Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Welt-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 5. Juli 2014
xenon - Samstag, 8. Februar 2014 - 07:11
China beschreibt hier was der "Experte" als "Distribution" bezeichnet und Trendfolgeanleger Heiko Aschoff "sieht Zeichen", dass dieser Vorgang voll im Gange ist. Er hält momentan jedenfalls viel "Cash" bis die Situation eindeutiger wird. Anlageentscheidungen trifft er u.a. nach dem "Point & Figure"-System und das spricht noch nicht für einen Markteintritt.
Interessant sind auch die Einflüsse von Musterdepots und Börsenspielen in den nächsten Wochen zumindest im Small-Cap-Bereich.
Nachdem Platow-Börse schon seit Jahren einen eigenen Fond bzw. ein daraus abgeleitetes Zertifikat nicht ohne Erfolg managt (allerdings werden Kleinwert ausgespart), gibt es seit ca. 3 Wochen ein Börse online "Wikifolio"-Nebenwertdepot, welches als Fond gehandelt wird - Depotwert ca. 115.000 Euro, "Fondschwere" ca. 3 Mill. Euro täglich steigend. Ab nächste Woche ist der Depotmanager Herr Winter auch DAF-Börsenspiel-"DepotChamp" Mitspieler. Da gibt es also einen Nebenwertfond, der medial von Börse online, "Schwester-Zeitung" Euro am Sonntag und DAF "befeuert" wird. Mancher Nebenwert (und da wird wöchentlich mindestens eine "Sau durch das Dorf getrieben") muss förmlich "explodieren" und nach Liebesentzug nach unten "abrauschen". Ich halte diese Anlagebeziehungen für sehr bedenklich. Allerdings sollte man darüber nachdenken, ob man einen plötzlichen Ausreiser nach oben nicht für einen Verkauf nutzt, da diese Anstiege sehr flüchtig sind. Also nicht wundern, wenn mancher Eurer Werte als "Lottozahlen" plötzlich gezogen werden.

stw - Montag, 10. Februar 2014 - 10:50
Ich habe diese Dinge seit langer Zeit nicht mehr verfolgt, aber diese Machenschaften erinnern ja wirklich fatal an die Zeiten vor dem Absturz des "Neuen Markts". Dennoch gibt es gerade bei den Nebenwerten in D m.E. unentdeckte Perlen, die gerade im internationalen Vergleich krass unterbewertet sind. Siehe zB Fabasoft... ich bedaure sehr, dass ich nach wie vor nicht die nötige Zeit aufbringen kann, um mehr dieser Nebenwerte zu analysieren.

:-) stw

al_sting - Montag, 10. März 2014 - 08:08
Auszüge aus dem aktuellen Investorenbrief von Prem Watsa, auch der "canadische Buffet" genannt, in dem dieser vor einer großen Immobilienblase in China warnt:
http://www.zerohedge.com/news/2014-03-09/prem-watsas-9-observations-why-there-monstrous-real-estate-bubble-china-which-could-


Excerpted from Prem Watsa's Fairfax Financial Holdings investor letter,

There is a monstrous real estate and construction bubble in China, which could burst anytime. It almost did in 2011 but China increased its credit growth significantly since then.

In the last few years we have discussed the huge real estate bubble in China. In case you continue to be a skeptic, here are a few observations from Anne Stevenson Yang, an American who has been in China for over 20 years and is the founder of JCapital Research in Beijing:

1. China added 5.9 billion square metres of commercial buildings between 2008 and 2012 – the equivalent of more than 50 Manhattans – in just five years!

2. In 2012, China completed about 2 billion square metres of residential floor space – approximately 20 million units. For perspective, the U.S. at its peak built 2 million homes in a year.

3. At the end of 2013, China had about 6.6 billion square metres of new residential space under construction, around 60 million units.

4. Yinchuan, a city of 1.2 million people including the suburbs, has 30 million square metres of available apartments – roughly 300,000 units that could house 900,000 people. This is in addition to the delivered but unoccupied units. The city of Guiyang, capital of Guizhou Province, has roughly 5.5 million extra units for a city of 5 million.

5. In almost every city Anne has visited, pretty much the whole existing housing stock has been replicated and is empty.

6. Home ownership rates in China are estimated to be over 100% versus 65% in the U.S. Many cities report ownership over 200%. Tangshan, near Beijing, is one.

7. This real estate boom could only be financed through unrestrained credit growth. Since 2009, the Chinese banks have grown by the equivalent of the entire U.S. banking system or 15% of world GDP.

8. The real estate bubble has resulted in companies extensively borrowing and investing in real estate or lending on real estate in the shadow banking system. This is exactly what happened in Japan in the late 1980s.

9. And one observation of our own: Since 2009, the easing by the Federal Reserve combined with the explosive growth in China, backed by higher interest rates, has resulted in huge inflows (‘‘hot money’’) into China. The near unanimous view that the renminbi would strengthen has resulted in a massive carry trade where speculators have borrowed at low rates across the world and invested in China, almost always backed by real estate. The shadow banking system in China – i.e., assets not on the books of the major Chinese banks – is estimated by Bank of America Merrill Lynch to be approximately $4.7 trillion or 51% of Chinese GDP. Oddly enough, prior to the credit crisis, the U.S. had $4.5 trillion in asset-backed securities outstanding or approximately 31% of U.S. GDP. You know what happened then. When the flows reverse in China, watch out!

These observations remind me again of the following quote from Michael Lewis' essay in Vanity Fair, "When Irish Eyes are Crying", which I wrote to you about in our 2010 Annual Report: "Real estate bubbles never end with soft landings. A bubble is inflated by nothing firmer than expectations. The moment people cease to believe that house prices will rise forever, they will notice what a terrible long term investment real estate has become and flee the market, and the market will crash." Amen!
[...]
Any credit event in China will have very significant ramifications for the world economy, as China is the world’s second largest economy and consumes 40% to 50% of most commodities from iron ore to copper.

PS: Der komplette Brief findet sich hier: http://www.fairfax.ca/files/2013%20Shareholders%20Letter%20%28final%20from%20Printers%29_v001_m402d2.pdf

levdul1 - Montag, 10. März 2014 - 18:12
Ich bin mir auch sicher, daß die Chinesen zu viel gebaut haben. Die Frage ist nur, wie sehr betrifft das uns ?

Bei einer Kreditklemme in China werden die Aktienmärkte sicherlich 10 - 15 % nachgeben, aber wird deswegen das Finanzsystem aus den Fugen geraten ?

