Diskussionsforum der stw-boerse: Auslandswerte: Russische Aktien: Archivierte Beiträge bis 20. Januar 2015
chinaman - Freitag, 25. August 2006 - 08:10
Wie angekündigt, bin ich mit den Aktien in meinen Privatdepot eher global ausgerichtet. Da ich mich verpflichtet habe zukünftig eines der neuen Mustderdepots ab 01.10. zu betreuen, werde ich mich dort voraussichtlich ähnlich verhalten. In Vorbereitung darauf, werde ich zukünftig auch den einen oder anderen Artikel hier einstellen, der in diesem Zusammenhang lesenswert erscheint.


Gruß
Chinaman


HANDELSBLATT, Freitag, 25. August 2006, 06:30 Uhr

Fondsrating

Russland macht den Unterschied

Von Anke Rezmer

Ein geschicktes Händchen für russische Aktien hat einigen Fondsmanagern im vergangenen Monat deutlich bessere Ratings beschert.


FRANKFURT. Gleich drei Fonds aus der Gruppe Aktien Mittel- und Osteuropa sind vom Analysehaus Feri Rating & Research markant hochgestuft worden. Umgekehrt verschlechterten sich Fonds, die den russischen Markt schwächer gewichtet haben wie der Uni EM Osteuropa von Union Investment. Der Fonds sackte vom Spitzenrating „A“ auf ein durchschnittliches „C“ ab. „Russland war und ist der spannendste Markt in der Region“, sagt Feri-Analyst Christian Michel. Ein starkes Engagement in russischen Aktien sei aktuell wesentlich für ein gutes Abschneiden in der Kategorie Mittel- und Osteuropa. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich der Aktienindex MSCI Russia fast verdoppelt. „Da sollte ein guter Fondsmanager dabei sein.“

Drei Fonds der Kategorie verdanken ihren Erfolgen in Russland ein besseres Rating bei Feri. Der laut Michel „sehr aktiv“ gemanagte MLIIF Emerging Europe Fund von Merrill Lynch konnte sich gegenüber Juli 2005 von einem mittleren Rating „C“ auf die beste Bewertung „A“ verbessern. 55 Prozent des Fondsvermögens sind derzeit in russische Titel investiert.

Einen Russland-Anteil von sogar mehr als 60 Prozent weist der JP Morgan Eastern Europe Equity Fund aus. Feri stufte den Fonds von der zweitschlechtesten Bewertung „D“ auf die zweitbeste „B“ hoch. Etwas schlechter, mit einem mittelmäßigen „C“ bewertet Feri den dritten Aufsteiger. Im Vergleich zur vorherigen Note „E“ ist das für den AIG Emerging Europe Equity Fund aber ein deutlicher Fortschritt.

Die gute Nachricht für Anleger in der Region Mittel- und Osteuropa: Trotz der bereits hohen Bewertung des russischen Aktienmarktes und zu berücksichtigender genereller politischer Risiken in dem Land sehen Experten wie die Feri-Volkswirte weiteres Kurspotenzial für die Aktien aus Russland. Die Übersicht über Fonds mit markanten Ratingveränderungen ist ein monatlicher Service für Handelsblatt-Leser. Sie zeigt alle in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Produkte, bei denen Feri das Rating im Vergleich zum Vorjahr (aktuell: Juli 2006 gegenüber Juli 2005) um mindestens zwei Stufen angehoben hat.

Die Ratings bieten Anlegern eine Orientierungshilfe bei der Produktauswahl innerhalb einer Anlageklasse. Dafür gruppieren die Feri-Analysten die Fonds nach fünf Qualitätsstufen ein - von „A“ für sehr gut bis „E“ für schwach. Das Rating wird zu 70 Prozent durch die Ergebnisse der Performanceanalyse bestimmt, zu 30 Prozent durch die Risikoprüfung.

chinaman - Mittwoch, 30. August 2006 - 04:54
Emerging Markets

Russlands Börse nimmt Kurs auf eine Billion Dollar


Allein Gazprom ist mehr wert als E.on, Allianz und Siemens zusammen. Experten warnen jedoch vor Spekulationsblase. Im schlimmsten Fall drohe sogar eine ähnliche Krise wie 1998.
Russland ist tatsächlich zurück auf der Weltbühne. Zumindest was den Kapitalmarkt angeht, braucht sich das Riesenreich im Osten nicht mehr vor den etablierten Volkswirtschaften zu verstecken. Demnächst dürfte der Wert aller börsennotierten russischen Unternehmen die magische Schwelle von einer Billion Dollar übersteigen. Am Dienstag waren die an der Moskauer Börse gelisteten Konzerne bereits 946 Mrd. Dollar wert. Angesichts des Tempos der jüngsten Kursavancen im Osten könnte die Billion womöglich schon in wenigen Tagen erreicht sein. Gestern legte der Moskauer RTS-Index weitere 1,3 Prozent auf 1664 Zähler zu. Damit notierte er auf dem höchsten Stand seit dreieinhalb Monaten und nur rund sechs Prozent unter seinem Rekord vom 6. Mai 2006.

"Das Land ist politisch stabil, die Konjunktur brummt, und auch für die Menschen, nicht nur für den Markt, werden die Dinge besser", sagt Jacob Grapengiesser, Fondsmanager bei East Capital Asset Management. Vergessen scheinen jüngste Verstimmungen wie der Yukos-Skandal, der 2004 zu einer vorübergehenden Kapitalflucht aus Russland geführt hatte.

Der russische Aktienmarkt wäre die erste Emerging-Markets-Börse, die mehr als 1000 Mrd. Dollar (780 Mrd. Euro) auf die Waage bringt. Mehr als das: Bereits jetzt sind Russlands Aktiengesellschaften in etwa so viel wert wie die Börsenunternehmen des Industriestaats und EU-Mitglieds Italien. Setzen die Dividendenpapiere in Moskau ihre Rallye fort, können sie in diesem Jahr sogar die deutschen Aktienkonzerne überholen. Aktuell liegt der RTS-Index (dem Mai-Crash zum Trotz) rund 48 Prozent im Plus. Der Dax hat seit Anfang 2006 knapp neun Prozent zugelegt.

