Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Aktienauswahl mit künstliche Intelligenz
isabellaflora - Samstag, 9. September 2017 - 21:47
Liebe Foristen,

ich möchte hier mal einen neuen Thread aufmachen, der uns möglicherweise in den kommenden Jahren noch verstärkt beschäftigen wird, möglicherweise auch in Bedrängnis geraten lässt. Wenn wir Aktien auswählen, so folgen wir bestimmten Mustern, die zwar recht unterschiedlich seien können, aber doch sich für die meisten von uns als bewährte Strategien über die Jahre ausgezahlt haben. Das einfachste Muster ist die Methode, ETF kaufen und liegen lassen. Die komplexesten dürften eine Unmenge an Variablen von KGV bis Mondphase einbeziehen. Zum einen kann die KI dabei helfen, die gewählten Muster noch emotionloser umzusetzen, zum anderen eben solche neu zu ermitteln. Letztendlich stellt sich mir die Frage, ob die KI unser Aktionärhandeln eben wie das autonome Fahren uns in sehr naher Zukunft abnimmt. D.h. die Börse bleibt hzwar weiterhin chaotisch, allein es treten nur noch KI-Systeme gegeneinander an, da das menschliche Hirn in diesen Dingen der von anderen in der Anwendung befindlichen KIs ausgebootet wird. Gibt es diesbezüglich bereits aussagefähige Hinweise?

Für weitere Infos wäre ich dankbar.

Gruß isa

al_sting - Montag, 11. September 2017 - 13:35
Ich persönlich sehe die Stärken automatisierten Handelns (=AI) insbesondere in zwei Bereichen:
1. Schnelligkeit der Auswertung
2. Anlegen nach kennzahlgetriebenen Parametern.

Der erste Aspekt sollte die Daytrader besonders hart treffen, der zweite Aspekt jegliche mechanistische Anleger.
Meine Vermutung:
- Antizyklisches Anlegen dürfte der AI schwerer fallen
- "versteckter" Wertaufbau dürfte von AI (wie auch von vielen Anlegern) schwerer entdeckt werden. Damit meine ich Firmen wie Amaysim oder Admiral, deren Gewinne nicht zuletzt deshalb enttäuchen, weil sie stark in neue Umsätze = organisches Wachstum investieren und Werte schaffen, aber dieses Wachstum kurzfristige Gewinne kostet.
- Zeithorizont: Der normale professionelle Anleger hat kaum 2 Jahre Zeit, bis er Ergebnisse zeigen muss, ansonsten gerät sein Job in Gefahr. Bei AI dürfte die Geduld der Überwacher noch einmal deutlich kürzer sein, da die Chefs bei neuronalen Netzen oft selber nicht genau verstehen, was da passiert, und entsprechend schneller Angst vor teuren Algorithmusfehlern bekommen, wenn auf Tage oder Wochen unerwünschte Ergebnisse erzielt werden.
Das rein kennzahlengetriebene value investing dürfte aber m.E. zunehmend unter Druck geraten.

Insofern: Eher mehr Zeit beim Anlegen lassen, eher langfristiger denken.

isabellaflora - Montag, 11. September 2017 - 16:29
Lieber al_sting,

insbesondere Dein Aspekt des Zeithorizontes ist mir bis dahin noch gar nicht so bewusst gewesen - da hast Du recht.

Beim antizyklischen Investieren würde ich allerdings behaupten, dass eben gerade da die KI was ersniffern kann, was wir gar nicht mehr sehen. Wenn Du Amaysim analysiert, wirst Du den Wert der Firma bspw. aus europäischer Sicht analysieren (was in diesem Fall sogar der bessere sein kann), nicht aber im Rahmen der mind map Australiens, sprich des Anlageverhaltens von Down under - KI könnte das mühelos. Das Problem sind ja nicht nur die Erkennung der Muster, sondern das blitzschnelle Abgleichen des Musters mit vorhandenen Daten, wo uns die KI überlegen seien dürfte.

Gruß isa

al_sting - Montag, 11. September 2017 - 17:51
Ich bin skeptisch, ob eine AI Amaysim nach "europäischem Anlageverhalten" analysieren könnte.
Bei der überschaubaren Anzahl Firmen, die als Vorbild wie auch als potentielle "Beute" laufen, so wie bei der Komplexität der Programmierung wäre eine händische Analyse mit großer Wahrscheinlichkeit einfacher und günstiger.
Ich denke, Programmierungen zielen auf Algorithmen ab, die häufiger auftreten und damit den Aufwand einer Programmierung wert sind. Also typische Chart- und Tradingmuster, aber auch beliebte value-Kennzahlen.

covacoro - Montag, 11. September 2017 - 18:58
Ich schlage mich auf die Seite von al sting und glaube, dass die KI dort an ihre Grenzen kommt, wo jedes Modell aber auch hinzulernende Algorithmen Probleme hat:

