Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: US-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 20. Dezember 2004
j_r_ewing - Dienstag, 9. November 2004 - 11:09
[hoppla - eigentlich wollte ich von briefing DIESEN Artikel hier gepostet haben:]

Page One - Bullish Employment Data : The election is over. Earnings season is over. The economic releases are back on center stage. There is none bigger than the employment data. And it was a big one.

October non-farm payrolls surged 337,000. That is way above the expected 175,000 gain. Not only that, but the revision to August and September added another 113,000 to payrolls. So, the level of payrolls is 275,000 above what economists expected. There is no way around it, this is flat-out strong data. It is what the economy needs right now to keep the momentum going, and it is long-term bullish for stocks.

The categories within the release are of far less significance. The average workweek was unchanged at 33.8, and average hourly earnings were up 0.3%. Both were right in line with expectations.

The data are clearly bullish for the economy. Jobs were one of the last issues about which bears were able to make an argument. This is now pretty much dead. A solid gain in jobs next month, and GDP forecasts for next year will start going up. Another argument the bears had was, of course, oil prices. That remains a question mark.

Earnings matter too. There was not enough attention paid to the good third quarter earnings reports. This is understandable given the overwhelming significance of the election. Now, however, it is time to recognize that 16% growth in operating earnings for the S&P 500 in aggregate is unquestionably good. Forecasts for the fourth quarter remain at 15%. Right now, there are expectations that earnings growth will slow in 2005. If the momentum continues, however, it leaves room for upside surprises for stocks.

The stock market is clearly pleased that Bush won the election. With hindsight, that is now obvious given the reaction on Tuesday afternoon to the exit polls that suggested Kerry would win. It doesn't matter now, except that the road is finally opening up for the year-end rally we have been talking about for months. Strong earnings growth, good economic growth, amazingly low interest rates, declining oil prices, and an investor-friendly President make for a still, yes, a moderately bullish outlook. Dick Green, Briefing.com

j_r_ewing - Dienstag, 9. November 2004 - 12:28
Wenn Stovall und Fleckenstein (siehe "Welt"-Artikel) sich da mal nicht mächtig irren:

"Es gibt eine guten Grund dafür, daß der Markt im letzten Jahr des Wahlzyklus zulegt - weil die Politiker nämlich alles tun, um dies zu erreichen", führt Bill Fleckenstein von Fleckenstein Capital in Issaquah, Washington, aus: "Im ersten Jahr sieht es dann nie so gut aus, wegen der Nachwirkungen vom vierten Jahr."

Das ist teilweise ein Gemeinplatz (klar, daß vor den Wahlen Geschenke gemacht werden und daß das danach wieder aufhört), teilweise an der Realität unbekümmert vobei: diesmal WAR das Wahljahr (bis zur Wahl) für die Börse ja überhaupt nicht positiv! (sondern ziemlich + - 0.)
Der Arbeitsmarkt etwa hat sich ja bekanntlich nur sehr zögernd entwickelt und deutet erst jetzt mehr Temperament an.
Auch die Phasenlage Zinszyklus zu Aktienzyklus ist diesmal sehr aus dem Takt geraten.
Auch die Jahre davor waren ja nun alles andere als aus dem Bilderbuch (der lange Anstieg, gefolgt von 3 Jahren Talfahrt, was es nur zweimal in den letzten 100 Jahren gab.)
Von daher tut man wohl besser daran, diesen Zyklus bzgl. des Timings nur sehr, sehr vorsichtig mit den üblichen Maßstäben zu messen.

"
"Das Jahr 2005 wird ein Alptraum", so Fleckenstein: "Wir haben uns so auf die Wahl konzentriert, daß niemand darauf geachtet hat, daß die Wirtschaft an Fahrt verliert." Im dritten Quartal betrug das Wirtschaftswachstum auf Jahresbasis noch 3,7 Prozent, nachdem der Ölpreisanstieg zu einem Rekordhandelsdefizit beigetragen hatte. Volkswirte hatten mit 4,3 Prozent gerechnet.
"

"Nur" 3,7 % Wachstum, statt der erwarteten 4,3 % - welche Katastrophe!!! ,
Und wenn ich mich recht erinnere, ging es auch in den Quartalen davor (nach dem mächtigen Start) auch mal rauf, mal runter.
Also was gibt's daran herumzumeckern ? Selbst die HÄLFTE wäre noch ein brauchbares Ergebnis (weil ja sofort wieder wer "hedonistische Rechnung" nörgeln wird).
"Das Jahr 2005 wird ein Alptraum": ich werde seine Qualitäten an dieser Prognose messen.

Stovall zru Konjunkturzyklik:
"In den zehn "Bullenmärkten" ... des S&P-500 Index seit 1942 ging es im dritten Jahr durchschnittlich lediglich drei Prozent aufwärts. Fünfmal verzeichnete die Benchmark im dritten Jahr sogar einen Verlust."

Also fünfmal rauf, fünfmal runter.
Na, wenn DAS keine Orientierungshilfe ist... *höhn*
Und im Gesamtdurchschnitt auch noch ein Gewinn - wenn das kein klarer Grund ist, die Finger vom Aktienmarkt zu lassen...


Nach mir vorliegenden Angaben (nicht überprüft) stellt sich die Situation bzgl. Wahl-Zyklus folgendermaßen dar:
Wenn es in den 10 Monaten vor der Wahl nur seitwärts lief, kam es stets in den folgenden Monaten zu kräftigen Aufwärtsbewegugen. Das galt für '52, '60, '72, '76, und '92. Und zwar unabhängig vom Wahlausgang.
Also konträr zu Fleckenstein!

Zur genannten Konjunktur-Zyklik:

Und von '94 hab ich noch in Erinnerung, daß es hieß, Jahre, die auf 5 oder 0 enden, seien überdurchschnittlich gute gewesen. (Für '95 bewahrheitete sich das auch bestens. In 2000 hatten wir bekanntlich auch einen Riesen-Anstieg - aber eben nur ein paar Monate lang.)


Gruß
JR

mib - Dienstag, 9. November 2004 - 16:31
hm... Fleckenstein ist aber nicht gerade einer der Dümmsten... obwohl natürlich immer eher im Bären-Lager sollte man den Mann nicht so einfach abtun...