Sollte die russische Börsenkapitalisierung an der hiesigen vorbeiziehen, wäre dies aus volkswirtschaftlicher Sicht allerdings paradox. Denn die Volkswirtschaft der Russischen Föderation ist- gemessen am Bruttoinlandsprodukt - mit 766,2 Mrd. Dollar nicht einmal ein Drittel so groß wie die der Bundesrepublik.

Indexbetreiber wie Morgan Stanley Capital International (MSCI) setzen den Wert des russischen Aktienmarktes indessen wesentlich geringer an, als die Börsendaten anzeigen. Grund: In die konventionellen Daten zur Marktkapitalisierung fließen große Aktienanteile russischer Unternehmen mit ein, die dem Staat gehören und daher nicht gehandelt werden. So ist der Kreml mit 85 Prozent an Rosneft beteiligt, mit über 50 Prozent an Gazprom und mit fast 64 Prozent an Sberbank. MSCI beziffert das Volumen des russischen Marktes auf lediglich 178 Mrd. Dollar.

Getrieben wird die Moskauer Aktienhausse zum überwiegenden Teil von Unternehmen des Energie- und Rohstoffsektors (siehe Grafik). So schoss der Kurs des weltgrößten Erdgasproduzenten und russischen Marktschwergewichts Gazprom seit der Umstellung auf international handelbare Aktien am 13. Januar um fast 40 Prozent in die Höhe. Die entsprechenden Rubel-Titel konnten binnen eines Jahres sogar 120 Prozent zulegen. Mit einem Börsenwert von 276 Mrd. Dollar (219 Mrd. Euro) ist Gazprom mittlerweile nicht nur das weltweit drittgrößte Unternehmen hinter den US-Industrie-Ikonen ExxonMobil und General Electric. Gazprom ist auch fast so viel wert wie die vier größten Dax-Konzerne E.on, Allianz, Siemens und Telekom zusammen.

Neben Kursgewinnen steigerten zuletzt auch viele Börsengänge den Wert des Aktienmarktes. Allein die Erstplatzierung von Anteilscheinen des staatlichen Ölproduzenten Rosneft Mitte Juli brachte der Börse 68 Mrd. Dollar an Marktkapitalisierung.

Unterdessen sehen nicht wenige Beobachter den derzeitigen Höhenflug des russischen Aktienmarkts skeptisch. So warnt Günter Faschang, Osteuropa-Experte bei Vontobel: "Die russische Börse steht und fällt mit den Rohstoffpreisen." Wenn die Notierungen für Öl und Industriemetalle irgendwann einmal nicht mehr stiegen, sei der Hausse die Grundlage entzogen. "Sollte der Rohstoffboom abrupt enden, droht dem Moskauer Kapitalmarkt im schlimmsten Fall sogar eine ähnliche Krise wie 1998." Faschangs Fazit lautet daher: "Engagements in russischen Aktien sind auf diesem Niveau eher Spekulation als Investition." Auch die ungeklärte Nachfolge von Präsident Wladimir Putin birgt für den Markt mittelfristig Risiken. Hinzu kommt die Gefahr, dass Emerging Markets wie Russland besonders unter der Reduzierung der globalen Liquidität und einer weiteren Zunahme der Risikoaversion bei Investoren leiden könnten.

Zu den Mahnern gehört auch der russische Wirtschaftsminister German Gref. Er hat bereits im Frühjahr ausdrücklich vor einer Spekulationsblase am Moskauer Aktienmarkt gewarnt.


Artikel erschienen am Mi, 30. August 2006

Artikel drucken
© WELT.de 1995 - 2006

stw - Mittwoch, 30. August 2006 - 09:01
@chinaman: wie ist Deine aktuelle Meinung zu russischen Aktien? Ich bin ja wirklich schon gespannt was sich in Deinem Depot so finden wird. Über die BiB sind wir ja nun auch indirekt bei der Kremlin AG beteiligt, die vorwiegend in Russland investiert.

:-

chinaman - Mittwoch, 30. August 2006 - 10:43
Vorerst wird Russland in meinem Depot nicht vertreten sein. Dazu sind die Kurse in den letzten Jahren schon viel zu sehr davongezogen ...


Gruß
Chinaman

stw - Mittwoch, 30. August 2006 - 12:10
Das hatte ich von Dir auch nicht anders erwartet...

;-) stw

chinaman - Freitag, 3. November 2006 - 04:16
Handelsblatt Nr. 211 vom 01.11.06 Seite 23


Russische Banken drängen an die Börse

Experten befürchten, dass sich das wirtschaftliche Umfeld im kommenden Jahr eintrübt

THOMAS WIEDE | MOSKAU Die russischen Staatsbanken schauen voller Optimismus ins nächste Jahr: Nachdem die Vneshtorgbank, die sich kürzlich zur besseren internationalen Aussprache in VTB umbenannt hat, bereits seit längerem mit einem Börsengang liebäugelt, spielen nun offenbar auch die Sberbank sowie die Gazprombank mit Gedanken an IPOs im Jahr 2007.

Marktbeobachter in Moskau erwarten für VTB eine Aktienplatzierung in der Höhe von fünf Mrd. Dollar. Präsident Wladimir Putin plant russischen Medienberichten zufolge, die ehemalige Außenhandelsbank von der Liste der strategisch wichtigen Unternehmen zu nehmen, was ausländische Beteiligungen zuließe. Der Börsengang der Sberbank - der ehemaligen sowjetischen Sparkasse - könnte sogar ein Volumen von zehn Mrd. Dollar erzielen.

