Diskussionsforum der stw-boerse: Sonstiges: Lebensversicherungen: Archivierte Beiträge bis 15. Juni 2004
chinaman - Montag, 3. Dezember 2001 - 08:36
Anbieter senken die Gewinnbeteiligung


Lebensversicherte sind verunsichert


Von Holger Alich


Lebensversicherungen haben das Image einer verlässlichen Kapitalanlage. Doch auch die Assekuranz legt das Geld ihrer Kunden am Kapitalmarkt an; und da ist jetzt weniger zu holen. Daher sinken die Gewinnanteile.


HB DÜSSELDORF. Ach Du Fröhliche. Wenige Wochen vor dem Fest vermiesen die deutschen Lebensversicherer ihren Kunden die Weihnachtsvorfreude mit einer Hiobsbotschaft: Die Überschussbeteiligungen sinken, die Leben-Policen werfen also am Ende der Laufzeit weniger ab, als noch bei Vertragsabschluss prognostiziert wurde. Nach Aktiencrash und Neuer-Markt-Debakel auch das noch, denken sich die Kunden und sind verunsichert. Schließlich ist die Lebensversicherung das Instrument der privaten Altersvorsorge schlechthin: 87 Millionen Policen haben die Deutschen abgeschlossen.

Die Senkung der Gewinnbeteiligung hat für Policeninhaber unterschiedliche Folgen: Wer gerade mit dem Besparen einer Police anfängt, ist davon stark betroffen. Wer dagegen kurz vor der Fälligkeit seiner Police steht, kann sich entspannt zurück lehnen: Ihm hat sein Versicherer die meisten Gewinnanteile schon gutgeschrieben, die Senkung künftiger Gewinnzuweise wirkt sich wegen der kurzen Restlaufzeit allenfalls gering aus.

Experten warnen vor Kurzschlussreaktionen

Policeninhaber sollten wegen der sinkenden Gewinnzuweisungen aber nicht in Panik verfallen: "Wer jetzt eine Police schon hat, sollte am besten gar nichts machen", rät Manfred Poweleit, Chefredakteur des Branchendienstes map-Report. Denn eine Kündigung einer laufenden Lebensversicherung ist richtig teuer. Der Versicherte bekommt nur den so genannten Rückkaufswert raus, also das bis dato angesparte Kapital (Deckungsstock) abzüglich einer saftigen Stornoquote von bis zu 10 %.

Der Datenanbieter FSS-Online hat ein Beispiel für eine durchschnittliche Leben-Police durchgerechnet, was die Senkung der Gewinnbeteiligung die Kunden kostet. Ein männlicher Versicherter (35 Jahre), der monatlich 150 € Beitrag zahlt und dessen Police bis zum 65. Lebensjahr fällig wird, bekommt am Zahltag voraussichtlich 132 885 € raus. Das entspricht einer Rendite von 6,5 €, bezogen auf das Sparkapital. Vorher wurden ihm bei einer Verzinsung von 7 % noch 143 193 € in Aussicht gestellt.

Anleger dürfen aber nicht den Fehler machen, den Gewinnbeteilungssatz ihres Versicherers auf die volle Prämie anzuwenden. Dieser Zins bezieht sich nur auf den Sparanteil – und wie groß dieser ist, kann von Versicherer zu Versicherer höchst unterschiedlich sein. Laut Branchendienst map-Report bleiben im Schnitt nur 65 % vom Beitrag als Sparanteil übrig, 23 % entfallen auf den Todesfallschutz und 12 % gehen für Kosten wie Provisionen ab.

Vergleiche von Policen sind schwer

Wegen dieser vielen Variablen sind Vergleiche von Policen so schwer: Denn ein hoher Gewinnbeteiligungssatz muss noch nicht zwangsläufig eine höhere Ablaufleistung bedeuten. Die höhere Verzinsung kann ja wieder durch höhere Kosten aufgezehrt werden.

"Anleger sollten bei der Wahl des Versicherers auf drei Dinge achten: Kosten, Ertrag und Sicherheit", rät Michael Franke, Gesellschafter des Research-Anbieters mit Schwerpunkt Lebensversicherungen, Franke & Bornberg. Er hält nichts davon, nur auf die Kosten zu schielen. "Die Sicherheitsmittel sind extrem wichtig", meint der Experte. Denn ein Versicherer, der über große Reserven wie unrealisierte Kursgewinne verfügt, kann die Gewinnbeteiligung für seine Kunden länger konstant halten, auch wenn es mal an den Märkten nicht so gut läuft.

Auch die Ratinglisten von Wirtschaftsmagazinen berücksichtigen zwar die Reservestärke; Leser wundern sich in diesen Tagen aber darüber, dass dort die Hannoversche Leben noch immer auf Top-Plätzen rangiert; dabei hat das Unternehmen kaum noch Reserven und hat daher die Überschussbeteiligung drastisch von 6,75 auf 5 % gekürzt. "Diese Ratings betrachten oft Zeiträume über zehn Jahre und sind damit extrem vergangenheitsorientiert", erklärt Franke.

Aber auch den neuen Ablauf-Prognosen ihres Versicherers sollten Anleger mit gesunder Skepsis begegnen, rät der Experte. Schließlich seien diese nur unverbindliche Hochrechnungen – und niemand kann vorhersagen, wo die Kapitalmärkte in zehn oder gar zwanzig Jahren stehen werden.

Noch schlimmer als der Rückgang an den Aktienmärkten trifft die Assekuranz das niedrige Zinsniveau; denn 68 % ihrer Kapitalanlagen sind in Zinstiteln investiert. Hier liegt der Zehn-Jahresschnitt der Umlaufrendite laut map-Report bei nur noch 5,8 % – also auch entfernt von den schon gesenkten Gewinnsätzen, die derzeit den Kunden genannt werden. Diese Lücke konnte bislang mit Kursgewinnen von den Aktienmärkten geschlossen werden. Wer also auf Nummer Sicher gehen will, rechnet nur mit der garantierten Ablaufleistung. Aktuell wird dem Kunden verbindlich zugesagt, den Sparanteil der Prämie mit 3,25 % zu verzinsen. Der Anleger wird am Ende sehr wahrscheinlich mehr aus seiner Police herausbekommen; doch wie viel, das ist eben unsicher.


HANDELSBLATT, Sonntag, 02. Dezember 2001, 19:02 Uhr

chinaman - Sonntag, 30. März 2003 - 10:05
ftd.de, Sa, 29.3.2003, 18:22
Lebensversicherer dürfen Garantiezins möglicherweise senken

Die Bundesregierung will der angeschlagenen Lebensversicherungsbranche möglicherweise schon bald mit einer spürbaren Senkung des Garantiezinses entgegenkommen. Keine Zugeständisse soll es dagegen bei den Abschreibungsregeln geben.

Finanzminister Hans Eichel (SPD) erwägt, den Mindestzins, den die Versicherer ihren Kunden zusichern müssen, bereits Anfang 2004 von 3,25 auf 2,75 Prozent zu senken. "Wir sind darüber im Gespräch mit dem Verband der Versicherungswirtschaft", bestätigte ein Ministeriumssprecher am Samstag in Berlin übereinstimmende Medienberichte. Laufende Verträge wären von einer Reduzierung aber nicht betroffen. Eine Entscheidung werde frühestens im Sommer fallen.

