Diskussionsforum der stw-boerse: Strategiediskussionen: US-Tendenz: Archivierte Beiträge bis 2. Juni 2001
stw - Dienstag, 29. Mai 2001 - 21:58
"Aber da ich eh der einzige Bär momentan bei stw bin"

Du bist nicht alleine, avalon. Ich bin ebenfalls ziemlich skeptisch, auch wenn ich im Gegensatz zu Dir glaube, dass man mit erstklassigen Titeln auch in einer Baisse (moderat) verdienen kann.

Das Problem ist doch, dass anscheinend jeder glaubt, es sei ein Naturgesetz, dass nach einigen Zinssenkungen der Konjunkturmotor sofort wieder anspringt... ich würde jedoch nicht ausschliessen, dass es diesmal anders kommt und wir wirklich in eine weltweite Rezession driften.

:-) stw

j_r_ewing - Dienstag, 29. Mai 2001 - 22:30
an Avalon:

"ich bin nie froh wenn irgendwelche Faktoren die Börse betreffend mit dem Ausdruck "spinnen"
oder "verückt" zu tun haben. "

Ich auch nicht.

Aber nur dagegen zu sein, reicht nicht.
Dann ist man nämlich unbesehen für die Alternative!

Wie sähe die aus?

Bisher hatten wir eine Baisse, die ich weiß nicht wieviele Billionen gekostet hat.
Bisher schlug das auf die Realwirtschaft in dem Ausmaß durch, daß diese Liquiditätsknappheit eine konjunkturAbkühlung bis nahe Null brachte.

Wenn jetzt der Konsum wegbricht, weil die Amis anfangen, solide zu werden und für ihre Zukunft zu sparen, ist jeder gesparte $ auf geraume Zeit hinaus ein $ Konsumausfall.
Erste Reaktion: die Wirtschaft schrumpft entsprechend. (Die nationale Liquidität steigt entsprechend - aber wegen der Zinssenkungen liegt hier ja auch kein Problem.)
Einige poplige Prozent Rücklagenbildung vom Gehalt (wieviel % vom Gehalt gehen hier allein in die Rentenversicherung, zwangsweise? Sagen wir mal: davon nur DIE HÄLFTE) wären schon EINIGE % SCHRUMPFUNG IM BSP !!!

Machst Du Dir auch nur ANNÄHERND eine Vorstellung davon, welche wirtschaftliche Todesspirale eine solche (anfänliche!!!) jährliche Schrumpfung mit all ihren Folgeprozessen in Gang setzen würde??? (kleiner Hinweis: die durchschnittliche Umsatzmarge der Supermärkte liegt bei Bruchteilen eines % !)
1929 wäre dagegen nur ein süßer Traum !
Klar: dann können die "starken Hände" kommen und die Scherben auflesen für 'n Appel und 'n Ei; das brächte dann DIE Performance.. Ist das wirklich das, was Du willst??

Natürlich ist heute nicht zu befürchten, daß die Amis alle gleichzeitig das Sparen anfangen, in diesem Ausmaß. Aber auch schon kleinere Spar-Mengen würden nicht nur Spekulationsblasen verhindern (was Du erreichen willst), sondern aus dem Börsencrash einen Wirtschaftsschaden machen, der unverhöltnismäßig länger brauchen würde, bis er wieder ausgeheilt wäre.

Was also ist in dieser (!) Situation besser :
- ein jetzt solide sparsam werdendes Volk, mit der Folge eines satten Wirtschaftsschadens über wahrscheinlich mehrere Jahre hin, mit einer Börsenkatastroophe wie seit etlichen Jahrzehnten nicht ,
- oder ein um ein halbes Jahr verzögertes Sparen, verbunden mit dem bisherigen Börseneinbruch (der - gemessen am Nasdaq - immerhin der gewaltigste seit 25 Jahren war) und einer knapp aufgefangenen Wirtschaft, die, wenn sie sich in ein paar Monaten stabiiisiert hat, die Möglichkeit bietet, die Zügel wieder behutsam anzuziehen, so daß da nichts überhitzt ?