Doch während Analysten in diesem Jahr ein hervorragendes Klima für die Börsenpläne der Banken sahen, halten sie die Erfolgsaussichten 2007 für gering. "Wenn so viele Aktien auf den Markt kommen, heißt das, sie werden um die Aufmerksamkeit der Fonds und Investoren stark konkurrieren", sagt Alex Kantorowitsch von der MDM Bank. Hinzu kommt: Das Investitionsklima in Russland dürfte sich eintrüben. Christopher Weafer, Chefstratege der Alfa Bank, sieht das kommende Jahr zudem von politischer Unsicherheit geprägt: Der Wechsel im Kreml rückt näher - 2008 stehen Präsidentschaftswahlen an.

Außerdem rechnen die Analysten mit niedrigeren Preisen für Öl und Gas. Der Preis für die in Russland maßgebliche Ölsorte Urals hatte in diesem Jahr einen Höchststand von über 70 Dollar pro Barrel (entspricht 159 Liter) erklommen. Inzwischen ist er wieder auf gut 53 Dollar gefallen. Investoren seien nervöse beim Ausblick ins nächste Jahr, weiß Weafer. Sollte der Ölpreis unter 50 Dollar fallen, so trifft dies den russischen Bankensektor. Die Alfa-Analysten erwarten, dass dann zusätzliche Reserven der Zentralbank ausschließlich in den staatlichen Stabilisierungsfond fließen, den der Kreml für die Gewinne aus dem Ölgeschäft angelegt hat. Dieses Geld würde damit nicht dem Finanzsektor zur Verfügung stehen.

Insgesamt hat der Ölsektor mit rund einem Viertel nach wie vor einen erheblichen Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den ersten neun Monaten 2006 stieg der Anteil des Öls am Export auf 65 Prozent - das höchste Niveau seit 1991. Ein niedriger Ölpreis trübt daher das Umfeld für die Banken ein.

Der russische Bankensektor gilt zudem, trotz kräftigen Wachstums, als stark segmentiert. Zwar wuchs der Anteil der Bilanzsumme der Banken am BIP in diesem Jahr weiter von etwa 45 Prozent auf 48 Prozent. Von den rund 1 300 registrierten Kreditinstituten gelten jedoch nur rund 50 als klassische Banken, der Rest ist entweder an einen Konzern angeschlossen oder bestenfalls ein Investmentfonds.

Die Zentralbank hatte die Finanzinstitute im vergangenen Jahr zu Börsenplänen ermutigt. Die Idee war, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Zentralbanker hofften auf die internationalen Investoren: Diese würden nur die wirklich gesunden Finanzhäuser bei Börsengängen unterstützen. Außerdem sollten Institute über die Börse ihre Liquidität verbessern.

Doch eine Reihe privater Institute, die sich mit IPO-Plänen trugen, zogen es schließlich vor, eine ausländische Bank ins Haus zu holen - wie zum Beispiel die Promsvayzbank die Commerzbank oder die Rosbank die Société Générale, die bis Ende 2008 die Mehrheit an dem russischen Finanzhaus übernehmen wird. Von den mehrfach verschobenen Börsenplänen ist nun keine Rede mehr.

Nach Angaben der russischen Zentralbank liegt der Anteil des ausländischen Kapitals im Bankensektor inzwischen bei rund 13 Prozent - und hat sich damit innerhalb kurzer Zeit fast verdoppelt. Angesichts dessen hat die Zentralbank ihren Kurs geändert und hält nun die Börsengänge nicht mehr für zwingend.

Für die staatlichen Banken wie die Sberbank, die ihren Marktanteil nach der kleinen Bankenkrise im Jahr 2004 ausbauen konnten, sind internationale Anteilseigner aber keine Lösung, meint Weafer. Die Sberbank hat eine starke Position: Das Vertrauen der Russen in ihre alte Sparkasse ist hoch. Nach Angaben von Deutsche UFG denkt rund ein Drittel beim Thema Geldanlage als erstes an ein Depot bei der Sberbank. Jedoch - immerhin noch 14 Prozent würden es vorziehen, ihr Geld zu Hause zu horten.

Wiede, Thomas



01. November 2006

chinaman - Montag, 6. November 2006 - 07:15
Russland


Die Russen kommen doch noch


Innerhalb von acht Jahren ist aus einem bankrotten Staat eine globale Wirtschaftsmacht geworden. Die Unternehmen streben nach Europa.

Von Jens Hartmann

Moskau - Wladimir Jewtuschenkow hielt sich im Hintergrund. Der Eigner des Mischkonzerns AFK Sistema war einer von Dutzenden unscheinbaren Begleitern, die in der Entourage von Präsident Wladimir Putin nach Deutschland reisten. Während Jewtuschenkow, mit einem Privatvermögen von 7,7 Mrd. Dollar die Nummer 8 auf der russischen Forbes-Rangliste, schwieg, sprach Putin für ihn. Putin fühlte bei Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, was sie denn von einem Einstieg von AFK Sistema bei der Deutschen Telekom halte. Zehn bis 20 Prozent, vielleicht sogar eine Sperrminorität schwebt Jewtuschenkow vor.

Gaben reiche Russen noch vor wenigen Jahren ihr Geld, wenn es in den Westen ging, im Berliner Kaufhaus KaDeWe oder im Londoner Harrod's aus, stehen heute auf ihren Einkaufszetteln nicht mehr nur Luxuswaren, sondern gleich ganze Konzerne.

Die staatliche russische Vneshtorgbank (VTB) erwarb bis zu sieben Prozent an dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Aluminiumbaron Oleg Deripaska (neun Mrd. Dollar schwer) soll - was er als "Unsinn" dementieren lässt - einige Prozent an dem weltgrößten Automobilproduzenten General Motors gekauft haben und eine Aufstockung auf mindestens zehn Prozent planen. Die Alfa Group des Michail Friedman (10,4 Mrd. Dollar reich) führt angeblich Gespräche mit dem Telekommunikationskonzern Vodafone - was Vodafone bestreitet - über ein Aktienpaket von bis zu 20 Prozent.


