Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: US-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 29. September 2008
al_sting - Mittwoch, 19. März 2008 - 14:19
Deshalb ist die Frage der Aktienkursentwicklung auch keinesfalls entschieden. Mag sein, dass der Dow in einem Jahr bei 15000 Punkten steht, nur dass man halt eben real in Waren, Dienstleistungen immer weniger für diese 15000 Punkte erhält.
Also Put-Besitzer: Aufgepasst - Prof

Die Befürchtung habe ich so langsam auch. ;-)

prof - Montag, 14. Juli 2008 - 16:29
Könnte die FED den US-Banken nicht einfach heimlich Geld zur Verfügung stellen. Der "Vorteil" wäre:
- die Liquidität bleibt gesichert
- der Dollar wird - zeitweise - nicht noch stärker belastet, weil ja (zunächst) niemand merkt, dass mehr $ im Umlauf sind ...

Kriege ich jetzt ein Lob für meine Idee von Ben & George oder würde das jemand herausfinden?
Prof

xenon - Montag, 14. Juli 2008 - 17:13
Die gleiche Frage, die ich auch meinen Kindern nicht schlüssig erklären kann. Was wäre wenn wir einfach mehr Geld drucken und es verteilen - experimenteller Ansatz 10.000 Euro pro Kopf. Steigt nun die Inflation, das Sparguthaben oder die Nachfrge an Gütern (= Anspringen der Binnenkonjunktur), was uns manche Wirtschaftsexperten glauben machen wollen. Ich glaube in Deutschland passiert gar nichts, da das meiste davon auf dem Sparbuch landet.

Gruss Xenon

al_sting - Montag, 14. Juli 2008 - 18:28
Erzähle deinen Kindern einfach von 1922 / 23.

prof - Montag, 14. Juli 2008 - 18:30
Es reicht auch '48, wer sich mit 10:1 erst mal begnügen möchte ...

chinaman - Dienstag, 15. Juli 2008 - 09:17
Chronistenpflicht: Mit der IndyMac Bankcorp. hat es am Wochenende eine der größeren US Hypothekenbanken "zerlegt".

Branchencharts: Der US Bankenbereich zeigt noch keine Ansätze von Bodenbildung. Ohne Erholung der Banken aber keine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten. Auch die Kursentwicklung der US Einzelhandelswerte ist beängstigend.

Fazit: Wir sind noch weit von einem geeigneten dauerhaften Investitionszeitpunkt entfernt. Allerdings sind die Aktienmärkte schon sehr weit überverkauft. Kurzfristige Bounces sind daher nicht unwahrscheinlich, sollten aber eher zum Aufbau von Cash bzw. von Shorts genützt werden.


Gruß
Chinaman

chinaman - Dienstag, 15. Juli 2008 - 10:57
"Könnte die FED den US-Banken nicht einfach heimlich Geld zur Verfügung stellen"

Sie hat es doch veröffentlicht ...

Die Fed hat die komplette Refinanzierung der 2 wichtigsten amerikanischen Hypobanken (FANNIE MAE und FREDDIE MAC) zugesagt.

chinaman - Freitag, 19. September 2008 - 13:01
19. September 2008, 10:17 Uhr


BÖRSENKRISE

US-Regierung plant Banken Milliardenschulden abzunehmen

Von Marc Pitzke, New York

Sensation in der US-Finanzkrise: Washington will den wankenden Banken laut einem TV-Bericht Schulden von rund 500 Milliarden Dollar abnehmen. Die Wall Street reagierte begeistert. Doch wie diese größte Staatsintervention seit den dreißiger Jahren bewältigt werden soll, bleibt vorerst unklar.

New York - US-Präsident George W. Bush hat eine harte Woche hinter sich. Er bewirtete seinen ghanaischen Amtskollegen John Kufuor mit Maine-Lobster, Ingwer-Lamm und einem Medley aus dem "König der Löwen". Er inspizierte den Schaden des Hurrikans "Ike". Er empfing seinen früheren Irak-Kommandeur, General David Petraeus, und den Präsidenten von Panama, Martín Torrijos. Er würdigte den Tag der US-Verfassung und die Legalisierung des Schusswaffenbesitzes in Washington.

Zur Finanzkrise äußerte sich Bush auch - erst am Dienstag, dann am Donnerstag noch einmal. Exakt zwei Minuten lang las er da im Rosengarten des Weißen Hauses tröstende Allgemeinplätze vom Blatt vor und verschwand dann ohne weiteren Kommentar wieder. Fragen waren nicht erwünscht.

