Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: Pensionsverpflichtungen
chinaman - Mittwoch, 18. August 2004 - 11:26
Ein Thema, das wir Anleger nicht übersehen sollten ...

:-)
Gruß
Chinaman


Versteckte Risiken

Pensionsverpflichtungen werden nicht genug beachtet

ANDREA CÜNNEN, FRANKFURT/M.

HANDELSBLATT, 17.8.2004 Viele Investoren haben die Brisanz steigender Pensionsverpflichtungen vieler Unternehmen aus dem Blickfeld verloren. Das ist ein Fehler, denn die Lage hat sich nicht entspannt. Nach einer Untersuchung von ABN Amro haben nur wenige Unternehmen die Deckung ihrer Pensionsfonds verbessert. Das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Offene oder versteckte Defizite bei der Deckung der Pensionsverpflichtungen haben unter anderen die Autokonzerne General Motors und Ford, der Triebwerksbauer Rolls-Royce, der Hersteller von Auto- und Flugzeugteilen GKN und der Spezialchemiekonzern ICI.

Amerikanische und britische Unternehmen haben die Refinanzierung der Betriebsrenten für ehemalige Mitarbeiter zumeist an Pensionsfonds ausgegliedert. Auch deutsche Unternehmen weichen zunehmend vom System der internen Pensionsrückstellungen ab und stellen auf Pensionsfonds um. Die investieren in Aktien und in Anleihen, um mit den Erträgen aus diesen Papieren die Pensionsverpflichtungen zu decken. Doch das funktioniert angesichts der jüngsten Entwicklung der Kapitalmärkte nicht gut.

Noch Anfang dieses Jahres hatten viele Unternehmen und Investoren auf steigende Aktienkurse gesetzt. Doch die großen Indizes liegen derzeit deutlich unter ihren Ständen vom Jahresanfang. Dabei müssten die Aktienkurse nach Berechnungen von ABN Amro um etwa zehn Prozent jährlich steigen, um die Pensionsdefizite zu decken.

Auch die Hoffnung, dass steigende Anleiherenditen den Pensionsfonds helfen, hat sich nicht erfüllt. Die Kurse der Anleihen sind in den USA nur leicht gefallen und die Renditen im Gegenzug gestiegen. In der Euro-Zone rentieren die Anleihen sogar niedriger als zu Beginn des Jahres.

Außerdem lässt sich die generelle Annahme, dass höhere Anleiherenditen den Pensionsfonds helfen, so pauschal ohnehin nicht halten. Denn ein Faktor, der die Anleiherenditen nach oben treibt, sind Ängste vor einer steigenden Inflation. Die Auszahlungen vieler Pensionsfonds sind aber an die Inflationsrate gekoppelt und erhöhen sich deshalb bei steigenden Verbraucherpreisen ebenfalls.

Viele Unternehmen versuchen die Auszahlungen dadurch zu begrenzen, dass sie keine neuen Betriebsrenten anbieten. Doch auch das hilft nur auf sehr lange Sicht. Denn wenn neue Mitarbeiter keine Beiträge zu den Pensionszahlungen beisteuern, müssen die angelegten Mittel um so höhere Erträge liefern, um die Auszahlungen zu decken.

Fraglich ist, ob die Risiken der Pensionsverpflichtungen ausreichend in den Anleihe- und Aktienkursen der Unternehmen berücksichtigt sind. Ein Argument dafür lautet, dass die Ratingagenturen die Pensionsverpflichtungen in ihre Bewertungen einfließen lassen. Je höher die Defizite bei den Verpflichtungen, desto schlechter also das Rating. Das lassen sich Investoren bezahlen. Doch die Agenturen betrachten lediglich die aktuellen Unterdeckungen der Pensionsfonds. Wenn sich diese verschlechtern, kann es mit den Ratings ganz schnell nach unten gehen. Das belastet dann die Kurse der Aktien und Anleihen.