Außerdem müsse die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten. "Im Januar 2004 könnte die Regelung frühestens in Kraft treten", sagte der Ministeriumssprecher der "Süddeutschen Zeitung". Sie würde allerdings nur für Neukunden gelten. Für Verbraucher, die bereits eine Lebensversicherung besitzen, gelte weiterhin der Garantiezins bei Vertragsabschluss.


Mit der Regelung will die Koalition den Versicherungen entgegenkommen. "Dadurch könnte die Finanzausstattung der Unternehmen steigen", hieß es aus dem Ministerium. Zugleich wolle Eichel mit dem Vorhaben den sinkenden Marktzinsen Rechnung tragen. Zuletzt hatte der Minister den Satz im Jahr 2000 von vier auf 3,25 Prozent reduziert.


Abschreibungsregeln bleiben vorerst unangetastet

Keine Zugeständnisse an die Versicherer plant die Bundesregierung dagegen bei den Abschreibungsregeln. "Da gibt es derzeit keine Aktivitäten", bestätigte der Sprecher einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Demnach fordert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, die Fristen für die Abschreibung von dauerhaften Verlusten aus Aktienbesitz um mindestens ein Jahr zu verlängern. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 müssen die Versicherungen diese Verluste erst in der Bilanz aufdecken, wenn sie bis zu zwölf Monate anhalten.


Der Garantiezins gilt laut "SZ" sowohl für die klassische Lebensversicherung - also die Kombination aus Todesfall-Schutz und Kapitalanlage - als auch für private Rentenversicherungen und so genannte Riester-Verträge. Er legt fest, wie viel ein Kunde am Ende der Laufzeit einer Lebensversicherung mindestens erhält. Allerdings liegt die tatsächliche Ausschüttung, die im wesentlichen vom Erfolg der Versicherer auf dem Kapitalmärkten abhängt, normalerweise höher.



© dpa

chinaman - Sonntag, 30. März 2003 - 10:10
Aus der FTD vom 27.3.2003
Börsenkrise hat die Assekuranz im Griff
Von Herbert Fromme

Die Marktkonsolidierung in der Versicherungsbranche kommt. Wer überlebt, profitiert von großen Chancen.

Die deutsche Versicherungswirtschaft erwartet erneut Wachstumszahlen, die manche andere Branche neidisch machen. 2003 sollen die Beitragseinnahmen um rund drei Prozent steigen, erwartet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Rund 145 Mrd. Euro Prämienvolumen werden die Versicherer dieses Jahr verbuchen.

Die Stimmung ist dennoch nicht gut. Im Gegenteil: So angespannt wie in den letzten Monaten war die Situation der Assekuranz seit langem nicht. Die Branche ist in ihrer tiefsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg - aber kaum jemand will das zugeben.


Schwere "Stille Lasten"


Die größten Probleme stammen aus den Aktienpaketen der Versicherer, die in den vergangenen drei Jahren rapide an Wert verloren haben. Die eigentlich nötigen Abschreibungen haben sie in den letzten zwei Jahren zum Teil verschoben. Für 2001 bedeutete das "stille Lasten" von rund 2,5 Mrd. Euro, die sich dann verzögert in den Bilanzen für das Jahr 2002 auswirken. Im Jahr 2002, in dem die Börsen weiter kräftig nachgaben, war dieser Betrag wesentlich höher. "Der massive Einbruch der Kurse hat in 2002 zu Verlusten bei den Aktienanlagen geführt und die Jahresabschlüsse der Unternehmen belastet", so GDV-Präsident Bernd Michaels.


Die Rating-Agentur Fitch schätzt die stillen Lasten und Abschreibungen der deutschen Assekuranz für 2002 auf insgesamt 45 bis 50 Mrd. Euro - eine Zahl, die von der Branche vehement bestritten wird. Der GDV geht auf Grund einer Umfrage bei Mitgliedsunternehmen von 15 bis 20 Mrd. Euro aus.


Hypotheken auf die Zukunft


Aber selbst die GDV-Zahl repräsentiert eine gewaltige Hypothek auf die Zukunft. Wenn sich die Aktienkurse im laufenden Jahr nicht dramatisch verbessern, müssen die Gesellschaften die meisten dieser Lasten im Abschluss 2003 mit allen Konsequenzen für ihre Ergebnisse aufdecken - es sei denn, es kommt zu erneuten Gesetzesänderungen, die Versicherern ein weiteres Verschieben der Belastung erlauben.


Das ist durchaus möglich: Vor zwei Jahren setzte die Assekuranz die bestehenden Regelungen durch. Damals glaubten die Unternehmen noch, bei den Kursverlusten handele sich um ein kurzfristiges Phänomen. Auf Druck der Versicherer änderte der Bundestag den Paragrafen 341b des Handelsgesetzbuchs. Seitdem müssen Versicherer wie die Banken auch einen Wertverfall auf Aktien dann nicht mehr sofort in ihrer Bilanz zeigen, wenn sie von einer vorübergehenden Wertminderung ausgehen.


Stunde der Wahrheit


Aber nach drei Jahren Wertverfall kommt die Stunde der Wahrheit, spätestens Ende 2003. Bei den großen Gruppen wie Allianz oder AMB , die ihre Ergebnisse nach den internationalen Standards IAS oder US-Gaap vorlegen, ist der hohe Abschreibungsbedarf bereits Realität. Der Allianz-Konzern musste allein 2002 auf Aktien 5,5 Mrd. Euro abschreiben, die AMB beziffert ihren Abschreibungsbedarf insgesamt auf 4 Mrd. Euro.


Verschärft wird das Problem dadurch, dass Steuer- und Handelsbilanz auseinanderfallen. Verluste auf Aktien, die ein Unternehmen in der Handelsbilanz zeigen muss, werden steuerlich nicht anerkannt. Die Konsequenz: Versicherer zahlen Steuern auf Verluste oder nutzen die Möglichkeiten des Paragrafen 341b nicht aus wirtschaftlichen, sondern allein aus steuerlichen Gründen.


Unternehmerische Fehlentscheidungen


Die Aktienkrise und die hohe Schadenbelastung der letzten Jahre führen zusammen mit unternehmerischen Fehlentscheidungen zu deutlichen Krisensymptomen in der Assekuranz. Der Gerling-Konzern, zu dem der zweitgrößte Industrieversicherer im Lande ebenso gehört wie der sechstgrößte Rückversicherer der Welt, ist in ernsthaften Schwierigkeiten.


Traditionsreiche Gesellschaften wie die Mannheimer stehen zum Verkauf, weil sie sich mit ihren Aktienanlagen verhoben haben. Andere müssen sich von Konkurrenten übernehmen lassen, weil sie die staatlich geforderten Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen. Dazu gehören die Familienfürsorge in Detmold, die von der HUK Coburg gekauft wurde, und die A&O Autoversicherung in Oldenburg, die jetzt zur Gothaer gehört.