^

al_sting - Montag, 10. März 2014 - 21:26
Ich kann es auch nicht einschätzen.
Aus dem Bauch heraus ziehe ich ein Platzen in China einem Platzen in den USA vor. Probleme in den USA breiten sich regelmäßig global aus, bei Problemen in China trifft es "nur" die dorthin exportierende Industrie und die sich verspekulierende Finanzwirtschaft. Da kommt man mit möglichst gering korrellierenden Investments vielleicht gut weg.

al_sting - Mittwoch, 9. April 2014 - 23:59
Interessanter FAZ-Artikel:

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/etfs-gefaehrden-finanzmarktstabilitaet-12884615.html

Klingt so, als würde die Zunahme der grundsätzlichen Volatilität an den Börsen noch eine Weile anhalten. Damit sollten sich aber auch mehr Chancen für antizyklische Käufer finden.
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ETFs gefährden Finanzmarktstabilität
08.04.2014 · Eine Analyse der Bank of England kommt zu dem Schluss, dass große Vermögensverwalter Instabilität in die Finanzmärkte bringen. Sie verstärken Trends, vor allem durch börsennotierte Indexfonds (ETF)

Die Finanzkrise hat eine ausführliche, bis heute andauernde Debatte über die von großen Banken ausgehende Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems ausgelöst. Debatten über die Bedeutung großer Vermögensverwalter für die Stabilität des Finanzsystems wurden bis in die jüngere Vergangenheit nicht geführt. Welche Gefahr soll denn auch bestehen, wenn beispielsweise einem Großanleger wie der kalifornischen Fondsgesellschaft Pimco Kunden abhandenkommen? Die Kunden geben Fondsanteile zurück, Pimco verkauft Anleihen, um die Kunden auszubezahlen, und eventuelle Kursverluste trägt der Kunde. Wo ist das Risiko?

Gerald Braunberger Autor: Gerald Braunberger, Jahrgang 1960, Redakteur in der Wirtschaft, verantwortlich für den Finanzmarkt.

Andrew Haldane, in der Bank of England zuständig für die Analyse von Gefahren für die Finanzstabilität, hat sich dieser Tage in einem Vortrag mit der Rolle von Vermögensverwaltern befasst. Die Branche wächst seit geraumer Zeit enorm; die von ihr verwalteten Gelder werden rund um den Globus auf rund 87 Billionen Dollar geschätzt. In den Vereinigten Staaten entsprachen diese Anlegergelder im Jahre 1946 rund 50 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP), heute liegt der Anteil bei etwa 240 Prozent.

Gewachsen ist auch die Bedeutung der Branchenführer: Die zehn größten Vermögensverwalter mit der amerikanischen Fondsgesellschaft Blackrock an der Spitze beherbergen etwa 25 Billionen Dollar Anlegergelder. Das sind fast 30 Prozent des gesamten verwalteten Vermögens. Haldane nennt drei Gründe, warum Vermögensverwalter nicht irrelevant sind für die Stabilität des Finanzsystems. Ein Grund ist ihr Beitrag zu der Heftigkeit von Kursausschlägen an den Finanzmärkten, die für die Verwalter selbst nicht gefährlich sein mögen, aber anfälligere Finanzhäuser wie Banken in Schwierigkeiten bringen können.
Fonds verstärken Trends

Der zunehmende Beitrag der Vermögensverwalter zu den Kursausschlägen erklärt sich aus der wachsenden Bedeutung börsennotierter Indexfonds (ETF), die im Grunde nichts anderes tun, als an den Kapitalmärkten vorhandenen Trends zu folgen und sie damit zu verstärken. Dies lässt sich leicht anhand eines Beispiels zeigen: Die meisten Aktienindizes, an denen sich Indexfonds ausrichten, gewichten die einzelnen Aktien nach dem Börsenwert der jeweiligen Unternehmen.

Das führt dazu, dass ein Fonds, der den Index nachverfolgt, in einer Hausse überdurchschnittlich viele Aktien kaufen muss, deren Kurse gerade besonders stark steigen. Damit verstärkt der Fonds die Hausse. Umgekehrt muss der Fonds in einer Baisse überdurchschnittlich viele Aktien verkaufen, deren Kurse gerade stark fallen. Damit verstärkt der Fonds die laufende Baisse. Ein von einem Manager aktiv gemanagter Fonds würde sich möglicherweise anders verhalten.

Einen zweiten Grund zur Sorge sieht Haldane in einer nachlassenden Bedeutung der Aktie ausgerechnet bei sehr langfristig orientierten Kapitalanlegern. Ein großes Thema für Versicherer, Pensionsfonds und Versorgungswerke ist die zunehmende Lebenserwartung ihrer Kunden, die sie zu einer immer langfristiger ausgerichteten Anlagepolitik zwingt. Gleichzeitig lässt sich in vielen Ländern ein nachlassendes Interesse dieser Anleger für Aktien konstatieren. Das gilt nicht nur für Deutschland, wo die Aktie traditionell keine herausragende Rolle als Anlageinstrument spielt, sondern auch in einem Land mit einer reichen Aktientradition wie Großbritannien.

Auf sehr lange Sicht hat sich die Aktie in der Vergangenheit jedoch als eine sehr viel attraktivere Anlage erwiesen als Anleihen mit einer sehr langen Laufzeit. Haldane räumt ein, dass vielen Vermögensverwalter der Aktienerwerb wegen neuer Regulierungen erschwert wird, aber das Ergebnis hält er für unbefriedigend. Sehr langfristige Großanleger hätten früher Baissen am Aktienmarkt für Käufe genutzt und dadurch zur Stabilisierung beigetragen. In der jüngsten Finanzkrise hätten viele dieser Anleger aber genau das Gegenteil getan und in der Baisse Aktien verkauft. Damit hätten sie den Markt nicht stabilisiert, sondern zu den Kursausschlägen noch beigetragen.

Auf die Frage, ob Vermögensverwalter aus Gründen der Finanzstabilität zu groß werden können, gibt es nach Haldane keine klare Antwort. Sehr große Vermögensverwalter mögen nach Ausbruch einer Krise schnell sehr große Bestände an Wertpapieren auf den Markt werfen und damit zu sehr kräftigen Kursverlusten beitragen, die wiederum die Panik vergrößern und eine Ausbreitung der Krise befördern. Solche Reaktionen wurden nach dem Fall von Lehman Brothers beobachtet, aber derzeit existiert keine Vorstellung, wie eine genaue Definition eines systemrelevanten Vermögensverwalters aussieht.

stw - Freitag, 30. Mai 2014 - 22:02
Warning: Stocks Will Collapse by 50% in 2014
http://nws.mx/PmPQZJ
Billion-dollar investor Warren Buffett is rumored to be preparing for a crash as well. The “Warren Buffett Indicator,” also known as the “Total-Market-Cap to GDP Ratio,” is breaching sell-alert status and a collapse may happen at any moment.