Also: so sinnvoll und angebracht Deine Vorstellungen von solidem Finanzverhalten allgemein auch sind:
ALLES ZU SEINER ZEIT !

Gruß
JR

avalon - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 07:15
Ich glaube irgendwie reden wir an einander vorbei.

Mein Grundkonsenz ist doch gerade, daß ich NICHT irgendwelche Scherbenhaufen sehen will.

Darum habe ich so lange über den Irrsinn bei den
Hightechmärkten geflucht, darum habe ich die Inets
ständig so verdammt.

Obwohl ich das Spiel mit großem Erfolg mitgemacht habe - aber das war und ist gezwungermaßen - ich hasse es einfach wie die Pest wenn irgendwelche Consorsjünger oder Euro am Sonntag Leser Geld am NM verdienen.

Das habe ich mir ziemlich genau ein Jahr lang tatenlos angeschaut nach Einführung des NM - dann bin ich sozusagen voller Wut und mit voll geladender Batterie auch mit rein.
Das hat zwar viel Geld gebracht aber keine Befriedigung mit Ausnahme, daß ich den Schnellreichwerdern im Consorsboard keinen Neid mehr zollen mußte.

Ansonsten war und ist es mir lieber wenn Aktien nur langsam aber beständig steigen, wenn Steigerungen fundamental begründet sind, wenn
es sich lohnt eigenes Research zu betreiben und wenn ich das Gefühl habe eine Aktie lebenslang halten zu können.

Leider bringt Wunschdenken an der Börse nichts, darum bin ich trotz der Performance der letzten Jahre sauer, darum wünsche ich mir wohl so sehr, daß der Markt mal wirklich über längere Zeit fällt, sozusagen die Chance auf einen Neubeginn für den Extremfundi - so wie Ende der 80er, so wie zwischen den Jahren in den 90zigern.

Kaum ist die eine Blase beseitigt kommt inzwischen die nächste, so kann das doch nicht weitergehen.

Aber es wird wohl so weitergehen, wenn ich euch alle so höre - gut dann habe ich wenigstens mal ne längere Auszeit gemacht und meine Wut wird dann wieder groß genug sein um das widerliche Spiel eben weiter zu spielen.

Nur weil ich es hasse heißt nicht, daß ich es nicht kann - die Masse der Möchtegernmillionäre
schlägt jeder Extremfundi ohne Probleme auch wenn er sich in fremdes Revier wagt - einfach weil Erfahrung durch nichts zu ersetzen ist und weil der Fundi bei Blasen seine Gewinnmitnahmen nicht vergißt.

Fakt ist - es gibt keinen Grund warum die Aktien
schon wieder steigen sollten, die Fundamentals sprechen eindrucksvoll dagegen - wenn sie trotzdem steigen sind die Gründe Gier und Liquidität.

So wie all die Jahre..........

Übrigens:
Warum alles besser werden sollte wenn die
Amis erst in einem halben Jahr anfangen "solider" zu werden verstehe ich nun überhaupt nicht.

Ist da vielleicht ein bißchen Wunschdenken dabei bis dahin die eigenen Schäfchen im Trockenen zu haben ?

Ich habe doch gesagt, für Amiland ist es wohl eh schon zu spät - du bestätigst den grassierenden
Irrsinn doch geradezu.

Es darf doch nicht sein, daß alles in Scherben fallen würde bloß weil die Bürger der größten Volkswirtschaft mal anfangen nicht mehr auf Pump zu leben und ein bißchen, wirklich nur ein bißchen
anfangen solide zu werden.

Darf nicht sein sage ich zwar - aber leider ist es
inzwischen nun mal so.

ALLES ZU SEINER ZEIT sagst du - ich sage solides Finanzverhalten hat zu jeder Zeit seine Berechtigung - warum das in USA erst in ferner Zukunft so sein soll verstehe ich wie gesagt nicht........