Bushs Zurückhaltung während des jüngsten Wall-Street-Dramas ist bezeichnend. Seine Laisser-faire-Finanzpolitik gilt für viele als eine der komplexen Ursachen, die mit zum Kollaps mehrerer großer, traditionsreicher Investmentbanken geführt und das Ende des dualen US-Bankensystems eingeläutet haben - eine Zuspitzung, die bis vor kurzem undenkbar war und die Börsen im Mark erschüttert hat.

Statt Bush haben längst zwei andere das Ruder übernommen: US-Finanzminister Henry Paulson und Notenbankchef Ben Bernanke. Das wissen vor allem die Börsen: Erst neue, massive Interventionen durch Paulson und Bernanke brachten am Donnerstag wieder Ruhe an die Wall Street. Der Dow-Jones-Index, der seit Montag rund 900 Punkte verloren hatte, erholte sich und schaffte kurz vor Feierabend sogar eine tolle Rallye, um mit 410 Punkten im Plus zu schließen: der größte Tagesgewinn in sechs Jahren - nach dem vorhergehenden größten Tagesverlust in sieben Jahren.

Der Auslöser dieser schwindelerregenden Kehrtwende ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich das System derzeit aus eigener Kraft nicht mehr halten kann: Der Kurssprung stützte sich auf Gerüchte über die neueste, beispiellose Rettungsaktion für die US-Finanzbranche - eine staatliche Auffanglösung für Bankenschulden.

Diese Börsengerüchte, die vor allem vom TV-Wirtschaftssender CNBC verbreitet wurden, bestätigten sich am Abend - mit Knalleffekt. Nach einer Krisensitzung mit der US-Kongressführung und beiden Parteien trat Paulson mit Bernanke vor die Kameras und kündigte eine "zügige Lösung" an, um Banken von "illiquiden Aktivposten" zu befreien. Klartext: Washington will der Wall Street alle Giftschulden abnehmen. Der Rettungsplan könnte laut CNBC ein Volumen von 500 Milliarden Dollar haben. Es wäre der umfassendste derartige Staatseingriff seit der Depression - "der größte Umbau des US-Finanzsystems seit den dreißiger Jahren", wie das sonst mit Superlativen eher zurückhaltende "Wall Street Journal" schrieb.

Wie diese exorbitante Auffanglösung genau aussehen soll, ließ Paulson offen: Man werde übers Wochenende "alle Optionen" diskutieren. Damit haben die Protagonisten der Wall Street heute noch mal eine Atempause bekommen, um diese allerneueste Sensation zu verdauen.

Die hochdramatische Maßnahme - die nach weiteren Geldspritzen der Notenbank für die Finanzinstitutionen kommt - zeugt davon, wie brisant die Lage geworden ist. Die historische Auffanglösung solle die "Main Street", also Otto Normalverbraucher, von den windigen Verlustgeschäften der Wall Street abschotten, sagte Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses.

Denn diese Börsenwoche hat katastrophalen Schaden angerichtet. "Was wir hier erleben", schrieb der Kolumnist Steven Pearlstein in der "Washington Post", "ist die größte Zerstörung finanziellen Vermögens, den die Welt je erlebt hat - Verluste, die auf dem Papier Milliarden Dollar messen."

Der Druck auf Paulson und Co., über die bisherigen Milliardenzusagen hinauszugehen, stieg am Donnerstag fast stündlich. Hier gehe es nicht nur darum, "das Vertrauen in Amerika wiederherzustellen", sagte zum Beispiel Ex-Präsident Bill Clinton in einem CNBC-Interview. Viel Wichtigeres stehe auf dem Spiel: "Amerikas Finanzsystem und die Ersparnisse von Hunderten Millionen Amerikanern."

Die meisten US-Bürger vertrauen auf Aktienfonds, um ihre Renten zu bestreiten, sind von der aktuellen Krise also mit betroffen: "Es gibt keinen Amerikaner", sagte Clinton, "der von dem, was in den letzten zwei Tagen passiert ist, nicht potentiell geschädigt wurde."


Ein Broker: "Nichts wird mehr so sein, wie es war"


Vorbild für die avisierte Massenumschuldung ist nach US-Medienberichten die sogenannte Resolution Trust Corporation (RTC). Das war eine staatliche Auffanggesellschaft, die nach der Spar- und Darlehenskrise der achtziger Jahre hier eingerichtet wurde. Die RTC übernahm damals die Guthaben von mehr als tausend US-Sparkassen, die nach unregulierten Spekulationen untergegangen waren, und liquidierte sie nach Gutdünken - eine Art staatlicher Flohmarkt für private Altlasten.

Wie viel Geld hat die Fed noch in Reserve?