Anleger sollten also die Pensionsverpflichtungen von Unternehmen im Blick behalten, wenn sie eine Anleihe oder Aktie kaufen. Dabei ist es wichtig, dass die Auszahlung der Betriebsrenten ordentlich gedeckt ist. Denn sonst besteht die Gefahr, dass die Firmen die Pensionsverpflichtungen aus ihren freien Mitteln finanzieren müssen. Gerade das sollte aber durch Pensionsfonds verhindert werden.

chinaman - Dienstag, 1. August 2006 - 04:57
Die 100-Milliarden-Euro-Lücke

Von Kai Lange


Mehr als 240 Milliarden Euro müssen die im Dax notierten Unternehmen ausgeben, um die Pensionen ihrer Mitarbeiter zu bezahlen. Zwischen Anspruch und zurückgelegtem Kapital klafft eine Lücke von mehr als 100 Milliarden Euro. Erste Schritte sind unternommen, um die Zeitbombe Pensionsverpflichtungen zu entschärfen.


Es ist nicht nur die Höhe der Summe, die unruhig macht. Auf 247 Milliarden Euro addierten sich die Pensionszusagen der Dax-Unternehmen im Jahr 2005: So viel Geld werden die 30 Konzerne auszahlen müssen, um die aktuellen und künftigen Betriebsrenten und Pensionen für ihre Mitarbeiter zu erfüllen. Das ist mehr als ein Drittel der Marktkapitalisierung aller Dax-Konzerne.

Unangenehm ist diese Summe auch, weil sie stark schwanken kann. Allein im Vorjahr ist die Höhe der Pensionsverpflichtungen um 40 Milliarden Euro gestiegen, während Unternehmen zunächst von lediglich fünf Milliarden Euro ausgegangen waren. Grund für den Anstieg war vor allem der niedrige Kapitalmarktzins: Viele Unternehmen hatten mit einer deutlich höheren Verzinsung ihres Pensionskapitals kalkuliert und mussten zum Bilanzstichtag ihren jeweiligen Rechnungszins um bis zu 1 Prozentpunkt senken. Die Summe, die zur Erfüllung der aktuellen und künftigen Pensionsverpflichtungen nötig ist, stieg aufgrund der geringeren Renditeerwartung deutlich an.

Der Trend zur Frühverrentung lässt außerdem die aktuellen Auszahlungssummen steigen. Mehr als zehn Milliarden Euro zahlten die Dax-Unternehmen im vergangenen Jahr an ihre Pensionäre aus - 65 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Sollten die Rücklagen aus dem Pensionsvermögen für die garantierten Zahlungen nicht ausreichen, muss das Unternehmen Geld nachschießen.

Das sind gewichtige Gründe, mehr Geld für die Mitarbeiterpensionen zurückzulegen. Kein Dax-Unternehmen will dem Beispiel des US-Automobilherstellers General Motors folgen, den ungedeckte Pensionszusagen an den Rand des Ruins gebracht haben.

Vorsorge ist wichtiger denn je. Die Dax-Unternehmen haben ihr Pensionsvermögen im Vorjahr um mehr als 30 Prozent auf insgesamt 139 Milliarden Euro aufgestockt, wie aus einer Studie der Unternehmensberatung Rauser Towers Perrin hervorgeht. Zwischen Pensionsverpflichtung und dem dafür reservierten Vermögen klaffte 2005 demnach "nur" noch eine Lücke von rund 108 Milliarden Euro.

"Unternehmen haben viel dafür getan, ihre Risiken zu reduzieren und gleichzeitig die Attraktivität ihrer Pensionssysteme zu steigern", sagt Thomas Jasper, Vorstand bei Rauser Towers Perrin. Die Analyse geht auf Datenmaterial bis 1999 zurück: Studienautor Jasper sieht verschiedene Hinweise, dass die deutschen Unternehmen auf dem richtigen Weg sind.

Pensionsvermögen wird ausgelagert

Der Trend zum "Outside Funding" setzt sich fort. Immer mehr Unternehmen lagern ihre Pensionsverpflichtungen aus ihrer internationalen Bilanz aus und zahlen stattdessen Geld in einen externen Fonds ein. Die Verpflichtungen werden dadurch zumindest teilweise durch einen Kapitalstock gedeckt.

Nach einer Untersuchung der auf Altersvorsorge spezialisierten Unternehmensberatung Heissmann hatten die Dax-Unternehmen Ende 2004 im Durchschnitt 51 Prozent ihrer Pensionsverpflichtungen durch reserviertes Planvermögen gedeckt, die Spanne reichte von 0 Prozent bei Adidas bis 101 Prozent bei der Deutschen Bank.