Der Marktführer Allianz schließlich, unbestrittenes Vorbild für die deutsche Assekuranz, produziert zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg einen Verlust, der mit 1,2 Mrd. Euro nicht gerade klein ausfällt.


Lebensversicherungen machen Hoffnung


Hoffnung machen der Branche die hohen Wachstumsraten gerade in der Lebensversicherung. Statt in Aktien oder Aktienfonds zu investieren, suchen Sparer Zuflucht bei Lebensversicherern, von denen die meisten immer noch vier Prozent und mehr Rendite auf den Sparanteil der Prämie bieten. Auch Riester-Rente und betriebliche Altersversorgung bringen Wachstum.


In den vergangenen zwölf Jahren haben sich viele Versicherer vor allem als Kapitalanleger versucht und ihre Kernkompetenz, das Übernehmen von Risiken, vernachlässigt. Das Geschäftsmodell ist offensichtlich für die meisten gescheitert. "Back to basics" heißt jetzt der Schlachtruf. Viele Unternehmen prüfen, ob sie ihre Vermögensanlage an Profis übertragen oder zumindest mit anderen Versicherern bündeln. Erfolgreich werden Kostensenkungsprogramme angeschoben.


Die Richtung stimmt. An den akuten Problemen kann das zwar nichts mehr ändern. Zahlreiche Gesellschaften werden aufgeben müssen, der stark fragmentierte deutsche Markt wird sich konsolidieren. Aber das verbessert die guten Aussichten der Assekuranz, von der für sie günstigen politischen Großwetterlage wirklich zu profitieren. Private Vorsorge ist so populär wie nie zuvor. Wer den gegenwärtigen Sturm überlebt, hat gute Zukunftsaussichten.


© 2003 Financial Times Deutschland

helmut_1964 - Sonntag, 30. März 2003 - 14:30
Nur als Ergänzung damit keine falsche Perspektive aufkommt:

Die anstehenden riesigen Abschreibungen auf Kapitalanlagen werden bei Lebensversicherungen nicht vollständig gegen das echte Eigenkapital gebucht, sondern werden Grossteils indirekt von den Versicherten über geringere Überschussbeteiligungen getragen. Eine Lebensversicherung funktioniert ja so, dass nur ein Teil (der Garantiezins) fix ist. Ansonsten wird vereinfacht gesagt der Überschuss in einen Pool gelegt und die Versicherung entscheidet wieviel an die Kunden ausbezahlt wird (z.B. 95% des Überschusses). Wenn jetzt Verluste mit Kapitalanlagen entstehen, verringern diese den Überschusspool und wirken sich damit grösstenteils als verringerte Ausschüttungen an die Versicherten aus.

Zusätzlich muss man sich diese Mechanik über mehrere Jahre vorstellen. Klassischerweise haben die Versicherer den Pool nur zu einem geringen Teil sofort ausbezahlt und den Rest für spätere Auszahlungen in die RfB gesteckt. Diese birgt damit eine grosse Reserve die als Risikopuffer zur Verfügung steht. Einige Gesellschaften sind allerdings in den letzten Jahren aus Wettbewerbsgründen dazu übergegangen die Erträge "zeitnah" auszuschütten. D.h. diese Gesellschaften haben diesen Puffer jetzt nicht - mit dem echten Problem, dass das Eigenkapital aufgezehrt wird.

Kritisch wird es für alle Versicherer dann, wenn langfristig der Überschuss nicht mehr ausreicht den Garantiezins zu bedienen. Dann entstehen echte Verluste, die über die grosse Hebelwirkung tatsächlich sehr schnell existenzbedrohend für eine Gesellschaft werden können.

Einigen Versicherungsgesellschaften geht es tatsächlich schlecht, so schlecht, dass diese materiell bankrott sind. Die Ursache liegt aber "nur" darin, dass diese Gesellschaften bei der Anlage Risiken eingegangen sind, die sie eigentlich nicht schultern konnten. Die Ursache liegt nicht im Markt bzw. im operativen Geschäft. Von daher bin ich auch sehr zuversichtlich, dass die Versicherungsbranche als solche (nach Konsolidierung und Ausscheiden von schwachen Wettbewerbern) sehr schnell wieder zu ihrer Performance und Gewinnqualität zurückfindet, die sie in der Vergangenheit ausgezeichnet hat.

Helmut

stephan - Sonntag, 30. März 2003 - 15:09
Helmut mich würde natürlich sehr interessieren, wie Du die Stabilität von der Allianz und Münchener Rück beurteilst. Insbesondere bei der Allianz beunruhigt mich der flüchtige Blick auf die Bilanz schon, wenn man sieht welche riesige Bilanzsumme (852 Mrd. Euro) dort einer mickrigen Eigenkapitalquote (ca. 2,6%) gegenüber steht.
Allerdings entnehme ich deinen Erläuterungen, das ein erheblicher Teil der versicherungstechnischen Rückstellungen (ca. 300 Mrd. Euro) möglicherweise bewußt großzügig gewählt sein könnte, um diese dann ggf. auflösen zu können? Kann man diesen Riskopuffer irgendwie in der Bilanz erkennen? Ich war immer davon ausgegangen, daß die Rückstellungen in der Tendenz auf Kante gerechnet werden und eher zu niedrig als zu hoch angesetzt werden.

Ich habe eher kleinere Bestände an Allianz und MR Aktien und stehe vor der Entscheidung diese aufzustocken. Wobei mir bislang ganz klar die übersichtlichen und kleinen Gesellschaften die Performance gerettet haben und daher meine Motivation in die unüberschaubaren Riesen zu investieren merklich nachgelassen hat.

Gruß

Stephan

helmut_1964 - Sonntag, 30. März 2003 - 22:05
Hi Stephan,

meine Ausführung hat sich auf das Lebensversicherungsgeschäft bezogen. Die versicherungstechnischen Rückstellungen sind dabei nicht "bewusst hoch gewählt" sondern das gehört zum Geschäftsmodell. Einerseits sind die Rückstellungen sog. Deckungsrückstellungen - diese sind zur Abdeckung bereits versprochene Zusagen an Kunden. Und andererseits (vereinfacht ausgedrückt) sind es Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB). Diese sind noch nicht den Kunden zugesagte Rückstellungen die auch als Risikopuffer dienen.

Am Beispiel der Allianz Leben (Konzern) sieht man das deutlich. Dort steht für 2002 ein Eigenkapital von 1,25 Mrd. (gegenüber 2,5 Mrd. in 2001). Die RfB beträgt dagegen im Jahr 2002 8 Mrd. (gegenüber 13 Mrd. in 2001). D.h. das Eigenkaptital hat sich um 1,25 Mrd. verringert (allerdings halbiert). Die RfB hat sich dagegen um 5 Mrd. verringert. Ein Grossteil davon aufgrund der Riskopufferfunktion. Wichtig ist: Das ist nicht Bewertungsspielraum oder stille Reserven. Das sind Rückstellungen die für die Ausschüttung an Kunden vorgesehen sind. Wenn die Ergebnisse schlecht sind, kann man diese allerdings kürzen und nichts mehr auszahlen, um die Verluste abzudecken. (Interessanterweise trägt so eigentlich der Kunden auch bei der normalen Lebensversicherung das Zins- bzw. Anlagerisiko - das ist nur kaum jemandem bewusst).

