Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Gesetzliche Krankenversicherung: Archivierte Beiträge bis 9. März 2007
prof - Freitag, 1. Dezember 2006 - 18:18
Meine Tochter braucht einen Termin zum MRT ("Röhre" auf Magnetbasis). Da wartet man in DD und Umgebung 2 Monate, wenn man Glück hat.

Eine Arzthelferin erzählte mir, die Ärzte bekommen pro Quartal nur eine bestimmte Anzahl MRT von den Krankenkassen bezahlt. Den Rest würden sie quasi umsonst arbeiten und wer macht das schon?
Anders sähe die Sache aus, man wäre privat versichert ...
Prof

prof - Montag, 5. März 2007 - 16:18
War mit meiner Tochter beim Hausarzt, leichte Angina:
- unter zwei Stunden Wartezeit läuft da gar nichts mehr
- zu wenig Sitzplätze aber bestimmt viele Viren in der Luft
- 1* Focus, 1* Bild der Frau, 1*Gala das wars

Da läuft was völlig falsch ...
:-( Prof

chinaman - Dienstag, 6. März 2007 - 08:46
"1* Focus, 1* Bild der Frau, 1*Gala das wars "

Die Wahrheit ist, dass unser Gesundheitssystem in der jetzigen Form (wir finanzieren alles, was medizinisch moeglich ist ...) sich nicht mehr durchhalten lassen wird. Es ist aber noch nicht "politisch korrekt" das heute schon zu sagen. Deswegen mogelt sich die Politik aktuell so durch. In den nächsten Jahren werden die wirklichen Probleme auf das "System" zurollen ...


Gruß
Chinaman

soleneve - Dienstag, 6. März 2007 - 09:51
Das verstehe ich nicht, Chinaman,
das Beispiel von Prof zeigt doch gerade, dass nicht alles medizinisch Mögliche finanziert wird (zumindest nicht sofort).
Und die Behandlung einer Angina sollte eine gesetzliche Krankenversicherung abdecken. Man weiß ja vorher nicht, ob es "nur" eine leichte ist.
Und wer geht schon freiwillig zum Arzt, wenn der Leidensdruck nicht da ist.
Soleneve

chinaman - Dienstag, 6. März 2007 - 10:53
"Und die Behandlung einer Angina sollte eine gesetzliche Krankenversicherung abdecken"

Tut sieht ja auch ... Allerdings deckt Sie nicht noch eine Auswahl von 20 verschiedenen Heften zur gefälligen Lektüre ab ... Man kann sich ja auch was zum Lesen mitnehmen ...

Zur Wartezeit: Wollte gerade zu einem Friseur gehen. Habe natürlich vorher keinen Termin gemacht. Musste auch 2 bis 3 Friseure anlaufen, bis einer sofort Zeit hatte. Die Kehrseite unseres hohen Lohnniveaus ist eben, dass sich kein Betrieb Leerlaufzeiten leisten kann. Nicht mal im Billiglohnbereich Friseure. Wie dann im Bereich der Hochlöhne (Ärzte). Wenn dann eben im Februar besonders viele Leute krank sind, kommt es halt zu Wartezeiten ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Dienstag, 6. März 2007 - 10:59
"Und wer geht schon freiwillig zum Arzt, wenn der Leidensdruck nicht da ist. "

Da bin ich völlig anderer Ansicht. Wir leben in einer Gesellschaft mit einer nicht zu unterschätzenden Anzahl von Hypochondern. Wenn man nicht arbeiten muss bzw. kann dann lässt man sich auch mal gerne untersuchen. Besser als zu Hause rumzusitzen.


Gruß
Chinaman

prof - Dienstag, 6. März 2007 - 11:22
Es gibt schon eine Menge einsamer Menschen, die jemanden zum Reden brauchen. Warum nicht den Hausarzt mit seiner Schweigepflicht ...

Ein ordentliches Bestellsystem wäre durchaus realisierbar wenn nicht die Zahl der Patienten pro Arzt einfach zu groß wäre.

Man macht von 08 - 10 Uhr Akutsprechstunde. Wenn niemand kommt, findet der Arzt sicher etwas Bürokratie, trinkt einen Kaffee und bildet sich dabei anhand von Fachliteratur oder Internet weiter.

Es fehlen aber einfach Ärzte, da zu viele aufgrund besserer Arbeitsbedingungen abwandern. Wenn nicht nach Westdeutschland dann gleich nach GB.

