Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Gesetzliche Rentenversicherung: Archivierte Beiträge bis 15. März 2008
prof - Donnerstag, 20. Oktober 2005 - 17:48
Was Frau Merkel uns heute verkündet, wissen die gebeutelten Einzahler in die GRV schon lange: Der junge bzw. "mittelalterliche" Beitragszahler darf zwar einzahlen, aber er bekommt nominell kaum höhere Nominalbezüge als die heutigen Pensionäre. Den Rest erledigt die Inflation. Wohl dem, der sich diesem Zwangssystem entziehen kann ...
Prof

chinaman - Freitag, 21. Oktober 2005 - 08:16
"aber er bekommt nominell kaum höhere Nominalbezüge als die heutigen Pensionäre."

Das dürfte wohl noch die "best-case"-Variante sein ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 18. Januar 2006 - 11:10
SPIEGEL ONLINE - 17. Januar 2006, 22:41

URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,395785,00.html


Rente

Zehn mal null bleibt null

Von Karsten Stumm

Deutschlands Pensionären stehen Nullrunden bis in das nächste Jahrzehnt bevor. Wirtschaftsentwicklung und die Vergreisung der Gesellschaft lassen dem Gesetzgeber keine Wahl. Besonders betroffen von den Änderungen sind allerdings die Ruheständler von morgen.

Hamburg - Jetzt wird's bitter: Länger arbeiten und dafür weniger Geld im Alter. Die neue Bundesregierung beendet die Schonzeit der Deutschen. "In der jetzigen Situation, in der die Löhne kaum steigen, die Arbeitslosigkeit hoch ist und es immer weniger beitragspflichtige Jobs gibt, besteht für steigende Renten kein Spielraum", sagt CDU-Sozialexperte und parlamentarischer Staatssekretär Andreas Storm gegenüber manager-magazin.de.

Zur Jahreswende musste der Bund den Rentenversicherungsträgern bereits das erste Mal kurzzeitig beistehen, damit die Pensionszahlungen pünktlich und in voller Höhe auf den Konten der Rentner ankamen. Storm sieht deshalb keine Alternative zu dem vorläufigen Schlussstrich unter mehr als 40 Jahre lang steigende Renten.

Denn auch in ihrer Höhe muss sich die wirtschaftliche Leistungskraft der Bundesrepublik Deutschland widerspiegeln, und um die steht es nicht allzu gut. Zwar werden Deutschlands Unternehmen in diesem Jahr wohl so viel verdienen wie lange nicht mehr; die Wirtschaftsforscher des Ifo-Instituts beispielsweise erwarten für 2006 "ein Wirtschaftswachstum zwischen 1,5 und 2 Prozent", sagte Gebhard Flaig, Leiter der Ifo-Konjunkturabteilung. Doch im Schnitt der vergangenen Jahre war so viel nie zu holen, und deshalb stagnieren die Einkommen der Bundesbürger.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kam für die Deutschen bereits im Jahr 2003 der große Knick. Mit einem Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 32.100 Euro pro Jahr hatten die Privathaushalte in der Bundesrepublik erstmals nicht mehr Geld zur Verfügung als im Vorjahr. Danach sind die Einkommen real sogar leicht gesunken. "Die Entwicklung muss sich auch nicht ändern", schreibt der Wissenschaftler Meinhard Miegel vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) in Bonn in seinem neuesten Buch.

"Andere Völker sind dabei, den Vorsprung des Westens aus dem vergangenen Jahrhundert aufzuholen. Sie werden schneller, während der Westen langsamer wird. Das ist keine Untergangsvision, sondern die Aufforderung, sich bestimmter Veränderungen bewusst zu werden". Und die sind auch für die Rentner schlecht.

Zu wenig Kinder, zu viel Konkurrenz

Ihr Einkommen kann nur steigen, wenn auch die Bruttolöhne und Gehälter der jungen Deutschen einigermaßen proper zulegen. Aber das tun sie nicht mehr, seitdem die Bundesbürger die Konkurrenten um Arbeitsplätze aus anderen Nationen spüren. Zudem sorgt ein Nachhaltigkeitsfaktor dafür, dass auch die hohe Arbeitslosigkeit und damit die geringe Zahl an Erwerbstätigen mit in die Einkommensrechnung einbezogen werden. Beides zusammen lässt offenbar keinen Spielraum für höhere Überweisungen an die Alten der Republik.