Der Unterschied zu heute: Diesmal rufen Banken um Hilfe, die (noch) nicht kollabiert sind und gerettet werden wollen. Wie das nun konkret aussehen soll, darüber gab es am Donnerstag zunächst nur wilde Spekulationen. Der demokratische Senator Chuck Schumer schlug vor, dass die Regierung als Teilhaber in die betroffenen Firmen investieren könnte, "um ihnen eine stärkere Kapitalbasis zu geben".

Die Frage ist: Wie viel Geld hat die Federal Reserve Bank - die sich erstmals in ihrer Geschichte als derart aktiver Teilnehmer in das Marktgeschehen einmischt - eigentlich noch übrig für solche gigantischen Engagements? Wie weit kann sie sich finanziell noch strecken?

Anfang des Jahres hatte die Fed noch rund 800 Milliarden Dollar in Reserve. Seither soll dieser Topf auf knapp 300 Milliarden Dollar geschrumpft sein. Mit der Ausgabe neuer Staatsanleihen verschafft sich die Bank nun kurzfristig Luft. Allein diese Woche füllte die Fed ihre Kasse mit weiteren 100 Milliarden Dollar. Ein Präzedenzfall: "Dies ist einzigartig", sagte der Ökonom Allan Meltzer der "New York Times". "So etwas hat die Fed noch nie gemacht."

Die Auffanglösung war nicht die einzige Maßnahme, die am Donnerstag zur Bewältigung der Mega-Krise angeleiert wurde. An allen Fronten wurde versucht, die Löcher zu stopfen. So will die US-Börsenaufsicht SEC nach einem Bericht des "Wall Street Journals" dem Beispiel der britischen Financial Services Authority folgen und bestimmte Blanko- oder Leerverkäufe vorübergehend verbieten - jene schnellen Deals, die auf Kursstürze wetten. Auch sollen Hedgefonds und andere institutionelle Großinvestoren solche Aktivitäten künftig offenlegen müssen.

Kritiker und die betroffenen Investmentbanken monieren, dass solche bisher legalen "Short Sales" ihre Probleme nur verschlimmerten, indem sie zu einem Teufelskreis führten - und dass deren Hintermänner dann davon profitierten. Schon im März hatte die SEC eine besonders umstrittene Variante des Leerverkaufs mit Finanzwerten verboten, das ungedeckte, sogenannte Naked Short Selling.

New Yorks Justizminister Andrew Cuomo leitete darüber hinaus "umfassende Ermittlungen" gegen Leerverkäufer in den Finanzmärkten ein. Im Visier hat er vor allem Geschäfte mit jenen Firmen, die in den vergangenen Tagen und Wochen am schlimmsten in den Schlagzeilen waren: Lehman Brothers, AIG, Morgan Stanley.

Atemberaubende, unwälzende Zeiten an der Wall Street also: Ohne den Staat geht es nicht weiter. "Nichts wird mehr so sein, wie es war", sagte ein Händler am Donnerstag. Auch wenn sich die Börse offenbar vorübergehend wieder gefangen hat - schon fragt die "New York Times": "Sind die Vereinigten Staaten nicht mehr länger das weltweite Leuchtfeuer des uneingeschränkten, freien Marktkapitalismus?"

al_sting - Freitag, 19. September 2008 - 13:28
Faszinierend!
Das ist der wirklich ganz große Bail-out!
Sofern es sich wirklich realisieren lässt.

Die Börse hat einen Freudensprung hingelegt, insbesondere die unter Druck geratenen Kurse.
Ich bin wirklich neugierig, ob wir gestern den Abgrund gesehen haben oder ob da noch etwas nachkommen kann.
Aber ehrlich gesagt, auf Unternehmensebene fällt mir nicht mehr viel Steigerungspotential ein:
Der halbe Immobilienhypothekenmarkt ist verstaatlicht, die größte Versicherung ist verstaatlicht, die großen Wallstreet-Broker sind de facto platt. Die amerikanischen Autohersteller sind zwar auch de facto platt, dürfte jetzt aber auch ihre Notkredite erhalten, um nicht unterzugehen. 50Mrd. tun jetzt auch nicht mehr weh.

Die m.E. spannendste Frage: Was passiert mit dem Dollar? Bleibt die Bonität der US-Staatsanleihen erstklassig oder verlassen viele Anleger aus Furcht von der Notenpresse diese Währung? Sollte der Dollar nicht abstürzen, fallen mir aktuell keine Schockpotentiale mehr ein, die es effektiv mit den Schockwellen dieser Wochen aufnehmen könnten. Daher vermute ich ganz optimistisch, dass wir den Grund gesehen haben könnten.

Der Krieg im Irak scheint seinen Höhepunkt hinter sich zu haben, sodass auch die Belastungen für den US-Haushalt zurückgehen könnten. Der Ölpreis scheint von 150$-Ausflügen vorerst geheilt zu sein...