Mib

chinaman - Mittwoch, 10. November 2004 - 07:27
"obwohl natürlich immer eher im Bären-Lager sollte man den Mann nicht so einfach abtun... "

Aber Warner einfach so abtun, dass ist doch nun einmal JR's Masche. Er kann halt nicht anders *LoL*


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 10. November 2004 - 07:39
09.11.2004 17:03:

USA: Kündigungen nehmen zu und Einstellungen ab


Die Zahl der freien Stellen in den USA nahm im September gegenüber dem Vormonat von 3,195 auf 3,235 Millionen zu. Dies meldete heute das Arbeitsministerium. Der Wert entspricht 2,4 Prozent aller gemeldeten Arbeitsverhältnisse. Dabei seien die tatsächlichen Einstellungen von 4,37 auf 4,29 Millionen zurückgegangen. Bei den – gleich von welcher Seite – gekündigten Arbeitsverhältnissen war hingegen ein Anstieg von 4,13 auf 4,16 Millionen festzustellen.

Der Durchschnittswert im vergangenen Jahr lag bei 4,3 Millionen Neueinstellungen und 4 Millionen Entlassungen.


http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2004-11/artikel-4057361.asp

chinaman - Mittwoch, 10. November 2004 - 11:39
"daß die US-Bundesverschuldung, gemessen im GNP, nach dem zweiten Weltkrieg um zwei Drittel [!!!!!] zurückgefahren wurden - deine Paranoia, daß Staatsschulden nicht reduzierbar seien, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. "

Die USA sind dann also unter dem Strich ein Hort der finanziellen Stabilität, oder wie darf ich diese geniale Einlassung interpretieren ???

Wer sich lieber an die Fakten hält, kann sich auch mal die folgenden Links ansehen.

Zur Entwicklung der Staatsschulden seit 1900 bis 2003:

http://www.toptips.com/debt_history.htm


Der 1. Link beweist wohl, dass die Staatsschulden absolut immer nur eine Richtung kennen. Sie steigen immer weiter, immer weiter ...

Diese Zahlen und die explosionsartige Erhöhung seit Anfang der 80 er Jahre sollte man sich mal genüßlich zu Gemüte führen. Da wird einem klar, zu welchem Preis der phänomenale Wirtschaftsaufschwung der letzten 24 Jahre erkauft wurde - ob es das im nachhinein betrachtet aber wirklich wert war?


Nun meint unser J.R. aber wohl, scheiss egal, die US Wirtschaft ist eine irrsinnige Wachstumsmaschine, die amerikanische Wirtschaft wächst immer schneller als die Schulden und von daher ist jede Mahnung eine Paranoia. Dann wenden wir uns halt mal einer 2. Graphik zu.

Zum Vergleich der US Gesamtverschuldung mit dem GDP :

http://www.comstockfunds.com/html/2b.gif

Was sieht der geneigte (und nicht betriebsblinde) Betrachter ??? Vor dem 1929 Crash hatten die USA eine Gesamtverschuldung von ca. 200 % bezogen auf das GDP. Dies hat damals eine richtig schöne Weltwirtschaftskrise ausgelöst. In deren Verlauf stieg die Zahl dann weiter auf bis zu 270 % an.

Erst mit der Erholung der Wirtschaft nach der Krise hat sich die Kennzahl wieder verbessert.
Heute haben wir aber ein neues Alltime-High auch in Relation zum GDP aufgestellt.

Nun müsste der gesunde Menschenverstand sich eigentlich fragen: Haben wir von der heutigen Ausgangsbasis auch betrachtet die gleichen Chancen auf ein Wirtschaftswachstum wie nach der Weltwirtschaftskrise 1929 oder wie nach dem 2. Weltkrieg.

ich meine eindeutig nein, aber "Sandmännchen" J.R. scheint ja ganz fest daran zu glauben ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Montag, 15. November 2004 - 15:52
Regierung will Steuern senken und zugleich Schulden abbauen

Ökonomen fordern Bush zu Haushaltsdisziplin auf


Der Abbau des enormen Haushaltsdefizits ist die größte wirtschaftspolitische Herausforderung des wieder gewählten US-Präsidenten George W. Bush. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des „Wall Street Journal“ unter 55 Volkswirten. Ein Drittel von ihnen fordert, dass Bush den Defizitabbau zu seinem wichtigsten Ziel erklärt. Der Präsident hatte dagegen in der vergangenen Woche eine Reform des Steuersystems und die teilweise Privatisierung der Rentenversicherung ganz nach oben auf seine politische Agenda gesetzt.

tor NEW YORK. Da beide Ziele die Staatskasse nach Ansicht der Experten weiter belasten, dürfte es Bush schwer fallen, das Budgetdefizit wie versprochen in vier Jahren zu halbieren. „Die Instrumente, die der Präsident dafür anbietet, reichen womöglich nicht aus“, sagt Susan Hering, Ökonomin bei der Schweizer Großbank UBS in Stamford. Die Neuverschuldung der USA betrug Ende September 413 Mrd. Dollar, das sind rund 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit liegt sie zwar deutlich unter dem Rekordwert von sechs Prozent, der während der Präsidentschaft von Ronald Reagan 1983 erzielt wurde.

Ökonomen halten die Verschuldung jedoch für besonders gefährlich, weil in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und die Staatskasse enorm belasten werden. Außerdem plant Bush, seine bisherigen Steuersenkungen auf Dauer zu verankern, was zu weiteren Einnahmeverlusten führen würde.

Die von Bush propagierte Vereinfachung des Steuersystems halten nur 17 der 55 Ökonomen für das Topthema seiner zweiten Amtszeit. Bush hat versprochen, die Steuerreform aufkommensneutral zu gestalten. Wenn er jedoch zugleich Schlupflöcher schließen und die Steuerbasis verbreitern will, wird es unweigerlich Verlierer der Reform geben. Bislang hat Bush keinen Hinweis darauf gegeben, wem er die Steuervorteile streichen will. And-rew Tilton, Ökonom bei der Investmentbank Goldman Sachs in New York, hält es angesichts der politischen Widerstände im Kongress für wahrscheinlich, dass Bush es bei einer „moderaten“ Verbreiterung der Steuerbasis und einer geringfügigen Senkung der Steuersätze belassen wird.

