Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Behavioural Finances: Archivierte Beiträge bis 10. August 2018
al_sting - Samstag, 3. Juni 2017 - 11:58
Die 14-tägigen Kolumnen zu Behavioural Finances von Alfons Cortés in der Schweizer Wirtschaftszeitung "Finanz und Wirtchaft" finde ich seit der Entdeckung vr kurzem immer wieder interessant, weil sie eine technische Deurteilung von Aktienmärkten mit intelligenten und rationalen Argumenten begründet, so dass auch Fundis daraus m.E. etwas lernen können.
Daher möchte ich hier regelmäßig auf seine Kolumnen verlinken in dem Wunsch, hier dazu Diskussionen anzuregen.

al_sting - Samstag, 3. Juni 2017 - 12:03
26.05.2017: "UBS, Straumann und GIC" http://www.fuw.ch/article/ubs-straumann-und-gic/

Zur Depotzusammensetzung:
"Für mich ist nach wie vor der Aufsatz «The Use of Knowledge in Society» von F. A. von Hayek die Grundlage für das Verständnis der Börse. Darin definiert Hayek die Bedeutung der relativen Preise. Sie ermöglichen, die richtigen Entscheide zu treffen, obwohl niemand alles wissen kann, was in einem Markt gewusst werden müsste, um wirklich informiert zu sein. [..]
Denkt man Hayeks Position zu Ende, drängt sich auf, dass jede Aktie in gleicher Gewichtung in die Portfolios genommen werden muss, weil Kursziele nicht berechnet werden können. Den grössten Schaden fügt man dem Portfolio durch den Glauben zu, etwas zu wissen, was man nicht wissen kann. Dabei geht es nicht darum, dass Aktienbewertungen extrem schwierig zu erstellen wären. Sie sind nur von relativem Nutzen, weil man nicht wissen kann, wie der Überfluss an Meldungen von den vielen Gehirnen, die sich mit ihnen befassen, verstanden und gewertet wird."

Zum Timing: "Am liebsten kaufe ich relativ schwach gewesene Aktien in relativ schwach gewesenen Sektoren kurz nach Wende der relativen Trends und halte bis zur Wende der relativen Stärke von steigend auf fallend durch. Das kann Wochen, Monate, Jahre, in Ausnahmefällen sogar länger als ein Jahrzehnt dauern."

prof - Sonntag, 4. Juni 2017 - 10:23
Die zwei letzten Zeilen zum Timing sind logisch und enthalten mit oder ohne dem Wort "relativ" wenig Neues. An der Umsetzung beißen sich schon Generationen von Aktionären die Zähne aus!!

covacoro - Sonntag, 4. Juni 2017 - 15:26
Zu behavioural finance und Strategiediskussionen passen auch gut die Kolumen von Thorsen Polleit, einem VWLer. Sie erscheinen ziemlich versteckt auf der Seite der Wirtschaftswoche. Kurze Zeit später auch bei huffingtonpost.de, immer unter dem Titel "Intelligent investieren" => einfach mal googlen.

Zum Beispiel hat mir diese Kolumen gut gefallen
http://www.huffingtonpost.de/thorsten-polleit/intelligent-investieren-m_b_16782082.html

Zitat: "Damit dürfte der zentrale Punkt deutlich geworden sein, um die Unsicherheit beim Investieren zu verringern: Er besteht in der Wertbestimmung der Aktie. Wer weiß, was der Wert von etwas ist, der erkennt auch, dass Börsenkursschwankungen große Chance bieten: Das Börsengeschehen sorgt immer mal wieder dafür, dass die Kurse unter ihren Wert fallen; und das ist dann der Zeitpunkt, um beherzt zu investieren.

Wer sich an das „Preis versus Wert"-Prinzip hält, betrachtet das Investieren weder als ein Würfelspiel, noch blickt er sozusagen beim Geradeausfahren in den Rückspiegel, weil er sich von vergangenen Börsenkursbewegungen leiten lässt. Das „Preis versus Wert"-Prinzip ist damit im Kern ein aufgeklärtes Risiko-Management. Es steht für den folgerichtigen Umgang mit der Unsicherheit, wie sie sich dem Investor tagtäglich stellt."

