den Niederlanden oder der Schweiz, das würde stabilisierend auf die Aktien- und Anleihemärkte wirken", sagt Kaiser.

Bis zu einem geglückten Systemumbau ist es ein weiter Weg. Einige mögliche Stolpersteine haben nur wenige Analysten auf ihrem Radarschirm. Dazu zählen denkbare Abwanderungen von Unternehmen in die aufstrebenden und rasant wachsenden Schwellenländer. "Das Thema Investitionen wird in Verbindung mit Demographie viel zu wenig diskutiert, sagt der Ökonom einer Großbank, der ungenannt bleiben möchte. Er stellt die Frage, ob das Kapital zu den jungen Arbeitskräften wandert - oder umgekehrt. Die letzte Variante hält dieser Experte für durchaus realistisch "Auf lange Sicht könnte nichts dagegen sprechen, dass Großunternehmen ihre Standorte und sogar ihren Stammsitz in Schwellenländer verlegen", sagt er.

In einer globalisierten Welt ist es nach Ansicht dieses Ökonomen zunehmend "einfacher, beispielsweise in Indien einen ganz neuen Standort aufzubauen als hier in Deutschland die Fabriken für insgesamt alternde Mitarbeiter mit Lehnstühlen auszustatten". Verschärft wird diese Horrorvision noch durch den steigenden Technologieexport in Emerging Markets wie China. Ein solches Szenario wäre bedrohlich für Deutschland und andere klassische Industriestandorte.

Neben dem Investitionsaspekt werden auch die Effekte zunehmend strapazierter Sozialsysteme in ihren Auswirkungen auf Ökonomien und Finanzmärkte oft unterschätzt. Steigende Ausgaben auf diesem Feld müssen durch höhere Steuern finanziert werden, blickt Klaus Wellershoff von UBS nach vorne (siehe "Politisch brisant"). "Aus staatlicher Sicht sind jene Steuern am bequemsten, gegen die sich niemand wehren kann", sagt Heinz-Werner Rapp, Chef-Anlagestratege Private Wealth Management bei der Feri-Gruppe. "Die deutsche Mehrwertsteuererhöhung passt genau in dieses Bild."

Wissenschaftler Raffelhüschen geht noch einen Schritt weiter. Er erinnert daran, dass bereits etwa 40 Prozent der Bevölkerung Transferleistungen beziehen. "Die Quote kann schnell auf 50 Prozent steigen, und dann ist der Transferempfänger der Durchschnittswähler", sagt er. Er hält eine Blockade nötiger Reformen für denkbar, "wenn der Wähler dann nur auf sein eigenes Interesse schaut". Auch Bundesbank-Präsident Weber rechnet mit einem sich schnell schließenden Zeitfenster für den dringend notwendigen Umbau: "Wenn 2015 die ersten Baby-Boomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird sich die politische Durchsetzbarkeit von Rentenreformen merklich verringern."

Die erwarteten steigenden Staatsquoten im Hinterkopf, hält Feri-Mann Rapp auch das Zukunftsszenario der Ratingagentur Moody's, in dem Staatsbonds durchaus zu Ramsch-Anleihen heruntergestuft werden könnten, für durchaus beachtenswert. Sein Fazit: "Unter diesem Blickwinkel muss man längerfristig den Ausstieg aus Anleihen und den Einstieg bei realen Vermögenswerten empfehlen." Immobilien kommen dafür seiner Meinung nach allerdings kaum in Frage, "weil sie vom Staat maximal besteuert werden können - denn die können nicht außer Landes fliehen".

Rapp rät zu einem langfristigen Portfolio von mindestens 25 Prozent Rohstoffen, darunter Edelmetalle, und einer ähnlich hohen Quote von Anlagen in Schwellenländern. Ein Fünftel der Mittel würde er auf Immobilien verteilen, wiederum schwerpunktmäßig in Emerging Markets, den Rest auf Hedge-Fonds, Anleihen und weitere Vermögensformen streuen.

Narat, Ingo
ina
Rettberg, Udo



11. Oktober 2006

chinaman - Donnerstag, 19. Oktober 2006 - 05:14
Handelsblatt Nr. 196 vom 11.10.06 Seite 33


KAPITALMARKTRISIKEN: Der Bevölkerungstrend schlägt sich in sinkenden Ertragserwartungen für Aktien und Anleihen nieder

"Politisch brisant"

Herr Wellershoff, Sie sind mitverantwortlich für rund 1 300 Mrd. Euro an Kundengeldern der UBS. Inwieweit beschäftigt Sie das Thema Alterung?