Zu deiner Frage nach der Stabilität von MR und Allianz:
Die MR galt und gilt eigentlich immer noch in der Branche als "der Fels" der vor Reserven nur so strotzt. Die Geschäftspolitik war immer sehr konservativ. Die Bilanz wurde nie ausgereizt (d.h. die übernommenen Risiken im Verhältnis zum Risikokaptial waren immer sehr moderat). Im Gegensatz z.B. zur HR die aufgrund Kapitalknappheit wohl immer an der Grenze des Möglichen operiert. Jetzt ist die Situation aber so, dass das Risikokapital extrem geschrumpft ist - nicht aufgrund der Schäden sondern aufgrund der Verminderung der Assets. Wenn sich eine Firma das leisten kann, dann eigentlich nur die MR. Ich persönlich glaube (ohne es zu wissen), dass die MR ziemlich genau weiss, was sie sich leisten kann. Und wenn sie die Aktienquote hoch lässt, dann glaube ich, dass das Risikokapital noch hoch genug ist, um die passiv- und aktivseitigen Risiken auch wirklich zu tragen. Und wahrscheinlich arbeitet sie auch mit Hedgingstrategien d.h. da gibt es wahrscheinlich eingebaute Stopp-Loss Vereinbarungen (eine Strategie die ich bei fast allen Versicherungen beobachte und die die Abwärtssprials sicher in den letzten Monaten noch angeheizt hat).
Für mich ist wichtig, dass durch diese zugegebenermassen sehr schwierige Situation die operative Ertragskraft, die Marktstellung, damit die Fähigkeit in Zukunft Erträge zu erzielen überhaupt nicht gefährdet ist. Und der Markt selber ist ja im Gegensatz zu vielen anderen Industrien in "Hochkonjunktur". Und in diesem Markt kommt keiner an der MR und SR vorbei. Wenn die Stabilität der MR gefährdet ist, dh wenn die MR bankrott geht, dann können wir dem Weltfinanzsystem adieu sagen. Was natürlich schon passieren könnte ist, dass auch eine MR zusätzliches Kapital brauchen wird, um das Zukunftspotenzial zu nutzen. Wo der Kurs dann hingeht weiss ich nicht, aber ich persönlich bin inzwischen bei der MR auf der Käuferseite.

Bei der Allianz ist die Beurteilung für mich schon schwieriger. Operativ (zumindest im Versicherungsgeschäft in Deutschland) ist sie sicher ein absolutes Vorzeigeunternehmen. Ich würde sagen, dass vor allem der Vertrieb eine extreme Wettbewerbsstärke hat. Aber die Allianz besteht ja heute aus viel mehr. Internationale Beteiligungen, die ich überhaupt nicht kenne (Firemans Fund), Asset Management und natürlich die Dresdner Bank. Das Management ist (obwohl heute natürlich viel gelästert wird) ausgezeichnet. Der "Kampf" der Banker- gegen die Versicherer-Mentalität ist mit Diekmann eindeutig in Richtung Versicherung entschieden. Dh eigentlich traue ich denen schon zu, die Situation gut zu meistern und als echte Sieger aus der Konsolidierung herauszugehen. Die Ratingagenturen, die ja eigentlich genau die Stabilität bewerten, kommen ja auch zum Schluss, dass die Riskokapitalausstattung ausreichend ist - insbesondere nach der Kapitalerhöhung. Aber wie gesagt, die Allianz ist ein grosser Konzern mit vielen Geschäftsfeldern, deren Risiken ich nicht so abschätzen kann.

Helmut

helmut_1964 - Sonntag, 30. März 2003 - 22:23
PS: zu deiner Frage nach der Höhe der normalen versicherungstechnischen Rückstellungen:

In der Beurteilung notwendigen Höhe dieser Rückstellungen liegt ein extremer Ermessensspielraum insbesondere in der Rückversicherung. Eine Rückversicherung kann wahrscheinlich jahrelang Gewinne ausweisen und "Luft aus den Reserven lassen" bevor man in der Bilanz merkt, dass da etwas nicht stimmt. Andererseits kann eine RV auch viel an Über-Reserven ansammeln, deren Höhe auch niemand von aussen beurteilen kann. Deshalb ist das Vertrauen in das Management extrem wichtig. Die MR hat da ein extrem konservatives Image - dh die Hypothese ist, dass da in der Vergangenheit eher zu hoch als zu niedrig in die Rückstellungen dotiert wurde. Ein wenig ablesen kannst du das, wenn du dir im GB die Abwicklungsergebnisse (in Form der Abwicklungsdreiecke) ansiehst. Da wird dokumentiert, wie sich die Zahlungen und Rest-Reserven für ein Jahr gegenüber der ursprünglichen Reservierung im Anfalljahr verhalten. Wenn die Ursprungsschätzungen höher sind, als das was sich dann im Laufe der Zeit materialisiert, dann ist das ein gutes Zeichen (bei der MR z.B. in den Jahren 1994 bis 1998).

Starke Bilanzen sind jedenfalls in dieser Industrie tendenziell noch viel stärker als sie aussehen und schwache sind tendenziell noch viel schwächer als sie aussehen.
Helmut

stephan - Montag, 31. März 2003 - 11:53
Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten, Helmut.

off topic:
Übrigens fiel mir gerade das die Allianz und Münchener Rück zusammen (!) nun in etwa so hoch bewertet werden wie ebay(Auktionshaus mit gerade einmal 2 Mrd. USD Umsatz). Da kommen wohl extreme Über- und Unterbewertung voll zur Geltung...

stw - Montag, 31. März 2003 - 19:16
Es macht mir immer wieder großen Spass, diese fundierten Beiträge von Helmut zu lesen. Ich glaube wir alle haben von ihm da schon einiges aus der Versicherungswirtschaft dazulernen können.

Vielen tausend Dank, aus solchen Beiträgen ziehe ich meine Motivation, die stw-boerse auch in derart miesen Zeiten weiterleben zu lassen.

:-) stw

P.S. ich überlege jetzt auch ernsthaft, erstmals in die MR zu investieren.

chinaman - Freitag, 4. April 2003 - 08:22
ftd.de, Fr, 4.4.2003, 2:00
Private Rentenversicherung: ´Das ist Betrug´
Von Anja Krüger

Kunden privater Rentenversicherer sind sauer. Die Unternehmen zahlen ihnen weniger als versprochen. Die Kürzungen können laut Verbraucherschützer bis zu 20 Prozent betragen.

