Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: US-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 18. Oktober 2006
chinaman - Donnerstag, 3. August 2006 - 09:12
Zinspolitik
Brüchiges Fundament
Die Zinsdifferenz zwischen Europa und den USA wird kleiner. Globale Ungleichgewichte kommen wieder auf die Agenda.
Von Martin Dowideit und Anja Struve

New York/Frankfurt - Es ist eine Premiere: Erstmals seit seiner Gründung im Jahr 1999 wird der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) im Sommerferienmonat August im Frankfurter Eurotower zusammenkommen, um über die Leitzinsen zu beschließen. Eine Erhöhung an diesem Donnerstag gilt als ausgemachte Sache, weitere dürften folgen. Wenige Tage später wird die US-Notenbank ihre Entscheidung fällen. Ein Zinsstopp gilt nach 17 Anhebungen hintereinander als wahrscheinlich. Es wäre das Ende des jahrelangen monetären Gleichlaufs der beiden wichtigsten Notenbanken der Welt.

Ein Szenario mit Folgen. Denn ein Ende der steigenden Leitzinsen in Amerika - bei gleichzeitig anziehenden Renditen für Investitionen in Euro, Yen und Pfund - könnte dazu führen, dass der Dollar in den Augen von Investoren an Attraktivität verliert. Damit geriete eine lange verdrängte Sorge wieder in den Blick: Die Angst vor den globalen Ungleichgewichten. "Sobald der Dollar Schwäche zeigt, drängt dieses Problem wieder nach vorn. Genau das könnte mit dem Abschluss des US-Zinserhöhungszyklus nun passieren", sagt Stratege Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank.

Nach wie vor verlässt sich die Weltwirtschaft auf ein äußerst fragiles Fundament: Auf der einen Seite stehen die USA, die dank der Ausgabefreude ihrer Konsumenten immer noch als wichtigster Konjunkturmotor für die Weltwirtschaft funktionieren. Beflügelt von den lange Zeit extrem günstigen Kreditkonditionen und einem in der Folge haussierenden Immobilienmarkt, leben die US-Verbraucher seit Jahren über ihre Verhältnisse und sind hoch verschuldet.

Weil Amerika so gern billig im Ausland einkauft, importiert es wesentlich mehr, als es ausführt. Die Folge ist ein Leistungsbilanzdefizit, das nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr auf 864 Mrd. Dollar oder 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen könnte. So viel erwirtschaften die Niederlande und Österreich in einem Jahr gemeinsam. Für langfristig tragbar halten Ökonomen gerade einmal die Hälfte dieses Werts.

Um das Defizit zu finanzieren, muss sich Amerika täglich mehr als zwei Mrd. Dollar vom Ausland leihen. Das funktioniert bisher vor allem deshalb so gut, weil die rasant wachsenden Schwellenländer Asiens von der hohen Nachfrage nach billigen Exportgütern profitieren. Bisher sind sie nur zu gern bereit, das erwirtschaftete Geld zu günstigen Konditionen wieder zu verleihen und mit Hilfe von Dollarkäufen die eigenen Währungen künstlich niedrig und den Kreislauf in Gang zu halten.

Doch wie lange noch?

"Niemand kann sagen, wann es zu einer Krise kommt", warnt Peter Kenen, leitender Ökonom des Council on Foreign Relations im Gespräch mit der WELT (siehe Interview). "Aber es ist klar, dass das Ungleichgewicht nicht nachhaltig existieren kann. Irgendwann wird es Druck auf den Dollar geben."

Einer, der sich über die Furcht vor einem Dollar-Absturz freut, ist Fondsmanager Axel Merk. Er verkauft einen Fonds, der vor einer fallenden US-Währung schützt. In diesem Jahr hat sich das Anlegervolumen auf 36 Mio. Dollar versechsfacht. "Bricht die Krise aus, bin ich wohl einer der wenigen, der davon profitiert", meint er.

Das Risiko besteht unter anderem darin, dass die Zentralbanken Asiens und der Erdöl exportierenden Länder das Interesse am Greenback verlieren und ihr Geld in andere Währungen umschichten könnten. IWF-Berechnungen zufolge sind über 66 Prozent der weltweiten Währungsreserven in Dollar angelegt. China könnte 2006 mit einer Billion Dollar zum Reserveweltmeister aufsteigen.

Allerdings warnen Ökonomen vor Panikmache: "Es wird viele Jahre dauern, bis diese Länder ihre Dollarreserven auch nur um ein paar Prozentpunkte reduziert haben", sagt Michael Klawitter von Dresdner Kleinwort. Statt Dollar zu verkaufen und damit einen auch für sie schädlichen Kursrutsch zu riskieren, dürften Asiens Notenbanken allenfalls beim Aufbau neuer Reserven verstärkt andere Währungen ins Depot nehmen.

Erschwert werden könnte der hohe Finanzierungsbedarf der USA künftig aber auch dadurch, daß die Zentralbanken rund um den Globus einen restriktiven Kurs eingeschlagen haben. Die üppige globale Liquidität, die die Weltwirtschaft seit 2001 in eine Art Ausnahmezustand versetzt hat, wird so abgeschöpft. "Mit der sinkenden globalen Liquidität dürften auch die Kapitalzuflüsse in die USA geringer werden", so Stephen Gallagher von Société Générale.

Einig sind sich die meisten Experten darin, dass ein fallender Dollar allein nicht reichen würde, um die Ungleichgewichte aus der Welt zu schaffen. Erst wenn China seine Währung Renminbi deutlich aufwerte, Europa seine Defizite abbaue und Amerika mehr spare, sei das Problem in den Griff zu kriegen, meint Ökonom Kenen.

Der neue US-Finanzminister Hank Paulson übt nun Druck auf China aus: "Die Chinesen müssen bei ihrer Währung mehr Flexibilität zeigen, daran gibt es keinen Zweifel." Eine Schlüsselrolle kommt auch den Verbrauchern zu: "Ein sinkender US-Konsum und damit ein schrumpfendes Importwachstum sind notwendig, um die Leistungsbilanzdefizite und Überschüsse in den unterschiedlichsten Regionen der Welt wieder ins Lot zu bringen", so Gallagher.

Idealerweise würde die sinkende Nachfrage aus Amerika durch steigendes Wachstum in anderen Teilen der Welt wieder wettgemacht. In der Folge würde der Dollar abwerten, ohne dass es zu einem für die Weltwirtschaft schädlichen Crash käme. Doch damit diese Ideallösung funktioniert, müssten die großen Währungsblöcke das Problem gemeinsam angehen. Danach sieht es allerdings nicht aus: So scheiterten vor zwei Wochen wichtige Welthandelsgespräche, weil sich die Interessen von Amerika, Europa und den Schwellenländern nicht unter einen Hut bringen ließen. Und auch die Erwartungen an das IWF-Treffen im September, wo der Fonds ein Konzept zur Lösung vorlegen will, sind gering. "Ich bin da extrem skeptisch", sagt Adam Posen vom US-Think-Tank Institute for International Economics (IIE). "Wer glaubt schon daran, dass die amerikanische und die chinesische Regierung ihre Politik ändern, weil der IWF sie bittet?"

Trotzdem ist der Ökonom, wie so viele seiner Zunft, auf mittlere Sicht zuversichtlich für den Dollar: "Solange nichts Fundamentales passiert, was das Vertrauen in den Greenback nachhaltig erschüttert, können die Ungleichgewichte fortbestehen. Es gibt dann keinen Grund, sie auszutarieren."

Artikel erschienen am Do, 3. August 2006

© WELT.de 1995 - 2006

stw - Donnerstag, 3. August 2006 - 10:15
Sehr guter Artikel, nicht die übliche Panikmache...