31.07.2006
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PENSIONSLAST


Die 100-Milliarden-Euro-Lücke (2)

Von Kai Lange


Pensionsvermögen wird ausgelagert

Der Trend zum "Outside Funding" setzt sich fort. Immer mehr Unternehmen lagern ihre Pensionsverpflichtungen aus ihrer internationalen Bilanz aus und zahlen stattdessen Geld in einen externen Fonds ein. Die Verpflichtungen werden dadurch zumindest teilweise durch einen Kapitalstock gedeckt.

Nach einer Untersuchung der auf Altersvorsorge spezialisierten Unternehmensberatung Heissmann hatten die Dax-Unternehmen Ende 2004 im Durchschnitt 51 Prozent ihrer Pensionsverpflichtungen durch reserviertes Planvermögen gedeckt, die Spanne reichte von 0 Prozent bei Adidas bis 101 Prozent bei der Deutschen Bank.

Pensionszusagen: Deutsche Bank mit Überdeckung 10 Bilder

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Besonders beliebt sind sogenannte Contractual Trust Arrangements (CTA). Ein Treuhänder verwaltet das zur Deckung der Betriebsrenten reservierte Kapital in einem Fonds und legt das Pensionsvermögen am Kapitalmarkt an. Für die Auszahlung der zugesagten Betriebsrenten haftet weiterhin das Unternehmen - unabhängig davon, welche Rendite das angelegte Pensionsvermögen entwickelt. Mehr als 20 Dax-Unternehmen haben laut der Rauser-Towers-Perrin-Studie unterdessen solch einen CTA aufgelegt. DaimlerChrysler, Siemens, BASF und Henkel haben allein im vergangenen Jahr insgesamt rund acht Milliarden Euro für ihre Pensionsfonds reserviert. Alle Dax-Unternehmen bis auf Adidas haben ihre Pensionsverpflichtungen inzwischen zumindest teilweise kapitalgedeckt, ein Dutzend von ihnen zu mehr als 50 Prozent.

Deckung der Ansprüche von 0 bis 101 Prozent

Doch die "funding ratio", das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtung, ist nicht das Maß aller Dinge. "Natürlich ist es beruhigend, wenn man einen möglichst hohen Anteil der Pensionsverpflichtungen bereits ausfinanziert, also mit Vermögen unterlegt hat", sagt Jasper. "Doch das Unternehmen mit der höchsten Kapitalabdeckung ist nicht automatisch das gesündeste Unternehmen: Es kommt außerdem auf den Cashflow und die Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens an."

Adidas zum Beispiel habe neben der Deutschen Börse die geringsten Pensionsverpflichtungen im Dax. Der Sportartikelhersteller habe zudem viele junge Mitarbeiter und müsse nur begrenzt Cashflow-Risiken absichern: Die Entscheidung, sämtliche Pensionszusagen in der Bilanz zu lassen und kein Pensionsvermögen auszugliedern, sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. "Die Null-Abdeckung ist in diesem Fall noch kein Alarmsignal", so Jasper.

Die gegenteilige Strategie fahren die Finanzhäuser Deutsche Bank und Hypo Real Estate, deren Pensionsvermögen bereits die Höhe der Pensionsverpflichtungen übersteigt: "Diese beiden Unternehmen sind derzeit übergedeckt, weil die Rendite ihrer Pensionsfonds sehr erfeulich ist", sagt Jasper. Durch die erfreuliche Performance sowie durch Mittelzuflüsse in die Pensionsfonds sei die Funding Ratio im Dax auf durchschnittlich 56 Prozent gestiegen.


Druck der Ratingagenturen

Dieser Ansparwille kommt nicht nur aus eigenem Antrieb. "Mit der Ausgliederung der Pensionsvermögen reagieren börsennotierte Unternehmen auch auf den Druck der Ratingagenturen und des internationalen Finanzmarktes", erklärt Jasper. Bis vor wenigen Jahren war in Deutschland das Modell der "Innenfinanzierung" beliebt: Statt das Kapital für die Pensionsverpflichtungen in einen externen Fonds anzulegen, wurde es zum Beispiel in den Maschinenpark des eigenen Unternehmens investiert und die Pensionszahlungen aus dem laufenden Cashflow bedient.

Das Kalkül ging auf, sobald das intern angelegte Geld eine höhere Rendite brachte als eine externe Vermögensanlage - doch die internationale Finanzwelt konnte sich mit dieser deutschen Variante nicht anfreunden.

