Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Tendenz Deutschland: Archivierte Beiträge bis 21. März 2020
al_sting - Dienstag, 17. März 2020 - 21:47
Mir geht es ähnlich wie Prof und levdul: Ich betrachte die Börse derzeit mit etwas Distanz.

1. Habe ich beim Arbeitseinkommen gerade mehr Glück als Verstand. Bis Februar arbeitete ich teils auf Honorarbasis im Bereich Lehre, teils mitstundenbasierten Verträgen in der Fernsehbranche. In beiden Bereichen hätte ich mit nahezu kompletten Erlöseinbrüchen rechnen dürfen.
Seit März bin ich Lehrer per Seiteneinstieg. Auch meine Schule hat diese Woche geschlossen, aber ich darf auch weiterhin mit einem Gehalt rechnen.
Puh!

2. Die Entwicklung in meiner näheren Umgebung, im Land und in Europa berührt mich viel stärker als die Börse. Lieber das Land jetzt (teuer) herunterfahren, wenn sich damit Situationen wie in Norditalien noch vermeiden lassen.
Was ist Geld gegen Leben?

3. Die schwarze Null der letzten Jahre und der wieder auf unter 60% des BIP gesunkene Schuldenstand zahlt sich jetzt aus, das Land hat wieder Reserven zur finanziellen Linderung für ökonomische Schieflagen.

4. Durch den Berufswechsel hatte ich in den letzten Wochen eh herzlich wenig Zeit für das "Hobby Börse". Auch deshalb habe ich das Depot kaum angefasst.

5. Ich rechne zwar auch auf Dauer mit Verlusten (Lufthansa wird sich nicht unbedingt so schnell erholen, bei Stahl und Autos bin ich optimistischer), aber mein im Privatdepot deutlich stärker gewichteter Tesla-Put hilft dort halbwegs als Puffer.

6. Die USA sind viel stärker Börsennation als Deutschland und Europa. Ich rechne dort mit einer ähnlichen, vielleicht sogar dramatischeren Entwicklung wie in Europa (Trumps Inkompetenz sei Dank), mit etwa 2 Wochen Zeitverzug. Wenn die USA herunterfahren und diverse Privatleute mangels Erwerbseinkommen ihre Aktienbestände zwangsverkaufen müssen, erwarte ich weitere Kursrückgänge.

prof - Mittwoch, 18. März 2020 - 11:49
@levdul: Man wird das Problem erst mal zum großen Teil über die Notenpresse lösen. Es könnte aber auch eine Zwangsanleihe oder deftige Vermögens- und Aktiensteuern auf uns zu kommen.

@al:
1.) Da hast Du wirklich Glück gehabt, das ich Dir gönne. Ich habe an Dich gedacht! Für uns Künstler und Musikschulbetreiber gibt es auch Unterstützung in der Höhe von Krankengeld. Nicht viel, aber immerhin.

2.) Zustimmung

3.) Am Ende werden wir vielleicht so um die 100% Schulden im BIP stehen.

4.) Wenn die Kinder alle ihre Hausaufgaben bekommen. Dann kannst Du Dir über eine Watchlist Gedanken machen.

5.) Die Digitalisierung wird voranschreiten, Microsoft sind beispielsweise relativ wenig gefallen. Aber es werden nur die Starken überleben.

6.) Sollten die USA herunterfahren, werden die Börsen noch einmal deftig nach unten gehen. Dann haben wir vielleicht erste Kaufkurse.

al_sting - Mittwoch, 18. März 2020 - 17:01
Hmm, immerhin Krankengeld. Und das stabile Einkommen deiner Frau.
Alles Gute und Gute Gesundheit!

prof - Donnerstag, 19. März 2020 - 07:30
Das Krankengeld für Künstler war wohl eine Fehlinformation. Ein paar Tage sollte man der Regierung schon Zeit geben, etwas auf die Beine zu stellen.

levdul1 - Donnerstag, 19. März 2020 - 09:10
Nach dem jüngsten Kurssturz sind natürlich die Dividendenrenditen stark angestiegen. Ich würde jetzt sicherlich nicht hingehen und von der Lufthansa eine Riesen-Ausschüttung erwarten.

Aber einige interessante Werte wie z.B. die Deutsche Post oder die Allianz bieten im Augenblick über 6 % Rendite. Bei beiden Firmen sehe ich die Schäden durch Corona geringer als bei produzierenden Unternehmen. Beide Hauptversammlungen finden (wenn sie stattfinden) Anfang Mai statt.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Werte bis zur Dividendenausschüttung nach unten besser abgesichert sind als andere Aktien.