:-) stw

chinaman - Montag, 28. August 2006 - 16:31
Meines Erachtens ein guter Artikel zur US Konjunktur und deren Risiken. Für den der Englisch kann, ist auch der Querverweis auf www.businesscycle.com interessant


Gruß
Chinaman


http://www.goldseiten.de/content/diverses/artikel.php?storyid=3097

prof - Montag, 28. August 2006 - 17:14
Die Geschichte mit der ersten Dekade eines Jahrhunderts (Vergleich mit 1800 und 1900) ist mir dann doch etwas weit hergeholt.
Auch der Rückschlag bei den Baugenehmigungen ist nicht so gravierend: "Wait And See"!
Prof

chinaman - Montag, 28. August 2006 - 20:06
Die Hauptgefahr für die US Konjunktur droht für mich ziemlich eindeutig vom Häusermarkt. Ich würde das nicht unterschätzen ...


Gruß
Chinaman

prof - Montag, 28. August 2006 - 21:06
Da hast du zweifellos recht, nur sind die Häuserpreise halt immer noch relativ stabil. Sollte es zum Immobilien-Crash kommen, dann sieht´s für den Konsum da drüben schlecht aus.
Prof

chinaman - Dienstag, 29. August 2006 - 07:06
Meines Erachtens wird der Konsum in den USA selbst bei noch relativ stabilen Häuserpreisen leiden ... Warum ??? Nisher wurden die Wertsteigerungen der Häuser doch häufig in höhere Hypotheken umgesetzt. Das "frische" Geld wurde dann "verkonsumiert". Gibt es nun kein frisches Geld mehr, müßte es beim Konsum fehlen. Zerfallen die Preise, dann werden die betreffenden Amis gegrillt !


Gruß
Chinaman

bolsa_guru - Dienstag, 29. August 2006 - 11:45
Hmm, sicherlich kann der Konsum zurückgehen... aber habt Ihr Euch auch mal gefragt, wer denn so der Konsument in den USA ist. Die wichtigsten Konsumenten kommen doch eher aus der "Upper Class" und denen geht es nach wie vor gut bis sehr gut...
Daher glaube ich nicht, dass der Konsum allzu stark wegbrechen wird...

chinaman - Dienstag, 29. August 2006 - 12:20
@ bolsa guru: Erst einmal herzlich willkommen. Bolsa, steht das für den mexikanischen Leitindex ? Dann hätten wir ja einen neuen Emergin Markets Fan an Bord ...

Meines Wissens nach macht der US Konsum ungefähr einen Anteil von 70 % am amerikanischen BIP aus ... Das kann doch wohl kaum alles von der "Upper Class" kommen, oder ???


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 30. August 2006 - 14:02
US-Verbrauchervertrauen im August auf Neun-Monatstief gesunken

Di Aug 29, 2006 5:39 MESZ


New York (Reuters) - Das Vertrauen der US-Verbraucher in die Wirtschaft ihres Landes ist im August überraschend auf den tiefsten Stand seit einem Dreivierteljahr gesunken.

Der Index des Verbrauchervertrauens verringerte sich auf 99,6 Zähler, wie das Forschungsinstitut Conference Board am Dienstag mitteilte. Das ist der niedrigste Stand seit November 2005. Analysten hatten im Schnitt mit einem Rückgang auf 103,0 Punkte gerechnet. Als Grund nannte das Institut Sorgen der Verbraucher über die Lage am Arbeitsmarkt sowie über die Konjunkturentwicklung. Diese Sorgen überschatteten die jüngst von der US-Notenbank (Fed) eingelegten Pause in ihrem Zinserhöhungszyklus, hieß es. Für Juli wurde der Stand des Stimmungsbarometers auf 107,0 Punkte nach oben revidiert von zunächst 106,5.

Der Erwartungs-Index sank auf 83,8 von revidiert 88,9 Zählern. Der Index der gegenwärtigen Lage verringerte sich auf 123,4 von revidiert 134,2 Punkten im Juli. Die Stimmung der Verbraucher gilt als zentraler Indikator für die Konsumausgaben, die rund zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung ausmachen.

Die US-Aktienmärkte reagierten mit Kursabschlägen auf die Daten.

chinaman - Donnerstag, 31. August 2006 - 09:50
Fed: Zinspause minimiert Risiko zu starker Straffung


Mi Aug 30, 2006 7:15 MESZ


Washington (Reuters) - Die Währungshüter der US-Notenbank Fed haben dem Protokoll ihrer jüngsten Sitzung zufolge den Schlüssel-Zinssatz beibehalten, um Zeit für ein weiteres Beobachten der Konjunkturdaten zu gewinnen.

Auf dieser Grundlage könne über etwaige künftige Zinserhöhungen entschieden werden, hieß es in dem am Dienstag in Washington veröffentlichten Dokument. Die Anleger interpretierten dies als Zeichen, dass die Fed die Zinsen zunächst nicht anhebt: Die Aktienkurse drehten ins Plus, der Dollar fiel.

"Die ganze Wirkung der früheren Zinserhöhungen auf die Wirtschaft und Preise ist wahrscheinlich noch nicht erkannt worden", schrieben die Währungshüter. Sie hätten eine Pause für angebracht gehalten, um die Risiken einer zu starken Straffung der Geldpolitik zu begrenzen.

Der für die Geldpolitik zuständige Offenmarktausschusses der Fed (FOMC) hatte bei seiner Sitzung am 8. August nach 17 Zinserhöhungen in Folge den Schlüsselzinssatz unverändert bei 5,25 Prozent belassen. Nur der Präsident der Fed in Richmond, Jeffrey Lacker, sprach sich dem Protokoll zufolge für eine weitere Anhebung des Zinssatzes um einen Viertel Prozentpunkt aus - für die Investoren ein Hinweis, dass sich der Trend zu einer weiteren Pause bei Zinserhöhungen fortsetzen könnte. "Die Erwartung war, dass das Protokoll mehr Meinungsverschiedenheiten unter den Währungshütern zeigt, als es tatsächlich der Fall war", sagte Analystin Jane Caron von Dwight Asset Management.

Diese Interpretation teilten offenbar viele Aktienhändler: Der Dow-Jones-Index der Standardwerte an der New York Stock Exchange legte nach anfänglichen Verlusten gegenüber dem Schlusskurs vom Montag um 0,14 Prozent zu. Der Euro stieg zum Dollar auf 1,2826 Dollar von 1,2778 Dollar am

chinaman - Montag, 18. September 2006 - 12:28
SPIEGEL ONLINE - 17. September 2006, 08:14
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,437160,00.html


Niedergang der USA


Das Kraftzentrum schwächelt


Von Gabor Steingart


Wer die Vereinigten Staaten zu Beginn des 21. Jahrhunderts betrachtet, sieht noch immer eine Weltmacht. Aber es ist eine Weltmacht, die von außen Konkurrenz und im Innern Schwierigkeiten bekommen hat. Die Unter- und Mittelschicht werden zu Verlierern der Globalisierung.

Die Stärken der USA sind heute auch ihre Schwächen, weshalb es lohnt, sie genauer zu betrachten. Im Wesentlichen sind es drei Erfolgsfaktoren, die man in dieser Mischung nur zwischen Boston und Los Angeles vorfindet. Es handelt sich um drei Exklusivitäten, deren gleichzeitiges Auftreten den bisherigen Weltruhm der Vereinigten Staaten begründete.


Erstens: Optimismus und Wagemut in dieser hohen Konzentration findet man nirgendwo sonst. Amerika ist das Land, das am stärksten dem Neuen zustrebt, nicht erst seit gestern (wie die Osteuropäer) und nicht erst seit drei Jahrzehnten (wie die Chinesen), sondern vom ersten Tag der Besiedlung an. Neugier ohne Beklommenheit ist offenbar im Gencode dieser Nation abgespeichert.