Skeptisch beurteilen die Experten auch die vom Präsidenten geplante Teilprivatisierung der staatlichen Rentenversicherung. Obwohl Einigkeit darüber herrscht, dass eine Reform wegen der absehbaren Finanzierungslücken unabdingbar ist, wird der Handlungsspielraum mit Blick auf die leeren Kassen als gering angesehen. „Eine Reform der Sozialversicherung würde wahrscheinlich zunächst das Budgetdefizit vergrößern – auch wenn sie langfristig positiv ist“, sagt UBS-Ökonomin Hering. Die von Bush vorgeschlagene Umleitung von Rentenversicherungsbeiträgen in private Sparkonten könnte nach einer Berechnung von Goldman Sachs das Haushaltsdefizit in den kommenden zehn Jahren um 1 000 bis 2 000 Mrd. Dollar vergrößern.

Nur knapp zehn Prozent der befragten Ökonomen sehen in dem wachsenden Handelsdefizit der USA das größte wirtschaftliche Problem des Landes. Selbst wenn man die damit zusammenhängende Furcht von einem Absturz des Dollar noch dazu rechnet, sind weniger als ein Fünftel der Experten besorgt über das außenwirtschaftliche Ungleichgewicht. „Das Leistungsbilanzdefizit ist nicht aufrecht zu erhalten, weil es zu einer Explosion der Auslandsverschuldung führt“, schreibt dagegen Bill Dudley, Chefökonom bei der US-Investmentbank Goldman Sachs.

Quelle: Handelsblatt


HANDELSBLATT, Montag, 15. November 2004, 07:40 Uhr

chinaman - Samstag, 20. November 2004 - 05:57
Greenspan warnt
Der US-Notenbank-Chef kritisiert in Frankfurt das hohe US-Leistungsbilanzdefizit
von Jörg Eigendorf und Anja Struve

Frankfurt/Main - Gewöhnlich stehen die Großbanken-Chefs im Mittelpunkt. Doch beim gemeinsamen Gruppenfoto mit Alan Greenspan waren Josef Ackermann, Klaus-Peter Müller und Herbert Walter lediglich Randfiguren. Die rund 50 Fotografen vor dem Podium hatten alle nur den 78-jährigen Präsidenten der US-Notenbank Federal Reserve im Fokus - und der Mann mit dem langen Hals und der großen Brille ließ die Prozedur auf dem Europäischen Bankenkongreß regungslos wie ein Reptil über sich ergehen.


Was Greenspan dann vom Blatt ablas, verfehlte seine Wirkung nicht. Pünktlich zu Beginn seiner Rede ließ der Dollar weiter gegenüber dem Euro nach. Zwar waren es nur 0,4 Cents, aber mit einem Kurs von 1,3068 Dollar für einen Euro erreichte die Gemeinschaftswährung den höchsten Stand seit ihrer Einführung im Januar 1999.


Dabei hatte Greenspan nichts Neues gesagt. Neu war lediglich, daß Greenspan es gesagt hatte: "Das Leistungsbilanzdefizit kann nicht für immer in diesem Tempo weiter anwachsen." Wäre das der Fall, dann würden ausländische Investoren eines Tages eine so hohe Konzentration an Dollar-Anlagen in ihrem Portfolio haben, daß sie eine Risikoprämie dafür verlangen müßten. Bereits jetzt betrögen die Forderungen gegenüber den Vereinigten Staaten ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts.


Die Märkte zogen schnell ihre Schlüsse: Wenn der Kapitalzufluß in die Vereinigten Staaten nicht nachhaltig ist, wird der Dollar weiter fallen.


Bestätigt wurden die Marktteilnehmer, als fast zeitgleich der amerikanische Finanzminister John Snow Hoffnungen zunichte machte, die wichtigsten 20 Regierungen (G-20) dieser Welt könnten sich am Wochenende in Berlin auf eine gemeinsame Wechselkurs-Strategie einigen: "Die G-20 sind kein Forum für Wechselkursdiskussionen", meinte Snow. Das Thema stünde gar nicht auf der Agenda.


Den theoretischen Unterbau dafür gab Greenspan, als er in Frankfurt nach gemeinsamen Devisenmarktinterventionen mit der Europäischen Zentralbank gefragt wurde. In der für ihn typischen indirekten Art holte er weit aus: "Im Gegensatz zu Finanzministern sind Zentralbanker sehr lange im Amt und lernen sich daher sehr gut kennen. Deshalb ist es erstaunlich, wie wenig wir tun müssen, um uns zu koordinieren. Wir müssen nicht mehr machen."


Die letzten Hoffnungen, den weiteren Aufstieg des Euro gegenüber dem Dollar zu verhindern, dämpfte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Auf die Frage von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der das Zusammentreffen der Zentralbank-Größen moderierte, was denn Trichet gemeint habe, als er den Euro-Anstieg als "brutal" bezeichnete, wich der Franzose aus: "Das ist ein netter Versuch, Joe", sagte Trichet. "Aber ich bleibe bei meiner Aussage. Sie spricht für sich selbst."


Zumindest zeichneten Greenspan, Trichet und der stellvertretende japanische Zentralbankgouverneur Kazumasa Iwata einen Ausweg aus der angespannten Situation an den Devisenmärkten auf. Der allerdings beschränkte sich gute Ratschläge an die Politiker: "Reformen sind die notwendige Bedingung für mehr Wachstum und mehr Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks", sagte Trichet. Und Greenspan verwies darauf, daß es ein übergroßes Leistungsbilanzdefizit auch ohne eine Währungskrise abgebaut werden könne.


Dafür habe es in der Geschichte viele Beispiele gegeben. "Aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen. Die Geschichte ist ein schlechter Ratgeber für die Zukunft."


Zumindest hatte Greenspan noch ein nettes Wort für den Euro übrig. Von Ackermann vor die Auswahl gestellt, den Euro lediglich mit zwei Worten als "nicht so gut" und "sehr gut" zu charakterisieren, dachte Greenspan sagte er trocken: "Überraschend gut" und schwieg.


Artikel erschienen am Sa, 20. November 2004
Die Welt

chinaman - Sonntag, 21. November 2004 - 05:47
US-Firmen fliehen in Insolvenz
Eine Billion Dollar Schulden: Immer mehr Konzerne können ihre Pensionszahlungen nicht leisten
von Heike Wipperfürth

Als Jake Brace neulich vor dem Konkursrichter stand, wußte der Finanzchef von United Airlines genau, was er wollte: Er plädierte für die Abschaffung der Pensionskassen seiner 119 000 Mitarbeiter. Denn damit, so seine Begründung, könne die bankrotte Airline in den nächsten vier Jahren vier Milliarden Dollar sparen. Für das Überleben der zweitgrößten Airline Amerikas sei das notwendig. "Der Branche geht es schlecht - so schlecht wie noch nie", sagte Finanzmanager Brace.