Wie seht Ihr diese Theorie ?

prof - Donnerstag, 19. März 2020 - 10:40
Ich wäre mit Unternehmen (Lufthansa), die nicht selbständig überlegen können, vorsichtig.
Der Staat will sich nicht die Kritik anhören müssen, dass er Aktionäre (böse Spekulanten) schützt. Er will Arbeitsplätze und die Marke sichern. Das ginge zum Beispiel über eine Kapitalerhöhung zu 1 € je Aktie. Deshalb zögere ich auch bei Sixt.

Wenn Amazon die deutsche Post erpresst oder ganz wegbricht, ist die Firma ebenfalls hinüber.
Letzten Endes muss man sich bei jedem Unternehmen fragen, ob es aus eigener Kraft überlebensfähig ist, auch wenn die Krise bis Jahresende dauert.

Meine Watchlist sieht so aus und wechselt natürlich permanent:
Amadeus
Amazon
Berentzen
Cewe
Defama (Zukauf)
Dt. Telekom
Enel
Hypoport
Microsoft
Pepsi
S&T
Starbucks
Sixt St (wenn klar ist, dass sie es überleben)

levdul1 - Donnerstag, 19. März 2020 - 11:35
Interessante Liste.
Amadeus hatte ich mir auch schon angeschaut. Im Augenblick benötigt wohl kaum jemand Zeitarbeiter. Aber die Firma ist hochprofitabel und nur sehr selten zu einem guten Preis zu bekommen.

Hypoport, Microsoft, Pepsi, Starbucks und Amazon sind wohl immer kaufenswert, wenn der Preis stimmt.

Berentzen und Deutsche Telekom mag ich persönlich nicht, weil ich die Produkte/Service unterirdisch finde. Der Rest sagt mir nicht viel.

Ich habe noch eine Aktie auf der Liste: Constellation Brands.

Diese Firma stellt unter anderem ein Beer namens Corona her. Aufgrund der derzeitigen Krise ist der Absatz dergleichen stark eingebrochen. Das ist sicherlich irrational und wird irgendwann wieder in normale Bahnen kommen. Und getrunken wird auch immer. Bei Ausgangssperre vielleicht noch mehr als vorher ...

prof - Donnerstag, 19. März 2020 - 12:56
Jo, mein Sohnemann hat vergangene Woche eine Dose Corona Bier im Supermarkt gekauft und fand das sehr witzig. Die Jugend geht anders mit dem Thema um...

al_sting - Donnerstag, 19. März 2020 - 15:23
Ja, bei Lufthansa stimme ich euch zu. Deshalb hole ich heute nach, was ich mangels Zeit und Muße bislang versäumt habe:
Verkauf Lufthansa, nächster Kurs Xetra
Verkauf Bains de Mer (Monaco), nächster Kurs Paris.

Ein paar Gedanken interessanter Unternhemen habe ich mir auch gemacht. Auf meiner Liste stehen derzeit (mehrheitlich alte Bekannte):
- Admiral Group
- BASF
- Deutsche Post
- Sixt (egal ob Vz oder St)
- Thermador Group
(+ Privat Aufstockung bei Mutui, wo ich bislang zu schwach bin)
Die IT-Wert von Profs Liste (Amadeus, Amazon, Hypoport, Microsoft) sind natürlich auch durch die Bank interessant, wenn sie denn günstig werden.

prof - Donnerstag, 19. März 2020 - 17:28
Wir sollten unterscheiden:
Amadeus (die meinte wohl Al): Die Amadeus IT Group, S.A. ist ein IT-Dienstleister, der sich auf die Abwicklung von IT-Transaktionen im Tourismus spezialisiert hat. Mit seinen Lösungen bedient der Konzern Reiseanbieter (Fluggesellschaften, Billigflieger, Hotels, Bahngesellschaften, Kreuzfahrtanbieter, Fährenbetreiber, Autovermieter und Touranbieter) und Reisebüros. Die Gesellschaft agiert dabei als weltweites Netzwerk, das Reiseanbieter, Reisebüros und Reisende über eine hoch effiziente Abwicklungsplattform miteinander verbindet und so die Distribution von Reiseangeboten ermöglicht.
Die Italiener haben sich im Zuge der Corona - Krise fast halbiert. Klar, sie leben von den Reisevermittlungen. Die Frage ist, ob sie noch ein Jahr ohne Buchungen existieren können und dann dürfte das Geschäft erst anlaufen.

