Diskussionsforum der stw-boerse: Sonstiges: Versicherungen
boersenguru07 - Dienstag, 3. März 2009 - 22:52
Sorry, wenn ich diesen Beitrag in voller Länge hier reinstelle. ABER den will ich Euch nicht vorenthalten, da meines Erachtens hier die Problematik der Versicherungen in (naher?) Zukunft sehr treffend aufgezeigt wird...

Wie steht Ihr zu diesem Thema?

Grüße
Boersenguru07


http://www.heibel-ticker.de/archiv.php?standardID=180&start=0

05. LESERFRAGE: ANLAGESTRATEGIE VON VERSICHERUNGEN
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Ihre Fragen schicken Sie bitte an leserfragen/at/heibel-ticker/./de. Ich werde künftig nur noch eine Leserfrage veröffentlichen. Den Rest beantworte ich direkt. Bitte fragen Sie mich nur zu Unternehmen mit einem Marktwert von mindestens 100 Mio. Euro bzw. USD.

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FRAGE:

Sehr geehrter Herr Heibel,

gestatten Sie mir, dass ich einige Ihrer Ausführungen vom gestrigen Heibel-Ticker etwas relativieren möchte:

Zunächst einmal, Sie schreiben sehr flüssig und für den einfachen Bürger sehr gut verständlich. Das gefällt mir. Sie vertreten klar Ihre Meinung und bleiben recht neutral. Auch das ist für mich sehr seriös. Sprich ich lese Sie sehr gerne. Aber: Einige genannte Lösungen und Erwartungen von Ihnen kann ich trotzdem absolut nicht nachvollziehen:

Bin selber seit 25 Jahren beruflich in der Wertpapierbranche - seit 12 Jahren selbständiger Wertpapiermakler im Schwerpunkt Rentenhandel - aber durchaus sehr gut, beruflich bedingt, mit Politik und Wirtschaft vertraut. Aktienhandel incl. Insofern denke ich weiß ich auch, über was ich schreibe.

Zunächst einmal möchte ich auf Ihre Sichtweise zu Obama eingehen. Mal ganz ehrlich, was erwarten Sie eigentlich von dem Mann? Haben Sie wirklich geglaubt, es kommt ein neuer Messias, alle jubeln und alles wird gut? Obama ist ein Politiker - nicht mehr und nicht weniger. Er verkauft sich gut - sonst nichts. Er hat von Wirtschaft keinerlei Ahnung und hat nur seine Berater. Auch Bush hatte sicherlich einige gute Berater und versagte völlig. Warum soll es Obama da anders ergehen? Obama ist ein Show-Man, der zur richtigen Zeit im Wahlkampf den richtigen Ton getroffen hat. Alle Wirtschaftsweisen haben keine Antwort auf dieses Desaster - warum soll Obama die Antwort haben? Ich halte das für recht naiv von Ihnen - nein, soll jetzt wirklich keine Beleidigung oder Kritik darstellen, nur meine Meinung. Ich hoffe es kommt richtig rüber.

Im Übrigen spiegeln Sie mit Ihrer Begeisterung nur die Mehrheit der Menschen. Und durch diese Begeisterung trauen Sie dem Mann Sachen zu, die er gar nicht bewerkstelligen kann. Auch ich halte Obama allemal besser als einen Mr. Bush. Aber Obama wird trotzdem heillos überschätzt. Zu Beginn seines Wahlkampfes las ich einen Bericht über ihn, dass er schon beim Wahlkampf zum Senator immer bemüht war, sein Fähnchen in den richtigen Wind zu drehen, sprich er wechselte sehr oft seine Hosen. Sollte man
vielleicht im Hinterkopf behalten.

Zweiter Punkt: Ihre Ausführungen zur Bad Bank! Das Schlimmste was einem Staat passieren kann. Sie schreiben der Staat hätte dann alle Zeit der Welt. Nein, völlig falsch. Dem Staat würde die Zeit davonlaufen, da dann die Hyperinflation bereits in kürzester Zeit eintritt. Ich meine zwar, dass die Hyperinflation ohnehin kommen wird, im Falle der Bad Bank dann aber in einer rasenden Geschwindigkeit. Und die Banken, befreit
von dem Müll, werden weiter massiv den Dreck der Derivate verkaufen.