Nach Westen
"Die Russen gehen nach Westen. Die russischen Aufkäufer westlicher Unternehmen haben sich davon überzeugt, dass gutes Management keine Grenzen kennt", schreibt die Moskauer Wirtschaftszeitung "Vedomosti". "Russen beim weltweiten Ausverkauf. Es gibt keine Region der Welt mehr, in der nicht russische Geschäftsleute ihre Interessen verfolgen", kommentiert die Zeitschrift "Finans".

Das Kapital für den Sprung über die Landesgrenzen ist vorhanden. Die russische Wirtschaft wächst das achte Jahr infolge, in diesem Jahr mit rund sieben Prozent. Die hohen Rohstoffpreise, allen voran für Öl und Gas, lassen die Ökonomie auf Hochtouren laufen.

Tatsächlich ist die Entwicklung der russischen Wirtschaft atemberaubend. 1998 noch erklärte sich der Staat für zahlungsunfähig. Die Hauptansprechpartner waren da die Gläubigerstaaten im Pariser Club, die Weltbank und der IWF.

Die starke Abwertung des Rubel nach dem Währungscrash 1998 sorgte dafür, dass einheimische Unternehmen auf Dauer einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz haben. Die hohen Rohstoffpreise - 1999 kostete das Fass Öl der russischen Sorte Urals zehn US-Dollar, gegenwärtig ist es für 55 Dollar zu haben -, brachten Aufschwung und volle Kassen. Lag 1999 das Verhältnis von Auslandsschulden des Staates zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 93 Prozent, beträgt es heute rund 25 Prozent. Russland ist weitgehend entschuldet und mit seinen 44 Dollar-Milliardären reich wie nie zuvor.

Da die Investitionsmöglichkeiten in Russland begrenzt sind, bieten sich Engagements im Ausland an. Vodafone, General Motors, EADS, Deutsche Telekom - es sind Multis der globalen Wirtschaft, die ins Blickfeld russischer Geschäftsleute geraten sind. Das ist neu. Bislang bestand das Interesse russischer Oligarchen eher darin, kleinere Unternehmen, die kurz vor dem Bankrott standen, aufzukaufen.

"Die russischen Industrie- und Finanzgruppen treten im Ausland inzwischen auch als Portfolio-Investoren auf", sagt Natalja Orlowa, Chefökonomin der Alfa Bank. Sie vergleicht die "Portfolio-Ideologie" Russlands mit der Strategie der Scheichs in Saudi-Arabien, die bevorzugt auf den internationalen Finanzmärkten sowie in europäische und amerikanische Immobilien investierten. Es gehe um Finanzinvestments und nicht um politische Einflussnahme. Der russischen Wirtschaft tut der Kapitalabfluss gut, kann sie die Petrodollars ohnehin nicht verdauen.

Dennoch, der Kreml ist nicht weit. Russland müsse sich auf den globalen Märkten positionieren und dabei auf den eigenen Vorteil achten, forderte Putin in einer Rede zu Lage der Nation im Mai. Sein Chefideologe Wladislaw Surkow gab auf einer Veranstaltung der Kremlpartei "Einheitliches Russland" die Linie vor: "Wir müssen danach streben, Teil der Weltwirtschaft zu werden, indem wir uns an neuen multinationalen Korporationen beteiligen."

Der Politologe Dimitri Trenin versteht das Signal "Go West" für Russlands Unternehmer anders als Orlowa als Handlungsanweisung. "Die Führung sieht unser Land als eine Art Russia Inc. Die Expansion dieses informellen Konzerns kennzeichnet die Außenpolitik."


Nur mit Putins Segen
Ohne das Placet des Kremls geht wenig. Präsident Putin will bei jedem größeren Geschäft gefragt werden. Wer sich an diese Spielregel nicht hält, wird bestraft. Das musste Ölbaron Michail Chodorkowski erfahren, der seinen Konzern Yukos mit dem amerikanischen Mineralölkonzern ExxonMobil fusionieren wollte. Im Herbst 2003 stand das Geschäft, das Chodorkowski rund ein Drittel an ExxonMobil beschert hätte, kurz vor dem Abschluss. Putin, der sich überrumpelt fühlte, stoppte den Deal, ließ Yukos verstaatlichen und Chodorkowski verhaften.

Für russische Konzernchefs sind vor allem vier Branchen von Interesse: Öl und Gas, Energie, Metallurgie und Telekommunikation.

- Erdöl: Der "Hauptaggressor", wie die Zeitschrift "Itogi" den größten russischen Erdölkonzern Lukoil nennt, sucht und fördert Öl in Kolumbien, Venezuela, Ägypten, Saudi-Arabien und Iran, unterhält rund 4000 Tankstellen in 16 Ländern. Selbst in Manhattan kann man bei Lukoil tanken. Für zwei Mrd. Dollar übernahm Lukoil 2005 die kanadische Ölfirma Nelson Resources, die über Erdölfelder in Kasachstan verfügt. Auch Staatskonzern Rosneft sieht sich im Ausland um und sucht nach Raffinerien in Europa und Asien.

- Erdgas: Gazprom will mit der Deutschland-Tochter Gazprom Germania GmbH den Westen erobern. In den meisten osteuropäischen Staaten hat der Konzern Anteile an Ergashandels- oder Pipelinegesellschaften. Der weltgrößte Erdgasproduzent will den direkten Zugang zum Endverbraucher und beansprucht damit das letzte Glied in der Wertschöpfungskette. Für einen Imagewandel will Gazprom als Hauptsponsor des FC Schalke 04 sorgen. 100 bis 120 Mio. Euro lässt sich Putins Lieblingskonzern das Engagement kosten.

- Energie: Der staatlich kontrollierte Strommonopolist RAO UES (Unified Energy System) kontrolliert den Markt in weiten Teilen der ehemaligen Sowjetunion. Der Einfluss des Konzerns reicht von Finnland bis nach Moldawien, Armenien, Georgien, Tadschikistan, Kirgisien und Kasachstan.

