Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Leerverkäufe - Pro und Contra: Archivierte Beiträge bis 19. Juli 2006
disciple - Freitag, 20. Oktober 2000 - 12:03
Hi stw,

was ist an Leerverkäufen, wenn man konsequent mit Stop-Loss arbeitet, schlecht? Ist doch nur ein umgedrehter Kauf, also genau das gleiche Risiko wie bei Kauf von Aktien, oder? Im Vergleich zu Optionen und Optionsscheinen scheint mir das eine gute Möglichkeit, an fallenden Kursen zu verdienen.

Gruß
Stephan

stw - Sonntag, 22. Oktober 2000 - 18:36
Prinzipiell hast Du schon recht, disciple. Sogar ich habe vor etwa einem Jahr mal überlegt, auf fallende Kurse der Dt.Telekom zu spekulieren.

Aber ich habe halt nunmal eine Abneigung gegen alle Spekulationsgeschäfte, bei der der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielt. Leerverkäufe sind sicherlich eine Alternative zu Put-Optionen, aber für mich kommt das alles nicht in Frage:

Aufgrund sorgfältiger Analyse bin ich in der Lage, den fairen Wert eines Unternehmens abzuschätzen und eine Über- oder Unterbewertung zu erkennen. Daraufhin gehe ich meine Investments ein in der Überzeugung, dass der Markt diese Übertreibung (nach oben oder nach unten) langfristig korrigieren wird. Wann diese Korrektur jedoch kommen wird, das ist unmöglich vorherzusagen.

Ich möchte einfach nicht, dass die Zeit bei meinen Engagements gegen mich arbeitet. Daher haben in meiner Strategie Optionsscheine, Leerverkäufe, etc. keinen Platz.

Wer sich aber des Risikos bewusst ist und unbedingt auf fallende Kurse spekulieren will, der soll das tun. Ich möchte davor jedoch warnen, das Risiko ist sehr sehr hoch.

:-) stw

laurin - Sonntag, 22. Oktober 2000 - 22:29
kann man in Deutschland leerverkaufen??????

stw - Montag, 23. Oktober 2000 - 18:39
>>kann man in Deutschland leerverkaufen??????

Nein, das ist (zum Glück) noch nicht direkt möglich. Die Anfrage von disciple bezog sich auf eine Firma namens HPM (Hermes Portfolio Management), die anscheinend versuchen, das Geld ihrer Kunden durch Leerverkäufe in USA zu vermehren. Ich kann nur nochmals jedem empfehlen, bei solchen Finanzdienstleistern sehr sehr genau hinzuschauen uns sich kritisch zu fragen, ob es denn wirklich unbedingt so etwas hochspekulatives sein muss...

:-) stw

j_r_ewing - Dienstag, 24. Oktober 2000 - 18:22
stw's Meinung bzgl. großer Gefahr durch den Zeitfaktor kann ich nicht nachvollziehen. Was meinst Du damit ? (ohne jetzt für Leerverkäufe Reklame machen zu wollen.)

Die Warnung vor dubiosen Firmen dagegen kann ich nur absolut unterstreichen ! Was sich da alles so tummelt, ist unglaublich. Und oft genug, wenn es einer Firma brenzlich wird, oder sie erwischt worden ist, wird der Laden dicht gemacht - und unter neuem Namen wieder aufgemacht, wobei dann einfach jemand andess seine (bisher) unbefleckte Weste dafür vorzeigt. Von daher darf man auch der TAtsache, daß gegen eine bestimmte junge Firma nichts negatibes vorliegt, keine übertriebene Bedeutung beimessen !

Ich würde raten: Geld nur einer "altbewährten" (im Sinne von skandalfrei) Firma in die Hände zu geben ! sagen wir mal: Alter so ab 20 Jahren. Wer sich so lange halten konnte, ohne daß ihm der Laden dicht gemacht worden ist, da ist das Risiko dann doch schon recht niedrig. (Das ist natürlich unfair gegen ehtliche neue Firmen - aber da mußt Du wissen, was Dir wichtiger ist!)

Eine Garantie ist allerdings auch das nicht : vor ca. 15 Jahren gab es den Fall, daß bei E.F.Hutton, damals zweitgrößter US-Broker, aus Liquiditätsknappheit eingehende Kundenschecks unterschlagen wurden. Das kam raus (die Aufsicht bei den Amis ist wesentlich schärfer als hierzulande), und E.F.Hutton hatte solchen Ablauf (gibts das Wort überhaupt? das Gegenteil von "Zulauf"), daß man mit Lehman Brothers "fusionieren" mußte.
Also eine Garantie ist das, wie gesagt, auch nicht; aber so ein alteingesessenes Unternehmen wird es sich schon doppelt und dreifach überlegen, seinen guten Namen zu ruinieren.

