Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Gesetzliche Krankenversicherung: Archivierte Beiträge bis 19. November 2006
prof - Donnerstag, 5. Januar 2006 - 10:32
In Ostdeutschland ist es sehr schwierig, bei Fachärzten einen Termin zu bekommen, wenn man nur in der GKV ist.

Es gibt inzwischen Termine zur Terminvergabe: Mein Vater, der in Südbrandenburg wohnt, musste sich einen Vormittag lang beim Augenarzt hinsetzen, da an diesem Tag die Termine vergeben wurden.
Viele Augenärzte nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Für meine Tochter musste ich ca. 15 mal anrufen, um einen neuen Termin bei ihrer Augenärztin zu ergattern.

Das System ist völlig heruntergewirtschaftet und erinnert stark an DDR-Zeiten.
Prof

schlobald - Donnerstag, 5. Januar 2006 - 14:53
Na ja, also auf dem Lande -ich unterstelle das jetzt mal bei Südbrandenburg, obwohl es da natürlich auch größere Städte gibt- mag das so sein. Hat viel mit Demographie und "Landflucht" zu tun. In DD z.B. habe ich solche Schwierigkeiten bisher weder bei mir noch Familie und Freunden festgestellt, wer zum Arzt muss geht einfach hin oder läßt sich mit einmaligem Anruf einen Termin geben.

Zudem ich mich auch nicht erinnern kann das ich vor 1990 in irgendeiner Art medizinisch unterversorgt war. Die Poliklinik war passabel, Termine gab es immer und fachlich waren die genauso gut wie anderswo auch. Klar ist die Hütte jetzt baulich herausgeputzt worden und die Ärtze haben neuere Geräte. Und natürlich würde ich das nicht gegen den früheren Standard tauschen wollen. Ob sich das nun aber medizinisch betrachtet unbedingt so postiv auf mich auswirkt ist die andere Frage. Soll heißen ich bin mir nicht sicher ob ich als Patient oder die Börse vom Arzt und der Pharmamedizin im Vordergrund steht. Wenn man alleine so hört was für einen Müll die für teueres Geld als Medikamente verscherbeln, na ja...

isabellaflora - Donnerstag, 5. Januar 2006 - 16:30
Brandenburg ist wohl wahrlich diesbezüglich sehr gebeutelt - der rbb berichtet darüber in schöner Regelmäßigkeit. Ähnlich, aber nicht identische Verhältnisse zeichnen sich in Schleswig-Holstein ab. Ich kann nur empfehlen, bei der GKV zu bleiben, dafür aber eine private Zusatzversicherung abzuschließen, insbesondere dann wenn es um die eigenen Kinder geht ....

Gruß isabellaflora

chinaman - Samstag, 7. Januar 2006 - 08:15
"Ich kann nur empfehlen, bei der GKV zu bleiben"

Wie kommst Du denn zu dieser Empfehlung ??? Gründe ???


Gruß
Chinaman

prof - Donnerstag, 22. Juni 2006 - 12:43
Die Roten schlagen wieder zu, nur Peer ziert sich noch etwas. Das Geld wird versickern, wie immer. D hat endlich die Lösung auf alle Probleme gefunden: Fußball, Steuererhöhungen und Schnüffelei - Prof

FTD: SPD plant massive Steuererhöhung für Gesundheitsreform
Darauf haben sich der Parteivorsitzende Kurt Beck, Fraktionschef Peter Struck, Vizekanzler Franz Müntefering und Finanzminister Peer Steinbrück im Grundsatz geeinigt. Im Rahmen einer mehrstufigen Reform sollen Steuergelder im Volumen von jährlich 30 bis 45 Mrd. Euro ins Gesundheitssystem gepumpt werden. Dafür könnte der Krankenkassenbeitrag, den sich heute Arbeitnehmer und Arbeitgeber etwa zur Hälfte teilen, um bis zu sechs Prozentpunkte auf insgesamt acht Prozent sinken.

Setzen sich die Sozialdemokraten durch, wären aus ihrer Sicht mehrere Probleme gelöst: Die Lohnnebenkosten von derzeit knapp 42 Prozent des Bruttogehalts würden weit unter die Marke von 40 Prozent fallen. Außerdem könnten je nach Ausgestaltung die Privatversicherten über die Steuer stärker als bisher in die Finanzierung einbezogen werden, ohne dass das duale Kassensystem an sich geändert würde.

Der Vorschlag bringt die SPD in den aktuellen Verhandlungen über eine Gesundheitsreform in die Offensive. Bisher hatte sie konkrete Aussagen zu weiteren Steuererhöhungen vermieden. Bei einem Treffen am Sonntagabend im Kanzleramt sprach sich aber erstmals auch die SPD-Spitze klar dafür aus, Steuern für die Gesundheitsreform zu erhöhen.


Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe


Auch für CDU und CSU hat der SPD-Plan Charme. Schon das Unionsmodell pauschaler Kopfprämien für die gesetzlich Versicherten sah Steuerzuschüsse in Milliardenhöhe vor. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wirbt in der Koalition dafür, die Krankenversicherung der Kinder über Steuern zu finanzieren und dafür die Beiträge zu senken. Allein hierfür müsste der Bund rund 16 Mrd. Euro an Steuern aufbringen.

Ein Sprecher Steinbrücks sagte der FTD, der Finanzminister unterstütze "grundsätzlich den Weg hin zum skandinavischen Sozialversicherungsmodell", das stark auf Steuerfinanzierung setzt. Er habe seine Zustimmung aber von drei Voraussetzungen abhängig gemacht: "Erstens müssen zunächst alle Effizienzreserven im Gesundheitssystem gehoben werden. Zweitens darf die Steuer- und Abgabenquote insgesamt nicht steigen, das heißt, dass die Kassen die Beiträge auch tatsächlich eins zu eins senken müssen. Und drittens muss das Konzept in nachvollziehbaren, mutigen Schritten umgesetzt werden."