Darüber hinaus kommt auf die Rentenkasse auch noch eine riesige Welle neuer Rentner hinzu. Spätestens im Jahr 2016 gehen die ersten Babyboomer in Pension, Frauen und Männer im Alter von heute 35 bis 55 Jahren. Doch dann wird Deutschland nicht genügend junge Menschen haben, die mit ihrem Einkommen die gigantischen Rentenbeträge erwirtschaften können. "Schon bis heute haben viele Millionen Versicherte Ansprüche im Gesamtwert von ungefähr 4000 Milliarden Euro gegen die Rentenkasse erworben", schätzt IWG-Forscher Miegel.

Damit aber drohen den Rentenkassen sowohl steigende Ausgaben als auch sinkende Einnahmen - und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. "Wir werden deshalb für lange, lange Zeit viele, viele Nullrunden haben", sagte der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen dann auch der "Rheinischen Post" in Düsseldorf. "Und wenn es einmal Erhöhungen geben sollte, dann steigt die Rente höchstens wahrscheinlich nur um 1 Prozent." Das aber würde wohl nicht einmal die jährliche Geldentwertung ausgleichen.

Für die geringen Rentensteigerungen sorgt allerdings nicht nur die deutsche Wirtschaftslage, sondern auch die neue Bundesregierung. Sie will in den kommenden Monaten den so genannten Nachholfaktor verabschieden, der höhere Renten wohl über Jahre hinaus unmöglich macht. Denn mit diesem Instrument begrenzt die schwarz-rote Koalition ein altes Privileg der Rentner: Ihr Einkommen darf zumindest nominal nie sinken, egal wie schlecht es dem Land geht.

Der "Nachholfaktor" sieht nun vor, dass die Pensionäre in Zeiten guter wirtschaftlicher Entwicklung auf steigende Renten verzichten müssen. Als Ausgleich dafür, dass sie in schlechten Zeiten keine Einbußen hinnehmen mussten, die rechnerisch notwendig gewesen wären.

"Dieser Nachholfaktor darf nicht Gesetz werden, denn dann wird es möglicherweise bis zum Sankt Nimmerleinstag keine Rentenerhöhung mehr geben", kommentiert Walter Hirrlinger, Präsident des Sozialverbandes VDK, gegenüber manager-magazin.de das Vorhaben. "Sollte der Nachholfaktor dennoch verabschiedet werden, wird die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner weiter schwinden und das bei einer faktischen durchschnittlichen Rente von schon heute nur noch 643 Euro im Monat."

Arbeiten bis 67 - mindestens

Finanzwissenschaftler Raffelhüschen verteidigte das. "Am meisten haben darunter gar nicht die aktuellen Rentner zu leiden, sondern die Generation der heute 30- bis 50-Jährigen." Denn die Babyboomer von einst werden sich nahezu mit dem heutigen Rentenniveau begnügen, wenn sie in einigen Jahren selbst in Pension gehen. Nur die Preise für Auto, Benzin, Lebensmittel und Miete werden dann um ein Vielfaches höher sein als heute. "Die Babyboomer haben die Misere aber auch mit verursacht, weil sie - bezogen auf das deutsche Rentenversicherungssystem - zu wenige Kinder in die Welt gesetzt haben", ergänzt Raffelhüschen.

"Es gibt in dieser Frage in der Tat keinen Gegensatz zwischen Jung und Alt", erwidert der Sozialverband VDK gegenüber manager-magazin.de. "Denn die diskutierten Kürzungen für Deutschlands Rentnerinnen und Rentner schlagen auf die jüngere Generation von heute durch. Und die müssten im noch erheblicheren Umfang privat fürs Alter vorsorgen als derzeit schon nötig, sollte das Vorhaben umgesetzt werden."

Es gibt allerdings noch einen Unterschied zwischen den jungen und alten Deutschen. Die heute 35- bis 55-Jährigen werden erheblich später in Rente gehen dürfen als die Generationen vor ihnen. Noch im Jahr 2004 verabschiedeten sich die Deutschen im Schnitt schon mit 63,3 Jahren in die Pension, obwohl das gesetzliche Rentenalter erst mit 65 Jahren erreicht wird, ermittelte jetzt die deutsche Rentenversicherung. Das Privileg werden die jüngeren Deutschen nicht mehr genießen können.

"Ich bin sicher, dass schon in dieser Wahlperiode etwas in Richtung Rente mit 67 passiert", sagt etwa der Finanzwissenschaftler Raffelhüschen. "Im Renten-Nachhaltigkeitsgesetz ist festgeschrieben, dass sich spätestens 2008 eine neue Kommission mit der Lebensarbeitszeitfrage befassen muss."