Die Effekte sind weniger eindeutig als es zunächst scheint. Ein Beispiel: Wenn die Erwerbsbevölkerung nicht mehr wächst, sollte auch das Wirtschaftswachstum nicht mehr zunehmen. Doch das Arbeitsvolumen hängt auch von der Arbeitszeit ab. In Deutschland zum Beispiel gibt es erste Anzeichen für eine denkbare Wende zu mehr Arbeit, wie die jüngsten Tarifverhandlungen gezeigt haben.

Was halten Sie von der These eines demographisch bedingten Aufblähens und folgenden Abschwunges an den Börsen?

Das befremdet mich. Die Idee ist: Wenn die ältere Generation ihren Ansparprozess beendet hat und mit Eintritt ins Rentenalter ihre Finanzaktiva verkauft, werden die Börsen zusammenbrechen. Aber wir haben keine abgeschotteten Märkte. Auch in den Schwellenländern wird gespart und entspart. Schon heute spüren wir stärkeres Interesse unserer Kunden für Anlagen in den Emerging Markets.

Wo liegen die Risiken der demographischen Entwicklung?

Man kann nicht ausschließen, dass das Wachstum in den Industrieländern sinkt - bis hin zur Stagnation. Dann sind Fragen der Einkommensverteilung berührt. Insbesondere in demokratischen Systemen wie unseren bekommen wir eine Umverteilung von den Jüngeren zu den Älteren und von den Verdienern zu den Nicht-Verdienern.

Sind diese Folgen abschätzbar?

Wir haben ausgerechnet, dass Deutschland beispielsweise in den nächsten zwei Jahrzehnten zusätzliche Transferleistungen der Jüngeren an die Älteren in Höhe von acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes erbringen muss. Das ist nur ein Szenario, illustriert aber die Brisanz. Die Folge wäre eine dramatisch steigende Staatsquote, die erheblichen sozialen Sprengstoff bergen würde. Dann müsste man in weniger gefestigten Ländern mit politischen Verwerfungen rechnen.

Und die Lage in anderen Industrieländern?

Die Bilder gleichen sich oft. In Japan sind die Voraussetzungen sogar noch schlechter. Dort kommen wir auf elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes an zusätzlichen Transferleistungen. Eines ist sicher: Die demokratische Entwicklung in den Industrieländern wird unter diesen Vorzeichen schwieriger. Bei großen Verteilungskämpfen polarisiert sich die Gesellschaft, radikale politische Strömungen gewinnen an Gewicht. Das wäre ein schlechtes Signal für eine liberale Wirtschaftspolitik.

Gibt es noch andere Risiken?

Es fließt immer mehr Geld ins Ausland. Das ist doppelt wichtig, weil - im Einklang mit dem allgemeinen Trend zur internationalen Streuung von Anlagen - auch wachsende Teile der Vorsorgegelder über die Grenzen gehen, parallel dazu die Unternehmen in steigendem Maße im Ausland investieren. Hier geht es um die Gewährleistung von Eigentumsrechten und des Durchsetzungsrechts. Für den Erfolg beispielsweise von VW in China ist entscheidend, ob der Konzern auch noch in 25 Jahren über seine Fabrik verfügt. Um solche Zeitdimensionen geht es sowohl bei Investitions- als auch Vorsorgefragen. An dieses Risiko haben wir uns abgewöhnt zu denken.

Die Fragen stellte Ingo Narat.

Klaus Wellershoff ist Chefökonom bei UBS Wealth Management in Zürich.

Narat, Ingo



11. Oktober 2006

chinaman - Donnerstag, 16. November 2006 - 09:10
SPIEGEL ONLINE URL:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,447029,00.html


DEMOGRAFIE


Deutsche Bevölkerung schrumpft und altert dramatisch


Der dramatische Bevölkerungsrückgang in Deutschland lässt nicht mehr aufhalten. Laut Statistischem Bundesamt wird die Einwohnerzahl von derzeit über 80 Millionen auf rund 70 Millionen im Jahr 2050 sinken. Dann soll es doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene geben.

Berlin - Nach einer neuen Studie des Statistischen Bundesamts geht die Einwohnerzahl bis 2050 von derzeit 82,4 Millionen auf 69 bis 74 Millionen zurück. Das Durchschnittsalter wird im gleichen Zeitraum von 42 auf 50 Jahre steigen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wertete die Zahlen heute als Bestätigung dafür, dass die bereits eingeleitete Verlängerung der Lebensarbeitszeit richtig ist: "Immer länger leben ohne länger zu arbeiten - diese Rechnung geht nicht auf." Nach den Berechnungen des Bundesamts wird die Geburtenzahl bis 2050 von 685.000 auf rund 500.000 im Jahr sinken. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung der 65-Jährigen um 4,5 Jahre.