- Regimewechsel, sprich geänderte Geldflüsse, Risikowahrnehmung, Gefühle
- Widersprüchliche Makro- oder Mikro-Daten
- Einbeziehung zuvieler Parameter führt zu instabilen Ergebnissen und Prognosen
- Fundamentalkennzahlen, die auf dem Papier stehen, aber verfälscht sind bzw. nicht die ganze Wahrheit zeigen
- News und Social Media, die viel Lärm verbreiten, aber mgl.weise einen signifikanten Teil der Anleger kalt lassen

Wenn ein KI-System das alles verarbeiten will und
daraus Muster zu erkennen: viel Spass. Technisch klingt es auf jeden Fall so vielversprechend, dass genügend Geld dort hinein fließen wird (oder schon geflossen ist), um damit Geld zu verdienen. Wir kennen nur nicht die Fehlschläge.

Covacoro

isabellaflora - Montag, 11. September 2017 - 21:27
"Ich denke, Programmierungen zielen auf Algorithmen ab, die häufiger auftreten und damit den Aufwand einer Programmierung wert sind"

KI ist nicht per se Programmierung, sondern in erster Näherung die Verknüpfung von sehr, sehr schnellen Prozessoren. Dabei ist man vordergründig bemüht, diese Prozessorenarchitektur so klein und optimal wie eben nur möglich zu gestalten, um diese mannigfaltig einzusetzen.

Gruß isa

levdul1 - Dienstag, 12. September 2017 - 14:29
Ich stimme al und cova zu: KI ist am Ende doch nichts weiter als das Abarbeiten von Algorythem, wobei bei KI versucht wird, neue Inormationen mit einzubeziehen. Trotzdem kann jedes Programm nur so gut sein, wie der Mensch, welcher programmiert.

Der Vorteil von KI besteht darin, daß zum Beispiel aus einer riesigen Datenbank blitzschnell Aktien gefiltert werden können, bei den ähnliche Parameter auftreten oder in der Vergangenheit aufgetreten sind. Diese Ergebnisse zu deuten, bedarf zwar wieder eines Menschen, verschafft aber zeitlich bestimmt große Vorteile.

Es ist wie mit jedem anderem wissenschaftlichen Modell: je genauer das Modell der Wirklichkeit entsprechen soll, desto komplexer muss der Algorithmus und desto komplizierter die Berechnung werden.
Theoretische Chemiker und Meteorologen werden mir zustimmen, daß die für Ihre Problemlösung vorhandene Computerkapazität absolut unzureichend ist.

prof - Dienstag, 12. September 2017 - 15:11
Im Chartbereich könnte KI eine sehr wichtige Aufgabe übernehmen. So muss ich mir in Fleißarbeit die Charts ansehen, um auf potenzielle Kaufkandidaten zu kommen. Somit ist die Selektion auf wenige hundert Aktien täglich begrenzt, dann ermüden Augen und Konzentration. Ein einfach gestaltetes Programm könnte das Monitoring für Zigtausende internationale Aktien täglich übernehmen und die Besten herausfiltern und mir vorlegen oder automatisiert kaufen.

isabellaflora - Dienstag, 12. September 2017 - 15:23
Laut wikipedia ist KI u.a. wie folgt zu verstehen:

"Große Fortschritte erzielt die künstliche Intelligenz in jüngster Zeit im Bereich künstlicher neuronaler Netze auch unter dem Begriff Deep Learning bekannt. Dabei werden neuronale Netze aus dem Gehirn künstlich auf dem Computer simuliert. Die Grundlagen dafür wurden bereits in den 80er und 90er Jahren gelegt. Jedoch macht erst die Leistungsfähigkeit heutiger Computer es möglich, solche neuronalen Netzwerke in brauchbarer Größe zu simulieren. Viele der jüngsten Erfolge wie bei Handschrifterkennung, Spracherkennung, Gesichtserkennung, autonomes Fahren, maschinelle Übersetzung, auch der Erfolg von AlphaGo usw. beruhen auf dieser Technik. Dabei werden diese Systeme nicht mehr programmiert, sondern ähnlich dem menschlichen Gehirn mit Hilfe von Daten trainiert. Man spricht auch von selbstlernenden Systemen oder Maschinellem Lernen.[11]"

Nix Algorithmus ;-) ... oder zumindestens nur zum Teil.

Gruß isa

levdul1 - Dienstag, 12. September 2017 - 19:30
Meines Erachtens geht es darum in kurzer Zeit sehr viele Daten abzugleichen und mit diesen Korrelationen zu erstellen. Ob man das nun Algorithmus nennt oder anders ...

Selbst bei Deep Blue versus Kasparov saß ein IBM-Mitarbeiter neben dem Protagonisten und hat Ihn ständig mit Anweisungen gefüttert.

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