Was dabei herauskommen wird, steht offenbar schon im Detail fest. Von 2012 an soll das Rentenalter Jahr für Jahr um einen Monat steigen - bis auf 67 im Jahr 2036, sofern sie nicht wenigstens 40 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben.

Die jüngeren Bundesbürger sind allerdings nicht die einzigen Europäer, die ihr Pensionsalter neu planen müssen. Die Dänen diskutieren derzeit, ob sie künftig nicht besser erst mit 69 Jahren in Rente gehen sollen.

isabellaflora - Mittwoch, 18. Januar 2006 - 13:46
Die Fakts sind bereits seid längerem bekannt und werden halt jetzt in Form gegossen. Auch haben die hiesigen Argumente einen langen Bart. So hält sich hartnäckig der Satz, dass ein Teil der Miesere aufgrund zu weniger Geburten zu erklären ist. Dabei blenden die Jungs immer wieder die hohe und bereits lang andauernde (Jugend-)Arbeitslosigkeit aus. Auch guckt keiner in die Geschichte. Ein Rentner zu Bismarcks Zeiten oder bis in die 50izger Jahre des vorigen Jahrhunderts bekam gerade mal das, was er zum leben brauchte, trotz hoher Geburtenraten. Nein, das Deutsche Rentnerwesen, von den 70iger bis heute ist und bleibt einmalig, weltweit. Was bleibt ? Erstens, wer Single ist kann zusehen, dass er privat fürs Alter beiseite legt. Zweitens, Wer Kinder hat und für diese bis über 20 locker löhnen muss, ja sogar noch dann, wenn diese arbeitslos sind oder werden, kann nur hoffen, dass die Familienbande in alter Tradition wieder auflebt.
Das Rentensystem an sich ist aus der Steuer zu finanzieren, weil es eh nur noch Sozialsatz ist.

Gruß isabellaflora

chinaman - Mittwoch, 18. Januar 2006 - 17:12
"Das Rentensystem an sich ist aus der Steuer zu finanzieren"

Aha. Wer zahlt diese Steuern ? Wird der Finanzbedarf hierfür umverteilt oder werden die Steuern weiter erhöht ? Wo ist die Schmerzgrenze für Steuersätze ?

Mehr Fragen als Antworten ...


Gruß
Chinaman

isabellaflora - Donnerstag, 19. Januar 2006 - 09:10
@chinaman

Fakt ist doch, dass das Rentenalter auf 67 erhöht wird - womit immer mehr vom Rentenpott ausgeschlossen werden sollen. Man zahlt also Rentenbeitrag, den viele nie wieder sehen (= Steuer). Fakt Nummer zwo. Der Bund bezuschusst bereits heute die Rentenkasse mit Geldern - na, wo kommen die wohl her ?

Nun aber zu Deiner Frage. Ich würde es mir im Rahmen eines Zeitkorridors gerne so wünschen : Ich zahle gar keinen Rentenbeitrag mehr, Schluss aus basta, so wie es die Beamten und Selbstständigen schon immer nicht getan haben. Zahle dafür mehr Steuern, die allerdings nicht vom Arbeitnehmereinkommen abhängen, sondern eben feinjustiert von der Produktionskraft der Volkswirtschaft (z.B. über die MwSt). Letztendlich bleibt ein Überschussbetrag, den ich selbst für die Altersvorsorge anlege. Dann gibt es ein Grundbetrag der sozialen Absicherung, so a la Hartz IV, egal ob, wie und wann ich gearbeitet habe. Will ich mehr Wohlstand während meines Lebens so muss ich mir den erarbeiten. Klingt dieser Wunsch so brutal ? Ich glaube nein - der Staat hat sich allerdings auf die Förderung der Arbeitsmarktsituation zu konzentrieren. D.h. man muss endlich begreifen, dass Deutschland nur mit einem hohen Bildungsstand das BIP halten und erhöhen wird. Das kann nicht nur Privatsache respektive für Vermögende sein.

Ähnliches gilt für die Demographische Entwicklung.
Wenn die Leute Chance auf Arbeit haben, haben sie keine Zukunftsangst und gründen eine Familie.

Die großen Volkswirtschaften USA, Indien, China etc. praktizieren es nach m.W. genau nach diesem Muster und fahren ja nicht total schlecht damit ...

Soviel zum heutigen online-Stammtisch ;-)

Gruß isabellaflora

chinaman - Donnerstag, 19. Januar 2006 - 15:50
"Klingt dieser Wunsch so brutal ?"