Sollte dieser Schritt vom Konkursrichter abgesegnet werden, müssen sich die Amerikaner auf Nachahmer einstellen. Denn für amerikanische Autofirmen, Fluglinien und Stahlhersteller sind die drastisch steigenden Pensions- und Gesundheitskosten mittlerweile das größte Problem. "Es bilden sich riesige Verpflichtungen, die nicht finanziert werden", sagte Wilbur Ross, Vorsitzender der International Steel Group.


Nicht nur Firmen und Pensionäre sind von der Kostenexplosion bedroht, sondern auch US-Steuerzahler. Wenn die Firmen das Defizit nicht mehr decken können, wälzen sie ihre Verpflichtungen ab auf den Staat. Hilfe von Politikern ist nicht zu erwarten, obwohl sie gewarnt sein müßten. In den neunziger Jahren mußten Steuerzahler mit Milliardenzahlungen bei Savings & Loans aushelfen. Damals hatten die Sparkassen sich mit Immobiliengeschäften verspekuliert und gingen bankrott.


Unverständnis darüber, wie leicht insolvente Firmen in den USA ihre Verpflichtungen abstreifen können, herrscht in Europa. Kürzlich verspottete der British-Airways-Chef Martin Broughton seine insolventen amerikanischen Rivalen als "lebende Tote" und verglich das US-Insolvenzverfahren Chapter 11 mit einer Art der Staatssubvention. Er sagte, daß British Airways Millionen in ihre Pensionskasse gesteckt habe, als US-Rivalen vor der Finanzierung des Ruhestandes ihrer Pensionäre geflüchtet seien.


Verschärfend kommt hinzu, daß die staatliche Behörde, die einspringt, wenn Firmen ihre Pensionskosten nicht mehr bezahlen können, tief in den roten Zahlen steckt. Mit der Übernahme von 192 bankrotten Pensionskassen erweiterte sich das Defizit der Pension Benefit Guaranty Corp in diesem Jahr auf 23,3 Milliarden Dollar. Das ist eine drastische Verschlechterung, denn im vorigen Jahr war sie nur mit 11,2 Milliarden Dollar und der Übernahme von 155 Pensionskassen in der Kreide. "Die langfristige Zahlungsfähigkeit dieses Programms steht auf dem Spiel", warnt Bradley Belt, der Leiter der Behörde.


Schon jetzt erhalten Pensionäre nur ein Drittel des Geldes, das ihnen von ihrer Firma für ihren Ruhestand versprochen wurde. Für die Firmen im Standard-&-Poor's-500-Index könnte es Ende dieses Jahres laut Schätzungen des Credit-Suisse-First-Boston-Analyst David Zion zu einem Defizit von 192 Milliarden Dollar kommen. Eine Überraschung ist das nicht. In der Pensionskasse von IBM klaffte bereits im vergangenen Jahr ein Loch von 5,7 Milliarden Dollar. Dem Flugzeugbauer Boeing fehlten 6,7 Milliarden Dollar. Die Ölfirma Exxon Mobil zeigte ein Defizit von zehn Milliarden Dollar. Der Ford Motor Company fehlten elf Milliarden Dollar. Das sind schlechte Nachrichten für die 44 Millionen Amerikaner, denen 30 000 Firmen laut "Business Week" eine Billion Dollar für ihren Ruhestand schulden.


Nirgendwo ist die Situation angespannter als bei den Fluglinien. Insgesamt 20 Milliarden Dollar fehlen den größten sieben Airlines jetzt schon in ihren Pensionskassen. Die angeschlagene Fluggesellschaft Delta Airlines will ihre Pensionskassen demnächst mit einer neuen Kasse auswechseln, in die sie nicht viel einzahlen muß. Damit folgt sie den Fußstapfen jüngerer Firmen wie Southwest Airlines, Wal-Mart und Microsoft, die nur einen kleinen Teil der Altersversorgung finanzieren. Gesundheitsvorsorge für Pensionäre bieten sie überhaupt nicht an.


Auch die bankrotte Fluglinie US Airways verweigert eine Zahlung in ihre Pensionskasse von 110 Millionen Dollar, die im September fällig war. Die 531 Millionen Dollar, die sie ihren Pensionären in den nächsten fünf Jahren schuldet, will sie auch nicht zahlen. "Die Angestellten sollten nicht mit Firmenrenten in der jetzigen Form rechnen", sagt Brian Leitch, Rechtsanwalt von US Airways.


Nicht viel besser sieht es bei General Motors aus. Der Autobauer verkaufte im vorigen Jahr Anleihen in der Höhe von 17,6 Milliarden Dollar. Vom Erlös leitete der Konzern 13 Milliarden Dollar in seine Pensionskassen. Das war bitter nötig. Viele der Mitarbeiter sind pensioniert und leben von den Auszahlungen.


Doch mit diesen hohen Kosten fällt die Firma immer weiter hinter die Konkurrenz zurück. Laut Analysten der Prudential Equity Group liegen die Pensionskosten der Firma bei 1059 Dollar pro Auto. Bei Ford sind es 713 Dollar. Bei Daimler-Chrysler 772 Dollar. Der japanischen Konkurrenz geht es glänzend: Die Pensionskosten bei Honda und Toyota liegen unter 200 Dollar pro Auto.


Auch was unter dem Strich übrigbleibt, wird immer weniger. Schon jetzt zeigt GM im Autobereich eine magere Gewinnspanne von 0,5 Prozent. Fallen die Pensions- und Gesundheitskosten weg, steigt die Gewinnspanne laut Morgan Stanley auf 5,5 Prozent. Neben Hondas Gewinnspanne von 7,5 Prozent für den weltweiten Verkauf ihrer Autos sieht das schon viel besser aus.


Erdrückt werden die US-Firmen auch von den Gesundheitskosten. GM plagt eine Unterdeckung der Gesundheitsfürsorge ihrer Pensionäre von fast 60 Milliarden Dollar. Ähnliche Probleme melden Konkurrenten. Die Gesundheitskosten "machen mir Angst", sagte William Clay Ford, Chef von Ford, vor einem Jahr. "Es ist das größte Thema auf dem Tisch, das wir nicht lösen können. Das Gesundheitswesen ist außer Kontrolle."