Es gibt bei mir nur zwei Triebfedern zur Arbeit:
- Freude an der Arbeit: Die sinkt bei mir aber ab 35 Wochenstunden, da ich auch noch Hobbys sowie Familie habe und Langschläfer.
- Geldbedarf

Aber kann man die Öffnungszeiten der Praxis einfach auf 25 Wochenstunden runtersetzen?? Dann noch Bürokratie und die 40 Stunden sind voll??

Systemgerecht wäre es, damit die dort oben endlich mal merken was los ist. Ich persönlich würde lieber 5 € mehr pro Arztbesuch bezahlen, wenn ich nicht stundenlang warten muss.
Prof

chinaman - Dienstag, 6. März 2007 - 11:37
Oh weia, da haben wir aber wieder mal eine Diskussion aufgemacht ...

"Es fehlen aber einfach Ärzte, da zu viele aufgrund besserer Arbeitsbedingungen abwandern"

Meines Erachtens völlig richtig. Nicht jeder hat Lust sich nach mehreren Jahren Studium (ohne Gehalt) zum rechtlosen Sklaven einer Gesundheitsbürokratie zu machen ...

"Es gibt schon eine Menge einsamer Menschen, die jemanden zum Reden brauchen. Warum nicht den Hausarzt mit seiner Schweigepflicht ... "

Welcher Hausarzt hat heute noch die Zeit sich intensiv solchen Fällen zu widmen ? Wie rechnet er das in unserem Gesundheitssystem ab ? Soll die Allgemeinheit dafür bezahlen ?

"Man macht von 08 - 10 Uhr Akutsprechstunde. Wenn niemand kommt, findet der Arzt sicher etwas Bürokratie, trinkt einen Kaffee und bildet sich dabei anhand von Fachliteratur oder Internet weiter."

Dazu bräuchten wir Ärzte ohne Ende und Geld ohne Ende. Willst Du das denn Ärtzen per Gesetz vorschreiben ? Wer zahlt die Miete, wer die Artthelferinnen, wer die Abschreibung der technischen Geräte in dieser Zeit ?

"Aber kann man die Öffnungszeiten der Praxis einfach auf 25 Wochenstunden runtersetzen"

Wer tut das ??? Wenn ein Arzt sich im Einzelfall dazu entscheidet, ist es jedenfalls sein Recht ...

"Ich persönlich würde lieber 5 € mehr pro Arztbesuch bezahlen, wenn ich nicht stundenlang warten muss."

Was soll der Arzt tun ? Den nächsten Aufruf wie bei Ebay versteigern ???


Gruß
Chinaman

soleneve - Mittwoch, 7. März 2007 - 22:06
Ich würde die Probleme der gesetzlichen KV nicht an den drei Praxiszeitschriften aufhängen. Denn die gibts beim privatwirtschaftlichen Frisör meistens auch.
Eine Abgrenzung von Kassenleistungen und Nichtleistungen gibts ja im Prinzip wohl auch schon, aber die Entscheidung liegt ja (wenn es keine Positivliste gibt) meist bei den Ärzten (ist ja auch zweckmäßig). Aber dass die mehr verschreiben/empfehlen als die Kapazitäten hergeben, ist ja normal. Deshalb die Wartezeiten.
Man könnte natürlich die Kapazitäten verkürzen und dadurch die Wartezeiten erhöhen. Dann werden die behandelt, die viel Zeit haben.
Sonst bleibt als Kürzungsmöglichkeit der Rausschmiss der Hypochonder und Einsamen. Kannst Du die abgrenzen?
Da scheint es mir doch zweckmäßiger, wenn man die Bemessungsgrundlage für die Beiträge daran anpasst, dass die Kapitaleinkünfte die Arbeitseinfkünfte immer mehr ergänzen, und folglich auch die Kapitaleinkünfte in die Beitragsbemessung mit einbezieht. Dann wäre reichlich Geld da und eine der Ursachen für die Probleme der GKV beseitigt.
Schöne Grüße
Soleneve

chinaman - Donnerstag, 8. März 2007 - 03:59
"Denn die gibts beim privatwirtschaftlichen Frisör meistens auch"

Hmm, die Ärzte sind auch privatwirtschaftlich organisiert, wenn auch stark reguliert ...