- Metall: Durch die Fusion der russischen Aluminiumproduzenten Rusal und Sual mit dem Schweizer Handelshaus Glencore International ist der weltgrößte Aluminiumproduzent unter russischer Führung entstanden. Oleg Deripaska wird dort das Sagen haben. Er verfügt bereits über Bauxitgruben in Guinea, Guyana und Australien. Weniger erfolgreich war Stahlbaron Alexej Mordaschow, der bei dem Versuch scheiterte, seinen Konzerns Severstal mit Arcelor zur Nummer eins zu verschmelzen. Mordaschow muss mit dem italienischen Stahlkocher Lucchini vorlieb nehmen sowie dem amerikanischen Hersteller Rouge Industries.

- Telekommunikation: Die russischen Mobilfunkkonzerne sind in praktisch allen ehemaligen Sowjetrepubliken aktiv. Das größte Investment im Ausland tätigte bislang die Alfa Group von Michail Friedman, die - inklusive Kaufoption - für 3,3 Mrd. Dollar insgesamt 13,3 Prozent am türkischen Mobilfunker Turkcell erwarb. Friedman spricht davon, eine "eurasische Vodafone" aufzubauen.

Im vergangenen Jahr erwarben russische Geschäftsleute nach Angaben des staatlichen Statistikamtes im Ausland Aktiva für 7,2 Mrd. Dollar (2004: 4,8 Mrd. Dollar). Damit haben sie ihr Auslands-Portfolio auf mehrere Dutzend Mrd. Dollar aufgestockt. Die Alfa Bank schätzt zudem, dass die russische Volkswirtschaft seit den neunziger Jahren rund 300 Mrd. Dollar auf Offshore-Konten geparkt hat, die allmählich in den globalen Wirtschaftskreislauf zurückfließen.


Neue Regeln
Änderungen in der russischen Gesetzgebung erleichtern die Akquisitionen. Mussten früher Genehmigungen beim Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel sowie bei der Zentralbank eingeholt werden, können russische Unternehmer heute einfach ein Sonderkonto bei einer bevollmächtigten russischen Bank eröffnen. Dauerte früher die Prozedur bis zu zwei Jahre, sind heute fünf bis sechs Tage vonnöten.

Auslandsinvestitionen sind für russische Unternehmer aus mehreren Gründen interessant. "Der Mangel an geeigneten Investitionsmöglichkeiten in Russland, das Fehlen von Rohstoffen, der Erwerb neuer Technologien im Ausland, der Aufbau eines einheitlichen Vertriebsnetzes, kurzum: Gewinnmaximierung und Erhöhung der Marktkapitalisierung", fasst die Zeitschrift Itogi zusammen.

Auslandsinvestments versprechen auch Prestige für eine Unternehmerschicht, der bis heute der Ruf anhaftet, illegal an ihr Vermögen gekommen zu sein. Und sie garantieren Sicherheit vor möglichen Nachstellungen. Das bekannteste Investment in Deutschland ist die Übernahme des Familienunternehmens Dr. Scheller Cosmetics durch den russischen Kosmetikkonzern Kalina. Der rasant wachsende russische Kosmetikmarkt bietet für Dr. Scheller-Produkte neue Absatzmöglichkeiten. Die große Politik mischte sich bei der Übernahme des Traditionsunternehmens nicht ein.

Artikel erschienen am 06.11.2006

Artikel drucken
WELT.de 1995 - 2006

chinaman - Sonntag, 12. November 2006 - 16:48
Rendite


Russische Aktien sind noch immer niedrig bewertet


Nach westlichen Standards operieren russische Unternehmen immer noch sehr personalintensiv und ineffizient, sodass die Produktivitätsreserven erheblich sein dürften.

Von Dieter Wermuth

Im Jahr 2005 hatte der russische Markt auf Dollarbasis um 83 Prozent zugelegt, und auch 2006 sind es schon wieder 48 Prozent. Reicht das nicht langsam, muss man sich fragen. Zumal die Ölpreise seit ihrem Hoch Anfang August 25 Prozent verloren haben und so ein wichtiger Kurstreiber an Bedeutung verliert. Spricht überhaupt noch irgendetwas auf diesem Niveau dafür, dass sich die Rallye fortsetzen könnte?

Am überzeugendsten ist vielleicht das Kurs/Gewinn-Verhältnis auf der Basis der Gewinne der letzten vier Quartale - es liegt bei nur 7,8, was einer realen Aktienrendite von 12,8 Prozent entspricht. Die großen russischen Unternehmen sind durch den Anstieg der Rohstoffpreise und durch zunehmende Erfolge auf der Kostenseite sehr ertragsstark geworden. In diesem Jahr kann daher mit einem Anstieg der Gewinne um 35 Prozent gerechnet werden, sodass das KGV auf dieser Basis noch deutlich niedriger ist. Um abzuschätzen, ob ein KGV von 7,8 ein gutes Einstiegsniveau darstellt oder nicht, muss man alternative Anlagemöglichkeiten betrachten. Etwa mit der Berechnung der Risikoprämie: Man subtrahiert dabei von der Aktienrendite (12,8 Prozent) die Realzinsen risikoloser russischer Anleihen. Das Problem ist, mit welcher Inflationsrate die Nominalrenditen russischer, auf Dollar lautenden, Staatsanleihen bereinigt werden sollten - mit amerikanischen oder russischen? Zieht man die russische Inflation von neun von der Nominalrendite 5,75 Prozent ab, ergibt sich eine reale Bondrendite von minus 3,25 Prozent und damit eine Risikoprämie von 16,05 Prozent.

In Deutschland oder in den USA pendeln Risikoprämien gewöhnlich um die Marke von vier bis fünf Prozent. Russische Aktien wären demnach für Ausverkaufspreise zu haben. Auch wenn man mit US-Inflationserwartungen von 2,5 Prozent arbeitet und so zu einer realen Bondrendite von 3,25 Prozent kommt, errechnet sich daraus immer noch eine stattliche Risikoprämie von 9,55 Prozent.