Und Managergehälter kann man nicht so einfach runtersetzen – es gibt feste Verträge. Was meinen Sie eigentlich, was dann noch alles aufgefangen werden muss. Jetzt werde ich Ihnen mal ein Interna nennen: Früher haben alle Lebensversicherungen auf 30 Jahre SSD gekauft (Schuldscheindarlehen von Unternehmen, also direkte Kredite von bestimmten Unternehmen, Anm. Ihres Autors).
Plain Vanilla Scheine („reine Vanille", also Schuldscheine ohne irgendwelche Sonderregelungen oder Strukturen, damit sie mit entsprechenden Scheinen anderer Unternehmen vergleichbar sind, Anm. Ihres Autors)- mit nicht sehr viel Rendite, aber recht sicher.

Seit 5-6 Jahren lief mein Geschäft immer schlechter, da diese Versicherungen nur noch Strukturen von Mathematikern in den Banken über London gekauft haben. Reine Wetten. Tritt dies mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ein, dann rechnet man das für jedes Jahr auf 30 Jahre hoch. Wieviel "?" bleiben da? Hunderte ob das so aufgeht. Aber es wurde gemacht. Fast alle Lebensversicherungen haben nur noch langlaufende Wetten in Ihren Beständen. Und diese Wetten sind heute nichts mehr wert.
Wollen Sie die gesamte Versicherungsbranche auch in eine Bad- Versicherung stecken? Das ist ein Fass ohne Boden. Fangen Sie mit den Banken an und dann wird die Branche der Versicherung, die aktuell sehr bemüht sind diese Details nicht zu offenbaren, freiwillig an die Öffentlichkeit gehen um diese Hilfe zu
erhalten. Mein Rat an Sie - meiden Sie LV wie der Teufel das Weihwasser.

Herr Heibel - verfluchen Sie nicht den einzelnen Banker - der hat nur seinen Job gemacht - er wurde zum Verkauf gedrängt von oben. Verfluchen Sie lieber die ganzen Mathematiker, die von den Vorständen eingekauft wurden, um das große Geld zu machen. Denn diese Konstrukte sind heute keinen Cent mehr wert. Das große Heulen und Jammern wird erst noch richtig kommen. Die Bad Bank aber ist der Schlechteste aller Wege.

Ich wünsche Ihnen alles Gute - lassen Sie sich meine Zeilen aber mal durch den Kopf gehen.

Mit freundlichen Grüßen, Marc aus Luxemburg


ANTWORT:

Herzlichen Dank für Ihr Schreiben. Der Inhalt ist mir nicht neu, selten kommt der Inhalt jedoch so nüchtern und klar herüber, wie von Ihnen. "Eigentlich" wissen wir ja alle seit dem Crash von 2000 - 2003, dass unser Finanzsystem over-leveraged ist und dass wir nun endlich die Luft rauslassen. Da hilft nun auch keine Mathematik mehr. Aber Menschen wie ich suchen immer wieder nach einem Weg, dieses System doch noch aufzufangen. Es müsste doch Wege geben, den Liquiditätsfluss wieder herzustellen. Und dann kommen Sie und sagen: Die ganze Politik ist nur noch eine Verwaltung des Crashs.

Also stelle ich immer wieder meine Goldbarren- und - münzenempfehlungen in den Vordergrund.

Sie sehen: Nachdenklich bin ich, aber leider ohne Ergebnis. Die Theorie ist mir klar. Doch es fehlen die Beispiele von Leuten wie Ihnen. Können Sie etwas genauer werden, wie Sie gemerkt haben, dass unsere LVs nun in mathematische Modelle investiert sind und nicht mehr in „langweilige" Anleihen?


RÜCKANTWORT:

Lieber Herr Heibel,

vielen Dank für Ihr Schreiben, Sie hatten eine Frage - die will ich so gut es geht beantworten.