"Analysten, Banken und Wirtschaftsprüfer fragen nach den Vermögenswerten, die für die Pensionszusagen reserviert wurden - schließlich handelt es sich bei Pensionszusagen um ein Darlehen der Mitarbeiter an das Unternehmen", erläutert Jasper. Wer keine ausgelagerten Pensionsrückstellungen vorweisen konnte, wurde mit einem schlechteren Kreditrating abgestraft: Der Stahlkocher ThyssenKrupp, der 2003 von Standard & Poor's auf Ramschniveau abgestuft wurde, hat inzwischen auch einen CTA gegründet.

Treuhänderfonds verschafft Spielraum

Die Vorteile eines Contractual Trust Arrangements aus Unternehmenssicht: Sie verkürzen die Bilanz, da die Vermögenswerte aus dem CTA von den Pensionsverpflichtungen abgezogen werden. Damit sinkt das Fremdkapital, Unternehmen können mit einer höheren Eigenkapitalquote aufwarten und damit auf ein günstiges Kreditrating hoffen.

In der Gewinn- und Verlustrechnung macht sich eine Ausgliederung ebenfallls häufig positiv bemerkbar, da die Erträge auf das Pensionsvermögen dem operativen Ergebnis zugerechnet werden. Drittens ist ein treuhänderisch verwalteter Pensionsfonds nicht der Finanzaufsicht unterstellt: Die Unternehmen können selbst entscheiden, wie viel Geld sie dem Fonds zuführen wollen (keine Dotierungspflicht) und welche Anlagestrategie sie wählen. Sie können also die Aktien- und Anleihequoten nach eigenem Ermessen herauf- und herunterfahren.

In der Anlagefreiheit liege natürlich auch ein Risiko, betont Jasper: "Doch die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie mit dieser Freiheit vernünftig umgehen." Im guten Aktienjahr 2005 hatten die Dax-Unternehmen zum Beispiel durchschnittlich 41 Prozent in Aktien, 44 Prozent in Rentenpapieren und 15 Prozent in Immobilien und alternativen Finanzierungsinstrumenten angelegt - diese Mischung hat rund 15 Milliarden Euro Rendite gebracht.

Der Versuchung, nach einem exzellenten Börsenjahr einen Teil der erzielten Rendite wieder aus dem Pensionsfonds herauszunehmen, sind aber hohe Hürden gesetzt. Nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Wirtschaftsprüfer sei eine Entnahme möglich, sagt Jasper. In der Regel bilde die erzielte Rendite eine Reserve für magere Jahre.

Feste Beiträge oder festgelegte Auszahlungen?

Eine Entlastung für Unternehmen sei auch die in vielen Fällen veränderte Struktur der Pensionszusagen. Viele Firmen haben sich davon verabschiedet, ihren Pensionären eine feste Auszahlungssumme zu garantieren (defined benefit). Stattdessen sind sie auf ein beitragsorientiertes System (defined contribution) umgestiegen, garantieren also monatlich oder jährlich bestimmte Einzahlungen auf das Altersvorsorge-Konto des Mitarbeiters.

Auf diese Weise verlagert sich das Risiko der Kapitalmarktentwicklung vom Unternehmen auf den Angestellten: Fällt die erwartete langjährige Rendite schlechter als erwartet aus, muss das Unternehmen kein Geld nachschießen.

Ein solcher Systemwechsel sei dennoch für beide Seiten sinnvoll, meint Jasper: "Der Mitarbeiter übernimmt Risiken, kann aber auch mehr erwarten." Ein beitragsorientiertes System sorge für mehr Transparenz und Kalkulierbarkeit. Der Mitarbeiter bleibe über die Entwicklung seines Pensionsvermögen auf dem Laufenden und könne diese über Beitragshöhe und Anlagemischung häufig auch selbst beeinflussen: In vielen Unternehmen sehen "Lebenszykluskonzepte" vor, die Aktienquote mit steigendem Lebensalter des Angestellten zu senken und damit das Kapitalmarktrisiko zu verringern.