(OK, unvorhersehbare Katastrophen wie anno 2001 den 11.09. lasse ich mal außen vor.)

Ich hätte ja eigentlich auf ein Tief 10 Tage nach dem Zusammenbruch am Montag gesetzt. Aber aktuell vermute ich, wir haben das Tief erreicht. (Und selbst Biogas Nord wird wieder zu 4,20€ gehandelt. :-))

Ich weiß, ich lehne mich damit recht früh aus dem Fenster. Aber was denkt ihr?

Neugierig, Al Sting

chinaman - Freitag, 19. September 2008 - 15:22
Meiner Meinung nach zeigen die Maßnahmen, wie nah das Finanzsystem am Abgrund gestanden ist. Wir standen wohl wirklich unmittelbar an der Schwelle zu einer Weltwirtschaftskrise.

Die „Auffanggesellschaft“ für die bad debts ist aber bisher nur eine Idee. Da werden noch einige Realisierungsprobleme auftauchen und es wird wohl auch Rückschläge geben.

Die "bad debts" sind aber in keinem Fall weg. Die Zeche zahlt nur ein anderer. Statt der Verursacher (Banken) der Dumme (Steuerzahler). Weiteres regeln die zukünftigen Ausführungsbestimmungen.

Wie sich US Dollar, Aktien- und Rentenmärkte halten werden, ist im wesentlichen eine Frage der Investorenpsychologie. Gut möglich, dass die Musik noch einige Jahre weiterspielt. Dann würden unsere Probleme wohl wieder in Richtung Inflation (nominale Preissteigerung auf den Anlage- und Gütermärkten) schwingen.

Das Deflationsgespenst (Auslöser fast aller weltwirtschaftlichen Systemkrisen) kommt möglicherweise noch einmal für ein paar Jahre in den Schrank.

Ich sehe aber in den aktuellen Maßnahmen keine endgültige Problemlösung. Die Verantwortlichen gewinnen nur Zeit , vergrößern die Ungleichgewichte weiter und erhöhen (im Erfolgsfall) die Fallhöhe für die irgendwann notwendigen schmerzhaften Veränderungsprozesse.

Gruß
Chinaman

chinaman - Sonntag, 21. September 2008 - 07:13
Rettungspaket

Bush peilt höhere Schuldengrenze an
US-Präsident George W. Bush hat den Kongress um die Bewilligung von 700 Mrd. $ zur Linderung der Finanzkrise gebeten. Gleichzeitig sieht das Rettungspaket eine Anhebung der US-Schuldengrenze vor.


Mit den 700 Mrd. $ sollen Hypotheken aufgekauft werden, deren Besitzer zahlungsunfähig geworden sind, heißt es in einem Vorschlagspapier des Präsidenten. Die Regierung soll demnach ermächtigt werden, die Schulden der betroffenen Kreditinstitute für die kommenden zwei Jahre zu übernehmen.

Zugleich soll die zulässige Obergrenze der Staatsverschuldung von derzeit 10,6 Billionen auf 11,3 Billionen $ angehoben werden. Dies sei notwendig, damit der Staat zur Stützung der Finanzmärkte angemessen intervenieren könne. Bush sagte, seine Regierung wolle eng mit dem Kongress zusammenarbeiten, um die einschlägigen Gesetze so schnell wie möglich in Kraft treten zu lassen. Er habe sich zu diesen weitreichenden Schritten entschlossen, nachdem ihm das gesamte Ausmaß der derzeitigen Finanzkrise klar geworden sei.


Pelosi sagt rasche Entscheidung zu

Pelosi sichert Bush Unterstützung zuDie amerikanische Regierung will der taumelnden Finanzbranche mit dem beispiellosen Rettungspaket zu Hilfe eilen. Unter dem massiven Einsatz von Steuergeldern sollen dabei die bedrängten Finanzinstitute von notleidenden Vermögenswerten befreit werden.

Das Programm muss noch vom Kongress gebilligt werden. Die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sagte aber ein schnelles und parteiübergreifendes Vorgehen der Abgeordneten zu. Eine Entscheidung solle in der kommenden Woche fallen.

Finanzminister Henry Paulson und Notenbank-Chef Ben Bernanke wollten am Wochenende mit dem Kongress Details eines Plans zur Schaffung einer staatlichen Abwicklungsbehörde erarbeiten, die faule Kredite übernimmt. Paulson hatte gesagt, das Rettungspaket sei nötig, um die Krisenpapiere vor allem aus dem kollabierten Hypothekenmarkt zu beseitigen, die auf den Finanzinstituten und der Wirtschaft lasteten. Das Programm müsse groß genug sein, um einen deutlichen Erfolg zu zeigen "und die Probleme an der Wurzel zu packen". Zugleich müssten die Steuerzahler so weit wie möglich geschützt werden.