Mehrere Möglichkeiten


Der Wochenzeitung "Die Zeit" zufolge könnte die Reform von 2008 bis 2010 in drei Stufen in Kraft treten. Zur Finanzierung würde entweder die Mehrwertsteuer von 19 Prozent ab Januar 2008 auf bis zu 25 Prozent angehoben. Alternativ könnten die Einkommensteuersätze erhöht, ein Zuschlag auf die Einkommensteuerschuld (Gesundheits-Soli") oder ein Mix daraus beschlossen werden. Eine alleinige Erhöhung der Einkommensteuer ist unwahrscheinlich. Sie würde die Steuersenkungspolitik der vergangenen Jahre konterkarieren und vor allem Geringverdiener belasten.

Offen ist, wie Unternehmen an der stärkeren Steuerfinanzierung beteiligt würden. Sie würden stark entlastet, wenn die jetzt zwischen Arbeitnehmern und -gebern geteilte Beitragsbasis vor allem auf Lohn- und Einkommensteuerzahler umverteilt würde.

Steinbrück könnte dem Radikalplan zustimmen, weil er aus seiner Sicht klare Verhältnisse schüfe. Zwar hinge nach der Rente mit der Gesundheit der zweite große Zweig des Sozialsystems am Bundesetat. Doch müsste der Minister keine jährliche Debatte darüber fürchten, ob der Bund weitere Milliarden ins System pumpt.

phlipster - Donnerstag, 22. Juni 2006 - 13:09
...wie schon chinaman am 11.6. sehr treffend sagte:
Hier dreht sich die politische Diskussion fast ausschließlich darum, wie man die Leistungsträger durch noch mehr Abzocke auch noch zu mehr Müßiggang anregen kann. Wenn wir im internationalen Wettbewerb dadurch immer weiter zurückfallen, nennen wir das "Gerechtigkeit"

Ich verstehe die deutsche Welt schon seit längerem nicht mehr. Mir bleiben von 1 zusätzlich verdienten Euro 0,40€ übrig. Die Sozialsysteme sind oberkrank, Sockelarbeitslosigkeit unverändert hoch, ökonomische Fehlanreize allerorten.

Eigentlich müssten wir doch alle auf die Strasse rennen. Oder irgendwie organisiert für politisch-ökonomische Vernunft eintreten.

Aber was passiert? Der Deutsche grölt seine Hymne selig beim WM-Spiel, während die wenigsten wissen, was das mitgeleierte Wort "Freiheit" streng ausgelegt bedeutet.

Flüchten/Auswandern ist eine Option, aber eigentlich feige. Vom Unterwerfen (resigniert möglichst viele Schäfchen ins TRockene bringen) bekomm ich Magengeschwüre. Und zum "Kämpfen" fehlen die gewillten Mitstreiter....aber wahrscheinlich gehts allen nohc zu gut.

stw - Donnerstag, 22. Juni 2006 - 14:17
@phlipster: Toller Beitrag, Du sprichst mir aus der Seele.

Ich habe tatsächlich schon ernsthaft ans Auswandern gedacht. Mein eigenes kleines Unternehmen (mit 10-15 Mitarbeitern) richte ich seit einiger Zeit konsequent auf das internationale Geschäft aus, da in D seit Jahren nichts läuft mit innovativen Softwaretechnologien. Mit rasender Geschwindigkeit überholen uns zumindest auf meinem Sektor (Enterprise Content Management, Business PRocess Management) nicht nur Nachbarländer wie Österreich oder Schweiz, sondern auch die EU-Beitrittsländer u.a.
Es ist ein Drama und zumindest aus Unternehmersicht teilweise sehr frustrierend, also ist doch nur nachvollziehbar, warum die Leistungsträger immer öfters ins Ausland abwandern, wo Innovationen gefragt sind wie nie und nicht nur geredet, sondern auch investiert wird...

:-) stw

chinaman - Donnerstag, 22. Juni 2006 - 15:23
Es ist doch noch gar nicht allzu lange her, dass unsere "Gesundheitsfachfrau" Ulla etwas über Beitragssenkungen bei den gesetzlichen Krankenkassen fabulierte. Das war doch nach der letzten "Gesundheitsreform". Die Halbwertzeit dieser Lachnummern wird auch immer kleiner ...

Bedenklich ist, dass Merkel mit samt Ihrer Union keinesfalls als Korrektiv zu den Sozialisten der ewiggestrigen Prägung auftritt. Nein, vielmehr bewirkt die satte Parlamentsmehrheit ein in dieser Dimension bisher völlig undenkbares schamloses und skrupelloses Abzocken.

Ich erinnere mich an die Diskussion der 80er. Da gab es doch bei den roten Socken schon die Diskussion, man wolle "die Belastbarkeit der Wirtschaft" testen. Nun, der Test war sehr erfolgreich. Der deutsche Niedergang wurde erfolgreich eingeleitet. Nun soll mit genau den gleichen untauglichen Methoden die angebliche Sanierung eingeleitet werden. Ganz im Gegenteil wird sich aber das Hinunterwirtschaften unseres Landes noch weiter beschleunigen !

Bei der demographischen Situation und der wirtschaftlichen Situation des Landes ist schlichtweg nicht der medizinische Fortschritt für alle und für durchschnittlich immer ältere Bürger finanzierbar. Das ist die Realität. Diese auszusprechen ist aber politisch "nicht korrekt".


:-(((
Gruß
Chinaman

prof - Donnerstag, 22. Juni 2006 - 18:22
Schuld sind die Leute jedenfalls selber: Wer sich so eine Regierung wählt und deren Märchen (Wahlversprechen) glaubt, ist doch selber dran schuld. Und zumindest in D wird gewählt, wer das Meiste verspricht, z.B. keine Mwtst-Erhöhung.

Für mich kommt Auswandern zur Zeit nicht in Frage, da meine Kunden alle in D wohnen und die Sprachkenntnisse nicht ganz reichen. Ohne Familie wäre ich allerdings längst im reichen Südwesten des Landes. Dieses Abwandern der Jugend drückt auf die Seele.

Sobald ich in die Rockerrente gehe, werde ich wohl D den Rücken kehren. Ich habe kein Lust, als "Alter" unter lauter Alten zu leben, obwohl ich drei Kinder habe. Da kann es einem ja vor lauter Griesgram und Wehwehchen, Gesundheitssendungen, Seniorenratgebern, Altersfitnessprogrammen und natürlich tollen Heimen(in denen dann die letzten jungen Leute schuften) ganz vergehen.