Avalon

j_r_ewing - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 07:39
"ich sage solides Finanzverhalten hat zu jeder Zeit seine Berechtigung" - ich glaube eben in meiner Argumentation klar gemacht zu haben, daß das in dieser Allgemeinheit NICHT stimmt (und kann nur noch mal darauf verweisen).
Deine eigentliche Zielrichtung teile ich ja im Prinzip sehr wohl; nur kann es sein, daß man mit den besten Zielen eben auch mal Unheil anrichten kann - ist Dir das nie begegnet ?

Aber im Grunde ist es auch völlig wurscht, wenn wir uns hier die Köppe heißreden darüber, was sein sollte und was nicht - wir werden die Welt nicht umkrempeln können !

j_r_ewing - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 07:51
an stw:
"Das Problem ist doch, dass anscheinend jeder glaubt, es sei ein Naturgesetz, dass nach einigen
Zinssenkungen der Konjunkturmotor sofort wieder anspringt... ich würde jedoch nicht ausschliessen,
dass es diesmal anders kommt und wir wirklich in eine weltweite Rezession driften."

(Wenn ich von dem Wort "sofort" mal absehe:)
Nun, die Nationalökonomie glaubt eben, daß sie ewigen Gesetzen auf der Spur ist - zumindest approximativ.
Und oft genug bewährt haben sich ihre Gesetze ja nun auch. Also ist es vernünftig, anzunehmen, daß sie auch dieses mal wieder gelten, solange man keinen plausiblen Grund hat, sie anzuzweifeln.
Welches ist Deiner ?

avalon - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 15:19
Hört hört - dafür brauche ich kein Investmentbanker zu sein:
(gerade bei w.o. gefunden)

"„Im April und im Mai war die Hoffnung stärker als die Wirklichkeit“,
meint nun Douglas Cliggott, von J.P. Morgan Securities. Die Nasdaq
ist seit dem Tiefpunkt von Anfang April um gut 40% gestiegen. Die
ökonomische Situation der USA hat dazu aber wenig Anlass gegeben"

Avalon

j_r_ewing - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 16:01
Jaaaa - VOLL d'accord !
Aber wer redet denn hier von "sofort" ???
Ich für meinen Teil rede mir den Mund fusselig für JahresENDE !!
Und wir brauchen doch wohl nicht darüber zu streiten, daß die Börse die reale Entwicklung üblicherweise VORWEGNIMMT ? (so ca. ein halbes Jahr, heißt es - die Angabe könnte nach meinem Gefühl hinhauen, ohne daß ich da mal genauer drauf geachtet habe.)

Gruß
JR

soleneve - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 16:08
In den meisten Modellen der Nationalökonomie ist der inverse Zusammenhang von Zinsen und Investitionen (Wachstum) eine Prämisse. Wenn die Prämisse gilt, kann eine ganze Menge gefolgert werden, ob sie gilt, ist umstritten.
Es gibt auch Hochzinsphasen mit ordentlichen Investitionsquoten oder umgekehrt die Liquiditätsfalle.
Die Zinssenkung bringt höchstens vorübergehend eine psychologische Hilfe, dass wieder ein paar günstig rauskommen, und dann wieder noch günstiger rein.
Gruß
Soleneve

j_r_ewing - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 17:38
Nun, meine eigenen Forschungen haben ergeben...

Scherz beiseite: ich bin kein Fachmann, nur ein interessierter Laie, wohingegen Du Dich ja eingehender auszukennen scheinst. Mit Deiner Aussage über die Modelle wirst Du sicher recht haben. Und daß man das, was man vorher reingesteckt hat, hinterher rausholen kann, ist mir klar.