Zumindest für mich eigentlich nicht. Die Wirklichkeit wird mindestens so brutal werden ...

Allerdings bleiben in unserem online-Stammtisch noch x Fragen offen. Von wirklichen Lösungen sind wir noch meilenweit entfernt ...

Das Grundproblem liegt doch einfach darin, wie können wir überhaupt eine bezahlbare und halbwegs ausreichende Altersvorsorge noch sicherstellen ? Vor allem aber: Wie verteilen wir die Lasten ? Wie verteilen wir vor allem die Lasten so, dass sich nicht jeder sagt: "Dann lebe ich doch gleich von Hartz IV, wenn mir von der eigenen Arbeit kaum noch etwas bleibt ...

Wir haben heute ein Steuersystem mit 42 % Grenzsteuersatz zuzüglich Kirchensteuer zuzüglich Soli für unsere Brüder und Schwestern im Osten. Sagen wir der Einfachkeithalber ca. 50 % Grenzsteuersatz. Dieser Teil der Steuerbelastung ist unwiederbringlich verloren.

Zusätzlich belasten wir (bis zur Freibetragsgrenze) die Arbeitseinkommen noch mit Sozialversicherungsbeiträgen. Bspw. für die Rentenversicherung knapp 20 %. Hier zahlen die Leute mit höheren Einkommen auch mehr ein, haben aber auf dem Papier das Versprechen, später auch mehr rauszubekommen ... Die Rentenbeiträge sind aber prozentual linear, die "Umverteilung" wird heute über das Steuersystem bewerkstelligt.

Die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung sind m.E. kein Geschenk. Sie sind der Ausgleich für jede Menge versicherungsfremde Leistungen. Bspw. hat unsere Regierung im Handstreich nach der Vereinigung Mio. neue "Berechtigte" aus dem Ostteil unserer Republik definiert, die nie nur einen Cent in das System eingezahlt hatten ...

Fakt erscheint mir nun zu sein, die Belastungsschraube ist sowohl an der Steuer- als auch an der Abgabenfront schon ziemlich angezogen worden. Trotzdem fehlt es überall an Geld.

Man kann sich nun vielleicht darüber streiten, welchen Mix von Steuern und Abgaben man präferiert, aber es wird so oder so keine einfachen Lösungen geben ...


Gruß
Chinaman

isabellaflora - Freitag, 20. Januar 2006 - 12:50
chinaman Du hast mein Stammtisch-Gequassel etwas besser konkretisiert ;-)

Der Nachteil ist, dass eben für den einzelnen zu wenig am Ende des Monats übrigbleibt, um die Rentenlücke zu schließen. Hätte man dieses wäre die Generation der 30 bis 40 Jährigen und der jüngeren insofern gar nicht so sehr zu bedauern, weil ihnen bereits frühzeitig gesagt wurde, dass sie auf ihre Altersarmut zusteuern. Somit wäre eine langfristige Altersvorsorge ja möglich, tja, wenn halt die anderen Rahmenbedingungen stimmten. Chinaman hat es aber noch einmal klar gemacht. Sobald privates Geld noch übrig ist wird dieses sofort wieder durch den Staat absorbiert, damit jeglicher Ansatz der Eigenverantwortung konterkariert wird.

Ich habe einen Kumpel der lebt ganz bewußt danach. Der hat seine VBL sich auszahlen lassen (doch, doch das geht) und ist dafür nach Australien gefahren. Da er weiß, dass er in seinem Leben nie viel Geld verdienen wird, weil es ihm die Rahmenbedingungen verbieten, verläßt er sich bereits auf Rentnersozialsatz. Die VBL kann ihm jedenfalls keiner mehr anrechnen, so sein Kalkül ...

Gruß isabellaflora

prof - Freitag, 20. Januar 2006 - 13:19
Das Kalkül mit der MindestSozialRente ist im Osten der Normalfall.
Mehr wird es auch dann nicht, wenn man im Monat 100 € spart, die dann auf die MSR (Tolle Abkürzung und "Wort des Jahres 2034") angerechnet werden.
Prof

chinaman - Montag, 31. Juli 2006 - 12:31
Handelsblatt Nr. 144 vom 28.07.06 Seite 8


RENTE

Verbranntes Geld

Und sie rentiert sich doch! Trotzig rechnet die Deutsche Rentenversicherung vor, dass die Versicherten auch in Zukunft noch positive Renditen für ihre Beiträge erwarten dürfen - trotz dutzendfacher Rentenkürzungen und Beitragserhöhungen der letzten vergangenen Jahre.