Prof

chinaman - Donnerstag, 22. Juni 2006 - 19:28
Vielleicht hat sich ja die Mehrzahl der Wähler kurzfristig und vordergründig sogar klug entschieden. Immerhin ist Demokratie eine Staatsform, die theoretisch 51 % der Menschen die hemmungslose Ausbeutung von 49 % erlaubt.

Deshalb gibt es ja auch so riesige Zustimmung zu populistischen Projekten wie der Reichensteuer.


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 23. August 2006 - 05:39
Gesundheitsreform


Der Schuldenberg der Kassen


Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihre Schulden bis Ende 2007 tilgen. Ohne diesen Schritt kommt die umstrittene Reform nicht voran. Einigen AOK-Chefs kommt dies nicht ungelegen.

Von Philipp Neumann

Berlin - Man kann nicht behaupten, dass die Stimmung entspannt wäre, die zwischen den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und der Bundesregierung herrscht. Abzulesen ist das etwa an der Äußerung des Staatssekretärs im Gesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder (SPD), der jüngst "eine gewisse Bräsigkeit" in den Reihen der AOK konstatierte. Woraufhin Hans Jürgen Ahrens, der Chef des AOK-Bundesverbandes, dann sagte, in der Gesundheitspolitik herrsche "Krieg wie im Libanon".

Bräsigkeit - laut Duden "norddeutsch für Dickfelligkeit" - ist das Letzte, was sich die Ortskrankenkassen vorwerfen lassen wollen. "Da fühle ich mich nicht angesprochen", sagt der Chef der AOK Bayern, Helmut Platzer. Seine Kasse sei so innovativ, dass er vor dem Wettbewerb mit anderen Kassen keine Angst habe. "Aber solange wir mit Skistiefeln laufen sollen und die anderen mit Laufschuhen, wird das ein unfairer Wettbewerb." Gerade die Ortskrankenkassen hätten sehr viele alte und kranke Menschen unter ihren Versicherten. Es müsse Chancengleichheit herrschen.


1,5 Milliarden Euro Schulden

Was Platzer vor allem Sorgen macht, sind die Schulden, die seine Kasse noch hat. Aktuell sind es 400 Mio. Euro. Alle Ortskassen zusammen haben noch mehr als 1,5 Mrd. Euro solcher "negativen Betriebsmittel" in den Büchern stehen. Wie sie entstanden sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Tatsache ist, dass das Herzstück der Gesundheitsreform, der Gesundheitsfonds, nicht pünktlich zum Jahresbeginn 2008 starten kann, solange es noch verschuldete Kassen gibt. Nur: Wie ist der Schuldenabbau zu schaffen? Weil die Kassen den Fonds ohnehin verhindern wollen, kommt ihnen die Situation nicht ungelegen, auch wenn das so keiner sagt.

"Es geht nicht darum, den Gesundheitsfonds zu Fall zu bringen", beteuert Kassenchef Platzer. Es sei aber schlicht nicht möglich, die Entschuldung bis Ende 2007 zu schaffen. Dies verhinderten die Belastungen, die auf die Kassen zukämen. Insbesondere die Mehrwertsteuererhöhung oder die Kürzung des Bundeszuschusses seien von der Bundesregierung selbst verschuldet worden.

Theoretisch, rechnet Platzer vor, könnte er seine Kasse zwar in einem Jahr entschulden. Das würde aber bedeuten, dass der allgemeine Beitragssatz von 13,6 Prozent um 0,8 Punkte steigen würde. "Das kommt für uns schlicht nicht in Betracht." Begründung: Seine Versicherten würden beim Start des Gesundheitsfonds "in Scharen zu den Billigkassen" wechseln. Andere AOKs, so ist von anderer Seite zu hören, müssten ihre Beiträge um bis zu fünf Prozentpunkte erhöhen, um alle Schulden loszuwerden. Das wäre faktisch ihr Todesurteil.


Nicht so scharf hingeschaut

Offiziell, so steht es in Paragraf 222 des Sozialgesetzbuches V, müssen alle Kassen ihre Schulden bis Ende 2007 getilgt haben. "Das ist eindeutig geltendes Recht", sagt der Chef des Bundesversicherungsamts, Rainer Daubenbüchel. Sein Amt kontrolliert die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen, allerdings nur derjenigen, die in mindestens drei Bundesländern tätig sind. "Die Kassen, für die wir zuständig sind, werden die Entschuldung schaffen", sagt Daubenbüchel. "Wir haben denen kräftig auf den Füßen gestanden." Warum das besonders bei den Ortskrankenkassen nun ein Problem sei, könne er wegen der fehlenden Zuständigkeit leider nicht sagen. "Offenbar", das fügt er dann doch hinzu, "haben die zuständigen Landessozialministerien da wohl nicht so scharf hingeschaut."

Diese Vermutung wird selbst innerhalb der Ortskrankenkassen bestätigt. Es sei eben auch immer eine politische Frage, wenn eine AOK ihren Beitrag erhöhen müsse, heißt es. Deshalb setze eine Landesregierung etwa vor Landtagswahlen alles daran, so einen Schritt zu vermeiden.

Auch jetzt setzen die Ortskassen wieder auf ihre engen Beziehungen zur Politik. AOK-Chef Platzer zum Beispiel hat schon an seine Landesregierung geschrieben und wird demnächst auch persönlich vorstellig werden. Gleiches haben die AOK-Chefs in anderen Bundesländern getan. Kommt es zum Gespräch, wird Platzer einen, wie er sagt, "pragmatischen Vorschlag" machen, wie das Schuldendilemma zu lösen sei: "Man könnte wie bei einem normalen Unternehmen die Verschuldung auf die Nettoverschuldung beziehen." Soll heißen: Die Verbindlichkeiten werden mit dem gesamten Vermögen gegengerechnet, das auch die Verwaltungsgebäude einer Kasse umfasst. Diese könnte sie dann verkaufen und zurückmieten und wäre wieder liquide. Wäre das zulässig, "wäre das Schuldenproblem auf einen Schlag erledigt", meint Platzer. Das müsse man nur ins Gesetz zur Gesundheitsreform schreiben.