FTD.de, 20.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa

al_sting - Dienstag, 23. September 2008 - 15:11
Nouriel Roubini - Der Tod der Schattenbanken

Ein großer Run zerstört immer neue Teile des Finanzsystems - nach den Investmentbanken werden die Hedge-Fonds nächstes Opfer sein. Auch Europa wird von dieser Krise erfasst werden.

(Nouriel Roubini ist Wirtschaftsprofessor an der Universität New York und betreibt den Informationsdienst Roubini Global Economics)

Wir erleben in diesen Tagen den Untergang eines Schattenbankensystems, das über 20 Jahre entstanden ist. Weil die Banken stärker reguliert sind, wurde während der vergangenen zwei Jahrzehnte immer mehr in diesem Schattensystem angelegt - einem System, zu dem Broker-Dealer gehören, Hedge-Fonds, Beteiligungsgesellschaften, außerbilanzielle Zweckgesellschaften und Conduits, Geldmarktfonds und Unternehmen, die ohne Banklizenz Hypothekenkredite vergeben.

Wie Banken auch verschulden sich die meisten Mitglieder dieses Systems sehr kurzfristig und in liquiden Mitteln. Sie arbeiten - bis auf Geldmarktfonds - mit höheren Schuldenhebeln als Banken und investieren in weniger liquide und langfristigere Instrumente. Wie Banken tragen sie das Risiko, Ziel eines zerstörerischen Runs zu werden, selbst wenn sie eigentlich solvent und liquide sind.

In einem aber sind sie anders: Die Wenigsten können sich über Einlagensicherungen und Zentralbanken als Refinanzierungsinstitute der letzten Instanz vor den Risiken einer Massenflucht ihrer Geldgeber schützen.

Auftakt bei den Zweckgesellschaften

Nach dem Platzen der Blase kam es zu einer allgemeinen Flucht aus diesen Schattenbanken, da nicht klar war, welche Institute zahlungsfähig sind. Phase eins war der Kollaps der Zweckgesellschaften und Conduits, sobald Investoren klar geworden war, welch hochgiftige Anlagen da gehalten wurden.

Der nächste Schritt war die Flucht aus den US-Broker-Dealern: Erst verlor Bear Stearns binnen Tagen seine Liquidität. Die Fed half dann den systemisch wichtigen Broker-Dealern. Aber auch das konnte den Run gegen die anderen nicht verhindern, deren Solvenz infrage stand. Als Nächstes war Lehman fällig. Wäre Merrill Lynch nicht verkauft worden, hätte dem Haus dasselbe Schicksal gedroht. Dann verlagerte sich der Druck auf Morgan Stanley und Goldman Sachs.

Phase drei war der Zusammenbruch anderer hoch verschuldeter Institutionen, die aufgrund unbesonnener Kreditvergabe ohne liquide Mittel dastanden und wohl auch zahlungsunfähig waren - Fannie Mae, Freddie Mac, AIG und über 300 Hypothekengeber.

Der vierte Schritt war Panik an den Geldmärkten. Fonds konkurrierten aggressiv um Mittel. Um höhere Renditen zu erzielen und so mehr Anleger anzulocken, investierten einige in illiquide Anlagen. Als diese pleitegingen, brach Panik aus, und es kam zu einer Massenflucht aus diesen Fonds. Da diese katastrophale Folgen gehabt hätte, wich die Regierung radikal von der bisherigen Politik ab und gewährte ihnen Einlagensicherung.

In der nächsten Phase wird es einen Run gegen Tausende hoch verschuldeter Hedge-Fonds geben. Nach kurzer Sperrfrist können die Investoren hier ihre Einlagen quartalsweise abziehen. Hunderte kleinerer, jüngerer Fonds sind mit ihrer Verschuldung exzessive Risiken eingegangen, die schlechter geführten Fonds könnten kollabieren. Wahrscheinlich wird die aufgeblähte Branche in den nächsten zwei Jahren schrumpfen.

Selbst Private-Equity-Firmen mit ihren stark fremdfinanzierten Übernahmen werden nicht ungeschoren bleiben. Die Private-Equity-Blase führte zu Leveraged Buyouts (LBOs) im Wert von über 1000 Mrd. $, die nie hätten stattfinden dürfen. Da diese Kredite zum Teil besonders lockere Konditionen für den Fall von Zahlungsproblemen haben, wird der Run etwas gebremst; Schuldner können Zinszahlungen aufschieben und weitere Schulden anhäufen. Doch das verschiebt die Refinanzierungskrise nur und macht den späteren Bankrott umso hässlicher. Selbst sehr große LBOs wie GMAC und Chrysler sind mittlerweile gefährdet.