Ich traue dem "gesunden Menschenverstand" aber auch einiges zu. Meiner sagt mir, daß da (in der großen Statistik) was dran ist, daß da, wo es was abzustauben gibt, die Ärmel hochgekrempelt werden - desto mehr, je mehr es sich "lohnt". (daß die Pferde, die man ans Wasser führt, wohl bald saufen werden, wie man im Fachjargon wohl sagt. Und auf die Geldgier der Leute ist statistisch wohl recht gut Verlaß, meinst Du nicht ?) Und da die Firmenfinanzierung (statistisch) weit überwiegend auf Pump ist, lohnt es sich bei niedrigeren Zinsen eben deutlich mehr. Von daher ist mir nicht verständlich, wie man das anzweifeln kann.

Natürlich gibt es daneben auch noch andere Parameter, die diesen in manchen Fällen überwiegen werden. In der Empirie haben wir da z.B. Japan. Aber ein paar Gegenbeispiele sind - gerade deshalb - noch kein Gegenbeweis. (Du kennst doch sicher auch die Leute, die daraus, daß ihr rauchender Opa doppelt so alt wurde wie ihre nichtrauchende Oma, die Ungefährlichkeit des Rauchens ableiten?)
an Soleneve:
Hochzinsphasen mit strammem Wachstum sind m.E. solche Beispiele.
1.) muß eine Korrelation noch keine Kausalität beinhalten (Beispiel Nestdichte der Störche und Geburtenhäufigkeit in Schleswig-Holstein - das klassische Beispiel in Statistik-Kursen.)
2.) gibt es auch andere Parameter (s.o.)
3.) (oder ist es 2a ? egal: ) könnte es auch so herum sein, daß zuerst das stramme Wachstum da war und darufhin die Zinsbremse angezogen wurde und dieser Zustand einige Zeit anhielt.

"Liquiditätsfalle" kenne ich nicht, dazu kann ich nichts sagen.
(Klingt aber interessant. Heißt das, daß ich viel Geld kriege und dann deshalb nix mehr tue ? Da würde ich gerne reinlaufen! :-))) )

"Die Zinssenkung bringt höchstens vorübergehend eine psychologische Hilfe" : Kann ich so nicht nachvollziehen. Wieso ?

Gruß
JR

P.S. Ach ja: da gab es doch die berühmte Laffer-Kurve, das Neuste Testament seit Reagan? (Dir dürfte das doch was sagen!)
Und wenn die Leute unter Überlebensdruck gesetzt sind, werden sie sich auch vermehrt anstrengen, auch wenn ihre Leistung auf dem Markt vielleicht mickrig bezahlt wird. Aber ist das hier (im statistischern Rahmen) relevant?

j_r_ewing - Mittwoch, 30. Mai 2001 - 18:09
11:30AM
O'Neill: tax cut to add 0.5% to growth by Rachel Koning

The tax cut bill that should go to President Bush for his signature as soon as next
week will add 0.5 percent to the nation's annual growth rate, Treasury Secretary
Paul O'Neill said Wednesday.


Klar: sowas kann man nicht einfach buchstabengetreu schlucken - da sind Interessen im Spiel.
Aber wenn ich davon nur die Hälfte glaube, ist auch noch was Nettes übrig !

avalon - Donnerstag, 31. Mai 2001 - 14:36
STEUERGESCHENK SOLL KONJUNKTUR STÜTZEN

Da ist zum einen das Steuergeschenk, das Präsident George W. Bush den Amerikanern beschert hat. Noch in diesem Sommer soll jeder per Scheck
eine Steuerrückzahlung in Höhe von rund 300 USD pro Person erhalten. Die Regierung hofft, dass zumindest ein Teil dieses Geldes umgehend wieder
in die Wirtschaft fließt. Auch die Zinssenkungen haben entscheidende Bedeutung: In einem Land, in dem der Kauf auf Pump für jeden zur Routine
gehört und >>>>>>Leute ohne Schulden fast Argwohn hervorrufen<<<<<<, tragen niedrigere Zinsen zum Wohlbefinden bei. Und die Leichtigkeit, mit der Schulden auf
dem heutigen Markt umfinanziert werden können, dürfte die Verbraucher bei der Stange halten, meint Bosworth.

