Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Warnsignale - Red Flags: Archivierte Beiträge bis 16. August 2015
al_sting - Mittwoch, 19. November 2014 - 12:48
Wir als Value-Anleger suchen gerne nach Unternehmen, die am Markt zu Unrecht unterbewertet sind. Allerdings besteht immer das Risiko, dass diese Unternehmen aus berechtigten Gründen so niedrig bewertet sind, nur dass diese dem unkundigen Investor nicht ohne weiteres auffallen.
Mit diesem Faden möchte ich dazu anregen, gemeinsam ein paar klassische Warnsignale, auch red flags genannt, zu sammeln.

al_sting - Mittwoch, 19. November 2014 - 12:57
- Red Flag: Rabatt-Häufung (Praktiker-Phänomen)

Tom Tailor fährt aktuell (nur heute?) wieder einmal eine 30%-Rabatt-Aktion, die sich netterweise auch mit früheren Gutscheinen bezahlen lässt. Siehe dazu diesen Eintrag bei My Dealz: http://www.mydealz.de/38542/der-wahnsinn-mit-den-tom-tailor-gutscheinen-geht-weiter-30-auf-geschenkgutscheine-wieder-mal/

Hintergrund: Unternehmen bekommen so schnell Liquidität, aber erkaufen diese sehr teuer. Es zerstört auf Dauer die Marke, wenn die Kunden wissen, dass sie eh nur auf die nächste Rabatt-Aktion warten müssen, und ohne Rabatte nicht mehr einkaufen. Wenn Unternehmen dazu gezwungen sind, kann das auf böse Probleme unter der Oberfläche hinweisen.

Mein Eindruck: Wem Tom Tailor gefällt, der kann die Aktion nutzen, aber um die Aktie würde ich einen weiten Bogen machen.

prof - Mittwoch, 19. November 2014 - 13:51
Das klingt einleuchtend!
Prof

levdul1 - Mittwoch, 19. November 2014 - 15:10
Hallo Al_sting,

Gute Idee mit den Warnsignalen.

Für mich ist ein Warnsignal, was in den letzten 10 Jahren bei der Lufthansa passiert: Die Bilanzsumme wird ständig vergrößert, aber der Gewinn bleibt maximal konstant. Somit wird der return on investment jedes Jahr schlechter.

Ich beobachte dies auch bei Euromicron. Der Umsatz nimmt jedes Jahr zu und die Bilanzsumme wird ausgeweitet. Ich werde bald dazu eine Entscheidung treffen: Nachkauf oder Verkauf.

prof - Mittwoch, 19. November 2014 - 17:23
Na bei Euromicron muss man (meiner Meinung nach) nicht lange überlegen: Raus, denn die letzte Unterstützung bei 11,45 naht.
Prof

al_sting - Mittwoch, 19. November 2014 - 22:22
Euromicron hätte ich auch schon lange vertickt. Ich zitiere mich da mal vom 8. April, schon weil ich da weitere red flags erwähnt habe:
"Ich verstehe dein Festhalten an Euromicron nicht.
Sowohl die Hinweise zum Goodwill, das fast so hoch wie das Eigenkapital ist, als auch zum Geschäftsmodell "Teuer zukaufen und dann den Gewinnen beim Schrumpfen zuschauen" sehe ich als riesige Alarmsignale an. Von der Vielzahl der verfehlten Prognose gar nicht erst zu reden."

al_sting - Mittwoch, 19. November 2014 - 22:27
Eine hier im Forum ausgiebig diskutierte Red Flag will ich noch erwähnen: Gewinnausweisung durch Hochschreibung des Bestandinventars bei neutralem oder negativem CashFlow.
Bei Firmen wie MOX oder auch Prokon wurde auf diese Weise ein Konkurs verschleppt.
Der genaue Blick auf die CashFlow-Bilanz hilft hier weiter, während der Chart zuweilen komlett schweigt (Stichwort MOX).