Gibt es eine Lösung? Im pragmatischen Amerika liegt sie wohl letztendlich in der Abschaffung der Pensionskassen - selbst wenn das auf die Kosten der Pensionäre und Steuerzahler geht. Wegen der guten Renten blieben viele von ihnen bei ihren Firmen. Oft verzichteten sie auf höhere Gehälter.


Vorexerziert wurde die Abschaffung der Pensionskassen von 16 maroden Stahlfirmen, darunter Bethlehem Steel und LTV Steel. In den vergangenen vier Jahren haben sie Gesundheitskosten in Höhe von zwölf Milliarden Dollar und Pensionsverpflichtungen von 7,5 Milliarden Dollar abgeschüttelt. Dann haben sich vier Firmen unter der Leitung des New Yorker Bankers Wilbur Ross zur International Steel Group zusammengeschlossen. Weil sie nicht auf die hohen Pensionskosten Rücksicht nehmen mußte und die Stahlpreise wieder nach oben gingen, macht ISG wieder Gewinne. Jetzt wird die Firma von dem britischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal für 4,5 Milliarden Dollar übernommen. Ihre neue Pensionskasse hat ISG im letzten Jahr nur 45 Millionen Dollar gekostet.


United Airlines will den gleichen Weg gehen. Daran kann auch ein Brief von 140 Politikern an United-Airlines-Chef Glenn Tilton nichts ändern. "Wir bitten Sie dringend, die Versprechungen, die Sie Ihren Angestellten und deren Familien gemacht haben, zu ehren und die Pensionskassen zu erhalten und sie mit adäquaten Mitteln zu finanzieren", steht darin.


Artikel erschienen am 21. November 2004
Die Welt

chinaman - Sonntag, 21. November 2004 - 06:07
Zehn Antworten zum Leistungsbilanzdefizit
Amerika borgt sich mehr Geld im Ausland als jemals zuvor. Das bringt den Dollar unter Druck
von Ulrich Machold

Mit dem richtigen Anlaß schaffen es auch Zungenbrecher bis ins Fernsehen. Jüngstes Beispiel ist das Leistungsbilanzdefizit.


Was verstehen Volkswirte unter einem Leistungsbilanzdefizit?


Die Leistungsbilanz ist der Unterschied zwischen den Exporten und Importen von Gütern, Dienstleistungen und bestimmten Kapitalerträgen und -transfers. Da der Handel meist den größten Teil davon ausmacht, heißt ein Leistungsbilanzdefizit normalerweise, daß eine Volkswirtschaft mehr importiert als exportiert - und daß sie selbst nicht genug Geld erwirtschaftet, um all diese Importe zu bezahlen.


Warum Amerika?


Die Amerikaner kaufen derart viele Waren im Ausland, daß das Land pro Tag 1,7 Milliarden Dollar Kredit vom Rest der Welt benötigt. Da die Wirtschaft stark wächst und die Menschen optimistisch sind, geben sie fast all ihr Geld für den Konsum aus. Dazu kommt, daß die Regierung von George W. Bush allein in diesem Jahr einen Schuldenberg von fast 413 Milliarden Dollar angehäuft hat. Die USA geben 600 Milliarden Dollar mehr aus, als sie selbst verdienen.


Wer finanziert das amerikanische Defizit?


Daß Amerika über seine Verhältnisse lebt, wird de facto von Nicht-Amerikanern bezahlt. Die USA schlucken momentan 75 Prozent der Leistungsbilanzüberschüsse aller anderen Industrieländer. Ihre größten Schuldner sitzen in Asien, vor allem in der Volksrepublik China und Japan. Viele asiatische Länder haben ihre Währungen zu künstlich niedrigen Kursen an den US-Dollar gekoppelt.


Warum soll das eigentlich ein Problem sein?


Das Defizit selbst ist eigentlich kein Problem. Schwierig wird es, wenn es abzunehmen beginnt. Märkte tendieren zu Gleichgewichten, früher oder später sollte die US-Leistungsbilanz nach Meinung der meisten Ökonomen daher wieder ausgeglichen sein. Der normale Mechanismus dafür ist der Wechselkurs. Und die Hauptlast wird der Euro zu tragen haben.


Was sind die Folgen?


Wenn der Dollarkurs unter Druck kommt, sind die in Dollar notierten US-Schulden im Ausland weniger wert. Geschieht dies zu schnell, könnten Großanleger ihr Geld aus den USA abziehen, damit es nicht noch weiter an Wert verliert. Das Ergebnis wären Kursverluste an den US-Börsen und im schlimmsten Fall ein unkontrollierter Absturz des Dollars, der das gesamte Weltfinanzsystem ins Wanken bringt. Die Wahrscheinlichkeit dafür wird von einigen Experten immerhin bei 75 Prozent gesehen.


Wie stark ist Deutschland betroffen?


Fällt der Dollar, steigt der Euro, und europäische Exporte verlieren in Amerika an Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Wirtschaft dürfte darunter besonders leiden, da die Binnennachfrage hierzulande seit Jahren stagniert. Allerdings werden nur noch knapp zehn Prozent der deutschen Exporte in Dollar abgerechnet, der Schaden hielte sich also in Grenzen. "Wir sind zwar nicht erfreut über den Dollarkurs, aber wir geraten auch nicht in Panik", sagt Anton Börner, Präsident des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels. Dazu kommen noch die Verluste der Anleger, die amerikanische Aktien oder Anleihen halten.


Was sagen Amerikaner dazu?


Davon abgesehen, daß weder die US-Regierung noch die Notenbank ein Blutbad an den Devisenmärkten gutheißen könnten, hat Amerika wenig zu verlieren. Wenn der Dollar geordnet fällt, werden amerikanische Exporte wettbewerbsfähiger. Der Prozeß ist bereits im Gange. Auf diesem Wege würde das Leistungsbilanzdefizit langsam abgebaut. "Unsere Währung - euer Problem", fand der damalige US-Finanzminister John Connally.


Was kann man tun?