Ist aber auch kein Wunder, weil Value-Investing liegt mir ja nahe

prof - Sonntag, 4. Juni 2017 - 15:33
@covacoro: Diese Investmentstrategie ist so gar nicht nach meinem Geschmack!

stw - Sonntag, 4. Juni 2017 - 18:45
Diese Zitate gefallen mir umso besser, sie könnten auch von Peter Lynch stammen...

;-) stw

al_sting - Donnerstag, 15. Juni 2017 - 10:36
Neue Kolumne, zur aktuellen Aussagefähigkeit von Volatilitätsindizes:
Volatilitätsindizes als Fake News http://www.fuw.ch/article/volatilitaetsindizes-als-fake-news/

"Gegenwärtig werden die Volatilitätsindizes breit diskutiert. Es heisst, sie würden Sorglosigkeit reflektieren. Volatilitätsindizes wie zum Beispiel der unten abgebildete Vix Vola-Index S&P 500 werden von den Kursindizes abgeleitet. Diese sind kapitalgewichtet. Zu gewissen Zeiten kaschieren sie mehr, als sie offenbaren. Das ist derzeit bei den meisten Indizes der Fall.
Wenn man Risiko ins Zentrum stellt, muss man sich auf New York konzentrieren, weil allfällige Probleme sich von dort aus viral ausbreiten würden.
Ganz entgegen der Botschaft, die die Vola-Indizes aussenden, sind Investoren nicht sorglos, sondern sitzen auf Kohlen. Diese Interpretation des Geschehens wird nur deutlich, wenn man bedenkt, dass Aktienkurse die Indizes bestimmen, nicht umgekehrt. Ergo muss die Analyse die Aktien einbeziehen. Während die Indizes das Bild vermitteln, die Volatilität sei niedrig, ist sie in Wahrheit hoch.

Ich greife zwei Beispiele heraus: In den letzten drei Monaten hat der S&P 500 (SP500 2437.92 -0.1%) 7% zugelegt. Die besten fünfzig Aktien sind 14 bis 43% gestiegen, die schwächsten fünfzig zwischen 14 und 60% gefallen. In beiden Lagern gibt es bekannte Namen. Herausgepickt sei IBM (IBM 153.81 -0.29%). Schauen wir uns die Entwicklung des IT-Werts über die vergangenen zwölf Monate an: Von Juni 2016 bis Februar 2017 hat er 18,9% zugelegt, seither hat er 18% verloren (15% in drei Monaten).
Wenn das ein Einzelfall wäre, würde ich dazu nichts zu sagen haben. Es ist aber kein Einzelfall. Fast alle Immobilienaktien etwa haben sich ähnlich benommen. [...]
Die hohe Volatilität auf Ebene der Einzeltitel, die stets mit dem Nachrichtenfluss beurteilt werden muss, zeigt einen sehr kritischen Umgang mit laufenden Nachrichten. Das ist das Gegenteil von dem, was angenommen wird, wenn die falschen Instrumente zurate gezogen werden. Dazu zählen seit einiger Zeit die Volatilitätsindizes."

Ich gestehe, dass mich diese Kolumne verblüfft. Wie kann die Kapitalgewichtung der Inidizes die Volatilität verschleiern? Ruhige Schwergewichte und unruhige Leichtgewichte? Aber kann man IBM noch als Leichtgewicht bezeichnen?

al_sting - Samstag, 8. Juli 2017 - 20:42
Wohin tendieren Euro-Banken?
http://www.fuw.ch/article/die-japanische-herausforderung-2-2/

al_sting - Mittwoch, 26. Juli 2017 - 12:23
Passt nur halb hierher, ist aber eine interessante Geschichte: http://www.valueinvestingworld.com/2017/07/boyles-asset-management-q2-2017-letter.html

"At a recent Talk at Google, investor Mohnish Pabrai told a story about a dinner he attended with Charlie Munger. At the dinner, Munger talked about the investment firm Capital Group, and an experiment it performed with its investment team. Capital Group assigned teams to manage different portions of its capital under management. On several occasions, the firm set up a “best ideas fund,” in which it took the highest-conviction stock picks from each of its managers. But each time it set up one of those funds, that fund underperformed and ultimately failed. After telling this story to his dinner guests, Munger asked the group if they could guess the underlying reason why those funds did not do well. But dinner was then served, and the riddle was left unsolved."