Zur Bevölkerung im Erwerbsalter von 20 bis 64 Jahren gehören heute etwa 50 Millionen Menschen in Deutschland. Im Jahr 2050 werden es den Schätzungen zufolge nur noch 39 Millionen sein. Die Zahl der Menschen ab 80 Jahre wird sich dagegen von vier auf zehn Millionen mehr als verdoppeln. Die Zahl der 60-Jährigen wird 2050 mit gut einer Million doppelt so hoch sein wie die Zahl der Neugeborenen - 2005 gab es noch fast genauso viele Neugeborene wie 60-Jährige.

Den Berechnungen liegt die Annahme zu Grunde, dass die Geburtenrate wie auch in den vergangenen 30 Jahren konstant bei etwa 1,4 Kindern pro Frau bleibt. Zudem wird eine Steigerung der Lebenserwartung für Neugeborene um etwa sieben Jahre auf 83,5 Jahre für Jungen und 88 Jahre für Mädchen im Jahr 2050 angenommen. Bei der Zuwanderung wurden zwei Varianten zugrunde gelegt: Bei der einen lag der positive Saldo bei 100.000 bei der anderen bei 200.000 Zuwanderern. Das Geburtendefizit werde durch die Zuwanderungsüberschüsse aus dem Ausland nicht mehr kompensiert, sagte der Vizepräsident des Bundesamtes, Walter Radermacher. "Wir haben einen Trend, der sich nicht mehr aufhalten lässt", sagte Radermacher mit Blick auf den Bevölkerungsrückgang.

Schäuble sagte, man sollte sich über die Erhöhung der Lebenserwartung zwar freuen. "Die damit verbundene Alterung der Gesellschaft zwingt uns aber auch zu grundlegenden Anpassungen in Wirtschaft und Gesellschaft", fügte er hinzu. "Die Bundesregierung sieht daher die Bewältigung des demografischen Wandels als einen Politikschwerpunkt an, der als Querschnittsaufgabe weite Teile des Regierungsprogramms prägt." Die bereits beschlossene Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bezeichnete Schäuble als logische Folge der gestiegenen Lebenserwartung.

phw/AP/AFP/dpa

chinaman - Freitag, 17. November 2006 - 10:14
Handelsblatt Nr. 221 vom 15.11.06 Seite 12


SO SEH ICH ES

Die Demographie ist unerbittlich

Unternehmen müssen erkennen, dass ihnen schon bald Fachkräfte fehlen, wenn sie ältere Arbeitnehmer entlassen

Als Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble neulich aus Anlass der demographischen Entwicklung unseres Landes darauf hinwies, dass die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 "nicht das Ende der Entwicklung" sein könne, war der öffentliche Aufschrei groß. Entsprechend waren die Reaktionen. "Warum nicht gleich die Rente ganz abschaffen?" war aus der Vorstandsetage des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu hören.

Trotz der allzu berechtigten Warnung vor drohender Altersarmut und Sozialabbau verlaufen solche Reaktionen nach einem geradezu klassischen Muster: Der Überbringer schlechter Nachrichten wird geköpft. Wer will es da Politikern noch verübeln, wenn sie stattdessen lieber verkünden, dass die Renten sicher sind.

Denn sieht man sich die Zahlen an, die uns die Bevölkerungsstatistiker seit Jahr und Tag immer wieder vorlegen, dann kann man selbst mit dem größten Optimismus nicht mehr daran zweifeln, dass das Rentensystem so wie bisher nicht weiter funktionieren kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, in denen unterschiedlichste Grundannahmen am Ende jede gewünschte Statistik hervorbringen, sind die Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung der Natur der Sache nach unerbittlich zuverlässig. Hier handelt es sich nicht um Prophezeiungen missgünstiger Sozialpolitiker, sondern um echte Prognosen. Die nicht weiter zu leugnenden Fakten weisen dabei geradezu zwangsläufig auf einen Weg hin, den wir gehen müssen, wenn wir noch rechtzeitig gegensteuern wollen. Der Innenminister weiß das, und Wolfgang Schäuble hat den Mut, es auch in schweren Zeiten laut und klar zu sagen.