Der bis heute anhaltende Zustrom von Leistungswilligen und Abenteuerlustigen, der mithalf, allein seit 1980 das Heer der Beschäftigten um knapp 44 Millionen Menschen aufzustocken, sorgt für eine ständige Auffrischung der Ressource Wagemut. Es ist eben nicht der Zuwachs an Menschen allein. Der Zuwachs von 17 Millionen verunsicherten Menschen, die sich auf die Wahrung ihrer verbrieften Rechte konzentrieren und nicht auf eine außerordentliche Kraftanstrengung, bewirkt das Gegenteil, wie das wiedervereinte Deutschland erfahren musste.

Zweitens: Die USA sind radikal global. Schon ihre Entstehungsgeschichte, als sich die Aufmüpfigen aller Länder auf dem Boden der heutigen Vereinigten Staaten vereinigten, weist sie als Weltenkinder aus. Helmut Schmidt nennt die Gründer Amerikas eine "Elite der Vitalität", die bis heute ihre Gene weitervererbt habe. Ihre Sprache dominiert, hat das Spanische und das Französische bereits in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts verdrängt. Ihre Alltagskultur, vom T-Shirt über den Rock 'n' Roll bis zur E-Mail, hat die halbe Welt auf friedliche Weise kolonialisiert. Von Beginn an drängten auch die Konzerne in andere Länder, um Handel zu treiben und Produktionsstätten zu errichten. Die multinationalen Konzerne waren keine amerikanische Erfindung, aber sie wurden ihre Spezialität.

Drittens: Die USA sind die einzige Nation der Erde, die weltweit Geschäfte in eigener Währung abwickeln kann. Der Dollar wurde das Zahlungsmittel der Welt. Wer ihn besitzen will, muss ihn in den Vereinigten Staaten einkaufen. Alle wichtigen Entscheidungen über die Menge des umlaufenden Bargelds oder die Höhe der Leitzinsen werden innerhalb der Landesgrenze getroffen, was ein Höchstmaß an nationaler Selbstständigkeit garantiert. In den Adern der Weltwirtschaft pulsiert amerikanisches Blut. Nahezu jedes zweite Geschäft wird in Dollar abgewickelt, zwei Drittel aller Währungsreserven halten die Staaten in Dollar. Schon der französische Nachkriegspräsident de Gaulle bewunderte dieses "exorbitante Privileg".

Einladung zur Kraftprobe

Nun zur Kehrseite der Medaille. Erstens: Die Bürger der USA sind derart optimistisch, dass die Grenze zur Naivität fließend verläuft. Die Verschuldung von Staat, Firmen und Privathaushalten übersteigt alle bisherigen Dimensionen. Im Gottvertrauen auf eine Zukunft, die rosiger aussieht als die Gegenwart, genehmigen sich Millionen von Haushalten einen Vorschuss, der so hoch ausfällt, dass er das Erreichen eben dieser Zukunft gefährdet. Die Unter- und Mittelschicht haben das Sparen praktisch eingestellt. Sie leben zu Beginn des 21. Jahrhunderts wie eine afrikanische Großfamilie von der Hand in den Mund, ohne jede finanzielle Vorratshaltung.

Zweitens: Die Globalisierung schlägt zurück. Die USA haben den weltweiten Warenaustausch wie keine andere Nation vorangetrieben, mit dem Ergebnis, dass eine Erosion ihrer angestammten Industrie eingesetzt hat. Einige Produktionszweige, vorneweg die Möbelindustrie, die Unterhaltungselektronik, viele Autozulieferer und neuerdings auch die Computerfertigung, haben das Land für immer verlassen. Der Freihandel nützte in jüngster Zeit vor allem den Angreiferstaaten, die sich von den Weltmarktanteilen der Vereinigten Staaten eine dicke Scheibe abschnitten.

Drittens: Der Dollar macht die USA nicht nur stark, er macht sie auch verwundbar. Die Regierung pumpte ihn derart geschäftstüchtig in alle Welt, das der amerikanische Geldkreislauf heute von außen zum Kollabieren gebracht werden kann - zum Beispiel aus Peking. Bill Clinton sprach von "strategischer Partnerschaft", George Bush bereits von "strategischer Rivalität" gegenüber China. Beide meinten das Gleiche. Es gibt eine Abhängigkeit, die in normalen Zeiten zur Zusammenarbeit verpflichtet. Wenn die Zeiten andere sind, lädt sie auch zur Kraftprobe ein.

Vom Wohlstand entkoppelt

Wer die Vereinigten Staaten zu Beginn des 21. Jahrhunderts betrachtet, sieht noch immer eine Weltmacht. Aber es ist eine Weltmacht, die von außen Konkurrenz und im Innern Schwierigkeiten bekommen hat. Die Rückkoppelungen der Globalisierung sind gerade für die weltoffene US-Wirtschaft derart heftig, dass weite Teile der amerikanischen Arbeiterschaft mittlerweile mit dem Rücken zur Wand stehen.

Der Aufstieg der Asiaten führte bisher nur zum relativen Abstieg der amerikanischen Volkswirtschaft. Aber für viele Arbeiter und Angestellte der Unter- und Mittelschicht ist dieser Abstieg bereits ein absoluter, denn sie besitzen von allem weniger als zuvor; weniger Geld, weniger Ansehen und auch die Chancen auf einen gesellschaftlichen Wiederaufstieg haben sich für sie enorm verschlechtert. Im Weltkrieg um Wohlstand sind sie die Verlierer. Das ist ihr Schicksal, aber nicht ihre Schuld. Und mitnichten ist es ihre Privatangelegenheit. Jede Nation, erst recht aber eine Gesellschaft, die das Streben nach Glück in den Rang eines Grundrechts erhob, muss sich unbequeme Fragen stellen lassen, wenn ein immer größer werdender Teil ihrer Einwohner vom allgemeinen Wohlstand der Nation entkoppelt wird.

Der US-Kongress berief am 28. Oktober 1998 eine hochkarätig besetzte Kommission, um die Auswirkungen des Handelsbilanzdefizits und das Sterben der Industriearbeit zu untersuchen. Donald Rumsfeld, der heutige Verteidigungsminister, Robert Zoellick, der damalige Handelsbeauftragte, Anne Krueger, die Nummer zwei des Weltwährungsfonds, und MIT-Professor Lester Thurow verschafften sich im Präsidentenauftrag ein Bild der Lage.

Bis zum Ende der siebziger Jahre, so das Ergebnis des Komissionsberichts, war die Welt der Amerikaner in Ordnung. In den ersten drei Jahrzehnten nach Kriegsende wuchsen die Familieneinkommen in allen Bevölkerungsschichten nahezu gleich schnell, mit leichtem Vorteil für die Einkommen der Armen. Das unterste Fünftel der US-Gesellschaft legte um 120 Prozent zu, das zweite Fünftel um 101 Prozent, das dritte Fünftel um 107 Prozent, das vierte Fünftel um 114 Prozent und das letzte Fünftel wuchs nur um 94 Prozent. Das war der in Zahlen gegossene amerikanische Traum.

Dann aber drehte sich der Trend, nicht nur in den USA. Japan war erwacht, die weltweiten Handelsströme änderten ihre Laufrichtung. Die Kapitalisten lösten sich von der heimatlichen Scholle und suchten nun auf eigene Faust nach geeigneten Anlageorten. Die ausländischen Direktinvestitionen, die bis dahin mehr oder minder im Gleichklang mit den Exporten gewachsen waren, schossen nach oben.

Bis dahin dienten die Investitionen im Ausland fast ausschließlich der Exportförderung deutscher, amerikanischer oder französischer Waren, nun aber begann die Verlagerung der Fabriken, vor allem um Kosten zu sparen. Für den Weltmarkt wurde zunehmend weltweit produziert, was zu einer Neuverteilung von Kapital und Arbeit führte. Die globale Produktion wuchs zwischen 1985 und 1995 um gut 100 Prozent. Die im Ausland getätigten Direktinvestitionen aber legten im gleichen Zeitraum um 400 Prozent zu. Mit dieser Wanderung des Produktionsfaktors Kapital begann auch der Produktionsfaktor Arbeit, unruhig zu werden.