Amadeus Fire (die meine ich und wohl auch Levdul): Unsere deutsche Zeitarbeitsfirma.
Haben sich mehr als halbiert. Ich denke aber, dass Fachkräftemangel bald wieder ein Thema wird.

Ich tendiere also eher zu Amadeus Fire. Dort ging es charttechnisch seit der Finanzkrise steil nach oben. Solche Charts gefallen mir und es könnte eine Kaufgelegenheit sein.

Bei den Italienern wurden seit dem Weihnachtscrash keine neuen Topps mehr erreicht.

al_sting - Donnerstag, 19. März 2020 - 18:06
Ja, da habe ich dich missverstanden.

levdul1 - Freitag, 20. März 2020 - 09:00
Übrigens habe ich die letzten Tage auch genutzt um stws High-tech-Portfolio aufzustocken. Ich bin von seiner Arbeit einerseits begeistert, andererseits finde ich persönlich kein Thema langweiliger als IT. Somit schlage ich 2 Fliegen mit einer Klappe: Ich habe ein Produkt mit hervorragenden Renditeaussichten und ich muss mich nicht um Themen kümmern, die mir nicht liegen. Mittelfristig strebe ich an 15 - 20 % meines Anlagekapitals in stws Wikifolio zu investieren. Sehr weit bin ich nicht mehr davon entfernt. In der 2. Welle des Corona-Crashs werde ich wieder kaufen.

al_sting - Freitag, 20. März 2020 - 14:00
Ein kleiner Randaspekt: Gold ist auf dem gleichen Kursniveau wie bei meinem Ausstieg Mitte Januar.
Ich finde das beachtlich.
Klingt für mich so, als würde die aktuelle Krise (bisher) nicht zu grundlegenden Zeifeln in Staat und Gesellschaft führen, wie wir es in der Finanzkrise sahen.

prof - Freitag, 20. März 2020 - 15:34
Ob die Zweifel nicht doch in einer schweren Krise berechtigt sind, wird sich zeigen.

Du hast recht, man hätte eine Explosion des Goldpreises vermuten können. Möglicherweise verkaufen ja auch Einige ihr Gold, weil sie das Geld anderweitig benötigen.

Was mich viel mehr wundert: Der Bund Future ist von seinem Hoch Anfang März deutlich zurückgekommen. Warum dienen die Bundesanleihen nicht als Fluchtburg? Lässt hier das Vertrauen in die Bonität nach? Ich kann mir keinen Reim darauf machen.

al_sting - Samstag, 21. März 2020 - 13:00
"Möglicherweise verkaufen ja auch Einige ihr Gold, weil sie das Geld anderweitig benötigen."
Sehr gut möglich. Das ist ja auch meine These für mittelfristigen Druck auf Aktien. Gerade in Ländern, wo einerseits viel Kapital der Bürger in Aktien steckt und andererseits das soziale Sicherungssystem weniger stark ausgeprägt ist: Die angelsächsische Welt.
Dort will ich deshalb mit Aufstockungen wie auch dem Ausstieg aus dem Tesla-Put noch 1-2 Wochen warten.

Hingegen denke ich bei einer italienischen Aktie (privat, MutuiOnline) und einer deutschen Aktie (Privat und Musterdepot: Sixt) schon für Montag über einen Einkauf nach. In Italien knallt es jetzt schon richtig übel und auch bei den Todesfallen sollte der Höhepunkt (hoffentlich!) so langsam erreicht sein.
In Deutschland kann man bald nicht mehr viel herunterfahren, nachdem Bayern mit Ausgangssperren begonnen hat, und Hoffnungszeichen aus Italien würden auch hier wahrgenommen.

levdul1 - Samstag, 21. März 2020 - 14:03
Ich habe zu den ermäßigten Kursen auch zugekauft, bleibe aber trotzdem vorsichtig. Ich habe gestern schon wieder ein paar Positionen glatt gestellt und 2 Reverse Bonus Zertifikate gekauft.

Warum die Skepsis ? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Herunterfahren ganzer Länder nicht dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Teile der Wirtschaft werden auf Null gefahren, viele andere laufen auf Sparflamme. Das wird zu enormen Abschreibungen führen, so dass die Unternehmen für dieses Jahr große Verluste berichten werden. Dadurch wird der Buchwert stark sinken und viele Aktien müssen komplett neu bewertet werden.
Viele Unternehmen werden riesige Kredite aufnehmen um Ihre Gehälter weiter bezahlen zu können. Das wird auch die Bilanz negativ beeinflussen.
Und letztendlich wird all das vom Staat vergebene Geld auch irgendwann in Form höherer Steuern zurückgeholt werden, was dann auch auf die Gewinne der Unternehmen geht.