Die Lehren aus General Motors

"Die Frage, wie man mit Pensionszusagen umgeht, beschränkt sich nicht mehr nur auf die Gründung eines eigenen Pensionsfonds", erklärt Jasper. "Es ist jetzt eher eine Frage des mittel- und langfristigen Risikomanagements." Die Höhe der Rückstellungen, deren Auswirkungen auf die Bilanz und das Kreditrating, die Altersstruktur der Mitarbeiter sowie eine Absicherung vor den Schwankungen der Kapitalmärkte seien dabei wichtige Faktoren: "Es geht auch um Selbstdisziplin", sagt der Experte von Rauser Towers Perrin.

Einen Fall wie General Motors hält er in Deutschland für kaum vorstellbar: Der Autoriese hatte sich während des Börsenbooms "contribution holidays" gegönnt und mit hohen Aktienpositionen darauf spekuliert, dass eine hohe Rendite der Kapitalmärkte fehlende Einzahlungen ausgleichen werde. Als die Börse einbrach und die Überrenditen in hohe Verlustpositionen verwandelte, ging der Konzern in die Knie. "Unternehmen haben aus dem Crash ihre Lehren gezogen", meint Jasper. Dass die Renditeerwartung, welche die einzelnen Unternehmen für ihre Pensionsvermögen jährlich neu ansetzen, seit dem Jahr 2000 deutlich gesunken sei und nun bei durchschnittlich rund 5,4 Prozent liege, hält er für eine "gesunde Entwicklung."

Eine hohe Anleihequote sei schon deshalb sinnvoll, um das Zinsrisiko auszugleichen. Pensionszusagen seien als langfristiges Darlehen der Mitarbeiter an das Unternehmen gut mit einer langjährigen Bundesanleihe vergleichbar. Bei fallenden Zinsen wie im Jahr 2005 steigen die Pensionsverpflichtungen, doch gleichzeitig steigt der Wert der Anleihe. "Wer einen hohen Anteil solcher Anleihen im Pensionsvermögen hat, sorgt damit automatisch für einen Ausgleich", sagt Jasper.

"Eine Frage des Risikomanagements"


Das wieder steigende Zinsniveau kommt den Pensionsverwaltern gelegen. Nachdem die extrem niedrigen Zinsen im Vorjahr für einen deutlichen Anstieg der Pensionsverpflichtungen gesorgt hatten, tritt nun der umgekehrte Effekt ein: Der Rechnungszins dürfte nach aktuellem Stand im laufenden Jahr - so Jasper - auf 4,6 Prozent steigen und damit höher ausfallen als zunächst geschätzt.

"Die Pensionsverpflichtungen dürften in diesem Fall um 5 bis 8 Prozent sinken - für die Unternehmen eine spürbare Entlastung." Der Deckungsgrad, mit der die künftigen Pensionszahlungen durch Kapital abgesichert sind, dürfte in diesem Jahr über den Vorjahreswert von 56 Prozent im Dax steigen.

Personalabbau muss Pensionssystem nicht kippen

Gleichzeitig setzen jedoch viele Konzerne wie Allianz, Volkswagen und DaimlerChrysler ihren Personalabbau fort. Besonders ältere Mitarbeiter werden mit hohen Abfindungssummen in den vorzeitigen Ruhestand gelockt. Kurzfristig müssen dann weniger Mitarbeiter dafür sorgen, dass die Betriebsrenten für eine steigende Zahl von Pensionären ausgezahlt werden können.

Was das staatliche Rentensystem ins Wanken bringt, muss für das Rentensystem der Unternehmen jedoch keine ernsthafte Gefahr sein, meint Jasper. "Die Pensionszusagen der Unternehmen sind bilanziell ausfinanziert, sie basieren nicht auf einem reinen Umlagesystem wie die staatliche Rente."

Im Idealfall hätten vorausschauende Unternehmen die Pensionszahlungen an die Mitarbeiter, die sie in den Vorruhestand schicken, bereits ausfinanziert. Ein Unternehmenslenker, der auf beitragsorientierte Pensionssysteme setze, die Pensionsverpflichtungen frühzeitig mit Kapital absichere und dafür sorge, dass die Anlagestrategie auf die Schwankungen der Märkte und die Höhe der Pensionsverpflichtungen abgestimmt sei, handle verantwortungsbewusst.