Für die Anleger ist mindestens ebenso entscheidend, wie es mit den Gewinnen voraussichtlich weitergehen wird. Und wie sich die Kosten relativ zum Umsatz entwickeln werden. Russische Unternehmen operieren nach westlichen Standards immer noch sehr personalintensiv und ineffizient, sodass die Produktivitätsreserven erheblich sein dürften. Im verarbeitenden Gewerbe, auf das immer noch 17,2 Prozent der 67 Millionen Beschäftigten entfallen, stieg der Output im zweiten Quartal um sieben Prozent, der Personalbestand vermindert sich dagegen relativ stetig um etwa ein Prozent pro Jahr, sodass die Produktivität um acht Prozent zunimmt. Für die Gesamtwirtschaft ergibt sich eine Zuwachsrate von 6,5 Prozent. Da die Löhne aber um 23 Prozent höher sind als vor einem Jahr, steigen die Lohnstückkosten trotz der beachtlichen Produktivitätserfolge sehr rasch.

Nach Rohstoffen und Einzelhandels-Papieren dürfte sich das Anleger-Interesse zunehmend auf Immobilien, Hotels, Restaurants, Banken, Telekommunikation, Medien, Bauunternehmen und Hersteller von Pipelines, Zement oder Stahl richten. Grund: Die Ausgaben der Rohstoffunternehmen für modernere Anlagen und die Investitionen des Staates in die Infrastruktur werden gerade deutlich hochgefahren.

Der Autor ist Partner bei Wermuth Asset Management

Artikel erschienen am 11.11.2006

Artikel drucken
WELT.de 1995 - 2006

al_sting - Samstag, 12. Oktober 2013 - 10:58
Viele russische Aktien sind derzeit günstig bewertet, daher schaue ich auch sporadisch dorthin.
Allerdings ist in diesem Land die Rechtsunsicherheit für ausländische Unternehmen, Kleinaktionäre, Systemgegner oder andere potentielle "Opfer" nach wie vor unkalkulierbar.

Vielleicht am spektakulärsten war das Drama, mit dem BP von seinem russischen Teilhaber aus der gemeinsamen Firma gedrängt wurde.
Auch an Yukos sollte man sich erinnern.
Erst vor kurzem hatte AS Creation mit seinem russischen Engagement eine solide Bauchlandung hingelegt - für mich riecht es nach Betrug auf russischer Seite.

In Folge meines Engagements bei EGIS Pharmaceutical rutschte auch die russische Pharmafirma "Pharmstandard" auf meine erweiterte Watchlist. Sie ist günstig bewertet, allerdings hielt mich die Rechtsunsicherheit von einem Einstieg ab. Wie schnell die eigenen Sorgen bestätigt werden können, zeigt diese Mitteilung zu Pharmstandard in einem Börsenblog:
"P.S. After I wrote the preceding, I got an e-mail from Hendrik, who told me that Pharmstandard had fallen victim to Russian corporate governance. Shareholders were basically told that if they don’t agree to a proposed spin-off, the company can buy them out at an 18 percent discount or they will get unlisted shares of the stock. Predictably, the stock collapsed. This is white-collar mugging; there is no other way to put it. The company effectively says, “You are a shareholder as long as you agree with management; otherwise we’ll screw you.” Now Russia is uninvestable to me for another reason: Its corporate governance makes Tony Soprano look angelic."
http://www.valuewalk.com/2013/10/value-stocks-germany-europe-russia/

Es bleibt dabei: Russland ist derzeit NoGo-Area. Das gilt für mich bis hin zu ganz großen russischen Aktien wie Gazprom.

hoyke - Montag, 11. August 2014 - 08:02
Gazprom hat eine recht starke waagerechte Unterstützung bei ca. 5 €.

Fundamental eigentlich ohnehin ein klarer Kauf.
(Bewertungszhlen samt und sonders ein Witz...)

Das angeblich am schlechtesten geführte Unternehmen der Welt- eigentlich ein Staatsbetrieb..

Bin bei 5,09 € dabei....

Langfristig müssten die enormen Rohstoffreserven vor allzuviel Ungemach schützen....

Meines Erachtens ein gutes Chance/Risikoverhältnis.

hoyke - Montag, 11. August 2014 - 09:22
Gazprom hat eine recht starke waagerechte Unterstützung bei ca. 5 €.

Fundamental eigentlich ohnehin ein klarer Kauf.
(Bewertungszhlen samt und sonders ein Witz...)

Das angeblich am schlechtesten geführte Unternehmen der Welt- eigentlich ein Staatsbetrieb..

Bin bei 5,09 € dabei....

Langfristig müssten die enormen Rohstoffreserven vor allzuviel Ungemach schützen....

Meines Erachtens ein gutes Chance/Risikoverhältnis....

allerdings eine stark politische Aktie...

stw - Dienstag, 12. August 2014 - 10:49
Die Frage ist hier mE ob man in Russland überhaupt guten Gewissens investieren kann. Fuer mich sind die politischen Risiken zu hoch. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet ist Gazprom sicher unterbewertet, aber was hilft das, wenn Putin doch macht was er will...

:-) stw

al_sting - Dienstag, 12. August 2014 - 13:12
@ hoyke: Danke für die Info!
Gazprom ist aus fundamentaler Sicht sicherlich spannend, mir aber bislang zu staatsnah. In eier Vergangenen Krise hat Putin, als er Geld brauchte, mal eben Gazprom eine Menge Schulden übergeholfen, die bis heute nicht getilgt sind. Wiederholung nicht ausgeschlossen. Mi
ch würde daher ein privates Unternehmen interessieren, dessen Oligarch einigermaßen sauber zu sein scheint und mit Putin gut kann. Sistema beispielsweise. Allerdings ist mir da der Kurs weggelaufen.

hoyke - Dienstag, 12. August 2014 - 13:58
Die Unterstützung beim Kurs von 5 Euro reicht mindestens 10 Jahre zurück- bei 5 € hat der Kurs immer wieder nach oben gedreht...