Auch in den US Medien gibt es derzeit Crash Propheten, die medienwirksam unter Berufung auf Warren Buffet zum Ausstieg blasen. Ich weiß nicht was ich davon halten soll, einen Crash mit Ankuendigung hab ich jedenfalls noch nicht erlebt.

hoyke - Samstag, 31. Mai 2014 - 07:15
Mit Hilfe der Fibonacci-Analyse wird bei Wolfgang-Bogen bereits seit Dax 6000 der wasserfallartige Verfall der Börsenkurse vorhergesagt....
http://www.bogen-gmbh.de/index.html

Irgendwann wir auch er mal recht bekommen....

Man mag diese Propheten belächeln, es ist aber immer interessant, sie zu lesen, weil es die innere HabAcht-Stellung frisch hält..

levdul1 - Samstag, 31. Mai 2014 - 20:36
Ich weiss nicht, was ich von diesen Vorhersagen halten soll. Es scheinen eine ganze Menge Leute davon auszugehen, daß es bald crashen wird.
Es gibt die alte Regel, die besagt: Eine Hausse stirbt in Euphorie. Wenn es bereits jetzt soviele Pessimisten gibt, dann kann von Euphorie keine Rede sein.

Allerdings kann ich mich auch nicht an Euphorie im Höhepunkt der letzten Hausse erinnern (2007/2008). Erinnert Ihr euch noch wie es sich damals angefühlt hat, kurz vor den Einbrüchen Mitte Januar 2008 ?

al_sting - Sonntag, 1. Juni 2014 - 08:58
Kopie eines Beitrags aus meinem eigenen Strategiefaden, der besser in diese Diskussion passt:
Prof: 2.) Wer hat die Hype - Phase des Neuen Marktes bis März 2000 mitgemacht? Es war einfach unglaublich: Die unmöglichsten Buden sind täglich im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Mit etwas Geschick konnte man mit Firmen Geld machen, die danach völlig oder fast in Insolvenz gingen. (z.B. mit dem Baustoffhändler Mühl, Direktbanken, Mobilfunker, Medienfirmen wie EM-TV, Tech-Firmen, Software-Buden wie Intershop). Man wachte früh auf, warf nach dem Frühstück den PC an und konnte sich schon den neuen CD-Spieler leisten, nach einem Monat war es dann vielleicht der kleine Gebrauchtwagen ... Die Haltefrist von einem Jahr schaffte man meist, sonst wurden eben ein paar Steuern bezahlt. Auch das ist möglich mit dem vielen billigen Geld!

Ich denke nicht, dass sich aktuell ein Vergleich mit dem Börsenhype um 2000 anbietet. Dieser hatte ganz eigene "Geburtsbedingungen", die nur alle paar Jahrzehnte auftreten: Das Bewusstsein, dass eine neue Technologie entdeckt wurde bzw. entsteht, die viele Bereiche des Lebens nicht evolutionär, sondern geradezu revolutionär umkrempelt. Und damit auch ganz viele Branchen des Wirtschaftslebens.
In diesem sehr interessanten Blogbeitrag werden einige solcher revolutionären Technologien und ihre Wirkungen auf Börsen verglichen:
http://contrarianville.com/stock-market-bubbles-beware-the-positive-black-swan
1920er Jahre: electricity boom
1950/1960er Jahre: electronics boom
1990er Jahre: internet boom

Die neuen Technologien waren in ganz großem Umfang "gamechanger". Alte Technologien und Branchen gingen unter, neue entstanden, in teilweise atemberaubender Geschwindigkeit. Aber schneller als alles Sein war und ist immer noch die Phantasie und Vorstellungskraft. Daher war das Vertrauen in die revolutionäre Fähigkeit der neuen Technologien auch gerne mal ein paar Nummern größer als alles, was diese jemals praktisch erfüllen könnten - und so kam es zu atemberaubenden Börsenbewertungen, die jegliche Gesetze der Schwerkraft zu überwinden schienen. In obigem Blogbeitrag sind für alle drei Phasen schöne Beispiele aufgeführt, die die Wiederholbarkeit eines übermäßigen Vertrauens in neue Technologien aufzeigt.

Ich sehe den aktuellen Börsenzyklus längst nicht im gleichen Maß von neuen Technologien getragen, die die Welt revolutionär aus den Angeln heben, Ausnahme vielleicht die bislang noch junge Sparte der 3D-Drucker, und die deshalb der Phantasie zu hemmungslosen Überstunden verhelfen. Aktuell sehe ich zwei treibende Einflüsse:
- Einerseits das immer noch sehr starke Echo der Internet-Revolution, die sich Schritt für Schritt in immer neuen Geschäftsfeldern beweist, aber mittlerweile in ihren Auswirkungen wesentlich nüchterner und abgeklärter eingeschätzt werden kann.
- Andererseits, wie von Hoyke formuliert, "eine Hausse des billigen Geldes - ein Happiness-Effekt auf Droge". Dieser Effekt trägt auch weit, beflügelt aber nicht gleichermaßen die Phantasie, so dass der Zweifel stets dabei bleibt und eine Erdung erleichtert.
Zudem wirkt der Schock des Einbruches der zweitausender Jahre noch deutlich nach.

Daher erwarte ich, dass sowohl die Übertreibungsphase wie auch die Korrekturphase weniger heftig als in den späten Neunzigern / frühen Zweitausendern ausfallen wird.