Die US-Wirtschaft wuchs im 1. Quartal auf Jahresbasis um 1,3 Prozent. Im 4. Quartal 2000 lag das Wachstum nur bei einem Prozent. Der
internationale Währungsfonds (IWF) hält rund 1,5 Prozent Wachstum im Gesamtjahr für möglich./oe/DP/hn/ --- Von Christiane Oelrich, dpa


.....Leute ohne Schulden fast Argwohn hervorrufen......

Ah - welch wohliges Grausen überfällt mich da wenn ich so was lese - nee, JR ich freue mich weiterhin nicht auf den erwähnten "Scherbenhaufen" - aber soll nachher keiner sagen es hat niemand wissen können, es hat keiner gewarnt.

Man hätte es wissen MÜSSEN sagen nämlich dann wieder alle........"g"

Avalon

soleneve - Donnerstag, 31. Mai 2001 - 14:43
JR, Du hast eine Hypothese aufgestellt (sinkende Zinsen steigern Investitionen bzw. Wachstum), gegen die es empirische Beispiele gibt (Japan hast Du selbst genannt, USA/Deutschland Anfang der 30er sind andere; dies sind übrigens Beispiele für die Liquiditätsfalle: billige Zinsen, aber die Leute sehen keinen Absatzmarkt und investieren deshalb nicht genügend). Die Hypothese ist also nicht haltbar, zumindest nicht in der Allgemeinheit.

Es kann trotzdem sein, daß die Zinsen gesenkt werden und die Wirtschaft deshalb stärker wächst als sonst (was zusätzlich das Problem aufwirft, das fiktive sonst zu prognostizieren), aber das kann Zufall sein, oder durch zusätzliche Einflüsse bedingt sein.

Ich selbst denke schon, daß die niedrigeren Zinssätze die USA in diesem Fall vor schlimmerem bewahren, aber ein nationalökonomische Naturgesetz, auf das man blind vertrauen kann, ist es nicht.

Gruß
Soleneve

j_r_ewing - Freitag, 1. Juni 2001 - 04:01
an Soleneve:

Nationalökonomische Naturgesetze dürfte es wohl überhaupt nicht geben, da Wirtschaft (von Landwirtschaft, Wetter, Naturkatastrophen, Rohstofffunden und Epidemien mal abgesehen) durch Menschen gemacht wird, deren Einzelentscheidungen also das Ergebnis bestimmen. Menschen sind in ihrer großen Menge aber statistisch recht gut faßbar, wodurch es legitim ist, ökonomischen Relationen eine entsprechende "Formstabiliität" zu unterstellen. Diese Hebel mögen sich biegen; auch mal krumm werden (bleibend); aber da die Menschliche Natur sich ja auch nicht von Knall auf Fall ändert, werden auch ihre Bedürfnisse und Reaktionsweisen es (in der Statistik ) auch nicht tun.

Natürlich kann man sich nicht wie in der Naturerforschung einfach Laborsituationtn schaffen: eine isolierte Volkswirtschaft mit repräsentativer Bevölkerung und Randbedingungen aus dem Boden stampfen und bestimmte Teile davon zum STillhalten zwinge, so daß nur die interesseirenden Parameter sich ändern und alle anderen nicht. Von daher entziehen sich ALLE ihre Hypothesen strenger Überprüfbarkeit, so daß man, wenn man in seiner Empirie nur puristisch vorgeht, JEDE Hypothese anzweifeln und zum Produkt unerfaßter Parameter oder auch schieren Zufalls erklären kann. (Wobei mir das mit dem Zufall wegen der i.a. großen statistischen Gesamtheiten auch eher fadenscheinig vorkommt.)

Das mit den unerfaßten Parametern kann theoretisch natürtlich der Grund sein, warum eine ungültige Hypothese mal DOCH gilt. Es kann aber genauso gut umgekehrt sein: daß eine gültige Hypothese deshalb mal NICHT gilt.

Wie steht es also nun mit den angeführten Beispielen?