Als weitere, seit kurzem etablierte Red Flag will ich noch börsennotierte deutsche Mittelstandsanleihen erwähnen. Die Pleitequote unter Firmen mit Mittelstandsanleihen ist erschreckend hoch!

al_sting - Mittwoch, 19. November 2014 - 22:32
Bei der Lufthansa wie auch bei anderen großen und altehrwürdigen Unternehmen sollte man die Pensionslasten sehr scharf im Auge behalten. Durch längere Lebensdauer und seit einigen Jahren etrem niedrige Verzinsung wäre bei nicht wenigen Unternehmen eine Aufstockung der Pensionsfonds fällig, die oftmals direkt das Eigenkapital belastet.
Wenn die Pensionsansprüche im Vergleich zum Gesamtbuchwert groß sind, ist das auch eine Red Flag, die einen scharfen Blick wert ist.
Bei Agfa Gevaert war diese Flagge ein zentraler Punkt für meinen schnellen Wiederausstieg.

xenon - Donnerstag, 20. November 2014 - 05:43
Sehr gute Diskussion - durch eure unterschiedlichen Sichtweisen auf die Qualität der Depotfirmen(Bilanzen, Charttechnik, Geschäftsmodell, Marktbesonderheiten, Zukunftsaussichten)schafft ihr eine hervorragende Selektion aus der Vielzahl börsennotierter Unternehmen - Fazit: nur wenige Unternehmen dürfen in "Stw-Boersen"-Depots.
Gruß
Xenon

stw - Freitag, 21. November 2014 - 09:47
Ich orientiere mich ja gerne bei meiner Schnäppchenjagd am Buchwert wie ihr wisst. Da ist für mich ein hoher immaterieller Unternehmenswert (z.B. entstanden durch Firmenzukäufe oder durch die Aktivierung von Entwicklungsleistungen bei Softwarefirmen) eine solche Red Flag - den muss man auf jeden Fall kritisch hinterfragen.
Umgekehrt ist ein nicht vorhandener immaterieller Unternehmenswert bei Technologiefirmen immer ein Zeichen für vorhandene stille Reserven, denn der Wert des geistigen Eigentums (IP) ist ja hier i.d.r. ganz erheblich.
:-) stw

hoyke - Samstag, 22. November 2014 - 19:13
Hier eine mögliches Zeichen für eine red flag --- für mehr als nur ein Unternehmen, vordergründig für Auto-Aktien..... Ich würde mich echt freuen, wenn ihr das kommentieren würdet--- mir hat die Seite des Links eigentlich einen zu starken Verschwörungstheorie-Charakter - leicht esoterisch, ... ist das, was die schreiben, in diesem Fall nun Unsinn oder Warnung ?

http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/tyler-durden-und-vince-lewis/-channel-stuffing-wo-die-nicht-verkauften-kraftfahrzeuge-weltweit-vor-sich-hin-rotten.html

al_sting - Samstag, 22. November 2014 - 21:53
@ Hoyke: Ganz grundsätzlich halte ich den KOPP-Verlag für eine der am wenigsten vertrauenswürdigen Quellen überhaupt. Eher für den perfekten Kontraindikator für fast jede Story.

Zum Thema: Riesige Autoparks via google-Map-Bilder als Indiz für schlechte Autokonjunktur ist mir in der Vergangenheit schon mehrfach untergekommen. Meist wurde dabei behauptet, dass die Autowirtschaft AKTUELL in der Krise sei.
Als ich mir das näher anschaute, fand man in aller Regel die Bilder bei Google Maps, allerdings ohne einen Hinweis, wann die Bilder aufgenommen wurden. Danach habe ich mir das Ganze bei Google Earth angeschaut, wo auch angegeben wird, wann die Bilder aufgenommen werden - und siehe da, die Bilder waren deutlich älter als der begleitende Artikel unterstellte. Teilweise Finanzkrise um 2006, teils sogar noch älter. Die Artikel waren reines Clickbaiting, (bewusste?) Fehlinformation mit dem Ziel, Emotionen zu wecken.

Wenn es dich interessiert, schau einfach mal bei Google Earth (nicht Google Maps!), wie alt diese Bilder sind, und ob das mit den Angaben aus dem Artikel übereinstimmt.

Will sagen: Die Bilder sagen höchstwahrscheinlich nullkommanix. Einerseits können schon ganze Konjunkturzyklen durchgerauscht sein, andererseits gibt es immer wieder gute Gründe, Autos für eine Weile auf Vorrat zu bauen oder auf solchen Flächen zwischenzulagern.

hoyke - Sonntag, 23. November 2014 - 09:06
....die Mühe, die du gemacht hast, wäre eigentlich mein Job gewesen... Danke dafür...

al_sting - Samstag, 31. Januar 2015 - 12:20
Red Flag für den DAX - Die Aktienvermarktung erreicht neue Höhen: http://www.welt.de/finanzen/article136967010/Am-16-Maerz-koennen-alle-kostenlos-den-Dax-kaufen.html

prof - Samstag, 31. Januar 2015 - 13:49
Mehr eine Spaßaktion. Wer wird deshalb ein Depot eröffnen? Wann habe ich meine letzte DAX-Aktie gekauft?