Eine weniger heftige Korrektur - schön für alle Anleger, und wohl noch besser für die reale Wirtschaft.
Eine weniger heftige Übertreibung - das bedeutet aber auch, dass die Schwerelosigkeit des Internet-Hypes kaum eine angemessene Vergleichsgröße darstellen dürfte, eher die vielen kleineren Zyklusmaxima davor und danach. Wenn ich da auf diese Darstellung des S&P-500 schaue, ausgewertet nach dem Shiller-KGV10, erwarte ich bei einem aktuellen Shiller-KGV von etwa 26 nicht mehr viel Luft nach oben:
http://www.global-market-valuation.com/images/1_Shiller_CAPE__PE10_SP500.png


PS: Von Propheten, die genaue Zeitpunkte von Börsenhochs oder Börsencrashs oder die Tiefe von kommenden Crashs vorhersagen, halte ich absolut nix! Das gilt für den Fibonachi-Guru mit fast taggenauen Prognosen für Höhepunkte und Crashs genauso wie für den zitierten Spitznagl mit seiner fixen 50%-Crahsprognose. Wer mit fast totaler Sicherheit wirbt, lügt mit Vorsatz. Aus dem Spitznagl-Artikel: The Crash Alert System was actually programmed by one of the individuals who coded nuclear missile flight patterns during the Cold War so that it could be as close to 100% accurate as possible. rofl

Ich halte die Börse kurzfristig gesehen für ein chaotisches Gebilde, das allerdings auf mittlere bis längere Sicht den grundsätzlichen Gesetzen der wirtschaftlichen Schwerkraft folgt. In der Chaostheorie kann man nicht mit genauen Prognosen agieren (kurzfristig regiert das Chaos), wohl aber kann man die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten gewisser Entwicklungen prognostizieren und bei einer statistisch signifikanten Fallzahl von Versuchen auch solide reproduzieren. Daher halte ich es lieber mit dieser empirisch fundierten Wahrscheinlichkeitsprognose, die auf der aktuellen Marktbewertung aufsetzt: http://www.antizyklisch-investieren.com/research/index.php/Entry/2-KGV10-Lassen-sich-B%C3%B6rsenkurse-vorausberechnen. Mein aktueller Einwand an der Prognose für Deutschland ist allerdings, dass wir derzeit eine massive Übertreibung mehr bei Midcaps und Smallcaps als bei BlueChips sehen, und dass diese in einer Bewertung auf Basis der Marktkapitalisierungen gegenüber den großen DAX-Werten ins Hintertreffen geraten. Mein zweiter Einwand ist, dass Schockwellen meist in den USA starteten und ich mich stark daran orientiere.

levdul1 - Sonntag, 1. Juni 2014 - 10:59
Hallo Al_sting,

2000 war blanker Wahnsinn.

Ich hatte aber nach 2007/2008 gefragt. Ich habe in Erinnerung, daß die Stimmung damals gut, aber keinesfalls euphorisch war.

al_sting - Sonntag, 1. Juni 2014 - 11:30
Zustimmung, 2007 erscheint mir auch eher mit der jetzigen Situation vergleichbar. Aber natürlich wird es nie eine genaue Kopie geben.

Prof (und ich meine auch stw) brachten die Situation um 2000 ins Spiel, und dann stolperte ich über jenen Artikel aus dem contrarian ville, den ich hier verlinkte.

hoyke - Sonntag, 1. Juni 2014 - 13:36
...der blanke Wahnsinn ab 2000 hat mich meine Ehe gekostet-- seitdem befolge ich die selten genannte Börsenweisheit: "Liebe deine Frau, dann läuft auch das Geschäft..."

al_sting - Dienstag, 10. Juni 2014 - 18:56
Diese Untersuchung zum Market Timing nach Shiller-KGV kommt zum Ergebnis: Bringt nichts, davon ist abzuraten. http://www.bwm.ch/front_content.php?idart=196

Aber wie Fischer anno dunnemals so schön zu Powell sagte: "Excuse me, I am not conveinced"
http://www.youtube.com/watch?v=_k_QbpFl7RM

hoyke - Dienstag, 24. Juni 2014 - 21:28
Die verschiedensten Anzeichen erzeugen bei mir das starke Gefühl, dass die Luft langsam doch sehr, sehr dünn wird. Sichere Häfen wir Gold und Staatsanleihen beginnen anzuziehen. Die Bewertung der Aktien ist schon sehr hoch. Wir hängen in der Nähe absoluter Alltime-Tops. Rasant war die Hausse der letzten Jahre- ja ganz unglaublich-- soll es so stets weiter gehen ? Der Sommerblues steht vor der Tür und der Put vom Prof könnte bald abgehen....

prof - Dienstag, 24. Juni 2014 - 21:35
Naja, die 10% Wirkung des Put werden mich nicht retten und das Gefühl haben wir alle schon lange. DAX ist über seiner 200d-Linie und steigt sachte. All Time High ist für den Chartie ja auch kein Grund, nervös zu werden.
Saisonal allerdings stehen wir jetzt vor den tristen Monaten.
Prof

hoyke - Mittwoch, 25. Juni 2014 - 13:50
....bin persönlich ab heute vollständig aus allen Positionen draußen.

Angenehmes Gefühl- Fußball - Sonne - Freiheit--

Füher mal Sex&Drugs&Rock'nRoll

levdul1 - Donnerstag, 26. Juni 2014 - 11:34
Mittlerweile scheint es viele Markteilnehmer zu geben, welche sich mit der fortgeschrittenen Hausse nicht mehr wohl fühlen.
Auch ich habe mir ein Reverse-Bonus-Zertifikat auf den DAX ins Depot gelegt, um es gegen eventuelle Kurseinbrüche abzusichern.

Es stellt sich trotzdem die Frage, warum sich viele Anleger so unwohl fühlen. Kostolany hat immer gesagt: Geld + Psychologie = Börsentendenz. Der Geldfaktor ist ohne Zweifel positiv. Hieran scheint sich auch nichts in naher Zukunft zu ändern.
Die Psychologie ist im Augenblick eher verhalten. Deswegen kommen die Inidizes auch nicht so richtig von der Stelle.
Wenn wir nicht eine größere kriegerische Auseinandersetzung bekommen, sollte sich irgendwann der Geldfaktor wieder durchsetzen.

Deswegen bleibe ich bis auf Weiteres investiert.

chinaman - Samstag, 5. Juli 2014 - 07:00
30.06.2014 07:00
Detlev S. Schlichter: Scheinerholungen mit bösem Ende (Teil 1/2)
Investoren und Spekulanten stehen heute vor ernsten Herausforderungen: Wie geht man mit politisierten Märkten um, die kontinuierlich von Zentralbankern und Regulierern "geleitet" werden? In welchem Ausmaß sind die Marktkurse Zeichen politischer Stützung (besonders durch super-lockere Geldpolitik), in welchem Umfang kommen andere "fundamentale" Faktoren dabei zum Ausdruck? Und welche Auswirkungen werden diese Marktmanipulationen auf lange Sicht haben?

Klar ist: Ohne die seit Jahren bestehende Kombination aus ultraniedrigen Zinssätzen sowie verschiedensten "quantitativen Lockerungsprogrammen" weltweit (einige werden reduziert wie in den USA, während andere potentiell ausgeweitet werden - Japan, EU), wären die meisten Märkte nicht in den heutigen Kursregionen unterwegs.