Und im übrigen: Leerverkäufe kannst Du mit jedem US-Broker machen, das ist drüben ganz alltäglich; da mußt Du nicht über Exoten arbeiten !

Gut Glück !
JR

disciple - Mittwoch, 25. Oktober 2000 - 13:39
Hi j_r_ewing,

danke für die Hinweise. Ja, ich denke 20 Jahre ist eine gute Zeit.

Die Tatsache, dass ich gerne mit einem Vermögensverwalter zu tun hätte, statt selbst leerzuverkaufen, liegt daran, dass ich mich mehr auf die Software-Entwicklung statt auf die Aktien konzentrieren möchte. HPM hat eine durchschnittliche Performance von ca. 90 % in den letzten 3 Jahren angeblich vorzuweisen. (Ich denke, das ist nichts besonderes, ich war in 2000 auch ziemlich richtig gelegen, wann die allgemeine Tendenz auf- oder abwärts war, aber ich habe einfach nicht die Zeit, immer perfekt zu reagieren!!)

stw - Mittwoch, 25. Oktober 2000 - 23:17
Thema Zeitfaktor:

Soweit ich weiss spekulieren doch die 'Shorties' i.d.R. darauf, dass der Kurs einer Aktie kurz- bis mittelfristig sinkt. Tritt in diesem (relativ kurzem) Zeitraum allerdings eine Kursbewegung nach oben ein, so sind diese Spekulanten gezwungen, die leerverkaufte Aktie zu höheren Preisen zu kaufen (und treiben so den Preis u.U. noch höher). Läuft es also nicht wie gewünscht spielt die Zeit in diesem Fall gegen die Leerverkäufer.

Diesem zusätzlichen Gegner 'Zeit' muss man sich nicht unbedingt stellen wie ich finde. Bei einem 'normalen' Engagement in einer Aktie ist es mir egal, wenn der Markt sich kurzfristig irrational entwickelt. Denn solche Irrationalitäten werden früher oder später wieder ausgeglichen und in der Zwischenzeit habe ich Gelegenheit, um zu verbilligen.

So einfach ist Börse für mich... *g*

:-) stw

stw - Mittwoch, 25. Oktober 2000 - 23:25
Jetzt aber doch noch ein Wort zu den Vermögensverwaltern: eine durchschnittliche Performance von 90% p.a. in den letzten Jahren klingt für mich schon fast unseriös... zumindest wenn man mit so einer Zahl wirbt und so zumindest indirekt auch für die Zukunft in Aussicht stellt. Ist diese Fa. HPM im Web vertreten, ich würde mir das gerne mal anschauen.

Meiner Meinung nach kann ein guter Vermögenverwalter mit einem Aktiendepot mit vertretbarem Risiko langjährig ca 25-30% Rendite pro Jahr erwirtschaften. Wenn es wesentlich mehr ist, was da als Zielgröße im Raum steht, so wäre ich mehr als skeptisch gegenüber diesem Angebot. Bloß nicht gierig werden...

:-) stw

j_r_ewing - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 00:33
re stw: shorts zeit-gefährdeter? Mir scheint, daß Du da irgendwo mit zweierlei Maß mißt, stw . Du - long - nimmst für Dich in Anspruch, Krisen einfach auszusitzen; vom Shortisten ("diese Spekulanten") dagegen sagst Du, er müsse seine Position (kurstreibend) aufgeben. Warum kann er Gegenbewegungen nicht (wie Du) aussitzen ? Weil er keine Verluste hinnehmen darf ? Warum darf der Long-Geher das denn ?
Wenn er es NICHT darf, muß er bei Kursdellen nach dem Kauf seine Position ebenfalls wieder glattstellen (kursdrückend), um Verluste zu vermeiden. Die Situationen sind symmetrisch!