Filialen in aller Herren Länder

Die neuen Jobs entstanden anderswo, was nicht ohne Rückwirkungen auf die Familieneinkommen in den Vereinigten Staaten blieb. Innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte schrumpfte das Einkommen im untersten Fünftel um 1,4 Prozent, das zweite Fünftel legte immerhin noch um 6,2 Prozent zu, das dritte Fünftel wuchs um 11,1 Prozent, das vierte Fünftel um 19 Prozent, die Spitze der Pyramide, wo die Antreiber, die Vordenker und bedeutendsten Profiteure der Globalisierung zu Hause sind, erzielte Einkommenszuwächse von 42 Prozent.

Der Unterschied zur Glanzzeit der amerikanischen Volkswirtschaft, als das Land Wohlstand für fast alle produzierte, ist auch auf den Armaturen der Volkswirtschaft präzise ablesbar: Bis in die siebziger Jahre hinein glühte der produktive Kern des Landes derart intensiv, das er in alle Welt ausstrahlte. Die USA lieferten Dollar und Waren überallhin. Die Kernenergie des amerikanischen Imperiums half beim Wiederaufbau des kriegszerstörten Europa und in Japan. Die Vereinigten Staaten waren für vier Jahrzehnte der größte Netto-Exporteur und der größte Kreditverleiher der Welt. Alles lief so, wie es in den Lehrbüchern geschrieben steht: Die reichste Nation der Welt pumpte Geld und Waren in die ärmeren Staaten. Die USA entnahmen aus ihrem eigenen produktiven Kern jene Energie, mit der sie andere Länder zum Glühen oder doch wenigstens zum Glimmen brachten. Sie waren das unumstrittene Kraftzentrum der Welt, von dem aus die Energieströme sich in alle Richtungen verteilten.

Auch ohne Militäreinsatz war das US-Kapital überall beheimatet. Viele haben es als Segen und manche als Fluch empfunden, in jedem Fall war es für Amerika ein erträgliches Geschäft: Auf dem Höhepunkt ihrer ökonomischen Macht hielt die westliche Führungsnation im Ausland eine Nettovermögensposition in Höhe von dreizehn Prozent ihres Sozialprodukts. Oder anders ausgedrückt: Der produktive Kern des Landes hatte sich so enorm vergrößert, dass er nun Filialen in aller Herren Länder besaß.

Was übrig blieb

Diese über jeden Zweifel erhabenen USA gibt es nicht mehr. Das Kraftzentrum ist noch immer kräftiger als andere, aber die Energie fließt seit einigen Jahren in die umgekehrte Richtung. Heute wird der produktive Kern Nordamerikas von Asiaten, Lateinamerikanern und Europäern mitversorgt. Der größte Exporteur wurde zum größten Importeur der Welt. Der wichtigste Kreditgeber verwandelte sich in den bedeutendsten Kreditnehmer. Heute sind es die Ausländer, die in den Vereinigten Staaten eine Nettovermögensposition in Höhe von 2,5 Billionen Dollar oder 21 Prozent des amerikanischen Inlandsprodukts halten. Neun Prozent aller Aktien, 17 Prozent der Industrieschuldverschreibungen und 24 Prozent der Staatsanleihen werden von Ausländern gehalten.

Die Ursache dieser neuen Wirklichkeit ist weder die Faulheit der Amerikaner noch ihre unbestrittene Konsumlust. Verantwortlich ist die US-Industrie, beziehungsweise das wenige, was davon übrig blieb: Sie hat sich innerhalb nur weniger Jahrzehnte halbiert. Zum Inlandsprodukt trägt sie nur noch 17 Prozent bei, derweil es in Europa 26 Prozent sind.

Alle relevanten Volkswirtschaften der Welt liefern heute Waren in die USA, ohne in gleichem Umfang dort einzukaufen. Im Handel mit China betrug das Defizit 2005 rund 200 Milliarden Dollar, im Handel mit Japan waren es gut 80 Milliarden Dollar, mit Europa über 120 Milliarden Dollar. Selbst in den Handelsbeziehungen mit weniger entwickelten Volkswirtschaften wie der Ukraine und Russland kann Amerika keine Handelsüberschüsse mehr erzielen. Jeden Tag werden in den Vereinigten Staaten Schiffsladungen gelöscht, denen keine Handelsware aus US-Produktion mehr gegenübersteht. Viele Containerschiffe fahren leer zurück.

Wer nach Entlastungsmaterial zugunsten der Supermacht sucht, wird zumindest in der Handelsbilanz nicht fündig. Es sind eben nicht Rohstoffe und irgendwelche importierten Zulieferteile, die für das vergrößerte Ungleichgewicht sorgen. Die Position für die Ölimporte beispielsweise fällt mit rund 160 Milliarden Dollar nicht so stark ins Gewicht, wie viele glauben. Es sind die Spitzenprodukte einer entwickelten Volkswirtschaft - Autos, Computer, Fernseher, Spielekonsolen -, die von überall her bezogen werden, ohne dass die eigene Herstellung in gleichem Umfang auf dem Weltmarkt loszuschlagen ist.

chinaman - Mittwoch, 20. September 2006 - 05:12
Handelsblatt Nr. 180 vom 18.09.06 Seite 33


Wall Street glaubt an Zinspause

Eine gebremste Inflationsrate werten Finanzmarktexperten als Indiz für unveränderte Leitzinsen in den USA

TORSTEN RIECKE | NEW YORK Nach den moderaten Inflationszahlen im August wird an den Finanzmärkten fest mit unveränderten Leitzinsen in den USA gerechnet. Die Verbraucherpreise waren im vergangenen Monat nur noch halb so schnell gestiegen wie zuvor. "Das bestätigt unsere Einschätzung, dass die Inflation nicht außer Kontrolle geraten ist", sagte Ian Shepherdson, Ökonom bei der Marktforschungsagentur High Frequency Economics in Valhalla/NewYork. Thomas Hoenig, Fed-Präsident in Kansas, bezeichnete den abnehmenden Inflationsdruck als "gute Nachricht". Die US-Wirtschaft spüre immer noch die Wirkungen der vorangegangenen 17 Zinserhöhungen. An den Terminmärkten für Zinskontrakte beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinserhöhung bis zum Jahresende nur noch 19 Prozent.

Die US-Notenbank trifft sich am Mittwoch zu ihrer nächsten Sitzung. Aktuell betragen die Leitzinsen der Federal Reserve (Fed) 5,25 Prozent.

Die jüngsten Konjunkturdaten entsprechend weitgehend der optimistischen Voraussage von Ben Bernanke. Der Fed-Chef prophezeit, dass sich die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte abkühlen wird und damit auch die Preissteigerungen gebremst werden. Die Amerikaner vertrauen dem Notenbanker offenbar. So sind laut einem Bericht der Universität Michigan die Inflationserwartungen für die nächsten zwölf Monate spürbar niedriger. Grund dafür sind auch sinkende Öl- und Benzinpreise.

Allerdings liegt die Kerninflation (ohne Energie- und Lebensmittelpreise) mit 2,4 Prozent immer noch deutlich über dem Toleranzwert der Fed von etwa zwei Prozent. Hinzu kommt, dass die Lohnstückkosten zuletzt kräftig angestiegen sind und Befürchtungen vor einer Lohn-Preis-Spirale geschürt haben. "Eine weitere Zinserhöhung ist nicht ausgeschlossen", warnt David Wyss, Chef-Ökonom bei der Ratingagentur Standard & Poor's in New York.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht die US-Notenbank deshalb weiterhin in einer Zwickmühle. "Obwohl das Wachstumstempo nachlässt, nimmt der Inflationsdruck noch zu", sagte IWF-Chefökonom Raghuram Rajan bei der Herbsttagung seiner Organisation in Singapur. Der IWF rät zu weiteren Zinserhöhungen, um die Inflationserwartungen im Griff zu behalten. Zugleich sieht er jedoch im taumelnden Immobilienmarkt das größte Konjunkturrisiko. Der Abschwung könne die USA bis zu 1,5 Prozent Wachstumspunkte kosten. Wall-Street-Ökonomen sagen für die USA im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent voraus.