Die Tatsache, dass einige große US-Aktienindizes letzte Woche erneut mit Rekordhochs schlossen, bei allgemein geringer Marktvolatilität, könnte einige Marktbeobachter zur Aussage bewegen, die Zentralbanken hätten letztendlich gewonnen. Ihre Interventionen haben inzwischen ein Nirwana entstehen lassen, in welchem die Märkte für Vermögensanlagen allem Anschein nach fast kontinuierlich aber auch ruhig steigen, mit sorgsam begrenzter Volatilität und offenbar vollversicherten Abwärtsrisiken, dafür garantieren Zentralbanker - immer bereit für nötige Lockerung.

Wer an Schumpeters Model des “bürokratischen Sozialismus“ glaubt - ein System, das letztendlich den Kapitalismus komplett ersetzen soll - der mag vielleicht Grund zur Freude haben: Der kapitalistische “Dschungel” wir mehr und mehr durch ein gutgeordnetes, zentral gemanagtes System ersetzt, dem eine aufgeklärte Bürokratie vorsteht. Gedankenlesen - d.h. die Yellens, Kurodas und Carneys - ist jetzt zur beliebtesten (einzigen) Beschäftigung geworden; Investoren, Trader und Ökonomen scheinen sich kaum noch mit etwas anderem zu beschäftigen.

“Das Problem ist, dass diese Situation [kursschwankungsarmes Umfeld] nicht auf Marktentscheidungen basiert, sondern weil wir es von den Zentralbanken gesagt bekommen. […]”, so Sir Micheal Hintze, Gründer des Hedgefonds CQS in einem Gespräch mit der Financial Times vom 14. Juni 2014. “Das Schöne an den Kapitalmärkten ist, dass sie Wahlsysteme sind; tagtäglich stimmen Menschen mit ihren Geldbörsen ab. Jetzt gibt es keine Wahl mehr. Wir bekommen von Zentralbankern gesagt, was wir tun sollen; und wer nicht ihrem Beispiel folgt, der verliert Geld."

In den letzten Jahren war das auf jeden Fall die Erfolgsstrategie. Einfach allen Anweisungen der Manipulatoren folgen und in den Genuss steigender Vermögenspreise und wachsender Anlageprofite kommen.

Draghi möchte niedrigere Anleiherenditen für die Anleihen Spaniens und Italiens? Dann wird er die auch bekommen! Die US Fed möchte steigende Aktienkurse und sinkende Verzinsung von Unternehmensanleihen? Einen kurzen Moment, Ladies and Gentlemen, wenn Sie das so wollen, dann lässt sich das natürlich einrichten.

Wer würde es wagen, gegen jene Leute zu wetten, denen das legale Monopol auf unbegrenzte Geldschöpfung anvertraut wurde? “Never fight the Fed", diese alte Weisheit kennt man natürlich in Investorenkreisen. Sie bekommt aber ganz neue Bedeutung, wenn Zentralbanken gleich selbst und direkt die Finanzvariablen handhaben - von der Form der Zinskurve über Hypotheken-Spreads bis hin zur Gestaltung des Reverse-Repo-Marktes.


Ist das der “neue Normalzustand"/ der "neue Neutralzustand"? Das Ende der Geschichte und der Weisheit letzter Schluss - eine Neuauflage?

Im selben FT-Artikel wir auch Salman Ahmed zitiert, globaler Anleihestratege bei Lombard Odier Investment Managers. “Niedrige Volatilität ist derzeit das wichtigste Thema am Markt. Hier gibt es die, die denken, dass wir in einem ‘neuen Normalzustand‘ angekommen sind und auf der anderen Seite die, und zu denen zähle ich mich, die nicht glauben, dass so etwas von Dauer sein kann. Es ist ein ganz entscheidendes Thema.”

Bill Gross von PIMCO gehört anscheinend zum Lager des "neuen Normalzustands". Anlässlich der von Barrons ausgetragen Runden-Tisch-Gespräche zum Halbjahr 2014 (Barrons, 16. Juni 2014) meinte er: “Wir gehen nicht davon aus, dass die Party mit einem lauten Knall - also dem Platzen einer Blase - enden wird. […] Wir haben über etwas gesprochen, das wir intern ‘neuen Neutralzustand‘ [new neutral] nennen: verhaltenes aber stabiles Wachstum und anhaltend niedrige Zinsen.“

In dieser Debatte werde ich es mit Mr. Ahmed (und ich vermute auch mit Sir Michael) halten. All das kann nicht von Dauer sein, das ist meine Sicht. Es wird ein Ende haben, um zwar ein böses. Die Märkte sind durch Politik schwer verzerrt worden und die finanziellen Risiken scheinen vielerorts falsch diskontiert. Marktinterventionen von Zentralbanken, Regierungen und verschiedenen Regulierern werden keine Wirtschaftsstabilität erzeugen, sondern erneute Krisen. Richten Sie sich auf Volatilität ein!

Dass Bill Gross einen neuen Neutralzustand erwartet, lässt sich wohl auf die Vorstellung zurückführen, dass dauerhaft hohe Verschuldung einerseits das Wachstum aber auch die Inflation in Grenzen hält und somit die Rückkehr zu den Leitzinsniveaus der Vergangenheit so gut wie unmöglich macht.

Zitat Gross: “[E]ine stark fremdfinanzierte Wirtschaft kann den historischen Zinssätzen nicht standhalten. […] Wir denken, dass die Zinsen bis 2017 auf 2% steigen werden; die Märkte gehen aber von 3% bis 4% aus. Wenn wir in der Nähe von 2% bleiben, können sich die Märkte halten, was wiederum heißt, dass die heutigen Kurse und KGVs OK sind.”

Natürlich ist seine Argumentation für mich nicht unlogisch, ich bin aber auch der Ansicht, dass hohe Schuldenstände und niedriges Wachstum gleichbedeutend sind mit hohem Risikoniveau, welches letztendlich mit erheblichen Risikoprämien einhergehen sollte.


Niedriges Wachstum und kräftige Schuldenfinanzierung bedeuten aber auch, dass die Politik auf fortgesetzten Zentralbankenaktivismus drängen wird - und das ist inkompatibel mit niedriger Volatilität und schmalen Risikoaufschlägen. Hier herrscht nicht nur erhöhtes Unfallpotential, sie sind - in einem System der geldpolitischen Zentralplanung sowie künstlicher Vermögenspreisstellung - unausweichlich.