Nicht nur Platzers Kollege in Niedersachsen, Jürgen Peter, hält das jedoch für eine "akademische Diskussion". Man müsse die Gebäude erst einmal zu einem guten Preis verkaufen können, meint er und vertraut auf ein anderes Rezept: Konsolidierung und Controlling. Peter sagt: "Wir haben keine Schulden. Unser Beitragssatz bleibt trotzdem stabil."

Artikel erschienen am Mi, 23. August 2006

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© WELT.de 1995 - 2006

chinaman - Donnerstag, 24. August 2006 - 04:41
ENTWURF FÜR GESUNDHEITSFONDS

Kassenbeiträge drohen auf 15,7 Prozent zu steigen

Die Gesundheitsreform wird teuer - vor allem wohl für Patienten. Koalitionskreisen zufolge müssen die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung auf bis zu 15,7 Prozent angehoben werden. Das Gesundheitsministerium weist diese Angaben zurück.


http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,433166,00.html


Gruß
Chinaman

prof - Samstag, 26. August 2006 - 01:52
Inzwischen macht das Wort "Gesundheitssozialismus" die Runde, eine zutreffende und geniale Wortschöpfung, wie ich finde!
Prof

chinaman - Samstag, 26. August 2006 - 09:17
@ Prof: Dieses Wort ist auch voll berechtigt. Man beobachte den Ablauf: Der Staat denkt, diese Aufgabe ist privatwirtschaftlich nicht zu lösen, der Staat kann es besser. Dann fährt er die Kiste mit Volldampf gegen die Wand. Die neue Lösung: Noch mehr Staat, noch mehr Reglemtierung ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Sonntag, 27. August 2006 - 10:56
Die Oberklasse verliert ihre Exklusivität
Das Gesundheitsministerium schlägt eine Angleichung privater und gesetzlicher Kassen vor. Privat Versicherte müssen mit schlechteren Konditionen rechnen
von Hans-Werner Thieltges

"Ein Hirngespinst" - das war das Erste, was Wolfgang Zöller, Chef-Unterhändler der Union bei der geplanten Gesundheitsreform, einfiel. In der vergangenen Woche wurden neue Vorschläge aus dem Gesundheitsministerium bekannt und sogleich in der Luft zerrissen. "Das wollen wir so nicht", stellte Zöller klar und war damit noch einer der harmloseren Kritiker. Denn für ein Hirngespinst wirbelte das Arbeitspapier relativ viel Staub auf. Verbände und Ärzte protestierten, Kassen-Vorstände gingen auf die Barrikaden, ein AOK-Chef sah sogar ein "Ermächtigungsgesetz" wie im Nationalsozialismus auf die Bundesrepublik zurollen.


Mitarbeiter des Gesundheits- und des Finanzministeriums hatten beschrieben, wie die Kassenbeiträge neu organisiert werden könnten. Viele der Vorschläge, wie etwa ein zwangsweiser Basistarif für alle privat Versicherten, werden sich zunächst tatsächlich nicht durchsetzen lassen. Nach der Sommerpause werden nun Experten aus dem Ministerium, externe Fachleute und Politiker über viele Details neu verhandeln. Dennoch zeigt das Papier, in welche Richtung sich das Beitragssystem generell entwickeln wird: Leistungen und Tarife der privaten werden nach und nach denen der gesetzlichen Krankenversicherungen angeglichen.


Dass die privaten Versicherungen künftig jeden Kunden ohne Rücksicht auf den Gesundheitszustand aufnehmen sollen, stand bereits im Eckpunktepapier der Koalition. Dies war jedoch als Ergänzung zum bisherigen Angebot aus risikogerechten Vollkosten- und Zusatztarifen vorgesehen. Das neue Papier schlägt einen Basistarif für alle vor. Dieser solle durch freiwillige Zusatzpolicen aufgestockt werden. Betroffen wären davon auch bestehende Verträge, allerdings mit einer Übergangsfrist bis 2017. Gleichzeitig solle es Ärzten untersagt werden, für Privatpatienten höhere Rechnungen auszustellen.


Der Leistungskatalog würde sich dann kaum noch von den gesetzlichen Kassen unterscheiden. Im Basistarif sollen sich Versicherte jährlich mit bis zu 1200 Euro an Krankheitskosten beteiligen. Arbeitgeber müssten nach der Vorlage jedoch nur 50 Prozent des Grundbeitrages übernehmen. So sollen Lohnnebenkosten gesenkt werden.


Für Herbert Schmitz, Vorstandschef der Gothaer Krankenversicherung, ist dieser Vorschlag eine Farce: "Für eine vierköpfige Familie würde dies eine mögliche Zusatzbelastung von 4800 Euro im Jahr bedeuten." Auf diesem Weg solle der Boden für die Einführung eines Selbstbehalts in der gesetzlichen Krankenversicherung bereitet werden, so seine Vermutung.


Ebenfalls im bisherigen Eckpunktepapier vorgesehen und damit einen Schritt näher an der Gesetzesform war die Möglichkeit, Altersrückstellungen beim Versicherungswechsel mitzunehmen. Auch hierfür schlägt die Arbeitsgruppe eine zehnjährige Übergangsfrist vor. Manche Gesellschaften würden darüber aber in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Denn mit solchen Rücklagen für den medizinisch teuren dritten Lebensabschnitt halten private Anbieter ihre Beiträge auf vertretbarem Niveau.


Nicht nur die Mitnahme von Altersrückstellungen würde den Versicherungsschutz verteuern. Ein weiterer Kostenschub käme auf die Versicherten durch den geplanten Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen zu. Damit sollen Unternehmen mit besonders vielen älteren und damit teuren Versicherten gestützt werden. In diesem Zusammenhang kursieren im Ministerium Horrorzahlen von Beitragssteigerungen von bis zu 37 Prozent. Für Allianz-Manager Rumm ist das nicht nachvollziehbar: "Es ist unklar, wie das Ministerium zu diesen Ergebnissen kommt, denn viele Parameter für eine seriöse Kalkulation sind noch unbekannt."