Weitere Diskussion von Pabrai und dem Investrenbrief dazu:
"Years later, Pabrai remembered the story; when he was with Munger on another occasion, he asked about the Capital Group story. It turned out that the reason the best ideas funds failed is because of the common feature among each manager’s pick: it was the idea that he or she had spent the most time studying.

In a 2007 speech at the USC Gould School of Law, Munger warned against the dangers of drifting into intense ideologies, and made the point that as “you start shouting out the orthodox ideology, what you’re doing is pounding it in, pounding it in, pounding it in.” And there’s a similar effect when it comes to investment research. When there’s a decent story for a company to tell about its prospects, the more time one spends with it, the more likely one is to believe in its merits.

The solution to this psychological tendency is not to spend less time on ideas. We feel that one of the long-term advantages that we can have in the investment world is knowing more about the companies in which we are invested than almost anyone else. Rather, the mechanism to fight this bias is to try to suspend judgment and opinion about a company’s investment merits until one can thoroughly state the cases both for and against that company’s prospects. We need to be aware of our own psychology, and how it is affected by the ways in which we spend our time. And if we ever catch ourselves spending too much time preaching about the ideas we’ve spent the most time on, or not spending enough time trying to understand the case against our best ideas, then—like the puffs of air hitting the hair on a cockroach’s legs—we need to recognize that there may be something amiss."

In dem Sinn: Kritische Kommentare und entgegengesetzte Positionen sind oft ein wertvollerer Input als zustimmende Kommentare - schließlich wollen wir die Schwachstellen und Risiken unserer Investmentideen besser erkennen. ;-)

al_sting - Donnerstag, 26. Oktober 2017 - 19:18
Interessanter Vergleich des aktuellen mit früheren Bullenmärkten http://www.private-banking-magazin.de/research-analyse-darum-koennte-die-aktien-hausse-weitergehen/


Schöne Grafik daraus: http://www.private-banking-magazin.de/uploads/fm/1498719991-CDAX_Mars%20AM.JPG

prof - Donnerstag, 26. Oktober 2017 - 19:31
Ja, das klingt in der Tat recht beruhigend!

al_sting - Donnerstag, 26. Oktober 2017 - 22:58
Ich muss eine Relativierung der Grafik nachschieben: Es ist schwer vorstellbar, dass hier wirklich der CDAX zurückgerechnet wurde. Ansonsten sind die Zeiträme 1901-1918 sowie 1932-1946 nicht als Haussemärkte zu werten.
Vielleicht für die USA, aber gewiss nicht für Deutschland!

plusminus - Freitag, 27. Oktober 2017 - 14:08
Zur weiteren Relativierung der Grafik: ich frage mich wie sinnvoll das Modell ist, das die Hausse-Zeiten definiert. Ob man 2011 von einem Trendbruch sprechen kann, ist wirklich Ansichtssache. Man vergleiche mit 2015/16.

Der Autor erhält in seinem Modell eine Hausse 2009 - 2011 eine 2011 - heute. Legt man beide zusammen, gerät die These des Artikels schon arg ins Schlingern...

Dennoch ein interessanter Rückblick.

al_sting - Sonntag, 10. Dezember 2017 - 22:56
IT-Blase ist noch nicht dramatisch
http://www.fuw.ch/article/it-blase-ist-noch-nicht-dramatisch/

"Spekulative Blasen bestehen aus drei Komponenten. Eine ist die Bewertung. Allein wegen hoher Bewertungen ist jedoch kein Bullenmarkt je in der Geschichte in einen Bärenmarkt übergegangen. Eine weitere Komponente ist der Rohstoff der Börse, Geld.
Wie Charles Kindleberger in seinem Standardwerk «Manias, Panics and Crashes» zeigt, lag am Anfang einer grossen Baisse jeweils eine hohe mit Wertpapieren besicherte Verschuldung vor. Bewertung und Verschuldung hatten zu Beginn einer jeden Baisse ein unterschiedliches Niveau. Hingegen wurde jeder Übergang von einer spekulativen Blase in eine Baisse von psychologischen Faktoren angetrieben, die sich immer in der gleichen Weise manifestierten.
Die dritte Komponente spielt sich auf Ebene der Öffentlichkeit ab: durch Intensivierung der Kommunikation, herbeigesuchte Argumente, warum «dieses Mal» die exzessive Bewertung bei «richtigem» Verständnis der modernen Welt gar nicht übertrieben sei, und eine Abwesenheit kritischer Stellungnahmen, die es jeweils gab, die aber nicht den Weg in die Medien fanden, weil sie unglaubwürdig erschienen.