Eine höhere Transparenz und eine engere Abstimmung zwischen Finanz- und Personalbereich im Unternehmen verstärken diesen Trend. An einem "konsequenten Risiko- und Finanzmanagement" gehe beim Thema Pensionszusagen "kein Weg vorbei."


http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,426448,00.html

prof - Dienstag, 1. August 2006 - 12:09
Die einfachste Lösung für die Unternehmen (wie auch für die Rentenkasse) heißt: Inflation!
Prof

chinaman - Dienstag, 1. August 2006 - 16:53
Stimmt. Hilft gleichzeitig bei der Staatsverschuldung. Gleichzeitug noch die Kursgewinnsteuer einführen. Dies ist zwar dann eine Inflationssteuer, aber wenn es der Umverteilung dient ...


Gruß
Chinaman

chinaman - Mittwoch, 11. Oktober 2006 - 04:42
Handelsblatt Nr. 191 vom 04.10.06 Seite 38


Mit der Rente droht der Ruin

Unternehmen unterschätzen den Aufwand für die betriebliche Altersvorsorge

ANKE REZMER | FRANKFURT Die betriebliche Altersvorsorge kann sich für mittelständische Firmen als Zeitbombe entpuppen. Noch immer besteht ein Großteil ihrer betrieblichen Vorsorge aus direkten ungedeckten Zusagen an Arbeitnehmer, die das operative Geschäft belasten. Unternehmensberater empfehlen den Firmen deshalb dringend eine Bestandsaufnahme, um die Systeme auf die demographischen Bedingungen einzustellen. Ansonsten kann es eng werden für mittelständische Unternehmer.

Wenn in fünf Jahren ein gewichtiger Teil der Pensionszusagen fällig werde, weil die begünstigten Arbeitnehmer in Rente gehen, drohe vielen Unternehmen die Insolvenz, sagt Georg Harle, Betriebsprüfer beim Finanzamt Frankfurt. Grund: Für deren Pensionszusagen stünden zu wenig Deckungsmittel zur Verfügung. Die Lasten müssten aus dem operativen Geschäft geleistet werden, es drohten Illiquidität oder Überschuldung, meint er. Nach seiner Einschätzung bestehen nach wie vor mehr als 40 Prozent der Pensionsverpflichtungen bei den deutschen Kapitalgesellschaften im Mittelstand aus zukünftigen Zusagen über feste Leistungen an Mitarbeiter. "Davon sind rund zwei Drittel nicht gedeckt oder rückversichert", sagt Harle.

Die größten Löcher sieht Jürgen Helfen, Vorstand der auf Altersvorsorge spezialisierten Unternehmensberatung Rauser Towers Perrin, dort, wo Geschäftsführer und Manager immense feste Ansprüche erworben haben.

Diese Ansprüche durchziehen die Belegschaften mit 100 bis 1000 Mitarbeitern aber nicht so breit wie in den Großkonzernen. Zwar sind ein Großteil der Pensionsverpflichtungen Direktzusagen. Doch schaut man auf die Zahl der Betriebe, herrscht die Direktversicherung vor, in die Arbeitnehmer überwiegend selbst einzahlen (siehe Grafik).

94 Prozent der Mittelständler bieten ihren Beschäftigten laut einer Umfrage eine Vorsorge an. Ein Drittel habe sein Altersvorsorge-Problem bereits gelöst, ein weiteres Drittel beschäftige sich damit, sagt Helfen. Der Rest, der das "Thema weggeschoben hat", sollte handeln, warnt der Berater. Für einen kleinen Teil könnten die Pensionen sonst existenzbedrohend sein. "Grund zur Panik" sieht er jedoch nicht, da es Lösungen für diese Probleme gebe.

Grundsätzlich macht nach Erfahrung der Berater für viele Mittelständler Sinn, was Großkonzerne bereits seit Jahren tun: Sie frieren feste Zusagen ein und wandeln ihre Altersvorsorge in ein System um, das Beiträge statt Renten-Leistungen garantiert. Den getätigten Zusagen stellen sie Vermögen gegenüber, das sie aus den Bilanzen auslagern.