Ein wesentlicher Punkt des Arbeitspapiers geht in der derzeitigen Diskussion beinahe unter: Versicherte und Versicherer sollen künftig gesamtschuldnerisch haften. Begleicht ein Patient seine Arztrechnung nicht, kann dieser sein Geld direkt bei der Privatversicherung einfordern. Es spielt dann keine Rolle, ob Letztere ihrem Versicherten bereits einen entsprechenden Betrag überwiesen hatte. Für Gothaer-Chef Schmitz wäre dies ein völlig weltfremdes Vorgehen: "In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise ein Masseur vor einer Behandlungsstunde zunächst eine Kostenübernahmeerklärung beim Versicherer einholen würde."


Artikel erschienen am 27. August 2006

prof - Sonntag, 27. August 2006 - 17:00
Gleichmacherei und Mittelmaß! Die Mehrheit der Deutschen wird natürlich auch diesen Teil der Reform gut finden, nach dem Motto: "Warum soll es denen besser gehen als mir?"

Der sozialistische Gedanke, dass der Staat Alles und Jedes regeln kann, verbreitet sich immer weiter. Privatinitiative ist schlecht und gehört verdammt. Unser guter Erich hätte seine helle Freude dran ...
;-) Prof

chinaman - Dienstag, 5. September 2006 - 04:58
SPIEGEL ONLINE - 04. September 2006, 20:13

URL:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,435151,00.html


Gesundheitsreform

Regierung will Fondsmodell verschieben

Das Herzstück der Gesundheitsreform der Großen Koalition bleibt offenbar vorerst Theorie: Der Gesundheitsfonds kommt Zeitungsberichten zufolge viel später als bisher geplant.


Berlin - Die Koalitionsspitzen haben heute einen neuen Arbeitsentwurf für die Gesundheitsreform beraten. "Der Start des Gesundheitsfonds ist offen", zitiert die "Rheinische Post" aus einem Papier, das die Änderungen darin auflistet. Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) hatte vor Beginn der Gespräche gesagt, den Fonds werde es in der vorgesehenen Form "nicht auf Teufel komm raus" geben. Ursprünglich war geplant, das Kernstück der Reform Mitte 2008 starten zu lassen.

Der "Financial Times Deutschland" zufolge arbeiten Union und SPD an Modellen, die die vollständige Einführung des Fonds auf die nächste Wahlperiode verschieben würden. In der SPD werde derzeit ein Stufenmodell zur Einführung diskutiert. "Laut "FTD" soll es dabei in der ersten Reformstufe lediglich ein regionales Einzugsverfahren geben, die Beitragshöhe würde wie bisher von jeder einzelnen Kasse bestimmt.

Erst nach der Bundestagswahl 2009 solle ein einheitliches Beitragseinzugssystem eingeführt werden - dann auch mit einheitlichem, gesetzlich festgelegtem Beitragssatz, berichtete das Blatt unter Berufung auf Fraktionskreise. Gleichzeitig erwäge die Union, die Reform des Finanzausgleichs der Krankenkassen, des so genannten Risikostrukturausgleichs, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

SPD-Chef Kurt Beck kommentierte die Berichte mit den Worten, zunächst müsse das neue Modell funktionsfähig sein. Darüber gebe es auch keine Meinungsverschiedenheit zwischen den Koalitionspartnern. "Gründlichkeit vor Schnelligkeit ist richtig", sagte er heute nach einer Sitzung des SPD-Vorstands. Schließlich würden "riesige Summen und auch Zinsvolumina" bewegt.

Als Knackpunkte der Beratungen gelten neben der Ausgestaltung des umstrittenen Gesundheitsfonds die stärkere Öffnung der privaten Krankenkassen für den Wettbewerb und die Art und Weise des Finanzausgleichs unter den Kassen. Das zweite Treffen findet voraussichtlich am Freitag statt.

Die Union will nach einem Bericht der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung" die gesetzlich Krankenversicherten bei Zuzahlungen zum Gesundheitsfonds stärker belasten als bisher geplant. Bei dem Treffen in Berlin hätten Unionsvertreter vorgeschlagen, die Belastungsgrenze auf fünf Prozent des Einkommens heraufzusetzen. In den Eckpunkten zur Gesundheitsreform war bei der Einführung eines Zusatzbeitrags, den Krankenkassen erheben können, wenn sie mit den Mitteln des Gesundheitsfonds nicht auskommen, eine Überforderungsklausel für Versicherte vereinbart worden. Vorgesehen war analog zur heutigen Begrenzung der Zuzahlungen, dass dieser Zusatzbeitrag ein Prozent des Haushaltseinkommens nicht überschreiten darf. Dem Vernehmen nach bestehen die SPD-Verhandler jedoch auf der ursprünglichen Übereinkunft.

ler/AFP

chinaman - Mittwoch, 6. September 2006 - 05:27
Handelsblatt Nr. 171 vom 05.09.06 Seite 3


Streit um Kopfpauschale und Finanzausgleich

Entscheidung über Neuregelung der Privatkassen auf Freitag vertagt

PETER THELEN | BERLIN Union und SPD sind sich weiterhin uneinig über entscheidende Details der Gesundheitsreform. Bei der ersten Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe zur Vorbereitung des für Oktober angepeilten Gesetzentwurfs stieß gestern die Forderung der Unionsvertreter nach Aufhebung der einprozentigen Überforderungsgrenze für die kleine Kopfpauschale auf entschiedenen Widerstand der SPD. Uneinigkeit herrscht auch noch über die Reform des Finanzausgleichs, den Schuldenabbau der Krankenkassen und die Zukunft der privaten Krankenversicherung. Dagegen waren sich die Unterhändler darüber einig, dass der bislang geplante Starttermin des Gesundheitsfonds zum 1. Juli 2008 "nach Möglichkeit gehalten werden soll".

"Die Begrenzung der kleinen Kopfpauschale auf ein Prozent des Haushaltseinkommens ist mit der SPD nicht verhandelbar, sie ist aber auch nicht praktikabel", sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) nach dem zweistündigen Treffen. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sagte dagegen dem Handelsblatt, die Grenze sei schon mit den Eckpunkten vereinbart worden. "Es gibt keinen Grund, davon abzugehen."