Einige Experten rechnen damit, dass die Notenbank bereits im kommenden Frühjahr eine Zinswende einläuten und ihre Zügel wieder lockern wird. "Wir erwarten die erste Zinssenkung im ersten Quartal 2007", sagt Joe LaVorgna, Ökonom bei der Deutschen Bank in New York. Das größte Risiko für die Wirtschaft liege eindeutig auf der Wachstums- und nicht auf der Inflationsseite.

Riecke, Torsten



18. September 2006

chinaman - Sonntag, 24. September 2006 - 09:42
Handelsblatt Nr. 183 vom 21.09.06 Seite 24


US-Notenbank verlängert die Zinspause

Fed balanciert zwischen Wachstums- und Inflationsrisiken

NEW YORK. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat die Leitzinsen erwartungsgemäß bei 5,25 Prozent belassen. In ihrer kaum veränderten Erklärung betonen die Notenbanker, dass der Inflationsdruck zwar abgenommen habe, "einige Risiken" jedoch bestehen bleiben würden. Die Fed behält sich deshalb vor, die Zinszügel notfalls weiter anzuziehen.

Die abwartende Haltung der Notenbank unterstreicht die Einschätzung von Fed-Chef Ben Bernanke, dass sich die amerikanische Wirtschaft an einem konjunkturellen Wendepunkt befindet. Das Wachstum hat sich in den vergangenen Monaten deutlich abgeschwächt. Experten rechnen für 2007 nur noch mit einem Plus von drei Prozent oder weniger. Bernanke setzt darauf, dass die Abkühlung zusammen mit den 17 vorangegangenen Zinserhöhungen der letzten zwei Jahre auch den Inflationsdruck dämpfen wird. Die Kerninflation lag zuletzt mit 2,4 Prozent noch deutlich über der inoffiziellen Toleranzgrenze der Fed von etwa zwei Prozent.

Die Entscheidung der Notenbank fiel nicht einstimmig. Wie bei der vorangegangenen Sitzung im August sprach sich Jeffrey Lacker, Fed-Präsident in Richmond, für eine sofortige Zinserhöhung aus. In ihrer Erklärung schreiben die Notenbanker jetzt, dass die neuerdings sinkenden Energiepreise den Preisauftrieb bremsen würden. Zugleich sprechen sie jedoch nicht mehr nur von einer "graduellen" Schwäche auf dem US-Immobilienmarkt, sondern von einer "Abkühlung". Ein Hinweis darauf, dass die Fed nach den jüngsten negativen Daten vom Häusermarkt den Abschwung im vollen Gange sieht. "Das Wirtschaftswachstum scheint sich weiter abzuschwächen, zum Teil auf Grund des sich abkühlenden Immobilienmarktes", schreibt die Notenbank.

Das weitere Vorgehen von Bernanke & Co. bleibt deshalb ein Balanceakt zwischen Wachstumsrisiken auf der einen und Inflationsgefahren auf der anderen Seite. An den Finanzmärkten überwiegt offenbar die Sorge um das Wachstum. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen liegt mit 4,73 Prozent deutlich unter dem aktuellen Leitzins. Eine derart inverse Zinskurve war in der Vergangenheit nicht nur häufig Vorbote einer Rezession. Die Anleihemärkte signalisieren der Fed, dass sie mit baldigen Zinssenkungen rechnen.

"Ich gehe davon aus, dass sich die Konjunktur in den USA weiter abschwächt und die Notenbank im nächsten Jahr die Zinsen senken wird", sagte Bill Gross, Chef des weltweit größten Anleihehändlers Pimco. An den Terminmärkten für Zinskontrakte ist eine Zinspause bis zum Jahresende fest eingeplant. tor

tor



21. September 2006

chinaman - Donnerstag, 28. September 2006 - 04:31
Handelsblatt Nr. 186 vom 26.09.06 Seite 29


US-Aktien profitieren von der Trendwende bei den Zinsen

Marktbarometer S&P 500 weist das beste dritte Quartal seit 1997 aus - Oracle und Cisco führen Gewinnerliste an

NEW YORK. Fallende Rohstoffpreise und das Ende der Zinserhöhungen verhelfen den Aktien in den Vereinigten Staaten zum besten dritten Quartal seit 1997. Seit Anfang Juli hat der Standard & Poor's 500 Index 3,5 Prozent zugelegt. Vor allem bei Computerwerten greifen Investoren wieder zu.

Der weltweit drittgrößte Softwarekonzern Oracle und der weltgrößte Netzwerkanbieter Cisco Systems führten die Gewinnerliste an und kletterten 21 Prozent beziehungsweise 17 Prozent. Die Aktienkurse der Technologiekonzerne erlebten eine Rally, da "Befürchtungen im Hinblick auf eine deutlich höhere Inflation und eine Rezession zurückgingen", sagt Ed Keon, leitender Aktienmarktstratege bei Prudential Equity Group LLC in New York.

Die Technologieaktien im Standard & Poor's 500 Index haben in den laufenden drei Monaten 6,1 Prozent gewonnen und seit Mitte August 9,3 Prozent. Sie weisen damit die beste Wertentwicklung der zehn Branchengruppen im US-Leitindex auf. Im ersten Halbjahr 2006 waren sie noch das Schlusslicht.

"Nachdem klar wurde, dass die Fed ans Ende ihrer Zinserhöhungen kommt, wurden die Investoren risikofreudiger", erklärt Lawrence Creatura, Vermögensverwalter bei Clover Capital Management in Rochester, New York. "Das Problem ist allerdings, dass das nächste Jahr voraussichtlich nicht so viel versprechend wird." Auch wenn die Computerwerte in den letzten Wochen kräftig zugelegt haben, ist es ihnen nicht gelungen, die Nahrungsmittel-, Pharma- und Haushaltsgerätehersteller für das gesamte Quartal von Rang eins zu verdrängen. Für die Pharmakonzerne ging es seit Anfang Juli 8,9 Prozent aufwärts, angeführt von Pfizer mit einem Kursgewinn in Höhe von 20 Prozent.

Die Fed beließ die Leitzinsen am 8. August unverändert bei 5,25 Prozent, nachdem sie die Zinsschraube bei den 17 Sitzungen davor jeweils um einen Viertel Prozentpunkt angehoben hatte. Auch letzte Woche wurde das Zinsniveau nicht hochgesetzt, denn das US-Arbeitsministerium hatte bekannt gegeben, dass sich die Preissteigerung verlangsamte.

Für gute Stimmung sorgte der Rückgang der Rohstoffpreise. Seit dem Rekordhoch Mitte Juli ist der Ölpreis um 23 Prozent gefallen. Daher zählten die Aktien von Rohstoffproduzenten - die größten Gewinner im ersten Halbjahr - in den letzten Monaten zu den größten Verlierern. Bloomberg


26. September 2006

chinaman - Montag, 2. Oktober 2006 - 04:42
Handelsblatt Nr. 188 vom 28.09.06 Seite 9


US-Leistungsbilanz verliert Schrecken

Der Abbau des hohen Defizits muss laut einer neuen Studie keine negativen Folgen für Deutschland haben.