Hanny Hens ist wütend. Sie fühlt sich geprellt. Im Mai 2001 wurde ihre Kapitallebensversicherung bei der Provinzial Rheinland fällig, sie erhielt 35.000 Euro ausgezahlt. "Vielleicht haben Sie schon einige Vorstellungen, wie sie diese Summe verwenden beziehungsweise anlegen wollen", schrieb ihr das Unternehmen damals. Zumindest der Versicherer hatte schon eine sehr genaue Vorstellung, was die Kundin mit dem Geld tun sollte. Er verkaufte ihr eine private Rentenversicherung. Seit Juli 2001 bekam die Rheinländerin jeden Monat 206 Euro. Seit Februar zahlt die Provinzial aber nur noch 189 Euro. "Irgendwie ist das doch Betrug", ärgert sie sich.

Den meisten Ruheständlern, die eine private Rentenversicherung gekauft haben, wird es ähnlich gehen. Denn fast alle Versicherer haben die Renten gesenkt oder vorgesehene Erhöhungen gedämpft. "Die Kunden müssen mit Abstrichen bis zu 20 Prozent rechnen", sagt Wolfgang Scholl vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Bei der Axa zum Beispiel liegen die Kürzungen im Durchschnitt zwischen neun und elf Prozent der Rentenzahlungen, bei den R+V Versicherungen zwischen zehn und elf Prozent.


Börsenflaute und anhaltende Niedrigzinsphase ursächlich für Senkungen


Der Grund dafür ist, dass nach Börsenflaute und anhaltender Niedrigzinsphase fast alle Lebensversicherer die so genannte Überschussbeteiligung gesenkt haben. Jetzt gibt es auf den Sparanteil der Prämien im Branchendurchschnitt nicht mehr 6,1 Prozent Zinsen wie noch im Jahr 2002, sondern nur noch 4,7 Prozent. Wer eine Kapitallebensversicherung hat, spürt das erst, wenn die Verträge zur Auszahlung fällig werden. Kunden mit privaten Rentenpolicen, die bereits Zahlungen erhalten, bekommen schon heute weniger. Ihre Rente besteht aus einem garantierten und einem variablen Teil. Letzterer hängt direkt von der Höhe der Überschussbeteiligung ab, kann also vom Versicherer gekürzt werden.


So steht es auch in Hanny Hens’ Vertrag. Doch die 62-Jährige hatte nie wirklich verstanden, was das bedeutet. Der Vertreter habe es ihr auch nicht erklärt, sagt sie. "Kein Mensch hat mir gesagt, dass meine Rente vielleicht gekürzt wird." Verbraucherschützer kritisieren seit langem, dass Vertreter Kunden vor Vertragsabschluss nicht über Risiken aufklären und sie mit Prognoseberechnungen ködern, die auf unrealistischen Verzinsungen beruhen.


Dynamische Auszahlung verschleiert Absenkungen


Dass die Rheinländerin die Absenkung überhaupt bemerkt hat, hängt mit der Auszahlungsform zusammen. Sie hat eine "konstante" Rente vereinbart, deren Höhe eigentlich immer gleich bleiben sollte. Bei Verträgen mit dynamischer Auszahlung, die eine Steigerung der Rente vorsehen, fällt eine Reduzierung dem Kunden kaum auf. Er erhält ja auf jeden Fall mehr Geld - allerdings weniger als prognostiziert. Die Absenkung wird nicht als Kürzung empfunden, weil die Zahlungen faktisch steigen (siehe dazu den Artikel zum Auszahlungsmodus). "Aus diesem Grund verkaufen die Versicherer am liebsten Policen mit dynamischer Auszahlung", sagt Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes map-report.


Kunden, die zum Beispiel bei der Allianz Leben das Produkt Zusatzrente gewählt haben, bekommen statt der für 2003 vorgesehenen Steigerung von 3,55 Prozent nur 2,05 Prozent. Wie viele andere Versicherer hat die Allianz Leben schon im vergangenen Jahr die dynamischen Renten nicht im prognostizierten Umfang erhöht, denn bereits für 2002 wurde die Überschussbeteiligung gesenkt.


Kunden mit konstanten Renten blieben bislang von Senkungen verschont. Die Allianz Leben füllte die entstandene Lücke mit Teilen des Überschusses, den sie nicht an die Kunden weitergeben muss. Das ist jetzt vorbei. Wer einen Vertrag mit immer gleich bleibenden Raten hat, erhält bis zu 15 Prozent weniger. "Je älter ein Kunde ist, desto geringer ist die Absenkung", erklärt ein Sprecher.


´Keine Kürzung, sondern Reduzierung der Gewinnbeteiligung´


Die zum Ergo-Konzern gehörende Hamburg-Mannheimer kürzt die Zahlungen in diesem Jahr noch nicht, obwohl auch sie die Überschussbeteiligung gesenkt hat. Für einen 60-Jährigen, der 2002 eine Monatsrente von 1509 Euro bekam, beträgt nach der Senkung des Gewinnanteils die Rente rechnerisch 1488 Euro. Trotzdem zahlt die Gesellschaft dieselbe Summe wie 2002. Im kommenden Jahr muss der Kunde aber mit einer Absenkung auf 1295 Euro rechnen. "Die Renten werden um höchstens 15 Prozent gesenkt", sagt eine Sprecherin. Dynamische Renten werden hier schon 2003 gedämpft erhöht.


Dass die Kunden verärgert sind, können die Versicherer zwar nachvollziehen - gerechtfertigt finden sie den Unmut nicht. "Die Absenkung der Zahlung ist keine Kürzung, sondern eine Reduzierung der Gewinnbeteiligung", betont ein Sprecher der Provinzial Rheinland. Dass Vertreter den Kunden falsche Versprechungen gemacht haben, glaubt er nicht. "Die Kunden verdrängen die Risiken, die mit einer Gewinnbeteiligung verbunden sind, und sind jetzt entsetzt."



© 2003 Financial Times Deutschland

chinaman - Freitag, 4. April 2003 - 08:23
Aus der FTD vom 4.4.2003
Eichel lässt Versicherer abblitzen
Von Herbert Fromme, Köln, und Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Weigerung der Bundesregierung, mit Hilfe neuer Bilanzregeln die Aktienkrise für die Lebensversicherer zu entschärfen, kann die Branche in eine prekäre Lage bringen. Nach Schätzungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) haben die Unternehmen 2002 stille Lasten von rund 15 bis 20 Mrd. Euro gebildet.









Sie haben Wertverluste auf ihre Aktienpakete nicht in den Ergebnissen 2002 gezeigt, sondern aufgeschoben, weil sie auf einen schnellen Wiederanstieg der Kurse setzen. Wenn sich die Aktienmärkte nicht kräftig nach oben bewegen, müssen die Versicherer den größten Teil der 20 Mrd. Euro Ende 2003 abschreiben. Die Versicherer wollen deshalb Wege finden, den Termin noch einmal aufschieben zu können.

Dazu kommt: Weil Steuer- und Handelsbilanz auseinander klaffen, erkennt das Finanzamt bisher nicht alle Aktienverluste an. Deshalb müssten die Versicherer auf die hohen Defizite auch noch Steuern zahlen. In dieser Frage nähern sich die Politiker und die Versicherer allerdings zurzeit an.