Niedrige Inflation, niedrige Zinssätze und zurückhaltende Marktvolatilität - das sind Dinge, die wir von einem System des harten, apolitischen Geldes, wie das eines Goldstandards, erwarten müssten. Von elastischen Geldsystemen ist das eben nicht zu erwarten - zumindest nicht systematisch und dauerhaft, sondern höchstens periodisch. Das erkläre ich detailliert in meinem Buch “Das Ende des Scheins: Warum auch unser Papiergeldsystem zusammenbricht“

Elastische Geldsysteme (wie auch unser derzeitiges globales Fiat-Geldsystem) mit Zentralbanken, die konstante (wenn auch angeblich moderate) Inflation anstreben, müssen zu dauerhaften Verzerrungen der Marktkursgefüge führen (im Besonderen bei Zinssätzen) - und somit auch zu Fehlallokation von Kapital. Dies führt zu chronischer Instabilität und periodisch wiederkehrenden Krisen.

Die Vorstellung, dass wir jetzt zurückgefunden hätten in ein goldstandardähnliches System der monetären Ruhe, zufällig, ohne wirkliches Zutun, ist für mich nicht realistisch. Noch etwas gewagter ist dann die Ansicht, dass eben jene exzessive Verschuldung - eine der schädlichsten Folgen elastischen Geldes - versehentlich und eigentlich unnatürlicherweise solche Stabilität befördern könnten. Ich vermute, dass diese Vorstellung voller Wunschdenken steckt.

Im selben Barrons-Interview trifft Mr. Gross auch die Aussage, dass Aktien und Anleihen künstlicher Preisfindung unterliegen, (natürlich ist das der Fall, und kaum jemand könnte das leugnen), er sagte aber auch, “dass die heutigen Kurse und KGVs OK sind.“ Für mich klingt das nach einem Widerspruch. Im Folgenden erkläre ich, warum es möglicherweise falsch ist, einen neuen Neutralzustand zu erwarten und warum so viele Beobachter aus den Leitmedien immer noch mit dieser Vorstellung sympathisieren.


1. Anhäufung von Ungleichgewichten - nicht alle wurden in der jüngsten Krise ausgemerzt. Es wurde kein reiner Tisch gemacht.

Die Zentralbanken sind allmächtig geworden, ihre gewaltigen Interventionen werden toleriert, von einigen sogar begrüßt; ihnen wird “zugute gehalten“, dass sie eine noch schlimmere Krise abgewendet hätten. Insoweit das tatsächlich der Fall ist und insoweit Zinssenkungen, Liquiditätsspritzen und "quantitative Lockerungen“ tatsächlich genau zur rechten Zeit kamen, um den Liquidierungsprozess der Märkte stoppen, so ist es recht wahrscheinlich, dass diese Interventionen auch für den Fortbestand vieler Ungleichgewichte gesorgt haben, die ebenfalls hätten aufgelöst werden müssen.

Diese Ungleichgewichte sind langfristig womöglich genauso untragbar, wie all jene, die schon aufgelöst wurden - und auch jene, die häufig nur zum Teil aufgelöst wurden. Wir wissen einfach nicht, welche Verwerfungen vorliegen und wie groß diese sein könnten. Dennoch befürchte ich, dass sich ein gefährliches Muster ausgebildet hat:

Seit den 1980ern wurden Aufwärtstrends an den Märkten für Vermögensanlagen hauptsächlich durch Geld- und Kreditexpansion befeuert, die Zentralbanken haben ihrerseits immer mehr die Rolle Rettungsschirms für die Finanzmärkte übernommen. Wirtschaftsbeobachter haben dieses Phänomen zynisch den “Greenspan put” getauft oder den “Bernanke put“, je nach Name des amtierenden Chefs der US-Zentralbank. Das Muster hat jetzt aber schon lange Tradition:

Der Aktienmarkt-Crash von 1997, die Peso-Krise von 1994, die LTMC-Krise von 1998, 2002 die Worldcom- und Enron-Krise und dann 2007/2008 die Subprime-Krise mit anschließender Bankenkrise. Es wäre meiner Meinung nach nicht ungerecht zu sagen, dass jede dieser Krisen größer war und gefährlicher schien, als die vorgehende, und dass sie jede neue Krise noch kräftigere und langanhaltendere politische Interventionen benötigte. Das hat unter anderem einen Grund:

Mit jeder Krise werden zwar einige Verwerfungen behoben (ansonsten würde man auch nicht von Krise sprechen), die politischen Interventionen - nicht zuletzt die mit monetärem Charakter - haben aber einige dieser angestauten Ungleichgewichte vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt. Somit akkumulieren sich diese Ungleichgewichte über die Zeit hinweg, das System wird immer fremdkapitallastiger, mehr Schulden werden angehäuft und die schlechten Angewohnheiten reißen immer mehr ein. Ich sehe keinen Grund zur Annahme, dass sich das nach 2008 verändert hat.

2. Sechs Jahre mit extrem niedrigen Zinssätzen und "quantitativen Lockerungen" haben den Grundstock neuer Ungleichgewichte gelegt und die Saat einer neuen Krise gesät.

Wo sind diese Ungleichgewichte? Wie groß sind sie? - Ich weiß es nicht, ich weiß nur eines: Kapitalmärkte kann man nicht ungestraft jahrelang manipulieren. Tatsache ist einfach, dass die Kapitalallokation - aus politischen Gründen - seit Jahren verzerrt wird.

Viele Vermögensanlagen wirken für mich fehlbewertet - angefangen bei den Anleihen der europäischen Peripherie über die US-Unternehmensanleihen, “Hochzinsanleihen“ (high yield) bis hin zu vielen Aktien. Hier gibt es enormen Raum für ein schmerzhaftes “Auskehren“, und mein erster Kandidat dafür wären erneut die Kreditmärkte, auch wenn es jetzt noch zu früh dafür sein könnte.

Lesen sie weiter: Teil 2 ...

chinaman - Samstag, 5. Juli 2014 - 07:03
02.07.2014 07:00
Detlev S. Schlichter: Scheinerholungen mit bösem Ende (Teil 2/2)

3) “Makroprudentielle“ geldpolitische Ansätze erzeugen die Illusion von Sicherheit, sie werden das System aber weiter destabilisieren.