DORIT HESS | DÜSSELDORF TORSTEN RIECKE | NEW YORK Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich stabilisiert. Darin sind sich führende Ökonomen mehrheitlich einig. Langfristig wird es sich auf ein tragfähiges Niveau verringern - diese optimistische Prognose präsentierte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) in einer gestern vorgelegten Studie. Darin analysieren die Forscher die Risiken des hohen US-Leistungsbilanzdefizits für die deutsche und die weltweite Wirtschaft. Ihr Fazit: Die Anpassung könne zwar noch "geraume Zeit" dauern, sich aber "ohne große Verwerfungen" vollziehen. "Wir gehen davon aus, dass es sich um einen nachhaltigen Trend handelt", sagt auch Andrew Tilton, US-Ökonom bei Goldman Sachs, über den Stabilisierungstrend.

Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit ist in den zurückliegenden 15 Jahren stetig gestiegen. Im laufenden Jahr wird es einen Stand von rund 800 Mrd. US-Dollar erreichen, prognostiziert das IfW. Das entspräche etwa 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dem stehen Überschüsse in den meisten anderen Industrieländern gegenüber. Den größten Anteil zum Leistungsbilanzdefizit steuert die Handelsbilanz bei; im zweiten Quartal 2006 waren es 193,8 von 218,4 Mrd. US-Dollar.

Mit dem Defizit - definitionsgemäß der Unterschied zwischen der Ersparnis und den Investitionen der übrigen Welt - hat auch die Auslandsverschuldung der Vereinigten Staaten erheblich zugenommen. Bereits seit 20 Jahren ist die Nettoauslandsposition der USA negativ. Ende 2005 betrug die Verschuldung des Staates rund 2,7 Bill. US-Dollar - das sind etwa 21 Prozent des BIP.

Konjunkturbeobachter mahnen regelmäßig, das Defizit könne nicht auf Dauer bestehen. Das Ungleichgewicht, fürchten sie, könne eine Weltrezession zur Folge haben. Dies gilt erst Recht bei einem ungeordneten Abbau des Defizits über einen starken Dollarverfall beziehungsweise einen starken Zinsanstieg. Bei einem Wert von mehr als sechs Prozent des BIP gilt das Risiko als beträchtlich - zumal positive Faktoren wie Ölpreisrückgänge kaum kalkulierbar sind.

Ausschlaggebend für die aktuellen zuversichtlichen Prognosen sind mehrere Faktoren. Das IfW führt die Höhe des US-Leistungsbilanzdefizits vornehmlich auf den Anstieg der Ersparnis in der übrigen Welt zurück und sieht folglich darin den "Schlüssel zu einer Verringerung des Defizits", sagt Carsten-Patrick Meier, einer der Autoren der Studie. Zu den Ursachen der hohen Sparrate zählt er das rasche Wachstum in China kombiniert mit unzureichenden Finanzmarktinstitutionen sowie der Politik der Wechselkurssteuerung, aber auch die hohen Einnahmen der Ölförderländer durch das drastische Anziehen des Ölpreises.

Normalisiere sich das Sparvolumen außerhalb der USA, senke das die Kapitalzuflüsse in die USA, so Meier. Folglich stiegen dort die Realzinsen. Der Dollar werte effektiv ab, die US-Binnennachfrage werde gedämpft. Zugleich würde diese Abwertung die Exporte stimulieren und das Auslandsvermögen der USA aufwerten. Dagegen werde die Binnennachfrage in Asien und den Ölförderländern schneller expandieren, deren Währungen würden aufwerten. "All diese Anpassungsprozesse wirken darauf hin, das US Leistungsbilanzdefizit zu verringern", meint Meier.

Als weitere Ursache für das zuletzt stetig steigende Defizit gilt der Wachstumsabstand zwischen den USA und den übrigen Industrieländern. Der Trend wird sich umkehren, erwartet Goldman-Sachs-Ökonom Tilton. "Das Wachstum in den USA geht 2007 weiter zurück. In den anderen Regionen rechnen wir dagegen mit einer soliden wirtschaftlichen Entwicklung." In der preisbereinigten Handelsbilanz ist dieser Stabilisierungstrend bereits zu erkennen (siehe "Zweierlei Sicht"). 2005 habe sich das Außenhandelsdefizit der USA leicht, aber kontinuierlich stabilisiert, bestätigt Tilton. Dafür seien drei Faktoren verantwortlich: der Wertverlust des Dollars, stärkeres Wachstum in Europa und Japan und die Abkühlung der US-Konjunktur.

Die Kieler Ökonomen kommen anhand eines makroökonomischen Modells zu dem Ergebnis, dass eine Verringerung des US-Leistungsbilanzdefizits die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nicht nennenswert beeinträchtigen wird. "Deutschland könnte sogar gewinnen", meint Meier. Es komme auf den "Auslöser" an. Erfolge die Korrektur über eine allmähliche Abnahme der Ersparnis außerhalb der USA, könnten die Effekte positiv sein, wenn eine höhere Nachfrage etwa aus China oder den Opec-Staaten nach deutschen Produkten den Nachfragerückgang aus den USA überkompensiere. Sollte es aber zu Finanzmarktturbulenzen oder stärkerem Protektionismus in Industrieländern kommen, könnte auch die deutsche Wirtschaft leiden.

Hess, Dorit
Riecke, Torsten

chinaman - Mittwoch, 4. Oktober 2006 - 04:35
Handelsblatt Nr. 191 vom 04.10.06 Seite 64


Dow-Jones-Index erreicht neues Allzeithoch

Europas Aktienbörsen machen Kursverluste teilweise wieder wett

UDO RETTBERG | FRANKFURT Der amerikanische Leitindex Dow Jones ist gestern mit einer neuen Rekordmarke aus dem Handel gegangen. Der Index schloss bei 11 727 Punkten und damit fünf Punkte über seinem alten Höchststand aus dem Jahr 2000. Im Handelsverlauf verzeichnete der Dow zwischenzeitlich mit 11 758 Zählern auch ein neues Verlaufshoch. Beobachter begründeten die Kursgewinne mit dem schwächeren Ölpreis. Ein Barrel Öl (159 Liter) der Qualität West Texas Intermediate (WTI) fiel von über 61 Dollar auf zuletzt rund 59 Dollar je Barrel.

Der Höhenflug an der Wall Street sorgte auch in Europa für einen bemerkenswerten Umschwung, Die zuvor schwächeren Aktien holten im späten Handel einen großen Teil der Verluste wieder auf. Am Abend lag der Euro Stoxx 50 0,3 Prozent, der Deutsche Aktienindex (Dax) 0,1 Prozent unter dem Vortagsniveau. Die feiertagsbedingte Abwesenheit einiger deutscher Aktienhändler wurde als eine Ursache für die insgesamt geringen Umsätze genannt.

Die Talfahrt der Märkte wurde in Europa von Ölaktien wie BP, Total und Royal Dutch angeführt, deren Subindex 1,9 Prozent verlor. Neben Öl- standen auch Minenaktien wie Anglo American und Rio Tinto in Europa unter Druck. Gegen den Trend aufwärts tendierten Xstrata, Der Grund: Das Volumen der Kapitalerhöhung zur Milliardenübernahme von Kanadas Falconbridge fällt geringer aus als erwartet.

Darüber hinaus sorgten vor allem aktuelle Unternehmensnachrichten für Bewegung in einzelnen Aktien. In Deutschland litten Siemens und Infineon weiter unter dem BenQ-Debakel. Am Nachmittag brachten vage Spekulationen, dass Volkswagen und Scania angeblich gemeinsam eine Offerte für MAN abgeben könnten, Bewegung in die Börse. In London erzielte der Einzelhändler Tesco kräftige Kursgewinne. Das Unternehmen legte eine gute Halbjahresbilanz vor. Der Aktienkurs der britischen IT-Firma CSR fiel indes mehr als fünf Prozent zurück, nachdem Lehman Brothers das Kursziel deutlich reduzierte. Mit Ausnahme von Bwin standen Aktien von Online-Glücksspielfirmen weiter unter Abgabedruck.