Ich bin Rentenmakler. Hier vermittle ich festverzinsliche Wertpapiere zwischen Banken im Depot A Bereich (Hauptkonten der Kunden, Anm. Ihres Autors) und auch zwischen Banken und Versicherungen. Eigentlich sollte man denken die Banken hätten selber genügend qualifizierte Leute für diesen Job. Aber leider
stellen die Banken Wertpapierberater oder besser "Wertpapierverkäufer" nur für den Kundenbereich ein. Die
eigenen Anlagen der Banken werden erst seit kurzer Zeit von den WP-Handelsabteilungen mit bearbeitet. Bei einigen Banken macht das noch heute der Vorstand oder die Leitung der Abteilung Rechnungswesen. Beide haben von Wertpapieren nur Grundahnungen und so kaufen die das, was ihnen vom Verband empfohlen wird - oder von Maklern wie mir.

Und der Verband - DZ-Bank, WGZ etc. oder Landesbanken haben seit Jahren nur noch „Strukturen" mit großer Gewinnmarge verkauft. Der Vorteil hier: Man konnte sich massiv seine Provision reinrechnen, keiner merkte es und nach außen sah diese Anlage noch deutlich besser aus als vergleichbare festverzinsliche Wertpapiere. Also hat jeder dieses Zeug verkauft.

Und das ganz Verrückte: Die allererste „Struktur" kam Ende 1995/Anfang 1996 in Deutschland heraus. Die hatte ich damals auch mit angeboten, weil ich dies selber noch nicht durchschaut hatte. Und genau in diesem Monat hatte ich mein bestes Verkaufsergebnis aller Zeiten. Hunderte von Volksbanken und
Sparkassen wollten über mich das Ding kaufen.

Habe das dann 1 Jahr mitgemacht und mir eine goldene Nase daran verdient - bis eine Bank mal so eine Struktur bei mir verkaufen wollte. Man konnte diese Anlage nicht mehr preisen – sprich bewerten. Unverkäuflich. Es wurden dann zwar Systeme entwickelt, wo es möglich war einen Rückkaufpreis zu geben,
dieser war aber mit riesigen Abschlägen verbunden. Ein wirklich schlechtes Geschäft für jemand der diese Struktur vorzeitig verkaufen wollte.

1997 war mir klar - wenn ich das weiter anbiete, dann werde ich all meine Kunden verlieren. Also ließ ich per sofort die Finger davon. Ironie der Geschichte: Ich verlor trotzdem fast alle meine Kunden. Begründung: Alle(!) Banken wollten danach nur noch dieses Zeug kaufen. Die waren süchtig danach! Und ich hatte plötzlich sehr schwere Jahre. Gottlob liefen die Strukturen, die ich früher verkaufte meist nur 5 Jahre, so dass ich mir nie vorwerfen muss, dass ich das ganze Desaster mit zu verantworten habe. Es ist wie bei einem Schneeballsystem. Die Ersten gewinnen, die Letzten werden gebissen und bleiben auf der Strecke. Hätte ich weitergemacht, hätte ich noch sehr viele ertragreiche Jahre gesehen, könnte mich heute aber nicht mehr im Spiegel betrachten.

Ohne mich loben zu wollen, tauschte ich im Jahr 2001 bereits meine gesamte (!)Altersversicherung in Goldmünzen - meine Frau hält mich heute noch dafür für absolut verrückt!

Zum Thema Versicherungen: Anfang 2000 fingen die Lebensversicherungen an - auch da waren viele früher meine Kunden - z.B. auch die Debeka LV oder Allianz LV auf 30- jährige Strukturen umzusteigen. Auch diese Kunden verlor ich. 2006 rief ich nochmals bei einigen dieser Versicherungen an - die einheitliche Aussage war (ContiVers. zumindest bei mir mal ausgenommen): "Nur 30jährige Strukturen, am besten mit einem
ausländischen - spanischen oder britischen oder italienischen Emittenten. Bringt die größten Profite. Oder Strukturen von Sparkassen oder Volksbanken sind erwünscht."