Für diese Rechenspiele bedarf es sehr heroischer Annahmen: Die Einzahlungen werden nur zu 80 Prozent berücksichtigt, da damit etwa auch die Erwerbsunfähigkeit abgesichert sei. Unberücksichtigt bleibt, dass wegen der demographischen Entwicklungen weitere Leistungskürzungen unvermeidlich sein werden. Mit Ach und Krach wird so eine Verzinsung der eingezahlten Beiträge von drei Prozent zusammengekehrt - und die Rentenversicherung ist doch kein "Verlustgeschäft".

Aber dabei kommt es entscheidend auf den Vergleichsmaßstab an, und das kann nicht die Null-Rendite sein. Vergleiche mit Rentenpapieren und Aktien zeigen: Auch biedere Formen der Kapitalanlage erzielen eine Rendite von mindestens sechs Prozent.

Das gilt auch für ungünstige Zeitkonstellationen, in denen beispielsweise der Börsencrash von 2002 voll durchschlägt, und wenn die Erholungsphase seither ausgeblendet wird. Realistischerweise lassen die Kapitalmärkte eine Verzinsung erwarten, die zwei- bis dreimal höher liegt als die der Rentenversicherung. Für die heute Erwerbstätigen ist die gesetzliche Rente damit eine gigantische Wohlstandsvernichtungsmaschine. Die bittere Wahrheit ist: Im Augenblick erlebt Deutschland einen Ausverkauf seiner Unternehmen und Immobilien an internationale Pensionsfonds. Die werden mit der hohen, in Deutschland erzielbaren Kapitalrendite ihre Anleger im Alter verwöhnen. Den Deutschen fehlt dafür das Geld. Es wird gerade in der Rentenversicherung verbrannt.

tichy@handelsblatt.com

Tichy, Roland



28. Juli 2006

chinaman - Freitag, 17. November 2006 - 10:12
Handelsblatt Nr. 222 vom 16.11.06 Seite 5


Regierung kassiert Rentenprognose

Beitragssatz klettert schon 2020 auf 20 Prozent - Verluste im Osten zehren Rücklagen auf

KARL DOEMENS | BERLIN Die geplante Rentenreform muss möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode verschärft werden. Aufgrund aktueller Schätzer-Zahlen hat die Bundesregierung nach Handelsblatt-Informationen nämlich ihre mittelfristige Beitragsprognose heraufsetzen müssen. Für 2020 erwartet sie nun exakt 20 Prozent. In dem Referentenentwurf zur "Rente mit 67" vom 1. November waren noch 19,9 Prozent prognostiziert worden. Sollte der Satz über 20 Prozent steigen, ist die Regierung per Gesetz zu weiteren Einschnitten verpflichtet.

Im Rentenversicherungsbericht, dessen Endfassung dem Handelsblatt vorliegt, berechnet die Bundesregierung die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Alterskassen in den nächsten 14 Jahren voraus. Das Zahlentableau, das am 29. November ins Kabinett kommt, ist gegenüber dem Entwurf (siehe Handelsblatt vom 10. November) aufgrund der aktuellen Steuerschätzung modifiziert worden. Es sieht weiter vor, dass der Beitrag 2007 von 19,5 auf 19,9 Prozent steigt und sechs Jahre stabil bleibt. Weil sich derzeitig die konjunkturelle Entwicklung günstiger darstellt als erwartet, kann er dann von 2014 bis 2018 auf 19,2 Prozent fallen. Bislang waren 19,3 Prozent erwartet worden. Die erfreuliche Entwicklung hat jedoch eine Kehrseite: Durch den niedrigeren Beitrag können die Alterskassen kein so üppiges Polster aufbauen. Deshalb muss 2020 der Beitrag in der mittleren Prognose auf 20 Prozent angehoben werden. Bei einer etwas schwächeren Lohnentwicklung sagen die Experten gar 20,3 Prozent voraus.

Ursache der Engpässe zum Ende des nächsten Jahrzehnts ist neben der allgemeinen demographischen Entwicklung vor allem die befürchtete schwache Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland. Während der Saldo von Einnahmen und Ausgaben der Rentenkassen in den nächsten Jahren im Westen der Republik durchweg positiv ist, schreibt die Versicherung in den neuen Bundesländern permanent rote Zahlen. Das jährliche Defizit dort wächst von 9,9 Mrd. Euro in diesem Jahr bis 2020 auf 16 Mrd. Euro. Ab 2015 reichen die Überschüsse im Westen nicht mehr, um die Ost-Verluste zu decken. Zunächst schmelzen dann die Reserven ab, dann muss der Beitrag kräftig heraufgesetzt werden.