Am schmerzlosesten wäre es, wenn Amerika einfach weniger importieren und mehr exportieren würde. Dafür bräuchte es aber Käufer für seine Waren. Und hier steckt das Dilemma. Würde Europas Wirtschaft stärker wachsen, wäre auch das US-Defizit geringer. Im Gegenteil hoffen aber vor allem die Deutschen darauf, daß die US-Nachfrage sie aus der Wirtschaftsflaute zieht. Von dieser Seite ist also wenig Unterstützung zu erwarten. Ähnliches gilt für den größten Teil Asiens. Immerhin wächst in China die Bereitschaft, etwas gegen die unterbewertete Landeswährung zu unternehmen. Doch damit allein ist das Problem nicht zu lösen.


Muß es so kommen?


Einige Ökonomen sind allerdings der Meinung, daß das Riesendefizit nicht unbedingt der Korrektur bedarf. Michael Dooley, David Folkerts-Landau und Peter Garber von der Deutschen Bank beispielsweise glauben, daß sich vielmehr eine Art inoffizielles Währungssystem etabliert haben könnte. Vor allem die Chinesen kaufen demnach Dollar, um ihre Exporte zu verbilligen und gleichzeitig die Zinsen in Amerika niedrig zu halten. Denn wenn es genug Nachfrage nach US-Staatsanleihen gibt, muß deren Zinssatz nicht automatisch steigen. Niedrige Zinsen wiederum bedeuten billige Kredite in Amerika und viel Konsum der Amerikaner, die geborgtes Geld ausgeben. Gekauft werden Importe aus China, womit sich der Kreis schließt. Das könnte noch Jahre so weitergehen.


Wonach sieht es momentan aus?


Zur Sichtweise der neuen Schule paßt, daß das US-Defizit schon seit Jahren hoch ist. Ebenso alt sind die Prognosen eines baldigen Dollar-Absturzes. Passiert ist bislang wenig. Vielmehr war der Dollar in den vergangenen 30 Jahren immer dann stark, wenn das Leistungsbilanzdefizit hoch war. Der Grund: Wenn es der US-Wirtschaft gut geht, ist das Land auch für Investitionen attraktiv. Seit zwei Jahren verliert die US-Währung aber parallel zum Defizitanstieg langsam an Wert. Die EZB schaffte es im Januar noch, den Anstieg des Euro nur mit Worten aufzuhalten. Dieses Mal könnte das nicht mehr reichen. Und wenn der Dollar erst fällt, gibt es leicht kein Halten mehr. Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff sagt voraus, daß die US-Währung bei einer abrupten Korrektur des Ungleichgewichts schnell um bis zu 40 Prozent an Wert verlieren könnte. Die Analysten der Investmentbank Morgan Stanley schätzen, daß erst bei Kursen ab 1,80 Dollar pro Euro das Leistungsbilanzdefizit abnimmt.


Artikel erschienen am 21. November 2004
Die Welt

chinaman - Montag, 22. November 2004 - 13:26
ftd.de, Mo, 22.11.2004, 10:05


Amerika läßt den Dollar fallen

Auch nach dem Ende des G20-Treffens ist der Dollar weiter unter Druck. US-Notenbankchef Alan Greenspan ließ durchblicken, dass in den USA kein Interesse an einem starken Dollar bestünde. Da halfen auch die gegenteiligen Beteuerungen des US-Präsidenten nicht mehr viel.

Der Euro notierte am Montag im frühen Handel mit 1,3044 $ nur wenig unter dem am vergangenen Donnerstag erreichten Höchststand von 1,3074 $. Gegenüber dem japanischen Yen fiel der Dollar um 0,91 Yen auf 103,27 Yen.

Hoffnungen vor allem von europäischer Seite auf einen politischen Willen in den USA, den Dollar zu stützen, haben sich während des G20-Treffens der führenden Industrie- und Schwellenländer nicht bestätigt. Die Notenbankchefs und Finanzminister der G20 verzichteten darauf, sich in gemeinsamen Erklärungen zum Höhenflug des Euro zu äußern. "Das G20-Treffen ist ohne Überraschungen zu Ende gegangen. Die Marktteilnehmer dürften nun versuchen, neue Tiefststände des Dollar auszuloten", sagte Masashi Hashimoto, Devisenexperte bei der Bank of Tokyo-Mitsubishi.

US-Notenbankchef Alan Greenspan hatte bereits am Freitag auf dem Europäischen Bankenkongress gesagt, dass das Leistungsbilanzdefizit der US-Wirtschaft zu einem geringeren Interessen an Dollar-Anlagen führen könnte - und stützte damit die verbreitete These, die US-Regierung würde versuchen, über einen schwachen Dollar ihre Defizitprobleme in den Griff zu bekommen. "Es scheint, dass ein Rückgang des Dollarkurses unausweichlich ist, um das Problem des hohen Leistungsbilanzdefizits in den USA zu lösen", kommentierte auch Ko Haruki vom Bankhaus HSBC die Äußerungen Greenspans.


Auch der japanische Notenbank-Chef Toshihiko Fukui forderte die USA auf, das Problem mit anderen Mitteln zu bewältigen. Amerika solle sich nicht "auf Währungsanpassungen als schnelle Behelfsmaßnahme" verlassen, sagte Fukui der Financial Times Deutschland.

Die USA versprachen angesichts der Kritik auf dem G20-Treffen eine deutliche Verringerung ihres Leistungsbilanzdefizits zur Vermeidung plötzlicher Wechselkursturbulenzen. US-Präsident George W. Bush unterstützte dies mit Aussagen während des Asien-Pazifik-Gipfels in der chilenischen Hauptstadt Santiago: "Und ich habe bekräftigt, dass meine Regierung eine Politik des starken Dollars verfolgt", sagte Bush. "Der beste Weg, auf diejenigen einzuwirken, die den Kurs des Dollar beobachten, ist es, sich zu verpflichten, unser kurz- und langfristiges Defizit anzugehen." Bush sagte, er wolle ein diesbezügliches Konzept dem Kongress vorlegen.


Beobachter interpretierten die Äußerungen Bushs jedoch als Deckmantelrhetorik. Die USA seien durchaus an einem schwachen Dollar interessiert, um ihre Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen. Experten sehen den schwachen Dollar jedoch als belastend für die sich nur langsam erholende Konjunktur in Europa und Japan.

chinaman - Sonntag, 28. November 2004 - 09:10
Langsam wird einigen Europäern mulmig. Täglich überschreitet der Euro neue Rekordmarken - am Freitag erreichte er schon 1,33 Dollar. Und 84 Prozent der europäischen Fondsmanager glauben inzwischen, daß der Dollar in den kommenden zwölf Monaten weiter an Wert verlieren wird, wie eine Umfrage der Fonds-Rating-Agentur Morningstar ergab.