GAZ hat mir schon viel Geld gebracht....

xenon - Dienstag, 12. August 2014 - 16:06
Mit den 5 Euro hast Du recht, doch wie konntest Du seit dem Frühjahr 2011 mit dieser Aktie "Geld verdienen".
Im Grunde genommen bin ich ein Russland-Fan (DSF) - ein riesiger Markt, gut ausgebildete Menschen (Schule, Uni) ... riesiger Konsumtionsnachholebedarf, ernorme Rohstoffreserven - aber eine Politik ohne Investitionssicherheit und ohne Einhaltung internationaler Mindest-Standards. Putin hat hier leider immer wieder enttäuscht und so sieht auch der RTX und GAZ-Chart aus.
Fazit: mittel- / langfristig gehört Russland unbedingt auf die Watchlist - Volk und Land sind es wert.

hoyke - Dienstag, 12. August 2014 - 16:55
--- wieso seit dem Fühjahr 2011 ?

--- nein, es waren mehrere Deals über die Jahre , in der Regel immer Kauf bei ca. 5 €

al_sting - Donnerstag, 18. September 2014 - 08:06
Ich hatte hier mal Sympathien für Sistema geäussert.
Der Chef steht jetzt in Russland unter Hausarrest. Vorwurf auf Geldwäsche.
Mit anderen Worten, das Verhältnis zum Kreml ist erschüttert. Damit ist Sistema für mich ein klarer Verkaufskandidat, Yukos lässt grüßen.
http://de.ria.ru/russia/20140916/269561500.html

al_sting - Donnerstag, 18. September 2014 - 21:00
Lesenswerte Grundsatzüberlegungen zu russischen Aktien. Ich bin immer stärker der Meinung: Derzeit Finger weg!
http://valueandopportunity.com/2014/09/17/sistema-update-general-thoughts-on-russian-stocks/

al_sting - Dienstag, 20. Januar 2015 - 10:06
Im September sagte ich noch "Finger weg", jetzt will ich mich doch wieder an eine russische Aktie wagen. Und zwar an den Einzelhändler und russischen Marktführer Magnit. Ist jetzt einerseits 20% billiger als im September und hat andererseits unerwartet gute Zahlen für 2014 vorgelegt.

Achtung, die Vorstellung wird lang. :-)

al_sting - Dienstag, 20. Januar 2015 - 10:28
Magnit, größter russischer Einzelhändler

Grundsätzliche Gedanken zum Einzelhandel für den täglichen Bedarf:
Jede Branche hat gewisse Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten. Zu den Besonderheiten des Einzelhandels gehört die große Zahl dominanter, nicht börsennotierter Familienunternehmen. Aldi, Lidl, DM, Rossmann, ...
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass spezielle Gesetzmäßigkeiten der Branche das unterstützen, langfristige Ausdauer und Trägheit.
Ein einmal gefundenes Erfolgskonzept ist viel wert. Dieses Erfolgsrezept muss stetig weiterentwickelt werden, aber wenn es einmal (sehr oft durch try & error) gefunden wurde und sich als reproduzierbar erwiesen hat, dann kann es weit tragen. Weiterhin ist die Branche eher träge gegenüber Konjunkturzyklen. Die täglichen Grundbedürfnisse des Lebens, ob Lebensmittel oder Drogeriewaren, braucht man in guten wie in schlechten Zeiten. Damit sind radikale Umbrüche, die nach erhöhtem Kapitalbedarf rufen und einen Börsengang erzwingen, seltener als in anderen Branchen.
Aber diese Trägheit und Stetigkeit impliziert auch, dass Turn-Arounds in dieser Branche besonders schwer und langwierig sind. Wenn ein Konzept einmal Schlagseite hat, kommt es nur schwer wieder davon weg. Das Scheitern von Schlecker war eine Art Crash mit sehr frühzeitiger Ansage. Alle Bemühungen eines späten Richtungswechsels misslangen. Real oder Karstadt kämpfen seit Ewigkeiten mit seinen Problemen und kommen kaum voran.
Es zeigt sich, dass organisches Wachstum in dieser Branche besonders wertvoll ist, sollten dann doch die Filialen alle einem (oder mehreren) „Erfolgskonzepten“ folgen. Bei zusammengekauften Unternehmen ist das nicht so sicher.

Unter diesen Bedingungen ist antizyklisches Investieren besonders risikobehaftet. Bei fundamental günstig bewerteten Unternehmen auf einer „Verliererstraße“ ist das Risiko größer als in anderen Branchen, dass die Probleme andauern und die Werte vernichten, bevor sie im Interesse der Besitzer gehoben werden können. Daher bietet sich hier m.E. eher der Buffetsche Ansatz an, hervorragende Unternehmen zu fairen Preisen zu suchen als der Grahamsche Ansatz mit strauchelnden Unternehmen zu Spottpreisen.

Magnit: Vor kurzem ist mir die Entwicklung bei Magnit aufgefallen, dem mittlerweile größten russischen Einzelhändler. Magnit ist aus einer Verkaufsstelle anno 1994 auf mittlerweile über 9.000 Verkaufsstellen angewachsen, m.W. komplett mit organischem Wachstum. (Zum Vergleich: Der größte Konkurrent in Russland, X5, scheint sein Wachstum in starkem Maß anorganisch voranzutreiben.) Magnit bietet dabei die ganze Palette des Einzelhandels für den täglichen Bedarf: 8.300 „convenience stores“ (kleine Supermärkte, 300m² Verkaufsfläche), 190 Hypermärkte (Big Box, 3.000 m²), 97 „Magnit family stores“ (große Supermärkte, recht neue Linie, 1.100 m²), 1080 Drogerien (230 m²). Das Laden- wie auch Flächenwachstum beträgt seit Jahren recht stabil etwa 20% per anno, die Umsatzmarge liegt recht stetig bei etwa 5-6% des Umsatz. Auch 2014 hat diese Wachstumsdynamik zu meiner Überraschung nicht nachgelassen, die Verkaufsfläche stieg von 3,0 auf 3,6 Mio m²!
20% profitables organisches Flächenwachstum, Jahr für Jahr, das ist schlicht enorm. Ich muss es nicht im Detail verstehen um zu konzidieren, dass der Gründer von Magnit offensichtlich eine Erfolgsstraße gefunden hat. Mit einem Marktanteil von gerade einmal 6% ist man Marktführer in Russland, das Wachstumspotential ist noch riesig.
Der Gründer Sergej Galitzki ist nach wie vor bestimmender Großaktionär mit 38,6% der Aktien, das spricht für eine Fortführung des gefundenen Erfolgskonzepts.