Rezession in allen Industrieländern

Der beschleunigte Run führt zum Zerfall des Schattenbankensystems. Werden die Einlagensicherung und die Refinanzierung der letzten Instanz auf noch mehr Mitglieder dieses Systems ausgedehnt, müssen sie wie Banken reguliert werden, um Moral Hazard zu vermeiden. Natürlich fordert die Krise Opfer auch unter traditionellen Banken - Hunderte sind insolvent und müssen schließen.

Realwirtschaftlich wird es eine schwere US-Rezession geben. Dominoeffekte, der starke Euro, sinkende US-Importe, das Platzen der Häuserblasen in Europa, teures Öl und die Politik der EZB-Falken werden eine Rezession in der Euro-Zone, Großbritannien und den meisten Industrieländern auslösen.

Europas Finanzinstitute sind bedroht durch hohe Verluste bei den toxischen Finanzprodukten, die sie in den USA gekauft haben; durch eine hohe Verschuldung; einen Liquiditätsengpass, der durch Dollar-Knappheit und die Kreditkrise verschärft wird; durch das Platzen der heimischen Immobilienblasen; durch Privat- und Firmeninsolvenzen im Zuge der Rezession; durch Verluste, die aufgrund laxer Regulierung versteckt wurden. Banken aus Schweden, Österreich und Italien haben sich im Baltikum, in Island und in Südeuropa engagiert, wo die fremdwährungsfinanzierten Immobilien- und Kreditblasen laut platzen werden.

Die Finanzkrise des Jahrhunderts wird auch Europas Institute nicht verschonen.
http://www.ftd.de/meinung/kommentare/:Gastkommentar-Nouriel-Roubini-Der-Tod-der-Schattenbanken/417156.html?p=2

chinaman - Freitag, 26. September 2008 - 13:12
Washington Mutuals Zusammenbruch verschärft die Krise – US-Rettungsplan in Fokus!


Die FDIC hat bekannt gemacht, dass JP Morgan Washington Mutuals Aktiva in einem Notverkauf
für 1,9 Mrd. USD übernommen hat. Washington Mutual brach gestern zusammen und wurde von
der Augsicht und FDIC Donnerstag geschlossen.
Der Notverkauf an JP Morgan an Stelle einer Insolvenz erspart der FDIC
(Einlagensicherungsfonds) für 143 Mrd. USD Einlagen einspringen zu müssen. Die Summe wäre
dreimal so hoch wie das Volumen des Fonds gewesen.
Die Situation spitzt sich in den USA weiter zu. Die Tatsache, dass eine Insolvenz von WaMu den
US-Einlagensicherungsfonds vor nachhaltige Probleme gestellt hätte, darf als Indiz der Qualität der
aktuellen Finanzkrise gewertet werden.
Mit der Übernahme durch JP Morgan tritt JP Morgan damit das zweite Mal nach Bear Stearns als
Retter in der Not auf. Mithin ist die Bank mit dem größten Derivatebuch der Welt in der Lage,
Rettungsaktionen wie von der Stange zu produzieren. Chapeau und gleichzeitig „Food for thought!“

Der US-Rettungsplan mit einem angedachten Volumen von 700 Mrd. USD ist noch nicht unter
Dach und Fach Die Diskussionen gehen hier weiter. Der Widerstand aus der republikanischen
Partei ist derzeit noch nicht gebrochen.
Es ist durchaus verständlich für aufrechte Demokraten, sich diesem Gesetz zu widersetzen. Die
Freizeichnung für die Rechtsfolgen aus diesem Programm zu Gunsten des US-Finanzministers und
der nachgeordneten Protagonisten in der Umsetzung kommt einem Ermächtigungsgesetz gleich, das für ein Volumen von circa 5% des US BIP rechtsstaatliche Verantwortung aushebelt.
Rechtsstaatlichkeit ist aber Grundlage der freiheitlichen Ordnung der Demokratie. Mithin würde hier
die Demokratie in den USA markant angegriffen.
Der Kongress (Repräsentantenhaus) hat gestern der US-Automobilindustrie vergünstigte Kredite in
einem Volumen von 25 Mrd. USD genehmigt. Senat und US-Präsident müssen noch zustimmen.
Offensichtlich genießen US-Automobilbauer öffentliche Gewährträgerhaftung in den USA. Wir sind
gespannt, welche Interpretationen uns das US-Wettbewerbsrecht bei den zu erwartenden Klagen
der internationalen Konkurrenz auftischen wird.
Die Aktionen seitens der US-Regierung liefern Steilvorlagen die USA in U.S.S.R. umzubenennen,
„United States Socialistic Republic“.
Diesbezüglich ist auch eine Einlassung von Hugo Chavez, Venezuelas Präsident, einer der
aktuellen Erzfeinde der USA, unterhaltsam:
„I nationalize strategic companies and get criticized, but when Bush does it, it is okay.“ (TV 21.
September)
Die globale Willfährigkeit, ordnungspolitische Sündenfälle von der Stange aus den USA zu
ignorieren, ist durchaus als erstaunlich zu bezeichnen. Wo sind die lauten US-Anwälte freier Märkte
nur geblieben, die in arroganter Manier „old Europe“ gestern noch in Grund und Boden redeten?
Offensichtlich ist in der „Neuen Zeit“ Opportunismus eine Tugend und keine Sünde. Oder wie
sagten die drei Hexen in dem Drama Macbeth von Shakespeare noch: „Foul is fair and fair is foul!“
Dazu passt auch die klassische Einlassung Adenauers: „Was interessiert mich mein Geschwätz
von gestern!“