Bei seinen Berechnungen unterstellt das Sozialministerium, dass die gesamtdeutsche Beschäftigung bis 2020 um 0,8 Prozent zunimmt und die Löhne ab 2010 im Schnitt um jährlich 2,5 Prozent wachsen. Außerdem ist eine jährliche Nettozuwanderung von insgesamt 200 000 Personen unterstellt. Wenn sich diese Parameter verändern, hat dies Auswirkungen auf den Beitragssatz. Im günstigsten Fall sehen ihn die Beamten 2020 bei 19,6 Prozent und in der pessimistischsten Prognose bei 20,7 Prozent.

Sollte der Satz 2020 über 20 Prozent steigen, muss die Regierung eingreifen. Das Gesetz verlangt, dass sie dem Bundestag "geeignete Maßnahmen" vorschlägt. Denkbar wäre etwa, dass dann auf die kostspieligen Ausnahmen von der "Rente mit 67" verzichtet wird. Dies würde den Beitragssatz um 0,2 Punkte entlasten.

Die neuen Berechnungen zeigen, dass durch die vergangenen Rentenreformen und die geplante Anhebung der Regelaltersgrenzen das Rentenniveau in den kommenden Jahren deutlich zurückgeht (siehe: "Das Niveau sinkt"). Der Bundeszuschuss zu den gesetzlichen Alterskassen wird nach den Prognosen von derzeit 54,9 Mrd. Euro bis 2020 auf 73,1 Mrd. Euro wachsen.

Doemens, Karl



16. November 2006

prof - Freitag, 17. November 2006 - 11:14
Die tun ja gerade so, als könnten sie den Beitragssatz in 2020 auf das Zehntel genau voraussagen!
Prof

chinaman - Freitag, 17. November 2006 - 12:46
Voraussagen schon ... Nur wie es dann kommt ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Dienstag, 21. November 2006 - 15:19
Handelsblatt Nr. 225 vom 21.11.06 Seite 4


Rente mit 67: Ausnahmeregel benachteiligt Akademiker

Studie der Alterskassen weist "kaum gerechte" Verteilungswirkung der Reform nach

KARL DOEMENS | BERLIN Die in Expertenkreisen weit verbreitete Kritik an der geplanten Ausnahmeregelung für langjährig Versicherte von der Rente mit 67 erhält durch eine Studie neuen Auftrieb. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat mit konkreten Zahlen erstmals untersucht, wer von der Anhebung des Rentenalters verschont bliebe: Profitieren würden vor allem gut verdienende Männer ohne Studium. Hingegen haben körperlich schwer belastete Arbeiter, Akademiker und ganz generell Frauen kaum Chancen, die Voraussetzungen für die Sonderregelung zu erreichen. Die Rentenkassen ziehen ein vernichtendes Fazit: Die Ausnahmen seien "kaum" als "gerecht anzusehen".

Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD geeinigt, dass Arbeitnehmer mit mindestens 45 Beitragsjahren von der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre ausgenommen werden sollen. Entsprechend ist im Referentenentwurf des Gesetzes vorgesehen, dass dieser Kreis weiter ohne Abschläge mit 65 Jahren in Ruhestand gehen darf. Der Sachverständigenrat, der Sozialbeirat, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften haben die Regelung kritisiert, da sie dem Grundsatz der Beitragsäquivalenz widerspricht und den Einspareffekt der Rente mit 67 um ein Drittel mindert. Bislang jedoch hält die Bundesregierung an ihren Plänen fest.

Die von DRV-Chefstatistiker Edgar Kruse verfasste umfangreiche Untersuchung, die dem Handelsblatt vorliegt, dokumentiert nun die konkreten Auswirkungen der Regelung. Nach den Berechnungen werden selbst bei großzügiger Anrechnung von Kindererziehungszeiten nur 10,7 Prozent der Frauen die erforderlichen 45 Beitragsjahre aufweisen können. Bei Männern liegt der Anteil hingegen bei 29,8 Prozent. Der Anteil der begünstigten Männern wäre in jedem Fall "um ein Vielfaches höher", resümiert die Studie.

Auffällig ist zudem, dass die staatlich privilegierten Frührentner höhere Ansprüche haben als der Durchschnitt. Während "normale" Altersrentner nach der Modellrechnung auf 32 Entgeltpunkte kommen, haben die langjährigen Beitragszahler 54 Punkte angesammelt. Dies bedeutet eine um 570 Euro höhere monatliche Rente. Die Ausnahmeregelung begünstige also diejenigen, die ohnehin gut abgesichert seien und stelle eine "Umverteilung von unten nach oben" da, kritisieren die Rentenkassen.

