Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Inflation: Archivierte Beiträge bis 21. Januar 2009
prof - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 11:17
"Kein Problem, das fällt mit unter den deutschen Rettungsschirm."
Ich weiß selbst nicht, ob ich das ironisch gemeint habe, das ist mein Problem!

Fakt ist, dass ein Zusammenbruch des Euro-Systems kurzfristig verheerend ist, eine künstliche Aufrechterhaltung eher mittelfristig.
Politiker denken eher kurzfristig, also scheint eine künstliche Aufrechterhaltung wahrscheinlicher.

Normalerweise müsste man kurzen Prozess machen und das Ding einfach auflösen. stattdessen sehe ich eher weitere Kandidaten wie Island, Ungarn, Lettland.
Getreu dem Motto der Finanzkrise: Wenn Kredite falsch waren, müssen mehr Kredite her. Wenn der Euro falsch war, muss der Euro-Raum erweitert werden ...
Prof

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 14:05
Fakt ist, dass wir momentan den Euro haben. Nehmen wir mal theoretisch an, Spanien würde bankrott gehen und Deutschland (noch) nicht. Wie soll das in einem Währungsraum funktionieren ???


Gruß
Chinaman

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 14:40
> Wie soll das in einem Währungsraum funktionieren ???

So, wie es auch in den USA zu funktionieren scheint. Chinaman hatte hier doch gestern den Link zum Bankrott/Liquiditätsengpass von Kalifornien gepostet.
Trotzdem wirft niemand Kalifornien aus dem Dollar-Raum.
Da die Europäische Zentralbank unabhängig von den einzelnen Regierungen ist, müssen die jeweiligen Regierungen sich selber sanieren und können die Notenpresse nicht einfach anwerfen.

Ich persönlich denke, dass der Euro gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Ich möchte gar nicht wissen, wie die Währungen in der EU ansonsten Jojo gespielt hätten. Das wäre für unsere Industrie viel unschöner gewesen, wenn sich auch im nahen Ausland alle Berechnungsgrundlagen plötzlich verschieben, nicht nur in Übersee.
Wahrscheinlich wäre die DM als starke Währung stark aufgewertet worden und unsere Produkte damit urplötzlich wieder viel teurer als französische, holländische oder italienische Produkte.
Gerade jetzt möchte ich den Euro nicht gegen die Vorgängerwährungen eintauschen.
Und ich denke, das gleiche könnten bald auch andere Staaten denken, angefangen bei Dänemark und Schweden.

prof - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:00
@al: Was passiert, wenn die Südstaaten tatsächlich zahlungsunfähig werden
- die zahlen einfach ihre Schulden nicht zurück
- was passiert mit den nächsten Kandidaten der Zahlungsunfähigkeit, Frankreich, Belgien
- spielen wir dann Domino??
Prof

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:18
Naja, so einfach ist es nur selten.
In der Regel werden die Schulden nur gestundet und müssen später zurückgezahlt werden. Außerdem ist dann nichts mehr mit dem "Lustig neue Schulden machen", weil man kein Geld mehr erhält. Das werden also alle Länder nach Möglichkeit zu vermeiden versuchen.
Ich sehe auch nicht, warum bspw. Frankreich davon direkt angesteckt werden sollte, wenn Griechenland (m.E. der gefährdetste Kandidat) bankrott ist.

Sicher, das wäre alles nicht lustig. Aber zurück zu Kalifornien: Wo sind da die Domino-Effekte? Die hatten das 1992 laut dem Artikel auch schon mal und die Welt ging davon nicht unter.

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:22
Ach ja, die wahrscheinliche Lösung geht immer in drei Richtungen:
- Ausgaben senken
- Steuern erhöhen
- Steuereintreibung verbessern (siehe Griechenland: Was nützen Steuergesetze, gegen die alle verstoßen?)

Auch Island geht trotz des Staatsbankrottes nicht unter, auch wenn das Leben härter wird.

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:32
Zwischen Kalifornien und Spanien besteht ein kleiner (aber sehr wesentlicher) Unterschied. Kalifornien hat keine eigene Zentralbank, Spanien dagegen schon ...

Will heissen, es sind keine kalifornischen Geldscheine im Umlauf, Euroscheine aus Spanien dagegen sehr wohl.

Gegenüber Kalifornien bestehende Forderungen sind folglich Ansprüche direkt gegen den diesen Bundesstaat. Der Gläubiger von Kalifornien verliert sein Recht, da er es ja wegen des Bankrotts nicht durchsetzen kann.