Worauf es ankommt

Ferner die immer gleichen markttechnischen Signale: akzelerierende Trends, Ausbleiben periodischer Konsolidierungen, Blasen in den 20-Monate-Bollinger-Bändern, abnehmende Marktbreite wegen der überaus starken Favorisierung von einem bis drei Sektoren, in denen im Unterschied zum Gesamtmarkt die Marktbreite enorm hoch war. Das zeigte, dass jegliche qualitative Differenzierung auf der Strecke blieb.
In den letzten zwölf Monaten ist der MSCI Information Technology um 23% gestiegen, der S&P Global Information Technology mit Schwergewicht US-Tech-Aktien 44%. Das ist doppelt so viel wie die sechs nächststarken Sektoren Materials, Financials, Industrials, Healthcare, Utilities und Consumer Discretionary.
Die Bewertung und die aus New York gemeldete Verschuldung sind hoch. Die Stimmung im Sektor wird allein in den USA gemacht. Auf den US-Teil des Sektors konzentriere ich mich folglich. Darauf treffen vier von meinen sechs Kriterien zur Erkennung einer spekulativen Blase zu.

Zuwarten und beobachten

Das Wesentliche kommt aber jetzt: Von vier Kriterien, die das Platzen der Blase demonstrieren, ist keines erfüllt. Daher sollte man ausser beobachten jetzt nichts tun. Spekulative Blasen können sehr lange bestehen, bevor sie platzen – und enormen Gewinn einbringen.
Ältere Semester werden sich an die Blase in Japan erinnern, die sich nach meinen Kriterien von Mai 1985 bis Dezember 1989 entfaltete und dem Nikkei einen Anstieg von 203% eintrug. Jüngere Jahrgänge werden diejenige des Nasdaq in Erinnerung haben. Sie begann im April 1998 und löste bis März 2000 Kursgewinne von 285% aus.
Technische Analyse zeigt recht früh, wenn spekulative Blasen platzen. Diejenige von Japan wurde in der Kolumne vom 31. Januar 1990 4,4% unter der Kursspitze beim Namen genannt, die des Nasdaq am 2. Februar 2000 29% unter der Spitze.
Diese zwei Beispiele stehen für einen beständigen Befund: Man steigt jeweils unter der Höchstmarke aus spekulativen Blasen aus, aber weit über dem Niveau, ab dem fundamentale und monetäre Daten beginnen, vor ihnen zu warnen. Ich erkenne noch keine Anzeichen für ein bevorstehendes Platzen der Blase in Information Technology."

al_sting - Freitag, 5. Januar 2018 - 11:41
USA AAII-Sentiment-Umfrageergebnisse wöchentlich zurück bis 1987: http://www.aaii.com/sentimentsurvey/sent_results

Das letzte halbe Jahr direkt auf der Seite, die weiteren Jahre per Download

prof - Freitag, 5. Januar 2018 - 12:20
Die Hausse treibt die Hausse. Das sieht auf Sicht von mehreren Tagen / Wochen / Monaten nicht gut aus.

Aber im Aufwärtstrend sollte man halten. Bestenfalls schließt sich nach erfolgtem Anstieg eine längere Seitwärtsphase an.

al_sting - Freitag, 12. Januar 2018 - 09:54
Einerseits ein interessanter Blick auf die Marktentwicklungen bei Ölaktien, andererseits eine interessante, rationale Erklärung für ein charttechnisches Phänomen.

Energieaktien im Haussemarkt: http://www.fuw.ch/article/energieaktien-im-haussemarkt/

Erdöl und Ölaktien wurden seit März 2015 fünf Mal in diesen Spalten behandelt. Das Narrativ, das die sinnstiftende Erzählung war hinter den Panikverkäufen, gefolgt von einer kräftigen Erholung, die ihrerseits einer langen Reflexionsphase Platz machte, dokumentiert lehrbuchmässig die Geschichte, aus der die aktuelle Hausse entstanden ist. Sie ist Teil eines rollenden Prozesses von einer Baisse in eine bevorstehende Hausse.