Die kleine Pauschale müssen diejenigen Kassen bei ihren Versicherten erheben, die mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Nach Berechnungen des AOK-Bundesverbands würde die Begrenzung auf ein Prozent dazu führen, dass bereits bei einer rechnerisch erforderlichen Pauschale von 20 Euro alle AOK-Versicherten über der Grenze lägen. Schon deshalb hält die Union sie für nicht haltbar.

Ob der Gesundheitsfonds, der die bisherige Finanzierung der Kassen über kassenindividuelle Beitragssätze ersetzen soll, pünktlich Mitte 2008 in Kraft treten wird, blieb gestern offen. Der Grund sind Meinungsverschiedenheiten über den neuen Finanzausgleich. Nach den Eckpunkten ist vorgesehen, bei dem Ausgleich die unterschiedliche Verteilung der Krankheitsrisiken zwischen den Kassen stärker zu berücksichtigen.

Der Streit der Koalitionspartner geht nun einerseits um die Frage, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann. Außerdem beharrt die SPD darauf, dass der Fonds nur zeitgleich mit dem neuen Finanzausgleich starten soll, um Wettbewerbsnachteile für große Versorgerkassen wie die Barmer und die Ortskrankenkassen zu vermeiden. "Wir halten dagegen auch einen späteren Start des Finanzausgleichs für vertretbar, da er durch die Reform nur ein bis zwei Prozent zielgenauer würde", begründete der saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken die Gegenposition der Union.

Nun sollen die Fachleute des Ministeriums bis zur nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe am Mittwoch neue Vorschläge erarbeiten. Eine deutliche Verschiebung des Fonds etwa auf 2009 oder 2010 werde es deshalb aber auf keinen Fall geben, sagten Hecken und Ferner.

Neue Vorschläge will das Ministerium auch für den Abbau der über vier Mrd. Euro Kassenschulden vorlegen. Hier will die Union verhindern, dass reiche Kassen der gleichen Kassenart - wie im Arbeitsentwurf von Gesundheitsministerin UIla Schmidt (SPD) vorgesehen - über eine Umlage die Kredite finanzschwacher Kassen übernehmen. Es könne doch nicht sein, dass Kassen mit Überschüssen dafür bestraft werden, dass sie besser gewirtschaftet hätten. Nach Informationen des Handelsblatts ist nun eine Regelung geplant, nach der die verschuldeten Kassen zunächst selbst alle Möglichkeiten ausschöpfen müssen, sich bis Ende 2007 aus eigener Kraft zu sanieren, bevor eine Umlage unter den reichen Kassen erhoben wird.

Zöller gab sich gestern optimistisch, dass es am kommenden Mittwoch gelingen wird, die Details des Gesundheitsfonds festzuklopfen. Dagegen ist noch offen, ob sich die Unterhändler der Koalition auch beim Streitthema private Krankenversicherung einigen werden.

Gesundheitsministerin Schmidt will die PKV-Unternehmen zwingen, die Tarife ihrer acht Millionen Versicherten in einen dem gesetzlichen Leistungskatalog entsprechenden Basistarif und Zusatztarife aufzuspalten. Die Altersrückstellungen auf den Basistarif sollen die Versicherten in Zukunft bei einem Wechsel des Versicherungsunternehmens oder beim Übertritt in eine gesetzliche Kasse mitnehmen können. Dadurch will Schmidt erstmals einen PKV-Wettbewerb um den Versichertenbestand ermöglichen.

Dies lehnt vor allem die CSU ab. "Die Einführung portabler Altersrückstellungen muss verfassungsrechtlich sauber erfolgen. Sie kommt damit wohl nur für Neuverträge in Betracht", sagte die bayerische Gesundheitsministerin Christa Stewens (CSU) dem Handelsblatt. Nach Ansicht ihrer Rechtsexperten wäre eine Umstellung der Verträge auf einen Basistarif ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Privatversicherten.

Zöller sagte, die Union werde nun erst einmal die neuen Vorschläge aus dem Finanzministerium abwarten. Sie sollen noch diese Woche vorliegen. Am Freitag will sich die Arbeitsgruppe dann abschließend mit der PKV befassen. SPD-Fraktionsvize Ferner warnte die Union, beim Thema PKV den Bogen zu überspannen, da sonst der gesamte Reformkompromiss ins Rutschen geraten könnte.

Thelen, Peter



05. September 2006

chinaman - Montag, 11. September 2006 - 12:59
HANDELSBLATT, Montag, 11. September 2006, 10:07 Uhr
Wachsende Zweifel an Reform


Länderchefs wollen Fondsmodell beerdigen


Die große Koalition kommt nicht zur Ruhe: In den Parteien ist offenbar ein ernsthafter Konflikt über die Gesundheitsreform ausgebrochen. Führende Politiker von Union und SPD stellen das wichtigste Element der Reform in Frage: den Gesundheitsfonds. Vor allem ein CSU-Mitglied soll massiv Druck ausüben - auch auf Kanzlerin Merkel.


HB BERLIN. Nach der Verschiebung der Gesundheitsreform wächst in den Koalitionsfraktionen die Kritik an zentralen Reformvorhaben der Bundesregierung. Auch in der Unionsfraktion wird jetzt offen gefordert, auf die Einführung eines Gesundheitsfonds zu verzichten.

"Wir sollten die Finanzierungsfrage zurückstellen und im bewährten System weiterfahren", sagte Max Straubinger, stellvertretender Vorsitzender und sozialpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, dem Handelsblatt. Der Gesundheitsfonds würde "Elemente verbinden, die nicht zu verbinden sind", nämlich die von der SPD favorisierte Bürgerversicherung und das Unionsmodell einer Gesundheitsprämie. "Man kann aus diesen beiden Denkrichtungen kein Kompromissmodell zimmern", sagte Straubinger. "Dann lassen wir es so, wie es ist."

Nach Informationen der "Berliner Zeitung" soll es bei dem Treffen der Koalitionsspitzen am vergangenen Mittwoch eine heftige Auseinandersetzung über Kernfragen des Projekts gegeben haben. Vor allem CSU-Chef Edmund Stoiber habe den geplanten Gesundheitsfonds, das Herzstück der Reform, massiv in Frage gestellt, meldete das Blatt unter Berufung auf Koalitionskreise.