Es droht ein Imageverlust


GDV-Präsident Bernd Michaels rechnet gerne vor, dass selbst 20 Mrd. Euro Abschreibungsbedarf nur drei Prozent der gesamten Kapitalanlagen der Lebensversicherer in Höhe von 600 Mrd. Euro ausmachen. Das stimmt - wenn aber 20 Mrd. Euro Verlust aus Aktien in den Ergebnissen für 2003 verdaut werden müssen, kann das schwach kapitalisierte Gesellschaften in die Knie zwingen. Außerdem ist nicht ausgemacht, ob es bei 20 Mrd. Euro bleibt. Die Rating-Agentur Fitch geht von Abschreibungen und stillen Lasten bis 50 Mrd. Euro aus. Sie ist allerdings in der Assekuranz sehr umstritten.


Schon jetzt droht ein gewaltiger Imageverlust. Dazu trägt die Verharmlosung der Versicherer bei. Erst auf energisches Nachfragen war die Führung der Ergo-Tochter Victoria Leben, die zur Münchener Rück gehört, am Mittwoch bereit, das wahre Ausmaß ihrer Probleme aus dem Aktienmarkt auf den Tisch zu legen. Mit dem Hinweis auf laufende Gespräche des Verbandes mit der Regierung über die Bilanzregeln versuchte Ergo-Vorstand Rolf Ulrich, dem Thema die Brisanz zu nehmen. Die Tatsache, dass die Victoria Leben den Stresstest der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht erfüllen konnte, kam nur am Rande zu Tage.


Dabei gibt es Gesellschaften, denen es deutlich schlechter geht. "Wenn alle Gesellschaften so gut daständen wie die Victoria Leben, wäre mir sehr viel wohler", sagte Michaels. Die Mannheimer Versicherung etwa stellt das Neugeschäft mit Lebenspolicen ein und zahlt den bisherigen Kunden nur noch die Mindestverzinsung.


Problem im Finanzministerium bekannt


Das Problem ist Finanzminister Hans Eichel bekannt. Ein ranghoher Beamter seines Ministeriums hatte jüngst erklärt, die Lage der Versicherer werde durch die Debatte über eine vermeintliche Bankenkrise viel zu sehr in den Hintergrund gedrängt. Viele Unternehmen seien an den Problemen mit schuld, weil sie zu Zeiten des Börsenbooms zu einseitig in Aktien investiert hätten.


Plötzlich finden sich die Versicherer mitten in einer Debatte um die Sicherheit der Kundengelder. Dabei geht es nur ganz selten um die aktuelle Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens - die ist wegen der hohen Beitragseinnahmen fast immer gesichert. Straucheln können Lebensversicherer vielmehr über die rigiden Regeln, mit denen die BaFin die Branche und ihre finanzielle Gesundheit im Interesse der Kunden überwacht.


Michaels tritt für eine grundlegende Änderung der Betrachtung von Kapitalanlagen der Versicherer ein. Die Branche gehe langfristige Verpflichtungen oft über 30 Jahre und mehr ein. "Die kurzfristige Reaktion auf Börsenentwicklungen ist weder im Interesse der Kunden noch der Unternehmen", argumentiert Michaels.



© 2003 Financial Times Deutschland

prof - Freitag, 4. April 2003 - 18:25
Was fällt mir bei solchen Meldungen ein?:

- Ein bisschen schadenfroh bin ich schon, wenn ich daran denke, wie die Allianz den Mund voll genommen hat bzw. immer noch nimmt.
- Ein schlechtes Jahr konnten die Versicherungen noch verschleiern. Dafür kommt es jetzt noch viel dicker.
- Ich verwalte mein Geld lieber selbst!
:-) Prof

stw - Samstag, 5. April 2003 - 08:17
"Ich verwalte mein Geld lieber selbst!"
Da sind wir uns einig. Das habe ich zwar in den letzten 2 Jehren nicht sonderlich erfolgreich getan, aber immer noch besser, als auf eine vermeintlich sichere Anlage wie die Kapitallebensversicherung zu setzen, wo man genausowenig weiss, was in 30 JAhren dabei rauskommt...

:-) stw

chinaman - Mittwoch, 3. Dezember 2003 - 11:01
Sicher auch keine ganz unbedeutende Meldung für die Kurse deutscher Lebensversicherer und Finanzvermittler.

:-)
Gruß
Chinaman


Versicherer suchen Auswege

Kabinett kippt Steuerprivileg


Die deutschen Lebensversicherer stehen vor dramatischen Einschnitten. Das Bundeskabinett berät in seiner Sitzung am Mittwoch über den Wegfall der Steuerprivilegierung von Lebensversicherungen. Fällt die Privilegierung, geht den Lebensversicherern ein zentrales Verkaufsargument verloren. Die Branche sucht nun nach Wegen, ihre Produkte zukunftsfähig zu machen.

rl/fw/uhl DÜSSELDORF. Besonders die stark von Provisionen abhängigen Versicherungsvermittler dürften die Veränderung zu spüren bekommen. „Die Hälfte der Gesamteinnahmen der Agenturen kommt aus der Altersvorsorge“, sagte Ulrich Brock, Vize-Präsident des Bundesverbandes der Versicherungskaufleute (BVK). Ein Einbruch bei den Lebensversicherungen hätte demnach gravierende Folgen für die Provisionseinnahmen.

Offiziell hängt die Branche das Problem tief. Die Allianz hofft „auf die Kraft der Argumente“, wie ein Sprecher sagte. Möglicherweise, so die Kalkulation der Unternehmen, lassen sich noch Veränderungen durchsetzen. Inoffiziell geben Vertriebsleute jedoch zu, dass sie riesige Probleme auf sich zukommen sehen. Das dürfte auch einige selbstständige Finanzvertriebe, die in den letzten Jahren stark gewachsen sind, ins Mark treffen.

Die Branche versucht zu retten, was noch zu retten ist. „Wir fordern, dass eindeutige Altersvorsorge steuerlich gefördert wird wie zum Beispiel die Entschuldung einer Immobilie durch eine Lebensversicherung. Das ist auch Altersvorsorge“, sagte Günter Schlatter, Vorsitzender der Provinzial-Versicherungen in Düsseldorf.

In der Tat gilt der Bereich der Finanzierungen über die Lebensversicherung als besonders bedroht, wenn die Steuerprivilegien fallen. Außerdem verweist Schlatter darauf, dass künftig Lebensversicherungen gegenüber Aktienfonds, bei denen die Kursgewinne bislang nicht besteuert werden, deutlich im Nachteil wären. Der Versicherungsbranche schwebt ein weiterer Kompromiss vor: Wenigstens ein Teil des Geldes müsse am Ende der Vertragslaufzeit im Alter von 65 steuerfrei ausgezahlt werden können.

Wenig Hoffnung setzt die Branche in die staatlich geförderten Rentenprodukte als Ersatz für die zu erwartenden Rückgänge bei den Lebensversicherungen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verweist in diesem Zusammenhang auf die schwache Akzeptanz der Riester- Rente, auf die 2003 nur rund eine halbe Million von insgesamt etwa acht Millionen Neuverträgen entfällt.