Makroprudentielle Maßnahmen sind schwer in Mode gekommen. Die Tatsache, dass niemand laut über diesen Unsinn lacht, ist ein weiterer Hinweis auf die Verbreitung tiefer, fester Staatsgläubigkeit. Diese politischen Ansätze sollen folgendermaßen funktionieren:

Ein Arm des Staates (die Zentralbank) pumpt große Mengen neu geschöpften Geldes ins System, um die Wirtschaft anzukurbeln, zu “stimulieren"; ein weiterer Arm des Staates (auch wenn es sich oft um denselben Arm handelt - nämlich die Zentralbank in ihrer Rolle als Regulierer und Aufseher) sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit damit keine dummen Sachen macht.

Das Geld wird somit dorthin “gelenkt", wo es keinen Schaden anrichten kann. Ganz einfach. Beispiel: Die Schweizer Nationalbank flutet den Markt mit Geld, verhindert aber gleichzeitig, dass die Banken zu viele Hypothekenkredite vergeben, und auf diesem Weg wird eine Immobilienblase verhindert.

“Makroprudentiell” ist natürlich ein Euphemismus für staatlich kontrollierte Kapitalmärkte; man muss schon ein ganz hartgesottener Etatist sein, mit eisernem Glauben an die Zentralplanung und im Besitz der grenzenlosen Weisheit von Staatsdirektoren, um der Ansicht zu sein, dass die Wirtschaft dadurch sicherer wird. (Trotzdem: Der Glaube an eine alles erfassende staatliche Planung ist sicherlich auf dem Vormarsch.)

Natürlich ist die ganze Idee an sich ziemlich lächerlich. Dank staatlich gelenkter Kapitalflüsse hatten wir ja gerade erst eine Krise. Jahrzehntelang war fast jeder staatliche Arm der USA auch damit beschäftigt, Kapital in den US-Immobilienmarkt zu lenken, ob nun über Steuervergünstigungen, staatsnaher Hypothekenversicherer oder eben endlos “easy money“ von der Fed. Wir wissen, wie das ausging. Und jetzt sollen wir glauben, dass der Staat das Kapital vernünftiger lenken wird? - Neue makroprudentielle Politikansätze bedeuten letztlich nicht das Aus für Bubbles, sondern einfach nur andere Bubbles.

So scheuen sich die Banken der Eurozone beispielsweise davor, Kredite an Unternehmen zu vergeben, was zum Teil auch daran liegt, dass diese im Rahmen der neuen Bankkapitalauflagen teuer geworden sind. Aber im Rahmen genau dieser Regulierungen werden Staatsanleihen als risikofrei deklariert, wodurch keine zusätzlichen Kapitalkosten aufgeschlagen werden müssen. Kostenfreie Liquidität aus der EZB und Draghis Versprechen, “alles erdenklich Nötige zu tun", um die Eurozone zusammenzuhalten, erledigen dann den Rest.

Die darauf folgende Rally der spanischen und italienischen Staatsanleihen auf neue Rekordtiefverzinsungen könnten nun einige als Indikator für einen Gesundungsprozess in Europa wahrnehmen und als Indiz rückläufiger systemischer Risiken; es könnte sich aber genauso eine Bubble handeln - also wieder eine politikgesteuerte Verzerrung und eine weitere tickende Zeitbombe in der Bilanzen der europäischen Banken.

4) Inflation is not dead. Viele Marktteilnehmer scheinen zu glauben, dass die Inflation nie wieder kommen werde. Ganz gleich, wie lax sich die Geldpolitik auch gestaltet - und egal wie lange noch: Die einzige Inflationsform, die wir jemals zu Gesicht bekommen werden, ist die Vermögenspreisinflation. Mögen die Preise für Grund und Boden in die Höhe rasen, die Erzeugnisse, die auf diesem Land produziert werden, werden niemals teurer. - Das ist, denke ich, nicht möglich.

Hier wird es Übertragungseffekte (spill-over) geben: Abhängig davon, in welchem Maße die Geldpolitik Wirkung zeigt (wie beispielsweise mit einer Ausweitung der größeren, allgemeineren monetären Aggregate), werden auch die Preise allgemeiner steigen. Vergessen Sie zudem nicht, dass die Zentralbanker derzeit Inflation anstreben.

Ich finde es schon eigenartig, wenn ich sehe, wie die Märkte auf der einen Seite bei Risikoprämien und Aktienkursen gehorsam nach der Pfeife der Zentralbanker tanzen, wenn ich auf der anderen Seite aber auch beobachten kann, dass Ökonomen und Strategen den Wunsch der Zentralbanker nach höherer Inflation zynisch missachten. Bedeutet das jetzt, dass die Macht des Gelddruckens sich allein auf die Märkte für Vermögensanlagen erstreckt, aber vor den Konsumgütermärkten Halt macht?

Ich denke nicht. Sobald allgemeinere Preisanstiege zu verzeichnen sind, wird sich die gesamte Dynamik in den Märkten ändern. Viele Investoren werden die Punkte 1 bis 3 für sich nicht gelten lassen - in der Annahme, dass jegliche Störung im neuen Investmentparadies ganz einfach und schnell durch erneute politische Lockerungsmaßnahmen ausgestampft wird. Erhöhte und steigende Inflation (und potentiell steigende Inflationserwartungen) würde die Gewinnchancen bei dieser Wette aber neu verteilen.

Durch Zentralbanken tolerierte Inflation muss schließlich auch zu einer Neubewertung von Anleihen führen. Läuft dieser Prozess erst einmal, hat das auch Konsequenzen für andere Vermögensanlagen. Ich glaube, dass die Märkte das Inflationsrisiko derzeit schwer unterschätzen.


Mögliche Verwerfungen

Geld- und Kreditausweitung sind normalerweise eine exzellente Problemquelle. Man warte nur etwas ab, und die Ungleichgewichte werden sich eingestellt haben. Seit März 2011 ist das Wachstum (im Vergleich zum Vorjahr) bei US-Unternehmenskrediten nicht nur positiv gewesen, es schlug im Durchschnitt sogar mit beeindruckenden 9,2% zu Buche.

Das monetäre Aggregat M1 wuchs eine Zeit lang im zweistelligen Bereich oder nah am zweistelligen Bereich. Im Vorjahresvergleich liegt es aktuell bei knapp über 10 Prozent. M2 wächst mit ca. 6%.


Keiner dieser Faktoren deutet auf unmittelbar anstehenden Ärger hin, auf der anderen Seite verweist auch keine dieser Zahlen auf eine ökonomische Korrektur oder gar auf Inflation, stattdessen aber auf verstärkte Kreditaufnahme/ Verschuldung in Teilen der US-Wirtschaft.