Im Detail: Eine Sparkasse will sich Geld günstig besorgen. Die Landesbank geht an z.B. Goldman Sachs in London, macht auf diesen Sparkassenschuldschein eine 30jährige Struktur mit vielen, sehr vielen Derivaten darauf - sprich Wetten und saust dann zur Debeka LV und verkauft diese denen – konkurrenzlos günstig im Gegensatz zu normalen SSD. Problem - das Ding besteht nur noch aus Wetten und ist dann eben unverkäuflich.

Eine Versicherung aber hat das Problem normalerweise nicht, denn sie lässt ja einfach diese Modelle im Bestand liegen. Auch müssen die nicht so wie die Banken mit täglichen Kursen bilanzieren. Eine Wette kann man preisen, viele Wetten ist eine reine Stochastik-Rechnung - klappt nur, wenn man die Wahrscheinlichkeit definieren kann. Das ist heute völlig ausgeschlossen. Durch Vertrauensverlust.

Und die Versicherungen waren völlig begeistert von diesem Dreck. Übel sieht es aus, wenn diese 30-jährigen Anlagen in der Bilanz der Versicherung nicht mehr ausgewiesen werden können. Außer Strukturen wurden nur noch Nachränge bei den Versicherungen gekauft. Also Papiere die bei Insolvenz ganz am
Schluss bedient werden. Was anderes wollten die nicht mehr.

Diese "Penner" entschuldigen Sie bitte, aber da fällt mir kein anderes Wort für ein, haben teilweise gar nicht kapiert was sie da kauften und hielten sich für überschlau. Und ich musste mir anhören, dass an mir die Zeichen der Zeit vorbeigeflogen sind. Sprich ich bin überholt mit meinen Angeboten - viel zu konservativ - so brauch ich nicht mehr zu kommen. Tolle Aussage an die Adresse eines Wertpapiermaklers!!

Anderes Beispiel: Heute erfuhr ich von einem Freund bei der SEB, dass die SEB-Bank weiterhin ihre Wertpapierberater dazu anhält, diese Sachen (Strukturen) zu verkaufen. Nur, dass nun die meisten Kunden etwas schlauer sind und dieses Zeug jetzt nicht mehr anpacken. Was macht die SEB-Zentrale? Sie gibt
Abmahnungen an ihre Mitarbeiter raus wegen schlechten Verkaufsergebnissen. Denn das wäre der Bereich, wo die Bank Gewinne machen könne, wenn man ein guter Verkäufer wäre. Also sind es schlechte Verkäufer und handeln nicht im Sinne der Bank! Stuttgart als Filiale wurde gerade aufgelöst von denen - die wollen noch rausholen, was irgend möglich ist.

Und nun Herr Heibel denken Sie, dass eine Lösung gefunden werden muss in Richtung Bad Bank und dass danach so etwas nicht mehr passiert. Oder passieren darf. Es wird immer(!) das verkauft werden, was die höchsten Profite abwirft. Und das ist meist die schlechteste Alternative für den Kunden. Sprich es geht dann alles so weiter wie vorher.

Lösungsmöglichkeit von mir: Lasst uns den Karren ganz sauber bereinigen - es wird viel Wehgeschrei kommen, viele werden viel verlieren, vielleicht gehen die Leute auf die Straße, es wird uns gemessen an heute nicht gut gehen - aber dann kann zumindest ein Neuanfang passieren (nur dann) - mit einer dann
wieder goldgedeckten Währung. Machen wir nichts in der Richtung wird es irgendwann sogar Kriege geben - und das halte ich für wesentlich schlimmer. Und unsere Kinder werden uns dies für unser ganzes Leben vorwerfen und spätere Generationen werden mit dem Finger auf unsere heutige Unverantwortlichkeit zeigen.
Wollen wir das? Für etwas anderes ist es zu spät, denn dieses kaputte Finanzsystem ist definitiv erledigt! Es kann nur noch verzögert werden. Nur wie lange?