Zur besonderen Ironie gehört, dass nicht nur Akademiker wegen der Studienzeiten generell bis 67 arbeiten müssen. Auch "diejenigen Versicherten, die in besonders belasteten Berufen arbeiten", haben laut Studie aufgrund ihres Risikos einer Erwerbsminderung "keine Chancen", in den Genuss der Ausnahme zu kommen. Damit würden unter anderem auch jene Dachdecker diskriminiert, für deren Schutz sich SPD-Chef Kurt Beck stark eingesetzt hatte.

Das Kabinett wird sich nächste Woche mit der Rente mit 67 beschäftigen. Änderungen gelten bis dahin als ausgeschlossen. Eine gewisse Chance, die 45er-Regel im anschließenden parlamentarischen Verfahren zu kippen, könnte bestehen, falls sich der Sozialbeirat auf einen Alternativvorschlag einigt. Bislang haben die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aber nicht zu einer gemeinsamen Position gefunden.

Doemens, Karl



21. November 2006

prof - Freitag, 11. Januar 2008 - 15:39
Erstaunlich, welche Wahrheiten das gebührenfinanzierte TV hier aussprechen darf

Riester-Rente könnte Minusgeschäft für Millionen Sparer werden

Jahrzehntelang sollen die Bürger für ihre Riester-Rente sparen - und trotzdem könnten sie am Ende leer ausgehen. Laut einem ARD-Bericht wird sich die Riester-Förderung für Millionen Menschen "in Luft auflösen". Schuld soll eine weithin unbekannte Regelung sein. Die Regierung dementiert.

Köln - Millionen zukünftige Rentner laufen nach einem Bericht des ARD-Magazins "Monitor" Gefahr, trotz Riester-Rente im Alter keinen Euro zusätzlich in der Tasche zu haben. Das berichtete das Fernsehmagazin vorab unter Berufung auf interne Zahlen der Deutschen Rentenversicherung.

Rentner (in Dresden): Anrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung
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DDP

Rentner (in Dresden): Anrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung

"Monitor" zitiert den Renten-Experten und langjährigen Regierungsberater Winfried Schmähl: Demnach müssen "Millionen" damit rechnen, "dass sich ihre Riester-Förderung gewissermaßen in Luft auflöst". Schuld sei das seit Jahren sinkende Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung und eine gesetzliche Regelung, die bislang selbst Experten kaum bekannt sei: die Anrechnung der Riester-Ersparnis auf die Grundsicherung.

Davon betroffen sei jeder, der im Alter so wenig habe, dass er auf Sozialhilfe angewiesen sei. Denn in die Berechnung des Grundsicherungsanspruchs fließe auch die private Riester-Vorsorge ein, berichtet das Magazin. Die staatliche Unterstützung werde dann genau um den Betrag der angesparten Riester-Rente gekürzt.

Nach Angaben von "Monitor" geht aus internen Berechnungen der Rentenversicherung hervor, dass selbst ein Durchschnittsverdiener, der 32 Jahre in die Rentenkasse einzahlt, im Jahr 2030 voraussichtlich keinen Nutzen von Riester haben werde.

Das Arbeitsministerium weist den Bericht zurück

Die Deutsche Rentenversicherung bezeichnete diese Aussagen in einer ersten Stellungnahme als irreführend. Bei den zitierten Zahlen werde nur auf das Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgestellt. Doch bloß 65 Prozent des Brutto-Einkommens der Menschen über 65 Jahre kämen daher. Anderes Einkommen bleibe bei den Berechnungen außen vor.

Die staatlich geförderte Riester-Rente ermögliche es gerade Personengruppen, die sonst keine private Altersvorsorge abschließen könnten, sich mit geringen Eigenbeiträgen ab fünf Euro im Monat eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen, teilte die Rentenversicherung mit. Gerade für Geringverdiener lägen die Förderquoten bei bis zu 90 Prozent.

Auch das Bundesarbeitsministerium wies den Bericht zurück. Die "Monitor"-Behauptungen basierten auf einer völligen Verzerrung der Situation. "Sie sind unseriös und werden wider besseres Wissen aufgestellt", sagte ein Ministeriumssprecher.