Seit Oktober 2014 ist die Korrelation zwischen Ölaktien und den Rohöl-Futures ungewöhnlich eng. In beiden ist auf den Charts das entstanden, was in den Büchern über technische Analyse als inverse Schulter-Kopf-Schulter-Formation bezeichnet wird. Novizen meinen, solche Erscheinungen oft zu erkennen. Wer sich in technischer Analyse wirklich zurechtfindet, weiss hingegen, dass sie selten vorkommen.

Revolution der Bullen

Treten sie auf, sind sie potente Zeugen eines Vorgangs, den ich plastischer nicht umschreiben kann als mit einer Revolution der Bullen gegen die Partei der Bären, die zu lange geherrscht und dabei vor lauter Selbstherrlichkeit verpasst hat, auch nur die geringste Mühe darauf zu verwenden, die Argumente der Bären zu erhören. Das ist die Anatomie des Endes eines Bärenmarktes und mit umgekehrten Vorzeichen auch des Endes eines Bullenmarktes.

Was sich in Öl-Futures als sogenannte rechte Schulter zwischen Juni 2016 und September 2017 ausbildete, stellt nichts anderes dar als ein Gerangel zwischen Bullen und Bären, das in der Vorherrschaft der Bullen endete. Dieses Gerangel fand in einer Preisspanne statt in der Mitte des Abwärtstrends, der im Juni 2014 begann und im Februar 2016 endete, und dauerte von Januar bis Juli 2015.

Die Wahl der Mittel

Es handelte sich um eine grössere Auseinandersetzung zwischen den Parteien, die zunächst zu einer Niederlage der Bären führte. Dass gerade in diesem Kursbereich ein sogenannter technischer Widerstand entstand, wie ihn grössere Auseinandersetzungen stets auslösen, überrascht keine Person, die mit der Prospekttheorie von Kahneman und Tversky vertraut ist. Dazu später mehr.

Der Entwicklung von Rohöl-Futures folgt nun der Markt für Energieaktien. Man wird jetzt versucht sein, der Frage nachzugehen, welche Energietitel sich für ein Portfolio besonders eignen. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. In der frühen Phase der Entwicklung muss man aufpassen, sich bei der Titelselektion nicht zu überschätzen. Wieder aus der Prospekttheorie folgend, muss davon ausgegangen werden, dass viele Akteure Bestände abbauen werden, sobald ihre Einstandskurse erreicht und Buchverluste ausgeglichen sind.

Die Prospekttheorie, verstärkt durch einen Regret Bias, entfaltet in einer solchen Situation ihre Wirkung. Sie liefert die Erklärung dafür, warum auf den Charts gewisse Bereiche, in denen Kurse und Umsatz in spezifischer Weise zusammenwirken, Widerstände gegen weitere Kursavancen darstellen. Sie machen nämlich private Daten öffentlich: Es sind die Einstandskurse vieler Marktteilnehmer, die sie als Referenzpunkte für ihre Entscheide betrachten – eine verbreitete Krankheit, die der Performanz erheblichen Schaden zufügt.

Der Crude-Oil-Futures hat, wenn auch dieser Widerstandspunkt noch nicht voll überwunden wurde, doch den wesentlichen Teil davon abgebaut. Nun ist der in früheren Kolumnen angekündigte Bullenmarkt in Öl und Ölaktien Wirklichkeit geworden.

al_sting - Donnerstag, 3. Mai 2018 - 22:19
Sieh an, Ölaktien zur Diversifizierung geeignet:
http://www.fuw.ch/article/oelaktien-haben-sonderstellung/

prof - Freitag, 4. Mai 2018 - 10:39
Da hast Du allerdings recht: Der Ölpreis korreliert wohl weniger mit dem MSCI als die Techaktien!

al_sting - Freitag, 10. August 2018 - 21:15
Ich bin versucht, Cortes technischer Analyse zu folgen zu folgen und ein Indexzertifikat auf den Euro Stoxx 50 Banks zu kaufen. Meinungen dazu?
http://www.fuw.ch/article/contrarian-chance-in-euro-banken/

Ach ja, die Zusammensetzung des Euro Stoox Banks findet man hier: http://www.boerse.de/kurse/EURO-STOXX-Banks-Aktien/EU0009658426
Aber ich traue mir nicht zu, daraus den besten Wert herauszusuchen.