Das Contra-Beispiel Japan scheint mir in dieser Hinsicht gänzlich untauglich. Dort herrschen ganz erheblich andere Zustände als im freiheitlichen Hire-and-fire-Kapitalismus der Amis, und auch noch anders als in unserem noch ziemlich "rheinischen" Kapitalismus. - Aber das Thema Japan ist eigentlich oft genug besprochen worden.
Auch beim Beispiel "Weltwirtschaftskrise" habe ich Zweifel. Soviel ich weiß, gab es damals zumindest einen großen Unterschied zu heute: der Dollar war starr an das Gold gebunden, und um dieses feste Verhältnis zu verteidigen, wurde der schwächelnde Dollar durch Hochzinspolitik (!) ums Verrecken gestützt. Welchen Einfluß hohe Zinsen auf die Börsenkure haben, ist wohl unstrittig. Ohne diese Last hätte es am "Schwarzen Freitag" ff. mit Sicherheit kein solches Schlachtfest gegeben. Genaueres weiß ich zur damaligen Sache leider nicht. Aber schon dies zeigt mir, daß damals die Spielregeln wesentlich anders waren als heute, und deshalb wäre ich mit diesem Beispiel als Beleg sehr vorsichtig.

Was ich hingegen zu gunsten meiner "Hypothese" anführen kann, ist, daß vor Monaten Bernecker mal eine historisch-empirische Untersuchung (über viele Jahrzehnte hin) darüber brachte, wie lange es dauert, bis nach einer Zinssenkung die Wirtschaft wieder anzieht. Leider kann ich auch dies nicht mehr präzise wiedergeben (...einer von Euch vielleicht ?); jedoch lag m.W. der durchschnittliche Zeitraum bei 6 bis 9 Monaten. Bei allerdings erheblicher Schwankungsbreite. Daß aber gleichzeitg die Steuersenkung stattfindet (die ja nicht nur aus einer einmaligen SCheckversendung besteht), sollte sicherlich dafür sorgen, daß die Zeitspanne gegenüber "normal" verkürzt wird. So komme ich auf meinen zeitpunkt "Ende des Jahres". Das ist natürlich keine Grundlage, auf der ich für eine Prognose meinen Kopf hinhalten kann. - Aber fragen wir doch mal anders rum . Hast Du irgendwelche stichhaltigen positiven Argumente, daß es diesmal länger dauert? Oder was ist Deine Gegenthese ?

Im übrigen: sag mal, warum glaubst Du dann doch, daß die Zinssenkungen uns "in diesem Fall vor schlimmerem bewahren"? Nach dem, was Du anführtest, solltest Du das doch energisch bestreiten!

Gruß
JR

P.S.: Was ich immer schon mal wissen wollte: was bedeutet eigentlich Dein Board-Name ?

avalon - Freitag, 1. Juni 2001 - 07:55
Ja die Zinsen werden uns alle retten.
Wenn es sogar Bernecker sagt......."g"

Ich könnte es sogar ein bißchen nachvollziehen, wenn es sich um die Langfristzinsen handeln würde.

Aber die sind am Steigen, warum auch nicht, Zinssenkungen ohne entsprechenden Rückgang der Inflationsrate machen den langfristigen Bondkäufern eine Heidenangst.
Da wollen die mehr Rendite sehen.

Damit verschlechtert sich das Verhältnis von Aktien und Anleihen KGV weiter - nach traditionellen Maßstäben ein böses Gift für die Aktienmärkte.

Es ist nicht gesagt, daß die geparkten Gelder bei weiterem Rückgang der Kurzfristzinsen eher in die Aktien gehen. Das stimmt nur wenn auch die langfristigen Zinsen parallel dazu unattraktiver werden und das sehe ich nicht.

Die hektischen Aktionen der FED gleichen da einem Drahtseilakt, nur daß diesmal Millionen von Seiltänzern betroffen sind.

Waren das noch Zeiten als die gute alte Bundesbank mit ihrer ruhigen und besonnenen Politik als Vorbild für die Welt fungierte.