Der Wirtschaftsweise Bert Rürup fordert laut "Monitor" eine Änderung der Gesetzeslage. Wer für die Riester-Rente einzahle, müsse das Geld später tatsächlich zusätzlich in der Tasche haben.

schlobald - Freitag, 11. Januar 2008 - 16:38
Hab die Sendung gesehen - da wundert man sich über gar nichts mehr. Vor allem der Einwand der Deutschen Rentenversicherung bezüglich weiterer Einkommen im Alter (also z.B. Miet- und Zinserträge) trifft auf die angesprochene Gruppe von Riestersparern -nämlich Geringverdienern- wohl kaum zu. Und das Bundesarbeitsministerien ist offensichtlich auch nicht in der Lage (oder verständlicherweise nicht willens) argumentativ auf den Sachverhalt einzugehen.

prof - Samstag, 15. März 2008 - 00:54
Aussetzung des Rentenanpassungsfaktors: Weil die Renten den Sozialdemokraten von CDU und SPD zu wenig steigen, wird nun einfach mal die Rentenanpassungsformel geändert. Wenn sich doch die Altersstruktur der Bevölkerung nur auch so leicht ändern ließe.

Blanker Populismus, der an der Wahlurne nicht einmal etwas bringen dürfte, die Folge:
- weitere Erhöhung des Beitragssatzes am Ende des Konjunkturzylkus
- "Ausquetschen" der mittleren Generation, die noch weniger Lust verspüren dürfte, Kinder in die Welt zu setzen, aber ohne Kinder keine Rente ...

Fazit: Die Politik der kleinen Schritte ist wieder in vollem Gange, nur führen diese zum Abgrund.
:-( Prof

chinaman - Samstag, 15. März 2008 - 03:55
Ein paar nicht ganz so schlechte Jahre und schon feiert der Populismus der "Volksparteien" wieder eine Renaissance. Dieses Verhalten der Politiker ist der geistige Background für die nächsten Währungsreformen bzw. Staatsbankrotte.


Gruß
Chinaman

prof - Samstag, 15. März 2008 - 10:22
Gerechterweise muss man aber (wenigstens einmal) feststellen, dass sich die Deutschen ja eben diese Regierung gewählt haben. Prof Kirchhoff dagegen durfte gar nicht erst als Finanzminister kandidieren, ein "Aufschrei" ging da durchs Land. Die Mehrheit liebt Versprechungen und glaubt an sie.
Fakt ist: Die Bevölkerungspyramide lässt sich nicht wegdiskutieren und das Geld fehlt hinten und vorn. Man könnte es auch anders ausdrücken: Das Volk degeneriert oder "Eine Art, die ihre Brut vernachlässigt, ist dem Untergang geweiht!". Ein Arbeitnehmer ernährt 1,x Konsumenten. Ein Wohlstandsverlust, zumindest im Vergleich zu Asien, Russland wird die unabdingbare Folge sein. Ja, da sitzen wir im Billighotel in der Türkei eben plötzlich mit Russen am Tisch, ob wir wollen oder nicht! Ich persönlich mag das sogar, da ich auch gern Knoblauch esse, hübsche, junge Frauen am Tisch habe, meine Russischkenntnisse auffrische und auch mal einen Wodka auf die Freundschaft trinke ...

In der aktuellen verfahrenen Situation würden nur gewaltige Opfer von allen Bevölkerungsschichten etwas bringen, das möchte natürlich niemand. Die Opfer werden trotzdem kommen, aber eben etwas später und noch etwas stärker! Nein, der Deutsche des 21. Jahrhundert träumt weiter vom Wirschaftswunder und der Politiker ist gezwungen ihn seinen Traum weiter träumen zu lassen. Man muss nur genug Wahlversprechen machen, dann klappt das schon!
Prof

isabellaflora - Samstag, 15. März 2008 - 11:14
Hallo prof,

ich denke eher, da geht eine Verunsicherung durch das deutsche Volk, die seit den 50iger nicht mehr da gewesen ist. Fast 50% gehen überhaupt nicht mehr wählen .... Da fehlen zum Teil nur 1000 bis 2000 Stimmen, um die Waage in die eine oder andere Richtung ausschlagen zu lassen. Die Parteienlandschaft splittert auf und wir bekommen zunehmend italienische Verhältnisse, weil der Deutsche sich keiner Mainstream mehr beugen möchte (natürlich bis auf die Nichtwähler ...). Nein, prof, so einfach können wir uns das mit der politischen Meinung leider nicht machen.

Gruß isabellaflora

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Gesetzliche Rentenversicherung: Archivierte Beiträge bis 15. März 2008