Die Entscheidung, die Reform um drei Monate auf April 2007 zu verschieben, sei auf Druck von Stoiber zu Stande gekommen. Die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten habe sich daran entzündet, dass der Gesundheitsfonds die gesetzlich Versicherten finanziell belasten werde.

Stoiber habe in der Runde bemängelt, dass die Krankenkassen ihre Beiträge im Zuge der Einführung des Fonds im Jahr 2008 erneut deutlich anheben müssten. 2008 stehen in Bayern Landtagswahlen an. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die neue Bürokratie Probleme verursache und für Chaos beim Beitragseinzug sorge, habe Stoiber geltend gemacht.

Nach bisherigem Zeitplan sei die Gefahr zu groß, vom sozialdemokratisch dominierten Gesundheitsministerium über den Tisch gezogen zu werden, hieß es aus Länderkreisen. Bei der SPD nahm man dies mit säuerlicher Miene zur Kenntnis. Bei den jüngsten Sitzungen der gesundheitspolitischen Arbeitsgruppe habe es offene Kritik an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben. Sie habe offenbar nicht genügend Rückendeckung in der eigenen Partei, um den Wünschen der Unionsländer den nötigen Widerstand entgegenzusetzen.

SPD-Fraktionschef Peter Struck soll Merkel vorsorglich von einem Machtwort abgeraten haben. "So funktioniert Politik in einer Koalition nicht", sagte er der "Bild"-Zeitung . "Es geht darum, in komplizierten Fragen einen Kompromiss zu finden - mit Machtworten geht das nicht."

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Auch Pläne zur Unternehmensteuer- und Erbschaftsteuerreform unter heftigem Beschuss

Im Ergebnis gefährdeten die Länder damit eine saubere Umsetzung des Gesundheitsfonds und damit den gesamten Finanzierungsteil der Reform, heißt es in der SPD. Falle aber der Fonds, seien auch die Tage von Ulla Schmidt und Angela Merkel gezählt. "Es sieht so aus, als wäre genau dies das Ziel einiger Unions-Regierungschefs", so ein Mitglied der Arbeitsgruppe.

Die Gesundheitsministerin Schleswig-Holsteins, Gitta Trauernicht (SPD), fürchtet, dass der Gesundheitsfonds in ihrer Fraktion an Zustimmung verliert. "Die Glaubwürdigkeit des Fonds hängt von einer stärkeren Steuerfinanzierung ab. Zumindest sollte der Zuschuss in der bisherigen Höhe von 4,2 Mrd. Euro erhalten bleiben", sagte sie.

Der Streit um den Fonds lässt inzwischen auch die übrigen Teile der Reform zu Unrecht in einem schlechten Licht erscheinen, findet der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er warnte davor, das Projekt schlechtzureden. "Das in der Öffentlichkeit entstandene Bild der Reform ist zu stark bestimmt durch ihren schwächsten Punkt - den missglückten Gesundheitsfonds", sagte Lauterbach der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Wenn der Fonds zurückgenommen oder abgeschwächt würde, könne man "aus dieser Reform noch ein schönes und feines Werkstück machen".

Aber auch in der SPD-Führung gibt es Forderungen nach einem komplett neuen Konzept. Während die Berliner Parteispitze an der grundsätzlichen Vereinbarung mit der Union festhalten will, verlangen SPD-Landesvorsitzende, die Eckpunkte zu verwerfen.

Bei der Steuerpolitik steckt die SPD in einem Dilemma

Neben der Gesundheitsreform stehen auch die Pläne zur Unternehmensteuerreform und zur Erbschaftsteuerreform unter heftigem Beschuss. Noch ist Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nicht klar, wie er eine Mehrheit für seine wichtigsten Reformprojekte gewinnen soll. Joachim Poß, der einflussreiche Fraktionsvize der SPD, will sich jedenfalls nicht unter Zeitdruck setzen lassen, damit die Erbschaftsteuerreform, wie im Koalitionsausschuss vergangenen Mittwoch vereinbart, pünktlich Anfang nächsten Jahres in Kraft treten kann.

"Die Vorschläge müssen noch alle sorgfältig geprüft werden", sagte Poß dem Handelsblatt. Bei der Steuerpolitik steckt die SPD in einem fast unlösbaren Dilemma. "Es ist einfach schwer zu vermitteln, dass wir auf der einen Seite die Mehrwertsteuer erhöhen wollen und die Energiepreise steigen und gleichzeitig die Unternehmen und Erbschaften entlastet werden sollen", sagte Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD. Für solche Reformen, auch wenn sie absolut notwendig sind, gebe es bisher wenig Verständnis.

chinaman - Sonntag, 19. November 2006 - 11:01
HANDELSBLATT, Samstag, 18. November 2006, 22:23 Uhr


Gesundheitsreform


Schmidt heizt die Debatte wieder an


Das Gezerre um die Gesundheitsreform geht weiter. Eine Abstimmung im Bundestag noch vor Weihnachten ist nach Angaben von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht mehr drin.


HB BERLIN. „Das werden wir nicht schaffen“, sagte sie in einem vorab verbreiteten Interview der „Wirtschaftswoche“. Die SPD-Politikerin kündigte zudem Änderungen an den Plänen an. Einige Punkte müsse man sich noch einmal vornehmen. So müssten etwa „praktikable Regelungen für den Fall entwickelt werden, dass eine Kasse in die Insolvenz geht“, erklärte Schmidt. Die Ministerin regte dazu eine Übergangzszeit von mindestens zehn Jahren an. Kein Entgegenkommen zeigte sie hinsichtlich der Unionsforderung, die vorgesehenen Änderungen bei der privaten Krankenversicherung um ein Jahr auf 2009 zu verschieben. „Dafür gibt es keine sachlichen Gründe. Daran wird nicht gerüttelt.“

Schmidt warnte zudem die Gesundheitsverbände davor, sich Hoffnungen auf eine Aufweichung der Reformpläne zu machen. Dies werde ihnen auch trotz der geplanten weiteren Expertenanhörung kommende Woche im Kanzleramt nicht gelingen. „Die Verbände glauben, wenn sie mit der Kanzlerin sprechen, würde sich noch Entscheidendes an der Reform ändern.“ Dies sei jedoch eine Fehleinschätzung. „An der Grundausrichtung der Reform wird sich nichts ändern.“