Problem bei Russland: Die Umsatzentwicklung ist weder in Rubel noch in Dollar derzeit wirklich aussagekräftig. In Dollar schlägt die Rubelabwertung so stark negativ zu Buche, dass die Zahlen verzerrt werden, in Rubel schlägt die Inflation so stark positiv zu Buche, dass die Zahlen verzerrt sind. Daher halte ich Flächenwachstum und die stabile Umsatzrentabilität für die aussagekräftigeren Parameter. Insbesondere da Russland noch vom im „race for space“ zu sein scheint.

Nun ist Russland ein spezielles Pflaster. Ob Putins Eskalationskurs volkswirtschaftlich erfolgversprechend ist, wage ich zu bezweifeln. Der Einbruch des Ölpreises trifft das Land auch volle Breitseite, und weitere Rubelabwertungen sind nicht auszuschließen. Dazu kommt eine latente Rechtsunsicherheit, wie sie erst vor kurzem wieder Sistema erleben musste, denen die Anteile am Ölförderer Bashneft quasi entschädigungslos abgenommen wurden.
Zu letztem Punkt habe ich die These, dass strategisch für Putin bedeutsame Branchen von der Militärindustrie bis hin zu jeglicher Rohstoffförderung besonderes Risiko bergen, da hier immer das Risiko einer entschädigungslosen Enteignung und Verstaatlichung besteht. Und bei Betrieben im Staatsbesitz wie Gazprom besteht immer eine gute Chance, dass politische Interessen wirtschaftlichen vorgezogen werden. Beim Einzelhandel hingegen scheint mir dieses Risiko wesentlich geringer und halbwegs tragbar zu sein.

Sergej Galitzky, der Gründer und Hauptaktionär, scheint komplett apolitisch zu sein. Weder ein Buddy Putins noch ein Kritiker Putins, stammt er auch weder aus Petersburg noch aus Moskau, sondern aus Krasnodar in der Nähe vom Schwarzen Meer. Anscheinend ein apolitischer Selfmademan aus der Provinz. In einem politisch so aufgeladenen Land wie Russland gefällt mir das.
Ein weiteres Problem in Russland ist Korruption. Aber da behaupte ich mal, dass sich die Branche dafür eher unterdurchschnittlich anbietet. Um den sehr profitablen Betrieb von bald 10.000 Läden im ganzen Land zu erreichen, helfen Bestechungsgelder eher wenig, hier sind Steuerungs- und Managementfähigkeiten gefragt. Ich bezweifle, dass sich hier Kompetenz durch Bestechungsgelder an wenigen zentralen Stellen ersetzen lässt.
Kurz gesagt, Magnit scheint mir ein sehr interessantes Unternehmen mit einem überschaubaren Risikoprofil auch für westliche Investoren zu sein.

Die Gewinne des Unternehmens in Euro wurden durch die jüngste Rubelentwertung natürlich übel relativiert, weitere Einbrüche des Rubelkurses sind nie ausgeschlossen. Dem steht eine steigende Inflation gegenüber, die aber deutlich unterhalb der Rubelabwertung liegen dürfte. Das alles erschwert eine faire Bewertung des Unternehmens und steigert das Risiko, all das hat mich zögern lassen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen russischen Unternehmen ist der Aktienkurs von Magnit (GDR mit ISIN US55953Q2021) auf Euro-Basis relativ stabil geblieben. Seit 2 Jahren bewegt er sich meist im Bereich zwischen 32 und 50 €. In Rubel (ISIN RU000A0JKQU8) hingegen ist der langjährige Aufwärtskurs ungebrochen, genauso wie das Flächen- und Gewinnwachstum.
Dass der Gründer noch immer 38% der Aktien hält, spricht cauh zukünftig gegen eine Wachstumsfinanzierung durch Aktienausgabe, wie sie beispielsweise die französische Kette Casino aufzuweisen schien – der Hauptaktionär würde sich damit ja selber entmachten.

Das KGV liegt im Bereich von etwa 15. Per se nicht billig, ist es aber eher günstig für ein derartiges Wachstum. Und wie oben ausführlich beschrieben gebe ich Erfolgsmodellen im Einzelhandel eine größere Chance für lange Ausdauer als bei anderen Branchen. Daher könnte ich auch damit leben, wenn die Entwicklung eines weiteren Jahres durch eine Rubelentwertung für mich „verloren“ ginge.
Es wird auch eine Dividende gezahlt, Dividendenrendite etwa 2%. Das ist nicht viel und davon könnte auch noch einiges in Steuern etc. hängen bleiben. Aber mit einem profitablen Wachstum von 15-20% und einer Dividende von ca. 2% liegt Magnit spürbar oberhalb meiner Zielrendite von 10-15%, passt also gut als Dauerläufer in mein Depot. Wenn auch die Risiken der Währungsentwicklung sehr präsent sind.

Die kritische Diskussion zu Casino, die mich letztlich vom Kauf abschreckte, empfand ich als ausgesprochen hilfreich. Daher will ich dieses Mal heute nur diesen Wert vorstellen und zur Diskussion stellen. Sofern die Diskussion nichts an meiner Sichtweise ändert, will ich in zwei Tagen eine halbe Position in Magnit (GDR-Aktien) erwerben.

Diskussionsforum der stw-boerse: Auslandswerte: Russische Aktien: Archivierte Beiträge bis 20. Januar 2015