Es sei denn natürlich, Du unterstellst einen zugrundeliegenden Aufwärtstrend, der die Longposition "auf die Dauer" "irgedwann" schon wieder richten wird. Aber kann man das einfach so ??? Wir (als Long-Geher) sind derzeit verwöhnt mit den Börsen: in den letzten Jahren ging es letztlich immer bald wieder hoch - bisher... ! (In der gegenwärtigen Situation muß ich auch sagen, daß ich eine solche Groß-Einschätzung auch durchaus teile.) Aber es ist klar, daß es auch mal anders kommen kann; und sicher zu urteilen, WAS nun jeweils gerade abgeht - wenn das so leicht wäre...! Erinnere Dich z.B. nur an 1994 - für den DAX (wegen der Zins-Eskalation) eine schier endlose Scheiße ! (pardon) Und für den NASDAQ sieht es bezogen auf die Frühjahrs-Spitze ja nun auch nicht viel anders aus. Abwärtstrends können also auch ganz schön lästig werden, und Short-Strategien damit lukrativ - auch nicht nur kurzfristig ! Selbst dann, wenn man über die realwirtschaftliche Entwicklung mit gutem Grund positiver Meinung sein kann.
Natürlich : auf, sagen wir mal, ein oder zwei Jahre würde auch ich derzeti keine Short-Position laufen lassen wollen, insoweit stimme ich Dir schon zu. Alles zu seiner Zeit !

Gruß
JR

(P.S.: Solte diese Diskussion evtl. einen Extra-Thread mit eigenem Titel bekommen?)

stw - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 10:19
Du hast recht, JR. Wahrscheinlich ist meine Meinung da wirklich ziemlich einseitig und ich messe vielleicht auch etwas mit unterschiedlichem Maß.

Aber Fakt ist, das ich in meinem nun 15jährigen Börsianer-Leben noch niemanden kennengelernt habe, der mit einem längerfristigen Anlagehorizont shortet. Aber Du kannst mich da gerne eines besseren belehren !?!

Ein weiterer Nachteil, den man beim Spekulieren auf fallende Kurse nicht unterschätzen darf: Bei einem 'normalen' Investment (egal ob in Aktien, Optionsscheinen oder Immobilien) ist das Verlustrisiko von vornherein auf die Höhe des Engagements beschränkt. Dies ist bei Leerverkäufen nicht der Fall: je höher der Wert steigt, desto grösser wird der Verlust. Und wer in den letzten Monaten die Irrationalität in einzelnen Werten oder ganzen Branchen erlebt hat, der weiß, wie hoch es da in Übertreibungsphasen gehen kann, auch wenn man längerfristig eigentlich durchaus mit gutem Gewissen eine Short-Position eingehen könnte.

Aber ich bin da wirklich kein Experte, das ist einfach nicht meine Welt. HAst Du schon selbst Erfahrungen mit Leerverkäufen gesammelt, JR ?

:-) stw

disciple - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 13:02
An stw:

HPM Portfolio Management:

http://www.hpm-online.de/

stw - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 15:23
"Im Aktiven Trading steckt das Geheimnis des Erfolges der HPM Portfolio Management GmbH !
Je kürzer der Prognosezeitraum, desto genauer die Prognose !"

Also das ist für mich zu hoch, vielleicht kann mir dieses Statement mal einer erklären ? Logisch klingt das für mich jedenfalls nicht.

;-) stw

mib - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 16:04
bei put-optionsscheinen spielt der Zeitfaktor ein grosse Rolle, bei "normalen" Leerverkaeufen dagegen nicht. Dass Risiko ist aber, dass der Broker, bei dem man sich die leerverkauften Aktien "geliehen" hat, diese JEDERZEIT zurueckfordern kann. Da viel Amis auch noch auf "margin" kaufen, worueber derselbe broker ja genau unterrichtet ist, koennen hier zwei ziemlich unangenehme Sachen zusammenkommen und dass verursacht dann endgueltig den "short sqeeze". Sollte der aber eintreten, dann sollte man sich sogar vor liebgewonnen Aktien kurzfristig trennen, weil dieser "kuenstlich hohe" kurs i.d.R. nur wenige Tage so hoch bleibt. Da gilt dann einmal nicht der Spruch mit dem "hin-und-her und Taschen-leer".

angeblich kann man seiune Aktien fuer's Leerverkaufen "sperren", indem man sie (zu einem sehr hohen Kurs) zum Verkauf stellt.

soleneve - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 16:04
Ohne auf die Homepage geschaut zu haben:
Das klingt mir nicht zu hoch, sondern zu riskant, genauer: Nach Daytrading oder Intraday-Trading. Bleibt nur zu hoffen, dass HPM strenge stop-loss hält, wenn sie doch mal danebenliegen.
Gruß
Soleneve

P.S.: Wenn ich mich recht erinnere, hat ein Bekannter mal über Fimatec Leerverkäufe getätigt.