Ich rechne nicht mit einer V-förmigen Erholung. Sicherlich kann es Zwischen-erholungen geben, aber ich glaube das dicke Ende kommt noch. Und es wird dicker mit jedem Tag, an dem das Land still steht.

prof - Samstag, 21. März 2020 - 15:56
@al: Bei Sixt wäre ich vorsichtig, es könnte der Lufthansa Fall eintreten: Einstieg des Staates zu 1 € / Aktie. Wer kennt sich mit Bilanzen aus und kann sagen, wie lange Sixt mit Umsatz Null überleben könnte?

Ansonsten bin ich auch äußerst skeptisch. Der volkswirtschaftliche Schaden wird mit jedem Tag größer. Angstsparen dürfte auf privater wie unternehmerischer Ebene das Wort des Jahres werden und dieses Sparsamkeit wird die Wirtschaft noch über Jahre lähmen.

al_sting - Samstag, 21. März 2020 - 16:26
Warum sollte der Staat bei Sixt einsteigen?

Ich glaube nicht, dass Sixt in existentielle Not kommt - anders als bei Lufthansa.

1. Ich denke, dass gerade jetzt einige Leute aus Sorge vor einer Einstellung des Bahnverkehrs oder auch nuir der Ansteckungsgefahr in der Bahn Mietverträge über ein paar Monate suchen, auch bei Sixt. Auch wenn das die Rückgänge der Automieten nicht abfängt.

2. Sixt bekommt gerade ordentlich Geld für den Anteilsverkauf bei Sixt Leasing.

3. Sixt hat vor wenigen Tagen (also mitten in der Coronakrise) zusammen mit der Dividendenaussetzung einen Ausblick veröffentlicht, laut dem sie auch 2020 positive Zahlen schreiben werden: https://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/sixt-sixt-veroeffentlicht-ausblick-fuer-das-geschaeftsjahr-vorstand-beschliesst-vorschlag-zur-aussetzung-der-dividendenzahlung-sowie-weitere-massnahmen-zur-begrenzung-der-finanziellen-auswirkungen-der-coronakrise/?newsID=1295469
Das kann sich zwar ändern, ist aber optimistischer als bei anderen Firmen.

4. Soweit ich weiß, hält Sixt seine Autos nur etwa 6 Monate, dann wird weiterverkauft. Damit können sie auf Nachfrageeinbrüche relativ schnell reagieren (während Lufthansa die Flugzeuge kaum komplett los wird). Anders sieht es natürlich für Mitarbeiter und Mietkosten aus, aber das gilt auch für alle anderen Firmen.

prof - Samstag, 21. März 2020 - 18:57
@al: Danke für Deine Argumentation. Das klingt alles plausibel. Der Dividendenausfall ist durchaus verständlich. An die positiven Zahlen glaube ich nicht. Die Meldung ist vom 16.03. und könnte schon wieder Makulatur sein.

Hoffentlich geht der Verkauf von Sixt-Leasing über die Bühne! Der Kurs liegt 13% unter dem Angebotspreis. Hier gibt es also im Markt die Befürchtung, dass das Angebot zurückgezogen werden könnte. Die 13% sind die Risikoprämie, sonst könnte man ja sofort zugreifen.

Die Sache mit den 6 Monaten wusste ich nicht. Hoffentlich hat man nicht schon langfristige Verträge für die nächsten Käufe geschlossen. Du siehst, ich sehe an jeder Ecke Gefahren. ;-)

al_sting - Samstag, 21. März 2020 - 22:26
Es ist völlig richtig, auf die Gefahren zu schauen, dafür mag ich das Forum ja.

Aber zugleich ist es sinnvoll, mitten in der Krise die Chancen zu sehen, die erst später wieder eingepreist werden.

Kann sich Hyundai wirklich noch aus dem Anteilskauf der Sixt-Leasing-Aktien von Sixt zurückziehen, oder nur noch aus dem Übernahmeangebot für die übrigen Aktionäre? Nach diesem Artikel sind das ja zwei Paar Schuhe; http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/autoleasing-sixt-verkauft-leasingsparte-an-hyundai-santander-aktie-steigt-a-1304957.html

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