"Eine Abgrenzung von Kassenleistungen und Nichtleistungen ... liegt bei den Ärzten"

Die Abgrenzung zwischen Kassenleistungen und Nichtleistungen kann unmöglich bei den Ärzten liegen. Das kann gar nicht funktionieren. Gibt einem der erste Arzt die Leistung nicht, geht man ansonsten zum zweiten, bzw. zum dritten ... Solange bis man eben einen findet ... Die Kosten für die vielen Arztbesuche zahlt natürlich die Allgemeinheit.

"Sonst bleibt als Kürzungsmöglichkeit der Rausschmiss der Hypochonder und Einsamen. Kannst Du die abgrenzen?"

Ich kann Hypochonder und Einsame nicht mit genügender Sicherheit abgrenzen, deshalb bleibt m.E. nur die finanzielle Beteiligung der Patienten an den Gesundheitskosten. Wenn nicht alles umsonst ist, werden unnötige Leistungen auch nicht mehr im bisherigen Umfang abgerufen.

"Da scheint es mir doch zweckmäßiger, wenn man die Bemessungsgrundlage für die Beiträge daran anpasst, dass die Kapitaleinkünfte die Arbeitseinfkünfte immer mehr ergänzen, und folglich auch die Kapitaleinkünfte in die Beitragsbemessung mit einbezieht".

Ich dachte immer, die Menschen sollen mit Ihren Sparanstrengungen dafür Sorgen, die Ausfälle im gesetzlichen Rentensystem aufzufangen ... Die Besteuerungsschraube bei den Kapitalerträgen wird trotzdem schon erheblich angezogen. Du bist also für ein weiteres Anziehen dieser Schraube ? Was hälst Du da für angemessen ?

Ich sehe darin keineswegs die Königslösung für die GKV. Vielmehr nehme ich an, dass die Menschen Ihre Sparanstrengungen vollends aufgeben werden. Wozu Vorsorge, wenn dann eh alles umverteilt wird ???


Gruß
Chinaman

boersenguru07 - Donnerstag, 8. März 2007 - 08:42
Moin Chinaman,

Du hast da schon recht...
Meine Überlegungen zu dem ganzen System sind:

Wieso gibt es eigentlich eine PKV???
Sicherlich sind diese positiv für den Wettbewerb - man sieht, dass auch effizienter gearbeitet werden kann.
ABER wieso sind in der PKV nur Reiche, Gesunde und Beamte(altes System)?!?!? Was hat das noch mit sozialem System zu tun?
Sozial verträglich wäre für mich ein System bei dem mehrere Kassen nebeneinander konkurrieren und die offen für alle sein müssen. Gut wirtschaftende Kassen sollten den Mehrwert auch größtenteils an ihre Klientel weitergeben können!
Als Lösung für die Bezahlbarkeit könnte man verschiedene Pakete schnüren, wobei die Grundversorgung im Basispaket für jeden sicher gestellt sein muss. Wer sich mehr leisten kann, der soll dann einfach Zusatzpakete draufschnüren.

Was ich mich zum bestehenden System übrigens noch Frage: Wieso werden Gutverdienende so übervorteilt??? Verdient jemand 10.000 Euro oder mehr im Monat und ist in der GKV versichert, beträgt der Beitragssatz "nur" noch rund 5,6%! Könnte man nicht pauschal sagen, dass man ab einem bestimmten Einkommen min. 8-10% zahlt? Das wäre doch sozial gerecht, oder?

prof - Donnerstag, 8. März 2007 - 09:05
Da scheint es mir doch zweckmäßiger, wenn man die Bemessungsgrundlage für die Beiträge daran anpasst, dass die Kapitaleinkünfte die Arbeitseinfkünfte immer mehr ergänzen, und folglich auch die Kapitaleinkünfte in die Beitragsbemessung mit einbezieht.

Noch mehr Geld in dieses kranke System hereinpumpen? Nein Leute, das geht gar nicht!

Meiner Meinung nach wäre schon mit einer regelmäßig wiederkehrenden Praxisgebühr von 10 € pro Arztbesuch viel getan (nicht für Kinder)!

Chinaman sieht das schon richtig: Es läuft auf eine 2-3 Klassenmedizin heraus, nur niemand traut sich das zu sagen. Wer mehr Geld hat kann sich ein besseres Auto leisten, zum besseren Friseur gehen (mit ganz vielen Zeitschriften und Cappuccino) und den schnellen Arztbesuch.