Zum Teil denkt die Branche auch schon über neue Vertriebsargumente für die klassische Lebensversicherung nach. Die Debeka etwa möchte ihren Kunden nahe legen, künftig höhere Summen abzuschließen, weil künftig ja das Finanzamt mitkassiert, wie Vorstandsmitglied Herbert Grohe erläutert.

Bislang sind die Erträge aus Lebensversicherungen bei gängiger Vertragsgestaltung und Laufzeiten von zwölf und mehr Jahren steuerfrei. Die Bundesregierung will dieses Privileg für Neuverträge ab 2005 abschaffen. Der Gesetzentwurf, der dem Handelsblatt vorliegt, sieht die volle Steuerpflicht für Kapital bildende Lebensversicherungen vor, und zwar am Ende der Laufzeit. Die Steuerpflicht soll auch für solche Rentenversicherungen gelten, bei denen der Kunde sich das Kapital auf einen Schlag auszahlen lässt. Sie soll außerdem für Fondssparpläne greifen. Auch die Möglichkeit, Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben abzuziehen – in der Praxis vor allem für Selbstständige interessant –, wird neu gefasst: Sie gilt künftig nur noch für Versicherungsverträge, die nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sind.

Die Steuerprivilegierung kann nach den Plänen der Bundesregierung künftig nur noch für Lebensversicherungsverträge in Anspruch genommen werden, wenn der Kunde eine Auszahlung in Form einer regelmäßigen Rente in Anspruch nimmt. Diese Versicherungen sind nach Einschätzung der Versicherer jedoch nur schwer zu verkaufen.

Die geplante Streichung des Steuerprivilegs für Lebensversicherungen steht im Zusammenhang mit der völligen Neuregelung der Besteuerung von Alterseinkünften. Schrittweise sollen alle Einkunftsarten aus verschiedenen Altersvorsorgemodellen nachgelagert besteuert werden.

Dass die Versicherer das Thema in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend angehen, hat seinen Grund: Die Branche kämpft an zwei Fronten und möchte sich nicht verzetteln, auch nicht den Eindruck erwecken, zu viel von der Politik zu verlangen. In erster Linie hofft sie zurzeit, die heute geltenden Regeln für die Besteuerung der Lebens- und Krankenversicherer noch verändern zu können.

Vorsorgeklassiker

Tradition: Die Lebensversicherung ist in Deutschland traditionell eine der Säulen der Alterssicherung. Weit über 80 Mill. Lebensversicherungsverträge haben die Bundesbürger abgeschlossen.
Trend: Die Politik betont seit geraumer Zeit die Notwendigkeit, privat für das Alter vorzusorgen. Die Lebensversicherung ist bislang steuerlich besonders begünstigt. Bei gängiger Vertragsgestaltung und Laufzeiten von zwölf und mehr Jahren sind die Erträge steuerfrei – eine klare Privilegierung gegenüber anderen Anlageformen. Außerdem können zum Beispiel Selbstständige die Versicherungsbeiträge von der Steuer absetzen.
Turbulenzen: Die Branche kommt nicht aus den Schlagzeilen. Die Börsenbaisse hat einzelne Versicherer in Existenznot gebracht. Der Sanierungsfall Mannheimer Leben musste gar von der Auffanggesellschaft Protektor gerettet werden. Außerdem wurde der Garantiezins mehrfach gesenkt, zuletzt von 3,25 % auf 2,75 %.


HANDELSBLATT, Mittwoch, 03. Dezember 2003, 07:21 Uhr

chinaman - Montag, 8. Dezember 2003 - 10:01
Der Kapitallebensversicherung geht es jetzt an den Kragen

Nicht auf Schlussverkaufsstimmung reinfallen
Berlin - Der Kapitallebensversicherung geht es an den Kragen. Das Bundeskabinett hat den Steuervorteil der Geldanlage ersatzlos für Neuverträge ab 2005 gestrichen. Der Bundesrat muss dem zwar noch zustimmen. Allerdings rechnet kaum jemand mit einem Rückzieher.


Fällt das Privileg, dann ist das wichtigste Verkaufsargument für den Anlage-Renner "tot". "Den Versicherern bricht das Kerngeschäft weg", prophezeit Thomas Bieler, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Lebensversicherung stehe vor einer düsteren Zukunft. Wer derzeit als Neukunde geworben wird, sollte vorsichtig sein. Die Geldanlage lohne nicht mehr, warnen Verbraucherschützer vor vermeintlichen Schnäppchen auf den letzten Drücker.


Keine Auswirkungen hat die rot-grüne Entscheidung allerdings für Kunden, die schon eine Kapitalleben abgeschlossen haben. Für Alt-Policen mit Laufzeiten von zwölf Jahren oder mehr bleibt die Regelung weiterhin gültig, dass der Gewinn am Ende steuerfrei kassiert werden darf. Vorausgesetzt, der Versicherte zahlte mindestens fünf Jahre lang ein. Außerdem kann er seine Beiträge nach wie vor als Sonderausgaben von der Steuer absetzen.


Wer nach dem 1. Januar 2005 eine Lebensversicherung unterschreibt, soll dagegen bei der Auszahlung seiner Erträge später zur Kasse gebeten werden. Wie bei anderen Geldanlagen auch. Das "Zuckerl" der Abzugsfähigkeit der Beiträge, das vor allem Selbstständigen den Abschluss einer Police versüßte, soll es künftig ebenfalls nicht mehr in der bisherigen Form geben.


"Der Lack ist ab", betont Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen. Das Produkt sei mit dem gekippten Steuervorteil so gut wie gestorben, ist auch Frank Braun vom Bund der Versicherten (BdV) überzeugt. Der wirtschaftliche Druck auf die Lebensversicherer werde steigen, die betriebliche und private Altersvorsorge an Bedeutung zunehmen.


"Wir müssen sehen, wie wir damit fertig werden", kommentiert Hartmut Gramberg, Sprecher der DBV-Winterthur-Versicherungen die einschneidenden Pläne der Bundesregierung. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft werde alles daransetzen, noch auf Rettungsversuche hinzuarbeiten.


Der Lack blättert allerdings schon seit längerem vom Geldanlage-Liebling ab. Die Talfahrt des Klassikers in der Altersvorsorge verlief parallel zum Börsendebakel. Glänzende Renditen von sechs oder sieben Prozent können Versicherte schon lange nicht mehr einstreichen. Die wichtigen Überschussbeteiligungen fallen von Jahr zu Jahr dünner aus. Wer mit Hilfe einer Lebensversicherung den Hauskauf finanzierte, steckt inzwischen schmerzlich in der Finanzklemme.


Und nun wird auch noch der Garantiezins ab 2004 von bisher 3,25 auf den historisch niedrigen Stand von 2,75 Prozent fallen. Das trifft sämtliche Neukunden. Für Bieler ist die weitere Entzauberung der Lebensversicherung absehbar: "Das läuft auf eine Kapitalanlage auf Sparbuchniveau hinaus."