Die Renditen für Anlagepapiere, deren Status unter dem “Investment-Grade“ liegt, befinden sich derzeit auf Rekordtiefs, die Ausfallquoten ebenfalls. Letzteres ist vielleicht keine Überraschung. Ist das Zinsniveau superniedrig und die Liquidität mehr als reichlich, dann geht auch keiner Pleite.

Aber nicht alle halten das für den 'neuen Normalzustand': “wir sind überrascht, wie überschwänglich sich die Kreditmärkte im Jahr 2014 gezeigt haben”, so William Conway (Mitgründer und einer der leitenden Geschäftsführer der Carlyle Group LP, des alternativen US-Vermögensverwalters; Zitat aus dem Wall Street Journal Europe 2-4. Mai 2014). “Die Welt schwimmt nach wie vor in Liquidität und die Anleger sind auf Renditejagd, ungeachtet der Qualität und der Risiken.“ […]

“Uns stellt sich weiterhin die Frage, ob die Grundlagen des globalen Kreditgeschäfts gesund und tragfähig sind. Offengestanden, glauben wir das nicht.“


1 Billion ist eine schöne runde Zahl

Seit 2009 haben Anleger offenbar eine weitere 1 Billion $ in Anleihefonds investiert. 2013 erweiterte die Fed per Geldschöpfung die Geldbasis um ein wenig mehr als 1 Billion. Am Markt für investmentfähige (investment grade) Unternehmensanleihen wurden 2013 ebenfalls Papiere für ca. 1 Billion $ emittiert - plus minus ein paar Milliarden.

Ein nicht unerheblicher Teil des von den Unternehmen geliehenen Geldes scheint seinen Weg in Aktienrückkäufe zu finden, und die drücken den Aktienmarkt nach oben. Andrew Smithers schätzt in der Financial Times von 13.Juni 2014, dass sich diese “Aktien-Buybacks" weiterhin im Bereich von 400 Mrd. $ pro Jahr bewegen. Er berichtet zudem, dass die ‘non-financial corporate debt‘ (d.h. Schulden von Unternehmen, die nicht aus dem Finanzsektor stammen) “in den letzten 12 Monaten um 9,2% zunahmen.“ Die Fremdkapitalquote finanzsektorfremder US-Unternehmen hat jetzt - im Verhältnis zum Output - ein Rekordhoch erreicht.

Unterm Strich

Die meisten Anleger versuchen, Vermögensanlagen günstig zu kaufen. Die oft bessere Strategie ist aber, die teuren zu verkaufen. Bald könnte ein solcher Moment wieder gekommen sein. Timing ist alles, und es könnte noch zu früh sein.

“The trend is my friend!” lautet eine weitere altgediente Wall-Street-Weisheit. Der laufende Bullenmarkt könnte ein künstlicher und vielleicht ein schon etwas überfälliger sein; möglicherweise können die Zentralbanker ihren Willen auch noch eine Weile länger durchsetzen - dann würde dieses neue "immer-nur-long“- Investment-Nirwana noch fortdauern.

Ich war häufig schon überrascht, wie weit und wie lange die politischen Entscheidungsträger die Märkte aus dem Gleichgewicht zu drängen vermögen. Den geduldigen, cleveren und flinken Spekulanten werden sich hier irgendwann Gelegenheiten bieten, und zwar dann, wenn die Märkte unweigerlich zurückschnellen.

Aus meiner Sicht haben wir keinen neuen “Normalzustand“. Wir erleben nur das Vorspiel zu einer weiteren Krise. Im Grunde könnte all das Gerede um den “neuen Normalzustand“ niedrige Volatilität und stabile Märkte, so weit das Auge reicht, schon ein Negativindikator und Vorzeichen drohenden Unheils sein. (Erinnert sich denn keiner an den “Tod des Konjunkturzyklus” in den 1990ern oder die "Great Moderation" der 2000er?)

Anleger sind empfänglich für den Mumpitz der Manipulatoren. Sie sind ständig auf der Suche nach Erträgen und da die Zentralbanken die Erträge der Standardanlageklassen sogar noch weiter drücken, fühlt sich der Anleger gezwungen, in riskantere Märkte zu gehen und dort immer mehr Risiko zu sinkenden Renditen zu kaufen.

Man wechselt von Staatsanleihen zu Unternehmensanleihen, von Unternehmensanleihen zu “Hochzinsanleihen”, von den “Hochverzinsten“ dann an die Schwellenmärkte - bis sich ein neues Kreditdesaster abzeichnet. Deswegen tanzen Anleger auch gerne nach der Pfeife der Interventionisten - so lange die Party eben läuft.

Auch viele professionelle Vermögensverwalter sind dabei; sie berechnen ihren Kunden nun schließlich Gebühren fürs Verwalten und fühlen sich daher verpflichtet, an der Jagd nach steten Renditeströmen teilzunehmen - ganz gleich, wie hoch die Chancen letztendlich sein mögen. Das allergrößte Risiko in diesem Umfeld systematisch manipulierter Märkte ist nun, dass man genau zur falschen Zeit auf teure und illiquide Anlagen hereinfällt.

In diesem Umfeld könnte es sich letzten Endes sogar bezahlt machen, Spekulant und kein Investor zu sein. Spekulanten warten auf Gelegenheiten, um Geld aus Kursbewegungen zu schlagen. Sie suchen nicht nach "Erträgen" oder “Renditen”, sondern nach Kursänderungen, und womöglich werden einige der interessanteren Kursschwünge eben Abschwünge sein, das glaube ich zumindest.

Da Spekulanten nicht an die Notwendigkeit kontinuierlicher, stabiler Erträge gebunden sind, dürfte es ihnen auch einfacher fallen, Geduld zu haben. Sie dürften wissen, dass sich ihr Kapital nicht immer und jederzeit profitabel einsetzen lässt. Sie sind sogar glücklich (oder sollten glücklich sein), längere Zeit auf den Barbeständen sitzen zu können - und vielleicht auch einige der “Fake-Rallies“ an sich vorbeiziehen zu lassen.

Sehen Sie aber die richtigen Gelegenheiten heraufziehen, dann hoffen sie, flink und gerissen genug zu sein, diese am Schopf zu packen. Daran versuchen sich traditionell Makro-Hedgefonds, Prop-Trader der Kreditinstitute und Terminhandelsberater. Ihre Zeit könnte wieder kommen.

Wie Sir Michael von CQS meinte: “Vielleicht können sie [die Zentralbanker] die Kontrolle behalten, doch wenn der Glaube an sie verloren ist, dann bricht die Hölle los.”

Ich stimme ihm voll und ganz zu.


© Detlev Schlichter
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