Eine Einführung in die Portfolio Selection Theory

Kapitel 2: Volatilität

Im vorangegangenen Kapitel haben wir gesehen, dass in unserem Beispiel mit einer Geldanlage in A-Aktien im Schnitt eine Rendite von 3,4% p.a. zu erwarten ist. Vergleicht man dies mit einer Anleihe, die nominal 3,4% p.a. an Rendite erzielt, so wird schnell klar, dass die erheblichen Schwankungen von Jahr zu Jahr bei der Rendite der Aktie ein gewisses Risiko darstellen.

Mit dem Begriff Risiko bezeichnet man daher die Unsicherheit, mit der die erwarteten Renditen auch wirklich eintreten. Je stärker das Risiko einer Anlageform ist, um so stärker schwankt die Wertentwicklung im Zeitverlauf. Das Instrument um diese Unregelmäßigkeit oder Flatterhaftigkeit der Renditeentwicklungen zu messen ist die sogenannte Volatilität. Zur Berechnung der Volatilität beschäftigen wir uns zunächst mit dem mathematischen Konzept der Standardabweichung, die mit dem griechischen Buchstaben s (Sigma) bezeichnet wird.

Die Standardabweichung misst, wie stark die einzelnen Renditen der Perioden um den Mittelwert (Erwartungswert) schwanken. Die quadrierte Standardabweichung, also s2 wird in der Mathematik auch als Varianz bezeichnet. Die Varianz lässt sich zwar leichter errechnen, mit Hilfe der Standardabweichung lassen sich aber "griffigere" Aussagen bezüglich der Risikohaftigkeit einer Anlageform treffen.

Betrachten wir hierzu unser Beispiel mit der A-Aktie:

Jahr

Kurs am
Jahresbeginn

Kurs am
Jahresende

Rendite

1997

62,- EUR

66,- EUR

+6,5%

1998

66,- EUR

74,- EUR

+12,1%

1999

74,- EUR

78,- EUR

+5,4%

2000

78,- EUR

70,- EUR

-10,3%

Den Mittelwert bzw. Erwartungswert der Renditen der Jahre 1997-2000 hatten wir ja bereits vorhin mit 3,4% errechnet. Somit erhalten wir für die Standardabweichung der A-Aktie:

Dies bedeutet nun, dass die zu erwartende jahresbezogene Standardabweichung der A-Aktie von Ihrem Erwartungswert 3,4% genau 8,3% beträgt.

Diese Aussage ist jedoch noch wenig hilfreich bei der Abschätzung des Risikos. Hier hilft jedoch die Wahrscheinlichkeitstheorie weiter, wenn man von einer Normalverteilung oder Gauß'schen Glockenkurve der einzelnen Renditen rund um den statistischen Mittelwert ausgeht. 

Nach der sogenannten Zwei-Drittel-Regel der Wahrscheinlichkeitstheorie liegt die Rendite einer Anlageform mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/3 (oder rund 70%) zwischen dem Erwartungswert abzüglich der Volatilität und dem Erwartungswert zuzüglich der Volatilität, d.h. im  Intervall [m-s ; m+s]. Weiterhin liegen die zu erwartenden Renditen mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% im Intervall [m-2s ; m+2s] und mit sogar 99%iger Wahrscheinlichkeit im Intervall [m-3s ; m+3s].

Für unsere A-Aktie heißt dies z.B., dass mit 95%iger Wahrscheinlichkeit die Jahresrendite nie geringer als -13,2% aber auch mit gleicher Wahrscheinlichkeit nicht höher als 20% sein wird.

So lässt sich mit Hilfe des Instrumentariums der Standardabweichung das Risiko einer Geldanlage recht gut abschätzen.

Sofern die betrachteten Perioden und die dem Datenmaterial zugrunde liegenden Perioden exakt übereinstimmen (z.B. Berechnung von Jahres-Standardabweichungen auf Basis von Jahresrenditen) ist die Standardabweichung mathematisch gesehen identisch mit der Volatilität. Die Volatilität lässt sich jedoch auch auf der Basis der in der Praxis viel häufiger benutzten börsentäglichen Kursschwankungen einer Anlageform errechnen. In diesen Fällen muss die Standardabweichung jedoch noch mit einem speziellen Koeffizienten multipliziert werden, um die Jahresvolatilität richtig zu bestimmen. Nachfolgend sei unterstellt, dass ein Börsenjahr aus ca. 250 Handelstagen besteht. 

Man erhält dann die Jahresvolatilität (sann) wie folgt: 

Auf Basis von Tagesrenditen:

Auf Basis von Wochenrenditen:

Auf Basis von Monatsrenditen:

Auf Basis von Quartalsrenditen:

Wichtig ist also immer der Zeitraum auf den sich die Volatilität bezieht. Gebräuchliche und in den großen Wirtschaftszeitungen veröffentlichte Werte sind meist 200- oder 250-Tage-Volatilitäten auf Basis von Tagesrenditen.

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