prof - Freitag, 26. September 2008 - 13:32
Es scheint sich gerade im Wahlkampf die Meinung breit zu machen: "Warum die gierigen Banken stützen und nicht die kleinen Häuslebauer!" Ich vermute mal, dass man
- denen also auch noch eine Billion aus der Notenpresse spendieren muss
- oder eine Art Besserungsschein (Aktienoptionen) gibt, aber daran dürfte wohl niemand glauben!

Fakt ist: Der Wert ist weg, weil die Leute seit 2000 deutlich über ihre Verhältnisse gelebt haben. Man kann zwar Geld drucken, aber keine realen Werte ...
Prof

chinaman - Freitag, 26. September 2008 - 13:47
Wir erleben gerade wieder mal einen politischen Showkampf in Washington. Geht das Rettungspaket später mal in die Hose, kann der einzelne Senator zukünftig immer sagen: "Ich habe mich doch gewehrt". Trotzdem wird das Kasperltheater letztendlich den Vorschlag durchwinken ...

Gruß
Chinaman

chinaman - Sonntag, 28. September 2008 - 12:43
28. September 2008, 08:46 UhrBANKENRETTUNG


Kongress schafft Durchbruch im Milliarden-Poker


Hoffnungschimmer für die krisengeschüttelte Finanzbranche: Mitglieder von US-Kongress und Regierung haben die Nacht durchverhandelt - und sich dabei auf die Grundlinien für das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket geeinigt. Das Gesetz könnte verabschiedet werden, bevor die Börsen wieder öffnen.


Washington - Nancy Pelosi sprach von einem echten Durchbruch: Das Abkommen müsse lediglich noch schriftlich fixiert werden, erklärte die Präsidentin des Repräsentantenhauses am Sonntag früh. Auch Finanzminister Henry Paulson zeigte sich zuversichtlich. "Ich glaube, wir haben es geschafft", sagte er am Rande der Verhandlungen zu Journalisten. Vor Pelosi hatte bereits der Chef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, von Fortschritten bei den Verhandlungen berichtet. Diese dauerten auch am späten Abend (Ortszeit) weiter an.

Das Repräsentantenhaus könnte nun bereits am Sonntag über die Vorlage abstimmen, der Senat am Montag. Das Paket umfasst bis zu 700 Milliarden Dollar. Mit diesen Mitteln sollen Hypothekenpapiere der Banken aufgekauft werden, die nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes drastisch an Wert verloren haben.

Grundlage ist ein Plan, den US-Präsident George W. Bush vor einer Woche vorgelegt hat. Die Demokraten forderten jedoch stärkere parlamentarische Kontrollbefugnisse bei der Umsetzung des Pakets und gleichzeitige Hilfen für verschuldete Hausbesitzer. Sie setzten außerdem durch, dass die Zahlungen an Spitzenmanager der betroffenen Banken begrenzt werden. Bei konservativen Republikanern war die Idee, dass der Staat angeschlagene Banken mit Steuergeldern von zweifelhaften Krediten befreien könnte, zunächst auf massive Kritik gestoßen.

Wichtigste Änderung gegenüber der zuletzt verworfenen Regelung ist, dass die Mittel für den Aufkauf der Hypothekenpapiere nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise freigegeben werden sollen. Die erste Hälfte von 350 Milliarden Dollar soll zur Verfügung gestellt werden, sobald dies vom Präsidenten beantragt wird. Die weiteren Mittel sind von der Zustimmung des Kongresses abhängig. Dabei kann der Präsident allerdings sein Veto gegen Blockaden des Parlaments einlegen.

Die Republikaner setzten sie Option durch, dass der Staat die faulen Kredite nur versichert statt sie zu kaufen. Eine solche Regelung wäre kostengünstiger, der vertrauensbildende Effekt für die Finanzmärkte jedoch geringer. Der künftigen Regierung steht es später offensichtlich frei, ob sie von dieser Option Gebrauch macht. Auch wie das Problem der gerichtlichen Kontrolle gelöst wurde, blieb zunächst offen.