Im amerikanischen Handel legte das Papier von Boeing über zwei Prozent zu. Händler verwiesen dabei auf die Ankündigung des Konkurrenten Airbus, dass sich die Auslieferung des neuen Super-Jumbos A380 um ein weiteres Jahr verschieben wird. Nach der Veröffentlichung guter Absatzzahlen für September zählten auch Autowerte wie Ford und General Motors zu den Gewinnern.

Rettberg, Udo



04. Oktober 2006

chinaman - Montag, 9. Oktober 2006 - 05:37
Handelsblatt Nr. 191 vom 04.10.06 Seite 13


Gefühlter Reichtum in den USA zerrinnt

Immobilienmarkt wandelt sich vom Motor der US-Wirtschaft zum gewaltigen Risiko für die Konjunktur

TORSTEN RIECKE | NEW YORK Der US-Immobilienmarkt entwickelt sich vom Wachstumsmotor zur Konjunkturbremse. Nachdem der Boom auf dem Immobilienmarkt die Konjunktur in den USA jahrelang beflügelt hat, befürchten Ökonomen nun einen Bumerang-Effekt: Der Einbruch auf dem Häusermarkt erwischt die Wirtschaft in einer Schwächeperiode und könnte sie in eine Rezession stürzen. Volkswirte an der Wall Street haben ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr auf unter zwei Prozent heruntergeschraubt. Schon ein kleiner Schock könnte die Konjunkturlokomotive dann zum Stillstand bringen.

Die Talfahrt auf dem Immobilien-markt hat sich in den vergangenen Monaten zunehmend beschleunigt. Die Verkäufe bereits existierender Häuser sind im August um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Der mittlere Hauspreis sank um 1,7 Prozent, der erste Rückgang seit mehr als zehn Jahren. "Der Immobilienmarkt scheint im freien Fall zu sein", schreiben Stephen King und Ian Morris, Ökonomen der britischen Großbank HSBC. Ein von Jonathan Wright entwickeltes Modell für die US-Notenbank taxiert das Risiko einer Rezession im kommenden Jahr auf 40 Prozent. "Die Gefahr steigt", sagt auch Stephen Roach, Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley in New York.

Zunächst wird der Bausektor den Markteinbruch zu spüren bekom-men. Die Baubranche hat seit März bereits 40 000 Jobs abgebaut. Die Volkswirte der Investmentbank Goldman Sachs rechnen damit, dass in den kommenden Jahren bis zu zwei Millionen Stellen in dem Sektor wegfallen könnten. Der Rückgang der Bauinvestitionen und der Verlust von Arbeitsplätzen drückt die Wachstumsrate bereits nach unten.

Für noch bedeutender halten Ökonomen allerdings den "negativen Wohlstandseffekt". Während des Booms haben viele Amerikaner den stark gestiegenen Wert ihrer Häuser genutzt, um Hypothekendarlehen aufzunehmen. Extrem niedrige Zinsen der Notenbank wirkten wie ein Lockruf des billigen Geldes. Die geliehenen Mittel wurden nicht nur verwendet, um das eigene Heim zu modernisieren, sondern dienten auch dazu, größere Anschaffungen oder Reisen zu finanzieren. Auf diese Weise wurde der Boom auf dem Immobilienmarkt zur wichtigsten Konjunkturstütze der US-Wirtschaft.

Experten fürchten, dass sich das Leben auf Pump nun rächen wird. So hat sich das Kreditvolumen, dass US-Bürger mit Hypothekenkrediten abgesichert haben, binnen eines Jahres fast halbiert. Damit stehen auch für den Konsum deutlich weniger Mittel zur Verfügung. Jan Hatzius, Chefökonom bei Goldman Sachs, rechnet deshalb damit, dass sich das Wachstum des privaten Verbrauchs 2007 auf zwei Prozent abschwächen wird.

Damit wird der Immobilienmarkt vom Motor der US-Wirtschaft zur Bremse der Konjunktur. Nach Berechnungen der Großbank UBS hat der Häuserboom in den vergangenen zwei Jahren mindestens einen Prozentpunkt zum US-Wachstum beigesteuert. Durch den Einbruch könnte die Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten um bis zu anderthalb Prozentpunkte langsamer wachsen.

Bislang konsumieren die Amerikaner jedoch immer noch mit einer Zu-wachsrate von mehr als drei Prozent pro Jahr. Die Umsätze in den Baumärkten und Gartenzentren liegen noch acht Prozent über dem Vorjahresniveau. Das heißt: Der US-Verbraucher macht bisher kaum Anstalten, seine Konsumfreude aufzugeben.

Cathy Minehan, Präsidentin der US-Notenbank Federal Reserve in Boston, hält deshalb die Kassandra-Rufe der Konjunktur-Pessimisten für übertrieben. Nach Ansicht der Notenbankerin haben die hohen Hausprei-se in der Vergangenheit weitaus we-niger den privaten Verbrauch ange-trieben als angenommen. Nach einer Studie der Zentralbank sind in den Jahren 2001/02 nur 16 Prozent der Hypothekenkredite in den Konsum geflossen. Den größten Teil haben die Amerikaner benutzt, um frühere Darlehen zurückzuzahlen oder ihre Häuser zu modernisieren.

Der "negative Wohlstandseffekt" könnte nicht nur geringer als befürchtet ausfallen, sondern auch durch andere Faktoren aufgefangen werden. Durch den Rückgang der Ölpreise haben sich die Ausgaben für Benzin drastisch verringert. Im Autofahrerland Amerika wirkt das wie eine Steuersenkung und macht Mittel für den Konsum frei. Rückenwind kommt auch vom Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ist mit 4,7 Prozent immer noch sehr niedrig. Seit Monaten können sich deshalb insbesondere gut ausgebildete Arbeitnehmer über steigende Löhne freuen. Und nicht zuletzt sorgt auch die Rally an den Aktienmärkten dafür, dass sich die Amerikaner reicher fühlen.

Die Skeptiker beharren darauf, dass es noch zu früh sei, um die volle Wirkung der geplatzten Immobilien-blase auf den Rest der Wirtschaft abzuschätzen. "Das Urteil über das wahre Ausmaß des wirtschaftlichen Abschwungs steht noch aus", schreibt Goldman-Ökonom Hatzius.

Riecke, Torsten



04. Oktober 2006

chinaman - Mittwoch, 18. Oktober 2006 - 04:45
Handelsblatt.com


Analysten erwarten Schwächephase

Experten finden den Dollar zu teuer

Die derzeitige Stärke des Dollars geht nach Ansicht von Devisenstrategen führender europäischer Banken bald vorüber. Sie habe psychologische und technische Gründe. Langfristig werde sich die US-Währung wieder abschwächen, sagten Experten dem Handelsblatt.

Die derzeitige Stärke des Dollars geht nach Ansicht von Devisenstrategen führender europäischer Banken bald vorüber. Sie habe psychologische und technische Gründe. Langfristig werde sich die US-Währung wieder abschwächen, sagten Experten dem Handelsblatt.


DÜSSELDORF. Spekulanten könnten beim nächsten Einbruch der US-Wirtschaftsdaten ihre Positionen rasch auflösen und starke Schwankungen auslösen. Der Dollar hatte in den letzten Tagen zu den internationalen Leitwährungen den höchsten Stand seit Monaten erreicht. Zum Euro war er zeitweise bis auf 1,2516 Dollar je Euro gestiegen. Technisch gesehen, war der Euro damit unter mehrere Unterstützungslinien gefallen. "Als die Marke von 1,26 durchbrochen war, wurde der Weg nach unten frei", sagt Analyst Lothar Hessler von HSBC Trinkaus.