Insgesamt sei die Gesundheitsreform nur ein „Zwischenschritt“ auf dem Weg zu einer Bürgerversicherung, sagte Schmidt auf der Bundeskonferenz der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) in Berlin. Die SPD werde dieses von ihr favorisierte Konzept zu einem Schwerpunkt im Bundestagswahlkampf 2009 machen. „Für die Sozialdemokraten ist es selbstverständlich, dass wir dieses Ziel weiter verfolgen.“

Nach Schmidts Überzeugung wird auch der mit der Union vereinbarte Gesundheitsfonds den Weg in eine allgemeine Volksversicherung beschleunigen, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen müssen. Sie verwies darauf, dass die privaten Krankenversicherungen schon mit dem neuen Gesetz erstmals verpflichtet würden, Rentner, Arbeitslosengeld-II-Empfänger oder psychisch Kranke zu einem Basistarif als Mitglieder aufzunehmen. Dies zeige, welches „Entwicklungspotenzial“ die jetzige Reform für die eigentlichen SPD- Pläne habe.

Diskussionsbedarf sehen auch Gesundheitspolitiker in CDU und CSU. Sie wollen nach Angaben aus Unionskreisen weiter darauf drängen, dass der Start für den neuen Basistarif bei der privaten Krankenversicherung und die leichtere Mitnahme von Altersrückstellungen auf das Jahr 2009 verschoben wird. Die Kassen bräuchten Zeit, um sich auf die Änderungen vorzubereiten. Zudem müsse Missbrauch ausgeschlossen werden. Die jetzt geplante Regelung gebe jungen Menschen die Möglichkeit, sich aus der Krankenversicherung abzumelden und dann im Alter oder bei Krankheit wieder in den Basistarif zurückzukehren. „Vorteils-Hopping“ dürfe es nicht geben, sagte ein Vertreter der Union der Agentur Reuters. Auch über die geplante Hauptamtlichkeit des gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Kassen wolle die Union nochmals sprechen.

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Lauterbach rechnet mit wesentlichen Änderungen

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erwartet zahlreiche und wesentliche Änderungen an der Gesundheitsreform durch die parlamentarischen Beratungen und setzt dabei auf eine Verschiebung des Gesundheitsfonds über 2009 hinaus. In einem Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ betonte der Gesundheitsökonom, selbst in der Union habe der Fonds kaum noch Freunde.

Allerdings gehe es in dieser Frage gar nicht mehr um die Sache, „sondern um den Gesichtsverlust der großen Koalition bei Verzicht auf den Fonds“. Er hoffe deshalb auf eine weitere zeitliche Verschiebung, „so dass wir den Fonds in zwei Jahren noch einmal diskutieren können“. Außerdem will Lauterbach erreichen, dass Ärzte künftig dieselben Honorare für die Behandlung von privat und gesetzlich Versicherten erhalten. Höhere Honorare - wie es sie heute für Privatpatienten gibt - machten allein dann Sinn, wenn sie abhängig seien von der Schwere der Erkrankung und dem damit verbundenen höheren medizinischen und zeitlichen Aufwand des Arztes.

Die SPD-Partei- und Fraktionsvize Elke Ferner erwartet ebenfalls noch Änderungen an der Gesundheitsreform bei den parlamentarischen Beratungen. Die SPD setze vor allem darauf, einen Grundlohnausgleich bei der geplanten Zusatzleistung der Versicherten zu erreichen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Union dies bislang ablehne.

Vergangene Woche war eine 26-stündige Expertenanhörung im Bundestag zu Ende gegangen, bei der von Sachverständigen viel Kritik an den Plänen der Koalition geäußert worden war. Nach der Anhörung waren erstmals Stimmen in der Koalition laut geworden, wonach der Zeitplan möglicherweise nicht eingehalten werden kann. Schmidt unterstrich, auch die auf Druck einzelner Unionsländer in den Gesetzentwurf aufgenommene Konvergenzklausel werde bleiben. Der Passus soll dafür sorgen, dass die Krankenkassen einzelner Bundesländer durch den neuen Finanzausgleich mit maximal 100 Millionen Euro pro Jahr belastet werden. Die Reform sollte eigentlich bis Ende des Jahres vom Parlament verabschiedet werden und am 1. April in Kraft treten. Zentrale Elemente wie der neue Gesundheitsfonds oder der Kassen-Finanzausgleich sollen aber erst 2009 starten.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Pflegeversicherung als Bürgerversicherung

Auch Pflegeversicherung als Bürgerversicherung

Bei der für kommendes Jahr geplanten Reform der Pflegeversicherung geht die Gesundheitsministerin auf Konfrontationskurs zur Union. Sie halte überhaupt nichts von der von CDU und CSU geforderten Kopfpauschale von sechs Euro monatlich, die jährlich um einen Euro steigen solle, sagte sie der „Wirtschaftswoche“ laut Vorabbericht. Die SPD-Politikerin sprach sich dafür aus, die Pflegeversicherung in eine Bürgerversicherung umzuwandeln. „Alle, egal ob privat oder gesetzlich versichert, zahlen ihren einkommensabhängigen Beitrag in einen Topf ein. Und der soziale Ausgleich findet innerhalb dieses großen Rahmens, also der gesamten Bevölkerung, statt“, erläuterte Schmidt ihr Konzept.

Wie bei der Gesundheitsreform droht der Koalition damit bei der Pflegeversicherung eine heftige Auseinandersetzung. Auch hier standen sich die von der Union favorisierte Gesundheitsprämie und das Modell einer Bürgerversicherung der SPD gegenüber. Die kontären Positionen hatten eine Einigung lange blockiert und das Regierungsbündnis in eine schwere Krise gestürzt. Der nun gefundene Kompromiss stößt bei allen großen Gesundheitsverbänden und der Opposition auf scharfe Ablehnung. Auch innerhalb der Koalition gibt es eine Reihe von Kritikern.

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Gesetzliche Krankenversicherung: Archivierte Beiträge bis 19. November 2006