Hier sind noch einmal die Fakten. Im letzten Jahr kamen auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 65 Jahren 32 Rentner. 2050 werden es genau doppelt so viele Rentner sein, also 100 zu 64. Die einzige Chance ist, sich ehrlich mit diesem so genannten Altenquotienten frühzeitig auseinander zu setzen und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Nur so können wir die langfristig drohende Altersarmut abwenden.

Dabei wird allein die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre nicht ausreichen. Hier gibt Wolfgang Schäuble nur das wieder, was sich aus den Zahlen ergibt. Denn rein rechnerisch müsste das Renteneintrittsalter bis 2050 sogar auf bis zu 75 Jahre angehoben werden, um den Altenquotienten wenigstens auf dem heutigen Stand zu halten. Doch so weit will sicherlich auch der Innenminister nicht gehen. Deshalb denkt Schäuble sicherlich noch an andere Faktoren, die die Rentenkasse schonen könnten.

Auffallend niedrig ist in diesem Zusammenhang die Quote der Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 Jahren. Sie betrug in Deutschland vor 30 Jahren noch 50 Prozent. Das entspricht in etwa dem heutigen Durchschnitt der OECD-Länder mit 51 Prozent. Doch aktuell liegt diese Quote bei uns nur noch bei 39 Prozent. Mit anderen Worten: Nicht viel mehr als nur noch jeder Dritte ist in der letzten Dekade vor Eintritt in das gesetzliche Rentenalter überhaupt noch erwerbstätig.

Das ist eindeutig zu wenig. Die geplante allmähliche Anhebung des Eintrittsalters auf 67 wird zwar die Frühverrentung eindämmen und damit tendenziell auch die Quote in der betrachteten Altersgruppe etwas verbessern. Doch das reicht bei weitem nicht aus.

Wie insbesondere die Spitzenländer in der OECD zeigen, ist eine Erwerbsquote im Alter zwischen 55 und 64 von bis zu 70 Prozent durchaus möglich. Das gilt etwa für die Schweiz, aber auch für Schweden. Und selbst von Australien und Neuseeland lässt sich etwas lernen. Zwar kann man wie immer darüber trefflich streiten, welche Maßnahmen von einem Land auf das andere übertragbar sind und welche Faktoren für diese Entwicklung ausschlaggebend waren. Doch in allen Ländern, deren Rentensystem erheblich zukunftsfähiger als das unsere ist, wurden in unterschiedlicher Mischung die folgenden Veränderungen vorgenommen: Es wurden mehr private und betriebliche Elemente zur Alterssicherung mit einer Kapitaldeckung eingeführt. Darüber hinaus wurden zusätzliche Anreize geschaffen, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten - inklusive einer Kombinationsmöglichkeit von Rente und Erwerb, um dem vorzeitigen Ruhestand entgegenzuwirken.

Der Weg zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen führte also in allen Fällen über ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die mehr sind als eine reine Rentenreform. Diese kann nur ein Element innerhalb einer Gesamtstrategie sein, die sich aus sozial-, arbeitsmarkt-, bildungs- und gesundheitspolitischen Maßnahmen zusammensetzt sowie das Arbeits- und Tarifrecht mit einschließt.

In einer solchen Gesamtstrategie könnten sich - etwa nach skandinavischem Vorbild - die Gewerkschaften aktiv einbringen und ihren Beitrag zum Entwurf eines zukunftsfähigen Rentensystems liefern. Die Gewerkschaften müssen überdies zur Kenntnis nehmen, dass die Menschen von heute im Alter in einer besseren physischen Verfassung sind. Auch die Realitäten der Arbeitswelt haben sich beim Wandel der Industriegesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft stark verändert. Während für so manchen klassischen Industriearbeiter in der Vergangenheit eine Rente mit 67 Jahren eine körperliche Qual bedeutet hätte, eröffnen sich in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft ganz neue Lebensarbeitszeitmodelle.

Die verantwortlichen Politiker, die Gewerkschaften, aber auch die Entscheidungsträger in der Wirtschaft müssen endlich beginnen, die unabwendbare Tatsache der Alterung unserer Gesellschaft in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Sie müssen viel mehr Verantwortung übernehmen. Genauso wie jeder einzelne Bürger.

LOTHAR SPÄTH kommentiert jeden Mittwoch im Handelsblatt die deutsche Wirtschaftspolitik.

gastautor@handelsblatt.com

Späth, Lothar



15. November 2006

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: demografische Wirtschaftsfaktoren
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