Alternative ist der Sozialismus, wo die Behandlung generell an materiellen Möglichkeiten krankt. Dabei waren manche Erfindungen gar nicht so schlecht, z.B. die Polikliniken, die inzwischen als Ärztehäuser wiedererfunden wurden. Und die Wartezeiten sind inzwischen länger als früher ...
Prof

chinaman - Donnerstag, 8. März 2007 - 09:40
"ABER wieso sind in der PKV nur Reiche, Gesunde und Beamte(altes System)"

Ich wage zu bezweifeln, dass dies so ist. natürlich gibt es auch in der PKV kranke und "nicht reiche". Allerdings sind deren Mitglieder zwangsläufig "Besserverdiener" oder Beamte. Warum ? Weil der Gesetzgeber dies zum "Aufnahmekriterium" macht ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Donnerstag, 8. März 2007 - 09:46
"Meiner Meinung nach wäre schon mit einer regelmäßig wiederkehrenden Praxisgebühr von 10 € pro Arztbesuch viel getan "

Also nicht nur pro Quartal sondern pro Arztbesuch ? Dann könnte es vielleicht helfen. Aber unsere Sozialismusbürokratie würde mit Sicherheit aus "Gerechtigkeitsgründen" eine Riesenbürokratie mit zig Ausnahmekriterien daraus machen, die den Ärzten noch mehr den Spass an der Arbeit in Deutschland vermiesen würde ...


Gruß
Chinaman

schlobald - Freitag, 9. März 2007 - 16:17
Die PKV gehört in meinen Augen abgeschafft. Mit welcher Begründung ist es zulässig, Besserverdiener mit überwiegend gutem Gesundheitszustand (Risikoselektion ist den Privaten ja erlaubt) aus der Solidargemeinschaft zu entziehen? Wer weniger verdient und gesund ist muss in der GKV -und das natürlich zu recht- für chronisch Kranke, Behinderte etc. mit aufkommen.

Gruß,
Schlobald

schlobald - Freitag, 9. März 2007 - 16:20
Die PKV gehört in meinen Augen abgeschafft. Mit welcher Begründung ist es zulässig, Besserverdiener mit überwiegend gutem Gesundheitszustand (Risikoselektion ist den Privaten ja erlaubt) aus der Solidargemeinschaft zu entziehen? Wer weniger verdient und gesund ist muss in der GKV -und das natürlich zu recht- für chronisch Kranke, Behinderte etc. mit aufkommen.

Gruß,
Schlobald

chinaman - Freitag, 9. März 2007 - 17:31
"Die PKV gehört in meinen Augen abgeschafft"

Mit welchem Recht meinst Du in privatwirtschaftliche Verträge eingreifen zu können ? Die PKV wurde durch den Gesetzgeber etabliert, jede Abschaffungsvorschrift wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig.


Gruß
Chinaman

al_sting - Freitag, 9. März 2007 - 17:38
Man könnte auch eine verpflichtende Basisversicherung für alle Versicherten einführen, die in ihren Leistungen definiert ist und für alle offen sein muss und die sowohl von privaten als auch gesetzlichen KV's angeboten werden kann.
(*pling* Bürgerversicherung)

Darüber hinausgehenden Versicherungsschutz (Gegen die Risiken von Schönheits-OP's, für Einzelprivatzimmer im Krankenhaus mit Chefarzt-Visite etc. pp) kann jeder zusätzlich abschließen.

Dann würde sich im freien Wettbewerb zeigen, ob PKV's oder GKV's effektiver arbeiten.

prof - Freitag, 9. März 2007 - 18:01
Ich würde eher die GKV abschaffen und einen echten Wettbewerb der Privaten herausfordern.

- Zuschuss aus Steuermitteln für Bedürftige laut Einkommensteuerbescheid
- Beitragsfreiheit für Kinder
- Risikoausgleich nach knallharten Kriterien wie Alter, Geschlecht, kostenlos versicherte Kinder und chronisch krank.
- Schadensfreiheitsrabatt wie bei der PKW-Versicherung

Nur so kriegt man die Kosten in den Griff - Prof

al_sting - Freitag, 9. März 2007 - 18:08
Ich weiß nicht, ob die PKV's derzeit effizienter arbeiten. Untersuchungen, die ich gelesen habe, deuteten eher auf das Gegenteil hin - was nicht zuletzt auf den schlechten Wechselmöglichkeiten bei PKV's und dem resultierend reduzierten Konkurrenzdruck NACH Vertragsabschluss resultiert.
Daher wäre ich gegen Abschaffung der GKV und für eine gesunde Konkurrenz im Rahmen einer Bürgerversicherung.

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