Im heterogenen Mittelstand gehen Unternehmer nach Erfahrung von Heiko Gradehandt, Geschäftsbereichsleiter beim auf Altersvorsorge spezialisierten Berater Heissmann, verschiedenste Wege. Viele legten auf internen Konten Geld zurück. Andererseits lagerten Unternehmer Vermögen oft aus, wenn internationale Partner dies verlangten oder ein Unternehmer seine Firma für einen Nachfolger vorbereite, sagt Gradehandt. In der Regel werde ein Mischsystem aufgebaut, um das im Vergleich zu Großkonzernen knappe Vermögen zu schonen: Ein Teil des Pensionsvermögens fließe zum Beispiel in einen Pensionsfonds, zudem zahlten sie Beiträge an eine Unterstützungskasse. Beides wird steuerlich gefördert.

Pensionsfonds mit Vermögen zu bestücken komme in Mode, weil dies billiger sei als eine Versicherungslösung, meint Helfen. Denn Versicherer kalkulierten viel konservativer als Vermögensverwalter.

Unter den beitragsorientierten Systemen favorisieren viele Firmen die flexible Entgeltumwandlung, für die Arbeitnehmer oder Arbeitgeber etwa in eine Direktversicherung einzahlen. Das steuerlich geförderte Potenzial sei längst noch nicht ausgeschöpft, sagt Gradehandt.

Bei der Suche nach einem passenden Vorsorge-System sollten Firmen aber abwägen. Gesunde Unternehmen mit stabiler Mitarbeiterstruktur könnten auch weiterhin ungedeckte Pensionslasten schultern, meint Gradehandt. Damit behielten sie den Steuervorteil aus Pensionsrückstellungen und könnten ihr Vermögen für die Firma arbeiten lassen.

Wer andererseits seine Zusagen nicht finanzieren könne, "muss abspecken", sagt Helfen. Es gebe durchaus sozialverträgliche, arbeitsrechtlich vertretbare Lösungen für Kürzungen. Allerdings sei insbesondere dafür eine komplexe Beratung erforderlich.

Dass eine Umstellung des Pensions-Systems nicht zwangsläufig Unzufriedenheit in den Belegschaften schaffen müsse, zeigten Beispiele aus der Praxis. Helfen nennt beispielsweise den schwäbischen Maschinenteilehersteller Sauter. Dort wurden Direktzusagen in ein zweistufiges System gewandelt, das aus Beitragszusagen mit fester Rendite von fünf Prozent und einer flexiblen Entgeltumwandlung besteht. Das Familienunternehmen wie auch die 350 Beschäftigten schätzten die Sicherheit, dass das neue System finanzierbar sei, sagt Helfen - und die Arbeitnehmer stünden sich nicht unbedingt schlechter.

Generell sollten mittelständische Unternehmer ihre Pensionspläne wegen der demographischen Veränderungen und der zyklisch wechselnden Kapitalmarktbedingungen regelmäßig hinterfragen und durchrechnen. Alle fünf, spätestens alle zehn Jahre müsse die Altersvorsorge in den Unternehmen auf den Prüfstand, meint Helfen.

Rezmer, Anke



04. Oktober 2006

al_sting - Samstag, 9. Mai 2015 - 07:11
Chinaman hat hier schon von vielen Jahren auf das Thema hingewiesen. In den aktuellen Niedrigzinszeiten wird das Thema Pensionsverpfichtungen gleich noch eine Nummer brisanter, da laufen viele in genau die gleiche Falle wie Lebensversicherer: Fixierte Auszahlungsverpflichtungen bei zeitgleich deutlich verschlechterten Anlagerenditen eröffnen zuweilen erschreckend hohe Löcher = Nachschusspflichten für die Unternehmen.
2006 schrieb Prof, dass die Unternehmen das Problem mit stärkerer Inflation "los werden" würden. Wir sehen seitdem aber due umgekehrte Entwicklung: Inflation und Zinsen sinken, die Zeitbombe wurde damit noch wesentlich gefährlicher, wenn die Unternehmen sie nicht rechtzeitig entschärften.