Dax Chart sieht gut aus, man muss nur auf den S&P aufpassen. Einer signifikanten S&P - Schwäche kann sich der DAX wohl nicht entziehen.
Prof

al_sting - Donnerstag, 13. August 2015 - 20:57
Red Flag Pensionsrückstellungen (zu gering und/oder und mit sehr sportlichen Zinssätzen kalkuliert) und andere versteckte Ausgaben.

Ich kopiere dazu einen aktuellen Beitrag aus dem Forum "Antizyklisch Investieren", weil er am Beispiel RWE sehr plastisch das Wahrnehmungsproblem bei ergänzenden Pensionsrückstellungen aufzeigt:

Frage (alt): "Mir ist noch aufgefallen, dass die Eigenkaptalquote gesunken ist. Wie ist das denn moeglich? Der Gewinn pro Aktie war doch immer mehr als doppelt so hoch wie die Dividende?"

Antwort (alt): "Erhöhung der Pensionsrückstellungen oder bestimmte Währungspositionen werden direkt ins Eigenkapital gebucht. Deswegen ist das Comprehensive Income die bessere Meßgröße als der "einfache" Gewinn pro Aktie."

Antwort (neu, Ergänzung): "Zum Spass mal ein Vergleich von EPS und Comprehensive Income bei RWE über die letzten 4 Jahre:

EPS Compr. Income
30.12.2011 3,35 - 1,64
28.12.2012 2,13 - 0,15
30.12.2013- 4,99 - 5,23
30.12.2014 2,18 0,41
Summe 2,67 - 6,61

Nach EPS hätte RWE über die letzten 4 Jahre kummuliert 2,67 EUR verdient. Ganz unterm Strich aber -6,61 EUR pro aktie verloren. Aktien nach KGV zu kaufen ist wirklich keine gute Idee....."

levdul1 - Freitag, 14. August 2015 - 10:31
Natürlich wird das 'comprehensive income' nicht überall publiziert.

Wie berechnet es sich ?

al_sting - Freitag, 14. August 2015 - 11:20
Ich kannte den Begriff bislang auch nicht, kann also nur auf Wikipedia und ähnliche Quellen zurückgreifen.
Wikipedia: "Comprehensive income is defined by the Financial Accounting Standards Board, or FASB,[1] as “the change in equity [net assets] of a business enterprise during a period from transactions and other events and circumstances from non-owner sources. It includes all changes in equity during a period except those resulting from investments by owners and distributions to owners.”

Comprehensive income is the sum of net income and other items that must bypass the income statement because they have not been realized, including items like an unrealized holding gain or loss from available for sale securities and foreign currency translation gains or losses. These items are not part of net income, yet are important enough to be included in comprehensive income, giving the user a bigger, more comprehensive picture of the organization as a whole.

Items included in comprehensive income, but not net income are reported under the accumulated other comprehensive income section of shareholder's equity."
https://en.wikipedia.org/wiki/Comprehensive_income

Gewissermßen "Einkommen nach allem, aber vor Kapitalerhöhungen oder Dividendenausschüttungen."
Klingt für mich nach einer sehr hilfreichen Information!

levdul1 - Freitag, 14. August 2015 - 11:59
Man sollte doch aufpassen, daß das Eigenkapital langfristig steigt.
Bei vielen (guten) US-Firmen ist das im Augenblick nicht der Fall, weil der Gewinn für Aktienrückkäufe ausgegeben wird statt ins Eigenkapital zu fließen.

al_sting - Sonntag, 16. August 2015 - 22:22
Sehr lesenswerte Value Analyse von Valeant: http://azvalue.blogspot.com.au/2015/08/valeant-detailed-look-inside-dangerous.html
Dabei haben sie so viele red flags gesucht und gefunden, dass ich sie auch bei Desinteresse für die Firma als lehrreiche Literatur empfehle. Ein lehrbuchhafter Verriss einer Firma.

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