Nachdem ich vermutlich mit dem Goldkauf wesentlich früher dran war wie Sie - kaufen Sie weiter was das Zeug hält - und meiden Sie die angeblich so tollen Gold-ETFs. Bei einer richtigen Krise sind die rein gar nichts wert. Auch wenn es anders hingestellt wird. Denn es ist trotz allem Papier. Aber ich brauche über solche Punkte bei Freunden nicht zu sprechen: Es will keiner hören. Die Aussage meiner Freunde oder auch von meiner Frau geschweige denn der einfachen Menschen auf der Straße: "Es wird alles gut werden, es wurde immer alles gut und man vermiest sich mit solch dunklen Gedanken nur sein Leben."
LV verkaufen, so wie ich es empfehle und lange schon empfahl? Öfters habe ich das angesprochen - die halten mich alle für gaga. Also bin ich ruhig geworden - vom Mahner zum Schweiger.

Nur zu meiner Entlastung: Ich bin kein Untergangsprophet – es wird langfristig immer eine Lösung geben. Aber die wird verdammt schmerzhaft für uns alle. Ein Währungsschnitt oder eine komplett neue Währung bei den Amerikanern - das halte ich für keine Spekulation - es wird so kommen. Es gibt ja Spekulationen über den AMERO - diese hielt ich anfangs für unrealistisch - mittlerweile rechne ich fest damit. Denn die USA scheinen ihre Währung absichtlich in den Abgrund zu fahren. Da deutet einiges darauf hin. Wenn das aber gewollt ist, dann haben einige der ganz reichen Elite schon jetzt auf diese Zeitspekuliert. Ist aber nur meine persönliche Meinung.

Sie haben mich gefragt - entschuldigen Sie, wenn die Antwort etwas länger ausfiel.

Liebe Grüße, Marc aus Luxemburg


ANTWORT:

Wenn Sie wüssten, wieviel Quatsch ich täglich lesen muss, dann würden Sie sich für Ihre hilfreichen Ausführungen nicht aufgrund der Länge entschuldigen :-) Vielen Dank also nochmals für den Einblick in Ihr Geschäft.

Ich habe meine erste Goldmünze 1989 gekauft - in Luxemburg, weil dort damals im Gegensatz zu Deutschland keine Märchensteuer darauf erhoben wurde. Aber Sie haben Recht: Ich bin erst 2003 kräftig in Gold eingestiegen, also nach Ihnen. Nach einigen interessanten Gesprächen mit meiner Frau hat sogar
sie sich ein bisschen Gold gekauft. Als ich dann aber einige Wochen später davon sprach, irgendwann, vielleicht 2015, das Gold dann wieder verkaufen zu wollen, da war der zuvor erreichte Konsens kaputt: Sie hält Gold nun für "sicher" und möchte von dieser Betrachtungsweise eigentlich nicht abweichen.
Wie soll man einem Menschen mit gesundem Menschenverstand auch klar machen, dass die Finanzbranche jedes Wertaufbewahrungsmittel irgendwann kaputt macht? Haben Sie Ihrer Frau schon mal den Begriff "Geldschöpfung" erklärt? Ich bin froh, dass meine Frau die aktuellen Vorgänge an den Finanzmärkten nicht nachvollziehen kann, das spricht für ihren gesunden Menschenverstand. In diesem Sinne herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Frau :-)

Doch wieder zum Thema: Es wird immer von "strukturierten Produkten" gesprochen, Sie sprechen von "Strukturen". Wenn ich mir die Zertifikatewelt anschaue von Knock-Out Produkten bis hin zu Alpha-Fonds, dann kann ich stets neue Bedingungen und "Strukturen" finden. So groß dieser Bereich ist, es muss doch
aus Ihrem Beruf heraus einen Erfahrungswert geben, nach welchem Schema die strukturierten Produkte meist aufgebaut werden: Wie sehen die Strukturen typischerweise genau aus, von Emittent bis
Käufer und dann zurück zur Fälligkeit, die von Banken und Versicherungen in so großen Tranchen gekauft werden? Es wäre super, wenn Sie ein anschauliches Beispiel beschreiben könnten, denn dieser Begriff ist immer sehr nebulös und es fällt schwer, die Kritiken daran nachzuvollziehen, solange man nicht ein paar
Bilder, Banken, Unternehmen, ... dahinter sieht.