Sandra Striffler von der DZ-Bank nennt vor allem psychologische Gründe für die jüngste Rally der US-Währung. Der Atomtest in Nordkorea habe für eine Flucht in die US-Währung gesorgt, besser als erwartet ausgefallene Daten zum US-Arbeitsmarkt und das jüngste Protokoll der US-Notenbank ließen zudem Zinssenkungen in den USA weniger wahrscheinlich erscheinen als bisher. Hohe Zinsen machen die Anlage in eine Währung attraktiv.

Doch die US-Wirtschaft könnte noch mit bösen Überraschungen aufwarten. "Betrachtet man die Geschäftsklimaindikatoren in den USA und den sich abschwächenden Immobilienmarkt, dann fängt das Bild der weder zu heißen noch zu kalten US-Wirtschaft an zu bröckeln", sagt Jan Poser von der Schweizer Sarasin Bank. Er hält es daher für möglich, dass die US-Notenbank ihre Zinsen wieder senkt.

Noch sind die Zinsen im Dollar-Raum deutlich attraktiver als in der Euro-Zone oder gar in Japan. Die US-Notenbank hat ihre Leitzinsen bis auf 5,25 Prozent erhöht. In der Euro-Zone liegen sie bei 3,25 Prozent, in Japan bei nur 0,25 Prozent. Doch den Vorsprung der Amerikaner könnte die Europäische Zentralbank rasch verringern. In der Euro-Zone halten Analysten einen Anstieg der Leitzinsen bis auf 3,75 Prozent für wahrscheinlich. Schon ab dem ersten Quartal 2007 erwarten Experten wie Mansoor Mohi-uddin von UBS in London dagegen eine Senkung der US-Zinsen. "Binnen drei Monaten wird sich der Dollar abschwächen", sagt er.

Auch der Vorsprung des US-Wirtschaftswachstums dürfte abschmelzen. Nach Einschätzung von Hessler wird sich das US-Wachstum 2007 von derzeit 3,5 Prozent auf 2,5 Prozent verringern. Für die Euro-Zone erwarten Analysten einen Rückgang von 2,5 auf rund 1,7 Prozent im kommenden Jahr. Damit lägen die USA zwar noch vorn, aber entscheidend sei der Trend, sagt Hessler. Auch werde das US-Zahlungsbilanzdefizit wieder eine größere Rolle spielen. "Irgendwann ist Asien nicht mehr bereit, so viel Geld in den USA anzulegen und die US-Schulden zu finanzieren."

Am Donnerstag wischten die Devisenhändler solche Sorgen noch beiseite. Ein unerwartetes Rekorddefizit im Außenhandel der USA konnte dem Dollar nicht das Geringste anhaben. Doch die Stimmung kann sich rasch ändern. Sackt der Dollar wieder ab, werden "Carry Trades" für Turbulenzen sorgen, befürchtet Poser. Das sind Geschäfte, die das internationale Zinsgefälle ausnützen. Investoren verschulden sich etwa im Niedrigzins-Land Japan und legen das Geld in Dollar an. Das funktioniere nur, solange die Schwankungen an Devisenmärkten gering blieben. Bei größeren Veränderungen würden dagegen die Positionen aufgelöst. "Wir haben eine trügerische Ruhe vor dem Sturm", sagt Poser.

Von Gertrud Hussla



15. Oktober 2006

chinaman - Mittwoch, 18. Oktober 2006 - 04:50
Handelsblatt.com


Analysten erwarten Schwächephase

Experten finden den Dollar zu teuer

Die derzeitige Stärke des Dollars geht nach Ansicht von Devisenstrategen führender europäischer Banken bald vorüber. Sie habe psychologische und technische Gründe. Langfristig werde sich die US-Währung wieder abschwächen, sagten Experten dem Handelsblatt.

Die derzeitige Stärke des Dollars geht nach Ansicht von Devisenstrategen führender europäischer Banken bald vorüber. Sie habe psychologische und technische Gründe. Langfristig werde sich die US-Währung wieder abschwächen, sagten Experten dem Handelsblatt.


DÜSSELDORF. Spekulanten könnten beim nächsten Einbruch der US-Wirtschaftsdaten ihre Positionen rasch auflösen und starke Schwankungen auslösen. Der Dollar hatte in den letzten Tagen zu den internationalen Leitwährungen den höchsten Stand seit Monaten erreicht. Zum Euro war er zeitweise bis auf 1,2516 Dollar je Euro gestiegen. Technisch gesehen, war der Euro damit unter mehrere Unterstützungslinien gefallen. "Als die Marke von 1,26 durchbrochen war, wurde der Weg nach unten frei", sagt Analyst Lothar Hessler von HSBC Trinkaus.

Sandra Striffler von der DZ-Bank nennt vor allem psychologische Gründe für die jüngste Rally der US-Währung. Der Atomtest in Nordkorea habe für eine Flucht in die US-Währung gesorgt, besser als erwartet ausgefallene Daten zum US-Arbeitsmarkt und das jüngste Protokoll der US-Notenbank ließen zudem Zinssenkungen in den USA weniger wahrscheinlich erscheinen als bisher. Hohe Zinsen machen die Anlage in eine Währung attraktiv.

Doch die US-Wirtschaft könnte noch mit bösen Überraschungen aufwarten. "Betrachtet man die Geschäftsklimaindikatoren in den USA und den sich abschwächenden Immobilienmarkt, dann fängt das Bild der weder zu heißen noch zu kalten US-Wirtschaft an zu bröckeln", sagt Jan Poser von der Schweizer Sarasin Bank. Er hält es daher für möglich, dass die US-Notenbank ihre Zinsen wieder senkt.

Noch sind die Zinsen im Dollar-Raum deutlich attraktiver als in der Euro-Zone oder gar in Japan. Die US-Notenbank hat ihre Leitzinsen bis auf 5,25 Prozent erhöht. In der Euro-Zone liegen sie bei 3,25 Prozent, in Japan bei nur 0,25 Prozent. Doch den Vorsprung der Amerikaner könnte die Europäische Zentralbank rasch verringern. In der Euro-Zone halten Analysten einen Anstieg der Leitzinsen bis auf 3,75 Prozent für wahrscheinlich. Schon ab dem ersten Quartal 2007 erwarten Experten wie Mansoor Mohi-uddin von UBS in London dagegen eine Senkung der US-Zinsen. "Binnen drei Monaten wird sich der Dollar abschwächen", sagt er.

Auch der Vorsprung des US-Wirtschaftswachstums dürfte abschmelzen. Nach Einschätzung von Hessler wird sich das US-Wachstum 2007 von derzeit 3,5 Prozent auf 2,5 Prozent verringern. Für die Euro-Zone erwarten Analysten einen Rückgang von 2,5 auf rund 1,7 Prozent im kommenden Jahr. Damit lägen die USA zwar noch vorn, aber entscheidend sei der Trend, sagt Hessler. Auch werde das US-Zahlungsbilanzdefizit wieder eine größere Rolle spielen. "Irgendwann ist Asien nicht mehr bereit, so viel Geld in den USA anzulegen und die US-Schulden zu finanzieren."

Am Donnerstag wischten die Devisenhändler solche Sorgen noch beiseite. Ein unerwartetes Rekorddefizit im Außenhandel der USA konnte dem Dollar nicht das Geringste anhaben. Doch die Stimmung kann sich rasch ändern. Sackt der Dollar wieder ab, werden "Carry Trades" für Turbulenzen sorgen, befürchtet Poser. Das sind Geschäfte, die das internationale Zinsgefälle ausnützen. Investoren verschulden sich etwa im Niedrigzins-Land Japan und legen das Geld in Dollar an. Das funktioniere nur, solange die Schwankungen an Devisenmärkten gering blieben. Bei größeren Veränderungen würden dagegen die Positionen aufgelöst. "Wir haben eine trügerische Ruhe vor dem Sturm", sagt Poser.

Von Gertrud Hussla



15. Oktober 2006

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: US-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 18. Oktober 2006