Einzelne Experten machen immer drastischere Prognosen. David Kotok von Cumberland Advisors, einem großen US-Vermögensverwalter, sieht den Euro sogar bis auf Werte um 1,60 Dollar steigen. "Am 8. September 1992 erreichte der theoretisch rückgerechnete Eurokurs sein Hoch bei 1,69 Dollar - es gibt keinen Grund, warum dieses Niveau nicht wieder erreicht werden könnte", sagt Kotok.


Eine Horrorvorstellung für europäische Politiker und Ökonomen. Mit dem steigenden Eurokurs schwellen daher ihre Warnungen und Ratschläge an. Mal wird die Europäische Zentralbank aufgefordert, mit Dollarkäufen zu intervenieren, mal soll sie den Leitzins weiter senken.


Doch die EZB kann wenig machen. "Den Schlüssel zur Lösung des Problems halten andere in der Hand, erstens die USA und zweitens Ostasien, insbesondere China", sagt Eberhardt Unger, Volkswirt beim unabhängigen Analysehaus Fairesearch.


Ursache der Dollarkrise ist einerseits das riesige Minus im US-Haushalt und andererseits das enorme Handelsbilanzdefizit. Die Amerikaner importieren in diesem Jahr voraussichtlich für 600 Milliarden Dollar mehr Waren als sie exportieren.


Der Großteil dieses Defizits entsteht im Außenhandel mit China. In einem funktionierenden Markt würde der Yuan aufwerten und das Defizit so über kurz oder lang verschwinden. Doch die chinesische Währung ist fest an den Dollar gekoppelt. China hält seine Währung künstlich schwach, um weiter billige Güter in die USA exportieren zu können.


Daher entlädt sich der gesamte Abwertungsdruck auf andere Währungen. Nicht nur der Euro hat in den vergangenen drei Jahren drastisch aufgewertet. Der neuseeländische Dollar legte um über 70 Prozent zu, der südafrikanische Rand um mehr als 67 Prozent. Auch Schweizer Franken, britisches Pfund oder japanscher Yen sind heute deutlich teurer.


Nur der Chinesische Yuan bleibt konstant. Und daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern. Auf die Frage, ob China eine Lockerung dieser Bindung erwäge, sagte Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan erst am vergangenen Wochenende: "Es ist nach wie vor noch nicht der Zeitpunkt, um über technische Arrangements zu sprechen." Derzeit sei Chinas Finanzsystem noch nicht reif dafür.


Stephen Roach, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley, hält das jedoch für eine Ausrede. "China hat ein massives Reservoir an Währungsreserven aufgebaut - Ende September waren es rund 515 Milliarden US-Dollar - das ihm erlauben würde, Schwankungen des Yuan auf den weltweiten Devisenmärkten sehr effektiv zu steuern", so Roach. Außerdem setze sich China mit seiner Verweigerungshaltung der Gefahr aus, unter politischen Druck zu geraten.


In der Tat hat die US-Textilindustrie von der Regierung schon Schutzmaßnahmen gegen die Schwemme von billigen Produkten aus China gefordert. Andere Branchen könnten bald in seltener Eintracht mit den Gewerkschaften ähnliche Ideen vorbringen.


Doch es lauern noch weit größere Gefahren. "Die Ungleichgewichte am Devisenmarkt sind so groß, daß ein starkes Risiko für schwere Erschütterungen besteht", sagt Eberhardt Unger. Denn die USA sind inzwischen vollkommen abhängig von China und Japan. "Die beiden Länder finanzieren im Prinzip die Schulden Amerikas", so Unger. Allein China hat rund 500 Milliarden Dollar in den USA angelegt, meist in Form von Staatsanleihen.


Noch gibt es keine Anzeichen, daß die Attraktivität von Investitionen in den USA nachläßt. Doch selbst US-Notenbankchef Alan Greenspan warnte vor einigen Tagen bei seinem Besuch in Frankfurt: "Irgendwann verlieren die Investoren ihren Appetit auf Dollar-Anlagen."


Falls es so weit kommt, könnte das ganze System in einer Spirale nach unten kollabieren. Denn je weniger Ausländer in den USA investieren, desto stärker wertet der Dollar ab. Damit verlieren die US-Papiere an Wert, viele Investoren sähen sich gezwungen, Dollar-Anlagen zu verkaufen und würden damit die US-Währung noch weiter schwächen.


"Ein Dollarverfall wäre für die gesamte Weltwirtschaft zerstörerisch", sagt John Hatherly, Chefstratege der britischen Fondsgesellschaft M&G. "Die Zinsen in den USA müßten dann steigen, das Wachstum würde einbrechen, die Importe drastisch zurückgehen und das würde wiederum Chinas Wirtschaft in die Krise treiben," so Hatherly. Dann würde auch der Aufschwung in Europa abgewürgt.


Noch scheint das System zwar intakt. Doch am Freitag kamen Gerüchte auf, Chinas Nationalbank verkaufe Dollar. Prompt brach der Kurs des Greenback drastisch ein. Als die Bank dementierte, erholte sich der Kurs zwar, doch die Episode zeigt, was den Märkten blühen könnte. Und das mulmige Gefühl vieler Anleger bleibt.


Artikel erschienen am 28. November 2004
Die Welt

chinaman - Montag, 29. November 2004 - 10:55
Typisch Bush !!!


Aus der FTD vom 29.11.2004
Bush plant Schulden für Rentenreform
Von Hubert Wetzel, Washington

US-Präsident George W. Bush will die von ihm geplante Rentenreform offenbar zu einem großen Teil durch neue Schulden finanzieren. Damit dürfte die Regierung ihr Haushaltsdefizit auch weiterhin nicht in den Griff bekommen.

Zwar sind die Details der Reform noch unbekannt. Der Umbau des staatlichen US-Rentensystems (Social Security) könnte jedoch "kurzfristig eine zusätzliche Schuldenaufnahme nötig machen, um den Übergang zu finanzieren", antwortete der Budgetdirektor des Weißen Hauses, Joshua Bolten, auf eine Anfrage der "New York Times".