Sogar die EZB hat sich vor kurzem dazu hinreißen lassen die Zinsen zu senken, kurz davor war das angeblich völlig ausgeschlossen - gibt nichts schlimmeres als eine hektische und nervöse Zentralbank..............

Avalon

soleneve - Freitag, 1. Juni 2001 - 11:39
JR, ich habe klargestellt, dass die Zinswirkung kein Naturgesetz ist, da sind wir uns ja offensichtlich einige. Trotzdem können Zinssenkungen positive Wachstumswirkungen haben, und im Fall der USA verhindern sie vielleicht auch Schlimmeres. Da sehe ich keinen Widerspruch, auch nicht zu dem was Du gesagt und schön ausführlich begründet hast.

Mein Name ist ein Zufallsprodukt, ich habe ihn mal an einem sonnig verschneiten Wintertag gewählt, weil ein Bekannter aus Brasilien die Kombination Sonne und Schnee nicht kannte.
Gruß
Soleneve

mib - Freitag, 1. Juni 2001 - 15:17
die EZB bekommt Druck von der US-Fed und US-Regierung. Denen geht der Arsch auf Grundeis, weil jetzt auch Europa ins Stottern kommt...

was mir allerdings ein Raetsel bleibt, ist der U$/Eu Wechselkurs... da "fluechten" doch anscheinend viele in den sicheren Hafen US-Waehrung (ich bin da aber noch viel weniger als ein Laie...)

Mib

j_r_ewing - Freitag, 1. Juni 2001 - 17:46
Ich hab es generell aufgegeben, was mit Währungen zu machen (wenigstens im Dreieck $ - E - Yen). Mein Ansatz: Charttechnik, plus aus dem, was gerade so aktuelles Thema ist in den Sphären Zinsen / Handelsbilanzen / Konjunktur / ggf. Politik, ging früher einigermaßen, seit Jahren aber zu schlecht, als daß ich darauf Positionen eingehen möchte. Das einzige, wonach ich da noch gehe, sind längerfristige Tendenzen (oder was ich dafür halte) von Gesamt-Volkswirtschaften.

Eins hat mich aber mal von den Socken gehauen: als ich mal einem Hinweis Berneckers nachgegangen bin, die Aktienmarktkrise sei beendet, wenn der sinkende $ wieder zulegt. Und diese Regel hat 1998 beim Rußland-Crash fast taggenau funktioniert!! Damals hätten doch eigentlich die Europäer (die Rußland geografisch wie wirtschaftlich ja viel näher liegen) eigentlich wie EIN Mann in den $ flüchten müssen, denkt man - faktisch war's genau umgekehrt! Es scheinen also andere Leitgedanken zu domimieren, als man sich so denkt. Mir scheint, es geht bei Aktienmarktkrisen eher um eine prinzipielle Entscheidung: generell raus aus Aktien - oder generell rein. (Was ja seine Plausibilität hat: Die Märkte laufen der Wallstreet ja doch hinterher - Sonderbewegungen wie derzeit Japan sind selten.) Und wenn dann der Zeitpunkt gekomme scheint für "wieder rein", dann dorthin, wo man die größte Überlebensstärke vermutet: den kapitalmäßig größten - also Amiland.

Um so frappierter war ich, als jetzt, wo die Korrektur weltweit von der nasdaq eingeläutet wurde (nachdem allerdings auch die Lemminge-Hausse dort ihren Ursprung gehabt hatte) und alle Welt dort ihre Positionen liquidierte (oder sogar mußte), der $ mitten in der Wallstreet-Krise fröhlich stieg. (Das würde zum "sicheren Hafen $" ja passen - aber das widerspricht wie gesagt '98.)

Unterm Strich scheint es mir so zu sein, daß da einfach eine gewaltige Flut "überflüssige" Knete um den Erdball rollt auf rastloser Suche nach der um einem Tick besseren Verzinsung, und den leisesten momeentanen Trends sofort nachrennt, die dann aber schnell wieder umkippen.