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Contrarian-Chance in Euro-Banken

Bekennende Contrarians gibt es an jeder Ecke. Solche, die tatsächlich zugreifen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, scheinen weniger häufig zu sein. Aus meiner Sicht hat sich im Eurostoxx Bankenindex eine solche eingestellt.

Diese Beurteilung möchte ich begründen. Die schlechtesten technischen Signale an der Börse kommen dann zustande, wenn sie auf eine spezifische Nachricht zurückgeführt werden können. Gute Investoren warten nicht auf Nachrichten, sondern erarbeiten ihre Visionen der Zukunft schleichend. Somit kann davon ausgegangen werden, dass Kursreaktionen auf Nachrichten von einer Population ausgelöst wurden, die über keine wirklich smarte Entscheidungsstrategie verfügt. Wirklich gute Signale kommen entweder im Nachrichtenvakuum zustande oder laufen exakt konträr zu jeder naheliegenden Annahme aus dem Nachrichtenfluss.

Talsohle durchschritten

Das ist aus meiner Warte im Eurostoxx Bankenindex nach einem Minus vom Jahreshöchst von bis zu 25% im Juni geschehen. Im Juli legte er 5,7% zu und übertraf damit den Zuwachs des MSCI Welt von 3,1% und jenen des Sektors Financials von 4,6%. Die Erholung setzte dort ein, wo jeder Techniker sie erwarten konnte: Auf der Höhe der unteren Linie des 20-Monate-Bollinger-Bandes.

Was lag hinter der Schwäche der Euroraumbanken? Eine Ankerbildung, die Verfügbarkeitsheuristik, und der weitverbreitete Hang zu übertreiben. Die Ankerbildung besteht in der Skepsis gegenüber dem Euro, der institutionellen Aufstellung des Euroraums und der engen Vernetzung zwischen Bankbilanzen und Staatsschulden. Sie entstand in den beiden Vorgängen, die in diesem Jahrzehnt als Eurokrise in die Geschichte eingegangen sind. Die Verfügbarkeit genau dieser Problematik liegt darin, dass gerade dieses Informationspaket insbesondere nach dem Ausgang der Wahlen in Italien auf allen Kanälen der elektronischen Medien und in allen Printmedien ausgebreitet wird.

Hinderliche Tunnelvision

Zur Übertreibung kam es dadurch, dass (leider) sehr viele Marktteilnehmende sich durch den Nachrichtenfluss regelmässig verführen lassen, und zwar in dem Sinne, dass die neuesten Nachrichten bezüglich der Bedeutung im Kontext aller relevanten Variablen überhöht werden und dadurch eine Tunnelvision entsteht, die das im Laufe der Zeit angesammelte Wissen ausser Acht lässt.

Contrarian-Aktionen bieten nicht nur Chancen für überdurchschnittliche Gewinne. Sie enthalten auch überdurchschnittliche Risiken. Deshalb ist es wichtig, bereits beim Einstieg die Ausstiegskriterien festzulegen. Es müssen solche sein, die die Vermutung nahelegen, die ursprünglich angenommene Contrarian-Chance stelle sich nicht ein. Aus meiner Warte wäre ein Rückschlag von 8% vom Schlusskurs des vergangenen Freitags aus gerechnet ein solches Signal.

Für den Schluss dieser Kolumne habe ich eine Anmerkung aufgespart, die im Zusammenhang mit Contrarian-Situationen besonders wichtig ist: Sie ergeben sich wie erwähnt nie aus Meldungen aus dem Wirtschaftssystem, sondern aus der Börse heraus selbst. Das ist auch der Grund, warum ich lieber den Begriff Contrarian verwende als den im deutschen meist zum Zug kommenden: antizyklisch. Es geht hierbei wirklich um eine Handlung, die konträr zu allem erscheint, was sich als glaubwürdige, allgemein akzeptierte Verhaltensweise in einem sozialen Kontext darstellt.
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