Damit sinken die Chancen, dass die US-Regierung die ausufernden Haushaltsdefizite in absehbarer Zeit unter Kontrolle bekommt. Die Angst der Märkte vor den wachsenden Löchern in den US-Kassen sind ein Hauptgrund für den Verfall des Dollar. Zudem könnte die Finanzierung der Reform über neue staatliche Schulden eine ihrer beabsichtigten positiven Folgen für die Volkswirtschaft - die Erhöhung der privaten Sparquote - wieder zunichte machen.


Bush hat die Rentenreform zu seinem wichtigsten innenpolitischen Projekt in der zweiten Amtszeit erklärt. Das Weiße Haus arbeitet derzeit an einem Reformgesetz, das bereits im Frühjahr 2005 ins Parlament gehen könnte. Der Präsident will auf diese Weise den politischen Rückenwind nutzen, den sein Wahlsieg ihm beschert hat.


Bürger sollen Rentenkonten führen

Bisher sind nur die Grundzüge der Reform bekannt: Bush will Bürgern unter 55 Jahren erlauben, einen Teil ihrer Rentensteuer, die ihnen monatlich vom Gehalt abgezogen wird, einzubehalten und in Form von privaten "Rentenkonten" in Aktien oder Anleihen anzulegen.


Kritiker bezeichnen dies als "Teilprivatisierung" der Rente. Befürworter sehen die Reform hingegen als einzigen Weg, um das System langfristig vor der Insolvenz zu retten. Die am freien Markt angelegten privaten Rentenkonten würden deutlich höhere Gewinne abwerfen als das staatliche System, argumentiert Bush. Das Rentensystem könnte die Belastung nur aushalten, wenn in den kommenden Jahren Millionen Angehörige der "Babyboom"-Generation in den Ruhestand träten.


Nach derzeitigen Berechnungen werden die Rentenausgaben die Einnahmen 2018 erstmals übersteigen. Um das Jahr 2040 werden dann auch die Finanzreserven des Rentensystems aufgebraucht sein, der so genannte Social Security Trust Fund. Von da an droht eine massive Unterfinanzierung, die erhebliche Steuererhöhungen nötig machen würde, sofern das System nicht reformiert wird.


Leistungskürzungen möglich

Klar ist jedoch auch, dass die Bush-Reform enorm viel Geld kosten wird. Denn derzeit finanziert die US-Regierung mit den Einnahmen aus der Rentensteuer die laufenden Rentenzahlungen an Senioren. Der Rentensteuersatz liegt bei 12,4 Prozent, bei Angestellten bezahlt der Arbeitgeber die Hälfte. Wenn die Steuereinnahmen wegen der Umleitung von Geld in private Konten sinken, müssen die Rentenzahlungen anderweitig finanziert werden. Zwei mögliche Wege, um die Lücke beim Übergang von einem staatlichen zu einem teilweise privaten System zu schließen - Leistungskürzungen für heutige Rentenbezieher oder Steuererhöhungen -, hat Bush bisher ausgeschlossen.


Die Kosten der Reform hängen davon ab, wie viel jüngere Arbeitnehmer von ihrer Rentensteuer abzwacken und privat investieren dürfen. Je höher dieser Anteil steigt, desto größer wird das Loch, das die Reform reißt - und desto mehr wachsen die neuen Schulden, die Washington zur Finanzierung machen muss. Die Schätzungen der Kosten der Reform reichen von einigen Hundert bis zu 2000 Mrd. $ über zehn Jahre. Das Weiße Haus schweigt dazu.


Nach einem Bericht der "New York Times" sind sich Weißes Haus und Kongress einig, dass die Reform ein gewisses Maß an neuen Schulden nötig machen wird. Allerdings gibt es im Parlament Vertreter, die die Schulden möglichst gering halten wollen. Sie fordern, auch Rentenkürzungen und Steuererhöhungen zur Finanzierung der Reform ins Auge zu fassen. "Jeder, der glaubt, der Umbau könne nur über neue Schulden finanziert werden, versteht die Größe des Problems nicht", sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses im Senat, der Republikaner Charles Grassley, der "New York Times."


Ähnlich äußerte sich der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Senat, der Republikaner Judd Gregg. Er werde neue Schulden nur befürworten, wenn der Reformplan auch geringe Rentenkürzungen und Steuererhöhungen enthalte, sagte er.


Ob Bush dazu bereit ist, ist offen. Im Wahlkampf hat er versprochen, dass die Renten nicht gekürzt werden. Eine Zustimmung zu Steuererhöhungen wäre zudem eine Wende um 180 Grad für den Präsidenten, dessen Wirtschaftspolitik bisher vor allem aus Steuersenkungen bestand.

chinaman - Dienstag, 14. Dezember 2004 - 16:23
US-Handelsdefizit überraschend stark auf Rekordniveau gestiegen


http://www.reuters.de/newsPackageArticle.jhtml?type=economicsNews&storyID=638451&section=news

prof - Dienstag, 14. Dezember 2004 - 17:07
Kein Problem, dann drucken "wir" eben noch ein paar Dollar nach ...
Prof

wojtek_m - Dienstag, 14. Dezember 2004 - 23:29
überraschend? ;-)

chinaman - Mittwoch, 15. Dezember 2004 - 07:28
@ wojtek: Für die "Anderen" ...

;-))
Gruß
Chinaman

chinaman - Sonntag, 19. Dezember 2004 - 14:10
Eine aktuelle Analyse über die Schuldenbombe USA:

http://www.financialsense.com/Market/allison/2004/1217.html


200 Jahr benötigte es, um 1 Trillionen Dollar Schulden zu machen.

Innerhalb von 6 Jahren stiegen die Schulden um 5/6 Trillionen Dollar, davon in den letzten 2 Jahren alleine um 1-2 Trillionen Dollar.

Jeden Tag benötigt es 2,5 Billionen Dollar neue Schulden (1 Billion = 1 Milliarde in deutsch).

Die neue vom Kongress genehmigte Kreditlinie liegt bei 8,2 Trillionen Dollar.

Zusätzlich gibt es bei den privaten Haushalten eine sehr hohe Verschuldung (u.a. auch aufgrund der Kreditkarten).


Ein sehr fundiert geschriebener Überblick über den aktuellen Status, wirklich lesenswert !

stw - Montag, 20. Dezember 2004 - 09:12
Wirklich sehr lesenswert und beängstigend.

:-( stw

mib - Montag, 20. Dezember 2004 - 10:22
dann lasst uns mal schnell Gold&Silber kaufen... oder besser noch Grundstuecke mit gutem Ackerboden in klimatisch guter Lage... :-) Mib

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