Oder hat jemand die Wechselkurse im Griff ? Dann würde ich SEHR gerne seine Methode hören!!

Greetings
JR

P.S. Apropos "Wenn es sogar Bernecker sagt": Was soll daran falsch sein, wenn der jemand anderen zitiert ?
Im übrigen habe ich noch keinen getroffen, der in den großen volkswirtschaftlichen Zügen ein so treffendes Urteil hatte wie er (wenn er auch in Detailfragen (Einzelaktien) nicht grad der liebe Gott ist).
Auch hier: sollte jemand einen besseren volkwirtschaftlichen Berater kennen - bitte keine Schüchternheit, ich wäre äußerst interessert !

mib - Freitag, 1. Juni 2001 - 18:49
10:30 ET Roadway Corp. (ROAD): 24.75 -2.43: Think what you want about the current state of the U.S. economy, but if you think the economy is strong, we'd suggest you refrain from sharing your opinion with Roadway Corp. After the close yesterday, this provider of less-than-truckload freight services warned that it would be falling short of the Q2 consensus EPS estimate of $0.43 by a significant margin. The company said as much by acknowledging that it expects Q2 earnings to be 60-70% below the yr-ago period when it posted a profit of $0.52 per share. In short, that translates into earnings of $0.16-$0.21 per share for 2Q01. According to Roadway, which transports general commodity freight that includes apparel, appliances, automotive parts, chemicals, food, furniture, glass, machinery, metal and metal products, non-bulk petroleum products, rubber, textiles, wood, and miscellaneous manufactured products, continued weakness in the national economy is the reason why tonnage levels are running 13-14% below those of a year ago. As to be expected, Roadway's warning is weighing on other trucking companies such as Consolidated Freightways (CFWY -0.09), J.B. Hunt (JBHT -0.57), U.S. Freightways (USFC -0.20), Arkansas Best Corporation (ABFS -0.39) and Yellow Corp. (YELL -0.33). While Roadway's quarterly warning is troublesome for its own shareholders, the company's claim that it has seen no signs of a turnaround in underlying economic conditions should be even more bothersome for investors in general. Considering the scope of basic products that Roadway transports, that is a telling revelation for two reasons. First, it supports the notion that end demand still remains quite weak-- and not just for technology products-- and secondly, it supports the unsettling view that an economic recovery, and subsequent earnings rebound, won't materialize as soon as the market wants to believe (i.e. before the end of the year).-- Patrick J. O'Hare, Briefing.com

j_r_ewing - Samstag, 2. Juni 2001 - 08:13
Was ich sehe, ist eine Gewinnwarnung von Roadway, begründet mit einem Tonnage-Rückgang von 14 % per Jahr, bei Transportgut aus dem Konsumgüter-, dem Investitionsgüter- und dem Materialbereich, ohne diesbzgl. Aufschlüsselung.

Der Autor glaubt daraus schließen zu können
- Schwäche auch des Endverbrauch-Sektors,
- keine "Materialisierung" vor Ende des Jahres.

Ich sehe nicht, mit welchem Recht.
(mal abgesehen davon, daß "Ende des Jahres" auch meine Rede ist.)

Gruß
JR

avalon - Samstag, 2. Juni 2001 - 10:15
Oh - bloß nichts gegen Bernecker, bin die letzten Jahre auch zu der Überzeugung gekommen daß er einer der wenigen ist.......

Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, daß er wie so viele langsam einfach keine Lust mehr hat auf Baisse.

Das geht nun schon zu lange für die meisten, ob Profi oder Laie.

Ich geb`s ja selber zu, Spaß macht es keinen länger als ein paar Monate den Bär zu spielen.

Aber ich zieh das jetzt durch, das hat mir schon zu oft genützt bei Markteinschätzungen stur zu sein.

Ihr könnt mir dann ggf. auch gerne die Finger zeigen wenn ich falsch liege, das verkrafte ich nach so einem Superjahr 2000, außerdem wird die Freude dann wieder Bulle zu sein das mehr als aufwiegen........."g"

Avalon

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