Extrembeispiel Lufthansa: Die (offensichtlichen) Zinslasten für die eigene Verschuldung sinkt, die (in Fußnoten versteckten) Nachschussverpflichtungen für Pensionen hingegen explodieren geradezu, im letzten Jahr um 41% auf 10,2 Mrd.
Die Financial Times dazu (Nach dem Titel googeln!)
http://www.ft.com/intl/cms/s/0/eeca54d0-f2fc-11e4-b98f-00144feab7de.html#axzz3ZcB4fNGq
Lufthansa pension deficit balloons amid low interest rates

Chris Bryant, Hannover
©AFP

Lufthansa on Tuesday warned of an “urgent” need to overhaul the way the German airline group provides retirement benefits to employees as the low interest rate environment caused its pension deficit to soar.
The deficit in Lufthansa’s defined benefit pension scheme reached €10.2bn on March 31, up 41 per cent from the end of 2014, according to the group’s first-quarter earnings report.
[...]
Lufthansa’s pension difficulties underscore how the low interest rate environment, in part a function of the European Central Bank’s quantitative easing programme, is raising the cost of funding retirement benefits for some companies.
Simone Menne, Lufthansa’s chief financial officer, said the group’s pension challenges necessitated reform. “Here, more urgently than ever, we need sustainably financeable solutions in place of obsolete structures. “The enormous pension burdens are putting considerable pressure on our equity.”

Lufthansa’s equity ratio — an indicator of leverage and the proportion of assets financed by shareholders rather than debt — has fallen 10.4 percentage points to 7.5 per cent over the past year, well below the group’s target of 25 per cent. Carsten Spohr, chief executive, told Lufthansa’s annual shareholder meeting last week that the company had no plans to raise fresh capital. The stock fell 1.1 per cent to €12.53 in late afternoon trade.

Pension liabilities are increasing for some companies because they have been obliged to lower the “discount rate” under which they value retirement benefits. If the discount rate falls, and therefore the liabilities rise, a defined benefit pension plan needs more assets to be able to cover a projected level of benefits in the future. Some companies have responded by injecting more cash into their pension schemes.

Lufthansa's pension deficit

At Lufthansa, the discount rate applied to its defined benefit pension scheme declined from 2.6 per cent in the fourth quarter of last year to 1.7 per cent in the first three months of 2015.

Lufthansa proposes to close this scheme but until now it has been unable to negotiate the terms of a new defined contribution system for retirement benefits with employees.
Lufthansa’s pilots went on strike repeatedly last year to maintain existing early retirement benefits, and are unhappy that new employees may have to accept less generous pensions. Last week Lufthansa management offered an arbitration of all outstanding contractual issues with pilots. Strike action depleted Lufthansa’s earnings by €42m in the first quarter, and a cost of €58m is expected in the second quarter because of weak advanced bookings related to the industrial action.

Lufthansa generated strong cash flow in the first quarter, in part because of the weak euro. Revenue came to €7bn in the three months to March 31, up 8 per cent compared with a year ago. The operating loss narrowed from €209m to €133m.

Other German companies have been hard hit by pension troubles. At BASF, the chemicals manufacturer, pension provisions more than doubled to €9.6bn in the first quarter compared with a year ago.

levdul1 - Sonntag, 10. Mai 2015 - 13:20
Sehr interessant. 41 % Anstieg der Pensionsverpflichtungen auf 10,2 Mrd. € ist enorm. Man muß davon ausgehen, daß sich dies im nächsten Jahr wiederholt. Die Lufthansa ist bei einer Eigenkapitalquote von 13% angekommen.

Wenn Ihr noch mehr Beispiele findet, wäre ich sehr daran interessiert.

tk_boerseninfo - Montag, 11. Mai 2015 - 00:31
DAX-Pensionsverpflichtungen auf Höchststand: EZB-Niedrigzinspolitik führt zu Kostensteigerung
Towers-Watson-Studie „DAX-Pensionswerke 2014“
März 2015 | DEUTSCHLAND
http://www.towerswatson.com/de-DE/Press/2015/03/DAX-Pensionsverpflichtungen-auf-Hoechststand-EZB-Niedrigzinspolitik-fuehrt-zu-Kostensteigerung

levdul1 - Montag, 11. Mai 2015 - 15:45
Sehr interessanter Artikel. Die Tabelle darin über den Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen ist besonders interessant.
Wenn man mal bei ThyssenKrupp in die Bilanz schaut, dann kann einem schon etwas schummrig werden. Die Aktie hat mittlerweile eine Eigenkapitalquote von 8 % und ein KBV von 4 aufgrund des ständig schrumpfenden Eigenkapitals. Letztes Jahr gab es schon eine Kapitalerhöhung.

Stahlwerte sind gerade im Aufschwung aber mittelfristig ist dies wohl ein prima Put-Kandidat.

al_sting - Dienstag, 12. Mai 2015 - 14:52
Danke, sehr interessante Tabelle!

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