j_r_ewing - Donnerstag, 26. Oktober 2000 - 20:09
Selbst leerverkauft? Nur einmal, vor Ur-Zeiten (in den 80ern). Ich bin eigentlich auch eher langfristig orientiert und mache ungern etwas gegen die realwirtschaftliche "Grundrichtung", und die habe ich fast immer positiv eingeschätzt und Flauten als kurzfristig angesehen (leider - den monetäten Würgekurs des Herrn Schlesinger damals, der die dt. Konjunktur vor die Wand gedonnert hat wie sonst niemand mehr seit Adolf Hitler, - das etwa wäre eine prima Situation für längerlaufende Leerverkäufe gewesen, wenn man sie hierzulande auch nur über Derivate nutzen kann - höchstens über Leerverkäufe von Daimler oder von "Germany-Funds" in NY. - Letzteres wäre steuerlich mal ein netter Diskussionspunkt - aber das Finanzamt greift ja ohnehin im Zweifel immer zu... )

In der Praxis unterscheidet sich meine Investitionspolitik also gar nicht mal so von der des Hauses!

Was mib zur Möglichkeit der Broker sagre, die Aktien jederzeit zurückzufordern, ist allerdings ein Hammer - das wußte ich gar nicht! (ob ich damals das Kleingedruckte nicht genau genug gelesen habe?)

Gruß
JR

isabellaflora - Dienstag, 18. Juli 2006 - 16:12
Das Gute an diesem Board ist, dass man Beiträge aus längst vergangenen Tagen immer mal wieder Revue passieren lassen kann.

Im übrigen ist dieser thread einiger der wenigen auf diesem board, der einen Abwärtskorridor thematisiert. In eben solch einem befinden wir uns aber mal eben wieder. Und in einem solchen gibt es für mich nur eins - ab an den Badesee und Aktien links liegen lassen. Mag sein, dass Ihr die bei weitem erfahrene Anleger seit, allein, in einem Abwärtstrend finde ich die Perlen nicht, die sich gegen den Strom stemmen. Oder besser gesagt, der Zeitaufwand für das Auffinden der Perlen dürfte nicht gerade gering sein.

Was für mich bleibt sind Zertifikate, die bärisch sind. Es soll angeblich solche geben, die keine knock-out-Barriere haben. Also beispielsweise ein Index-Bär-Zertifikat mit Basis weit über dem aktuellen Kurs. Weiss jemand darum und kann uns allen hilfreiche Tipps geben? Dann muss man ja nicht unbedingt leer verkaufen ;-)

Gruß isabellaflora

phlipster - Dienstag, 18. Juli 2006 - 17:15
Hi,

ein Bekannter versucht es derzeit mit einer Kombination von Bonuszertifikaten (die meist aber ein Knock-Out haben, auch wenn es anders heisst) und Put-Optionsscheinen. Wenn Dich das interessiert, mache ich mcih auf die Suche nach einem Beispiel.

Aber auch ich suche so etwas wie "negative" INdexzertifikate (bei denen man von Abwärtsbewegungen linear profitiert).

chinaman - Dienstag, 18. Juli 2006 - 17:52
Wenn nun in diesem Board über Leerverkäufe und Puts diskutiert wird, kann man dies vielleicht als Einstiegsignal auffassen. Rein sentimenttechnisch natürlich ...

;-)))
Gruß
Chinaman

prof - Dienstag, 18. Juli 2006 - 18:16
Dafür ist die Stichprobenzahl zu gering! ;-)

Mein Fahrplan steht: Es wird bis September gewartet und dann läuft´s wieder - Prof

isabellaflora - Mittwoch, 19. Juli 2006 - 15:22
Hi phlipster,

für Dein Angebot möchte ich mich bei Dir bedanken ;-) Puts sind natürlich gerade jetzt, wo die Volalität am sinken begriffen ist, nicht schlecht. Allein mir fehlen die Erfahrungen an der Eurex - und vom Emmittenten lass ich mich ungern veräppeln.

Bin aber auch so fündig geworden : DE0001683290 und DE0002016003. Würde mich interessieren, was Ihr davon haltet.

Hallo prof - dann gehst Du also davon aus, dass im September die Zinsen wieder kleiner sind, der Ölpreis bezahlbar, die Firmen wieder weiter satt verdienen, der Dollar prächtig ist und viele Indizees nach oben klettern?

Gruß isabellaflora

Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Leerverkäufe - Pro und Contra: Archivierte Beiträge bis 19. Juli 2006