So kann es natürlich auch den spanischen Gläubigern gehen, soweit sich Ihre Forderungen eindeutig gegen den spanischen Staat richten.

Soweit so gleich. Nun aber zum Problem: Was ist mit den Forderungen die sich aus den Euronoten ergeben, die von der spanischen Zentralbank im Umlauf gebracht wurden???

Das ist nicht mit Kalifornien zu vergleichen ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:41
"und die Welt ging davon nicht unter"

Klar, die Welt wird wahrscheinlich auch dieses Mal nicht untergehen. Es kann "lediglich" passieren, dass jede Menge Menschen um die Früchte Ihres Arbeitslebens (Ersparnisse) geprellt werden.


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:46
"Aber zurück zu Kalifornien: Wo sind da die Domino-Effekte?"

Einfache Frage. Die kalifornischen Gläubiger können das Geld, dass Sie rechtswidrig von Kalifornien nicht bekommen, auch nicht mehr ausgeben.

Damit sinkt der Konsum ziemlich genau um den geprellten Betrag. Damit geht auch der Absatzmarkt von Unternehmen aus anderen Regionen und damit die Steuereinnahmen von deren Regionen zurück.

Ist der Dominoeffekt immer noch nicht ersichtlich???


Gruß
Chinaman

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:47
So wie ich das System verstehe, kann die spanische (oder deutsche) Zentralbank nicht mehr aus eigenem Gusto die Druckerpressen anwerfen. Die Kompetenzen wurden an die Europäische Zentralbank abgegegeben, jedes Land darf nur das ihm zugeteilte Kontingent drucken bzw. prägen lassen.
Daher halte ich Spanien sehr wohl mit Kalifornien vergleichbar.

Um Wikipedia zur Europäischen Zentralbank zu zitieren:

Aufgaben und Ziele der EZB:
- Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten (Portfoliomanagement),
- Versorgung der Volkswirtschaft mit Geld, insbesondere die Förderung eines reibungslosen Zahlungsverkehrs.
- Genehmigung der Ausgabe des Euro-Papiergeldes, die Ausgabe selbst erfolgt durch die NZBen
http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Zentralbank#Aufgaben_und_Ziele

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:49
Auch bei Kalifornien ist das Geld nicht auf Dauer weg, sondern muss später zurückgezahlt werden, wenn der Bundesstaat jemals wieder kreditwürdig werden will.
Und darauf kann langfristig faktisch kein Staat verzichten.

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:53
"Daher halte ich Spanien sehr wohl mit Kalifornien vergleichbar. "

Meines Erachtens nach eindeutig falsch. Selbst wenn die EZB Spanien das Drucken weiteren Geldes erfolgreich untersagen würde bzw. könnte, wer steht dann für die Forderungen aus dem bereits im Umlauf befindlichen Papiergeld gerade???


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:56
"Auch bei Kalifornien ist das Geld nicht auf Dauer weg, sondern muss später zurückgezahlt werden, wenn der Bundesstaat jemals wieder kreditwürdig werden will.
Und darauf kann langfristig faktisch kein Staat verzichten. "

Genau deshalb machen Staaten ja dann auch Währungsreformen bzw. Enteignungen von Sparern.
Zu dumm nur für Kalifornien, dass man ohne eigene Zentralbank diesen Weg nicht gehen kann ...


Gruß
Chinaman

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 15:57
> Selbst wenn die EZB Spanien das Drucken weiteren Geldes erfolgreich untersagen würde bzw. könnte, wer steht dann für die Forderungen aus dem bereits im Umlauf befindlichen Papiergeld gerade???

Die EZB. Diese Frage konntest du aber auch zu Zeiten der D-Mark oder kannst du beim amerikanischen Dollar stellen.

Wie gesagt, die Spanier druckten und drucken den Euro nicht nach eigenem Gusto, sondern nur den Anteil, der ihnen von der EZB genehmigt wurde.
Daher ist die Unabhängigkeit der EZB der zentrale Faktor. Und der scheint mir vertrauenswürdig gegeben.

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 16:03
> Genau deshalb machen Staaten ja dann auch Währungsreformen bzw. Enteignungen von Sparern.
Zu dumm nur für Kalifornien, dass man ohne eigene Zentralbank diesen Weg nicht gehen kann ...