Als Volkswirt stimme ich Ihnen zu: Früh eskalieren, damit anschließend wieder was Gesundes, Neues aufgebaut werden kann. Doch als Mensch würde ich gerne noch nach Wegen suchen, um einen Kollaps zu vermeiden und das System irgendwie zu reparieren. Na, wir werden sehen.


NACHTRAG 2:

Lieber Herr Heibel,

bei Endkunden - die Kunden die solche Bonds oder Knock-Out etc. bei Banken kaufen, werden sie "strukturierte Produkte" genannt. Im Wertpapierhandel spricht man meist nur von "Strukturen", da diese "gebastelt" werden, je für die Bedürfnisse, was gefordert wird. Sprich: "Ich suche eine Struktur mit verschiedenen Call-Möglichkeiten" Das war so ein geflügelter Satz!

Das passiert im Normalfall erst ab 10 Mio Euro aufwärts. Unter 5 Mio lief eigentlich gar nichts. Ab 10 Mio waren teilweise ein paar Sonderwünsche mit eingerechnet. Hoher Kupon auf die ersten 2-3 Jahre, damit das Grundergebnis der Versicherung vorerst besser aussieht und weniger Rendite dann nach hinten raus. WKNs wurden bei solchen Produkten meistens nicht vergeben. Das hatte den Grund, dass die Versicherungen meist Namenspapiere wollten. Und es war billiger ohne WKN und Börsenzulassung - und auch weniger Aufsicht. Für Banken dagegen wurden manchmal IHS gestrickt von solchen Emittenten wie Lehmann oder Goldman oder JP Morgan, fast immer über London. Dort konnte auf Wunsch eine WKN angelegt werden, war aber meist auch nicht üblich. Habe hier mal 2 recht typische Strukturen mit WKN: ABN1WQ oder
A0TUQG. Müssen Sie sich mal im Detail ansehen. Und auf die Handelbarkeit achten.

Wesentlich häufiger aber waren eben Namenspapiere mit Strukturen:

Ein konkretes Beispiel: Noch 2006 herausgegeben an eine Versicherung - heute völlig unverkäuflich:
2 Jahre Verzinsung zu 4% bis zum 25.05.2008 danach Faktor 5,4mal (30-Jahre Swap minus 2-Jahre Swap) mindestens 0% max.7%. Laufzeit bis 25.5.2020.

Bei einer inversen Zinsstruktur - so wie wir es jetzt einige Zeit hatten, fliegt Ihnen das Ding um die Ohren. Also 0% Verzinsung. Gut werden Sie jetzt sagen, dann bleibt immer noch das eingesetzte Kapital. Nur da war sehr oft Lehmann der Emittent. Also wertlos. Selbst wenn es Goldmann oder Merrill Lynch war, für Namenspapiere die ungedeckt sind, werden mittlerweile von keiner Bank der Welt mehr Rücknahmekurse
gestellt. Sprich: Die Versicherung hat bis zum 25.5.2020 einen 0%er im Bestand zu wahrscheinlich 30-50 Mio Euro (das waren bei Versicherungen die Durchschnittsgrößen pro Position(!!!)) und die Papiere sind bis dahin völlig unverkäuflich.

Und mit sehr viel Glück existiert dann noch eine Goldmann und mit noch viel mehr Glück zahlt das Goldmann dann zumindest zum Nennwert zurück. Wobei eine übernehmende Bank für solche Forderungen im Normalfall einen Ausschluss bei der Übernahme beantragt. Nur die gesicherten und gedeckten Papiere werden in so einem Falle bedient.