US-Präsident George W. Bush hatte noch am Samstag um das Verständnis der Bürger für die geplanten Finanzhilfen geworben. Er verstehe, dass viele Menschen irritiert seien, dass der Staat mit so viel Geld "für die Fehler der Wall Street bezahlen" wolle, sagte er in seiner wöchentlichen Radioansprache. "Wenn es möglich wäre, all die unverantwortlichen Firmen der Wall Street fallen zu lassen, ohne dass es Sie und ihre Familie trifft, würde ich es machen", sagte er. "Aber das ist nicht möglich." Ein Zusammenbruch des Finanzsystem würde finanzielle Auswirkungen auf viele Menschen haben und zu Pleiten und Entlassungen führen. "Das würde unsere Wirtschaft in eine tiefe und schmerzhafte Rezession führen", sagte der Präsident.

Die US-Börsenaufsicht (SEC) stellt unterdessen ihr Programm zur Aufsicht über Banken an der Wall Street ein. Die Finanzmarktkrise habe in den vergangenen Monaten gezeigt, dass eine freiwillige Regulierung als Grundlage des Kontrollprogramms nicht funktioniere, sagte SEC-Chef Christopher Cox am Freitag. Die SEC hatte die fünf größten Wall-Street-Banken - Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merrill Lynch, Morgan Stanley und Bear Stearns - überprüft. Das Programm sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, sagte Cox. Ursache für die Schwäche sei das Fehlen konkreter gesetzlicher Kompetenzen der SEC oder anderer Behörden, um als Regulator zu wirken.

Die Krise auf den US-Finanzmärkten hat bereits das Ende des reinen Investmentbankings eingeläutet. Lehman Brothers musste Insolvenz anmelden, Merrill Lynch flüchtete unter den Schirm der Bank of America. Die beiden letzten verbliebenen großen Branchenriesen, Goldman Sachs und Morgan Stanley, gaben vor einer Woche ihren Sonderstatus freiwillig ab und ließen sich von der US-Notenbank Fed zu herkömmlichen Bankenholdings ernennen.

mik/AP/Reuters/AFP/dpa

prof - Montag, 29. September 2008 - 07:37
Ja, das dürfte in Zukunft seeehr interessant bzw. turbulent werden. Wennschon china zu solch drastischen Maßnahmen (Streichung aller Limits) greift.

Abgesehen von einer kleinen Liquiditätshausse sollte sich dann einmal entscheiden ob wir Japan oder Simbabwe bekommen. Der Ausgang ist völlig unklar. Die Charts (Doppeltopp im S&P, falls wir unter 1200 bleiben) deuten eher in Richtung Japan - Prof

chinaman - Montag, 29. September 2008 - 08:02
Die Notenbanken dürften eher Simbabwe in Kauf nehmen, ohne dass Sie es offen sagen ...

Wo siehst Du denn im S&P 500 ein Doppeltop? Beim Dax ist es mir ja klar, aber im S&P 500 ???

Welches Kursziel läßt sich dann Deines Erachtens aus einem Doppel Top ableiten ?

prof - Montag, 29. September 2008 - 17:39
- Die S&P-Topps in 2000 und 2007 zu je 1550! Kursziel 1 ist 800 mit anschließender Entscheidung ob Vollendung (400) oder nicht!

- Der Aktienmarkt rauscht weiter runter. Damit hätte ich heute nun wirklich nicht gerechnet.

- Shit, es muss ein neues Rettungspaket her, Ben muss die nächste Billion locker machen aber wir haben gar kein Wochenende für die große Rettungsrunde. Vielleicht sollte man die lieber täglich machen ...
;-) Prof

blindeshuhn - Montag, 29. September 2008 - 23:26
war das nun der meltdown heute, S&P -8%? ich warte irgendwie auf eine gute gelegenheit zum einstieg in dividendenstarke titel, die ich dann lange (abgeltungssteuerfrei) halten kann. die frage ist, ob wir jetzt endlich mal boden sehen. den dax finde ich eigentlich völlig überverkauft - ausser wir kriegen wirklich eine riesen wirtschaftskrise (was ich aber nicht glaube, denn es gibt noch jede menge liquidität, gerade in den schwellenländern - die wird nur gerade gehortet). nur der amerikanische markt hat glaube ich noch korrekturbedarf nach unten. spekulativ könnten jetzt auch ausgebombte finanztitel interessant werden - vater staat springt ja am ende doch ein. hat jemand gute ideen, wie man aus dem mist hier kapital schlagen kann?

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: US-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 29. September 2008