Und einzelne europäische Staaten auf diesem Weg jetzt eben auch nicht mehr. Darum sehe ich im Euro einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu den "Vereinigten Staaten von Europa".
Die Italiener haben ja schon genau darüber geklagt. Die dortigen Politiker wären wahrscheinlich am liebsten den Weg der gesteigerten Inflation gegangen, wie schon oftmals in der Vergangenheit. Da sie aber keinen direkten Zugriff auf die EZB haben, können sie nicht auf diese Weise ihre Konkurrenzfähigkeit wieder herstellen, sondern müssen real sparen, Löhne kürzen oder effizienter arbeiten. Die südeuropäischen Länder, die eine höhere Inflation gewohnt waren, werden sich rein mental massiv umstellen müssen.

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 16:03
Du denkst nicht zu Ende. Wahrscheinlich weil Du die Wahrheit nicht sehen willst.

Daher noch einmal langsam zum Mitdenken.

Streitest Du ab, dass Spanien (mit Erlaubnis der EZB) Euronoten in Umlauf bringen durfte???

Wenn Du dieses nicht abstreitest und den Staatsbankrott von Spanien unterstellst, dann verbriefen diese Euronoten doch Forderungen gegen Spanien, oder etwa nicht???

Wenn Spanien zahlen könnte, wären sie nicht bankrott.

Wer steht nun für diese Forderungen gerade und was passiert mit diesen Euronoten, die Spanien bereits gedruckt hat???


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 16:07
"Und einzelne europäische Staaten auf diesem Weg jetzt eben auch nicht mehr. Darum sehe ich im Euro einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu den "Vereinigten Staaten von Europa". "

Nicht falsch. Fragt sich letztendlich nur, ob die faulen Äpfel die gesunden Äpfel anstecken werden oder die faulen Äpfel zur Gesundung gezwungen werden können.

Die Natur zeigt hier m.E. den Weg ...


Gruß
Chinaman

al_sting - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 16:12
> Streitest Du ab, dass Spanien (mit Erlaubnis der EZB) Euronoten in Umlauf bringen durfte???
Nein. Allerdings nur im von der EZB erlaubten Rahmen.

> Wenn Du dieses nicht abstreitest und den Staatsbankrott von Spanien unterstellst, dann verbriefen diese Euronoten doch Forderungen gegen Spanien, oder etwa nicht???
Nicht nur oder explizit gegen Spanien, sondern gegen die EZB und damit die Gesamtheit der Zentralbanken.

> Wenn Spanien zahlen könnte, wären sie nicht bankrott.
Wie ist man denn bankrott? Man kann entweder seinen laufenden Ausgaben nicht mehr nachkommen und keine Löhne etc. zahlen (illiquide, siehe Kalifornien) oder man bekommt keinen Kredit mehr. (Spanische "Bundesschatzbriefe" finden keinen Käufer.)

Den Euro als Währung kannst du davon m.E. komplett entkoppeln.

> Wer steht nun für diese Forderungen gerade und was passiert mit diesen Euronoten, die Spanien bereits gedruckt hat???
Die EZB. Nur weil die Bundesdruckerei 2002 zahlungsfähig wurde, war das von ihr gedruckte Geld nicht plötzlich wertlos. Die spanische Zentralbank ist ebenso wie die Bundesdruckerei hier nur ausführendes Organ. Eigentlicher Herausgeber und Verantwortlicher für den Euro ist m.E. die EZB.

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 16:15
"Die EZB. Diese Frage konntest du aber auch zu Zeiten der D-Mark oder kannst du beim amerikanischen Dollar stellen"

Aha. Die Banker bei der EZB arbeiten dann die nächsten 1000 Jahre umsonst, und mit Ihren eingesparten Gehaltszahlungen werden die Forderungen dann beglichen???

Ich lach mich schief!

Natürlich konnte ich die Frage auch früher zu Zeiten der D-Mark stellen. Damals war Sie auch einfach zu beantworten. Bei einem deutschen Staatsbankrott wäre der D-Mark gemäß dem zu fassenden Beschluss durch die Währungsreform in einem bestimmten Verhältnis auf die neue Währung umgestellt worden. So würde es auch im Falle des Dollars und der USA laufen.

Wir diskutieren hier die Besonderheit, ob in einer Währungseinheit ein Staat bankrott gehen kann und ein anderer nicht!!!


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 21. Januar 2009 - 16:17
"Den Euro als Währung kannst du davon m.E. komplett entkoppeln. "

Ich geb es auf. Dir fehlen die elementarsten Grundkenntnisse über Geld. Glaub einfach weiter an den Weihnachtsmann. Alles wird gut!


Gruß
Chinaman

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