Feine Sache was? Und damit sind unsere LV bis zur Halskrause voll. Sprich die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung ist gering, der Zinszahlung fast ausgeschlossen und das Risiko auf lange Zeit nach hinten verlagert. Nur, dass die Versicherungen gleichzeitig fällige LV ausbezahlen sollen. Von was frage ich
Sie nun? Da die LV zudem keine Renditen mehr bieten, werden kaum noch neue abgeschlossen. Heißt kein frisches Geld. Das System funktioniert aber nur so, dass neues Geld her muss, um die Versicherungen ausbezahlen zu können. Also muss die Versicherung an die Substanz gehen. Dort befinden sich aber
eben mittlerweile fast nur noch unverkäufliche Strukturen. Wird Ihnen das Problem bewußt? Es wird verkauft was da ist.

Für Aktien bekommt man wenig, aber zumindest noch etwas – also werden die verkäuflichen Pfandbriefe/Namenspapiere von Sparkassen oder Volksbanken oder Geschäftsbanken welche gedeckt
sind zu Schleuderpreisen verkauft - sprich wir bewegen uns auch von dieser Seite auf einen Rentenknall/crash zu, denn da gibt es noch einiges an Beständen und die Versicherungen wollen ja nicht öffentlich auffliegen, denn sonst zieht jeder sein Geld von den Versicherungen ab. Jeder der zumindest denken kann. Ein kaputter und trauriger Kreislauf.

Nein, habe kein Problem damit wenn Sie mich zitieren. Aber denken Sie immer an eines: Es wird so gut wie keiner zugeben. Fragen Sie eine Versicherung - man wird Ihnen immer sagen, dass alles sicher ist. Das ist die gesetzliche Voraussetzung - nur, dass keine Aufsichtsbehörde diese Papiere einschätzen, geschweige denn bewerten kann - woher auch, hatten ja mit solchen Dingen nie zu tun!

...und nein, meine Frau hat vom Begriff "Geldschöpfung" nicht die geringste Ahnung. Die versteht nicht einmal was ich beruflich mache, obwohl ich es eigentlich sehr oft erklärt habe. Und meine Verwandtschaft meint, als Rentenhändler arbeitet man mit den Renten der alten Leute - und sind erstaunt, dass es so einen Beruf überhaupt gibt.

Liebe Grüße, Marc aus Luxemburg

pumi - Mittwoch, 4. März 2009 - 05:47
Danke für diesen sehr interessanten Text. Ich habe selber keine LV und plane auch keinen Abschluss, insofern betrifft mich das Thema nicht. Und was kommt, wenn Finanz- und Rentensystem völlig zusammenbrechen, das kann wohl niemand vorhersagen. Ich habe in den beiden letzten Tagen mein Pulver verschossen, insofern bleibt auch nichts mehr für Goldmünzen. Ob die helfen, wenn die Räuberbanden durch die Straßen ziehen, weil es auch keine Gesetze mehr gibt, ist wohl zweifelhaft.

Grüße,
Pumi

prof - Mittwoch, 4. März 2009 - 07:26
1.) wird es auch "gute" Gegenden geben, so wie in Polen. Dort bezahlt das Viertel seinen Sicherheitsdienst
2.) musst Du niemandem erzählen, dass und wo Du etwas hast
3.) könnten die Räuberbanden eher virtuell (Staat + staatlich induzierte Inflation) sein.

Nein Pumi, Du machst Dir was vor und bist (sorry) in Deiner Geldanlage und Deinem Staatsvertrauen naiv.

Die Investition muss gehen in:
- die eigene Gesundheit
- das eigene berufliche Können in einer zukunftsgerichteten Branche
- persönliche und familiäre Kontakte
- Edelmetalle
- selbstgenutzte Immobilie
- Notvorrat an Lebensmitteln
- Aktien

Prof

chinaman - Mittwoch, 4. März 2009 - 08:44
"Ob die helfen, wenn die Räuberbanden durch die Straßen ziehen, weil es auch keine Gesetze mehr gibt, ist wohl zweifelhaft. "

Psychologisch leicht erklärbar. Nachdem man sehenden Auges nichts zur Absicherung getan hat, beruhigt man sich damit, es würde ja eh nichts bringen ...


Chinaman

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