Wer sich jetzt noch für eine Police interessiere, solle sich bloß nicht von der "Schlussverkaufsstimmung" der Versicherer beeinflussen lassen, warnt Gottschalk. Sämtliche Experten rechnen damit, dass die Versicherungsbranche bis zum offiziellen Aus für den Steuervorteil 2005 noch kräftig den "Ausverkauf" nutzen wird. Für das Einfangen von Neuabschlüssen kassieren Versicherungsvertreter hohe Provisionen. Und damit dürfte es dann auch vorbei sein. Gottschalk: "Die Lebensversicherung ist einfach eine stark mit Kosten belastete Geldanlage. Das wird jetzt überdeutlich."


Artikel erschienen am 8. Dez 2003
Die Welt

chinaman - Mittwoch, 25. Februar 2004 - 08:33
Lebensversicherten droht neuer Einschnitt
Verordnung zur Ausschüttungsquote auf dem Prüfstand - Verteilung der Erträge könnte neu geregelt werden
von Thomas Exner

Berlin - Die Inhaber der rund 55 Mio. Lebensversicherungspolicen in Deutschland müssen sich unter Umständen auch mittelfristig auf eine eher karge Verzinsung ihrer Anlage einstellen. Angesichts der wieder positiveren Entwicklung an den Kapitalmärkten dürften die in den vergangenen Jahren stark gekürzten Überschussbeteiligungen zwar eigentlich in zwei bis drei Jahren wieder ansteigen. Doch nun droht den Versicherten eine neue Rendite-Diät. Denn die Vorschrift, nach der die Assekuranzen mindestens 90 Prozent der von ihnen erwirtschafteten Kapitalerträge an die Versicherten ausschütten müssen, steht auf dem Prüfstand.


"Es gibt zwar keine Anfrage der Versicherungswirtschaft und damit auch keine offizielle Prüfung. Aber wir machen uns Gedanken, ob die ZR Quotenverordnung noch zeitgemäß ist", sagt Peter Abrahams, Sprecher des Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Vorschrift stamme schließlich aus einer Zeit, in der Kapitalerträge der Versicherungsunternehmen weit höher gelegen hätten als der Garantiezins. Inzwischen sei dieser Abstand arg geschrumpft. "Da ist schon die Frage, ob die Unternehmen noch in der Lage sind, hinreichend Eigenkapital zu bilden", so der BaFin-Sprecher.


Auch beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) räumt man ein, dass es Diskussionen um die Ausschüttungsquote gibt. Dies sei allein schon vor dem Hintergrund der für 2007 erwarteten verschärften Eigenkapitalrichtlinie Solvency II ein Thema, heißt es dort. De facto wird aber bereits länger an der einst als Verbraucherschutzklausel gedachten Regelung gezerrt. Vor allem ausländische Versicherungsinvestoren hatten im Einklang mit Ratingagenturen schon in der Vergangenheit immer wieder beklagt, dass die Aktionäre der deutschen Lebensversicherer einen zu geringen Anteil am Ertrag erhielten. Rückenwind erhielten sie dabei Ende vergangenen Jahres vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Dieser stellte in einer Studie fest: "Der hohe Anteil der Gewinne, der an die Versicherten ausgeschüttet werden muss, reduziert die Flexibilität der Unternehmen, ihr Kapital wieder aufzustocken."


Tatsächlich haben die Baissejahre tiefe Löcher in die Bilanzen vieler Versicherer gerissen, die oft mit frischem Kapital der Konzerneigner gestopft werden mussten. Diese drängen nun auf eine angemessene Verzinsung ihres Einsatzes. Zudem müssen stille Lasten aufgeholt werden. "Im Prinzip geht es hier um einen Verteilungskampf zwischen den Versicherungskunden und den Aktionären", so Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes map-Report. "Das paradoxe dabei ist, dass die Aktionäre bei einem Sieg ihrer Sache gleichzeitig auch die Verlierer wären. Denn dann verringert sich die Attraktivität der Lebensversicherung für die Kunden noch weiter." Deren Anteil am Ertragskuchen der Versicherer ist in den vergangenen Jahren ohnehin schon merklich geschrumpft. Nach einer Auswertung der Kölner Ratingagentur Assekurata ist die Ausschüttungsquote der zehn größten deutschen Lebensversicherer von 1998 bis 2002 von im Schnitt 96,6 auf 94,7 Prozent gesunken. In Einzelfällen fallen die Abschläge sogar noch wesentlich stärker aus. So etwa beim Branchenführer Allianz, bei dem der Wert von 96,59 auf 91,21 Prozent gesunken ist. Ähnlich drastisch sind die Rückgänge bei der Victoria und Gerling. Allerdings sei das Jahr 2002 nicht unbedingt ein typisches Jahr gewesen, heißt es bei der Allianz. Die Ausschüttungsquote für 2003 werde erst im März festgestellt.


Die Ausschüttungsquote allein sei nur bedingt aussagekräftig, gibt Jochen Specht, Lebensversicherungsexperte bei der Assekurata, zu Bedenken: "Wenn kein Ertrag erwirtschaftet wird, ist schließlich auch ein Anteil von 100 Prozent nichts wert."


Artikel erschienen am 25. Feb 2004

chinaman - Mittwoch, 28. April 2004 - 12:26
HANDELSBLATT, Mittwoch, 28. April 2004, 08:20 Uhr


Schwache Unternehmen gefährdet


Wegfall der Steuervorteile bringt Lebensversicher unter Druck


Von RITA LANSCH


Eine Branche bibbert: Die Vertriebsleute sehen ihre Provisionen wegbrechen. Zumal die Kunden auf Dauer mit niedrigen Zinsen für ihr Geld rechnen müssen.


DÜSSELDORF. Die von der Regierung angekündigte Streichung der Steuerfreiheit von Lebensversicherungen trifft die Branche ins Mark. Zwar hat sie mit der Erholung der Börsen ihre schlimmste Krise hinter sich gebracht. Auf den Vorstandsetagen herrscht aber tiefe Verunsicherung wegen des künftigen Kapitalbedarfs im Zusammenhang mit neuen internationalen Vorschriften, wegen des niedrigen Zinsniveaus sowie der weiter steigenden Lebenserwartung der Kunden.

Die Folge: Die Branche gerät finanziell unter Druck. Das gefährdet schwache Unternehmen, wird aber auch für die Kunden zu spüren sein. Die in den letzten Jahren mehrfach herabgesetzten Verzinsungen der Sparpolicen dürften so bald nicht wieder steigen. Hinzu kommt: Auch für die Vertriebsleute wird das Geld knapp – die klassische Lebensversicherung ist bisher eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen.

Die Bundesregierung plant im Rahmen der Änderung des Alterseinkünftegesetzes, nur noch streng definierte Formen von privaten Rentenversicherungen (Rürup-Rente) steuerlich zu fördern. Dazu zählen beispielsweise Rentenpolicen ohne jegliche Vererbbarkeit im Todesfall. Demgegenüber sollen Kapital-Policen bei Auszahlung voll versteuert werden, obwohl in der Regel schon die Beiträge aus versteuertem Einkommen stammen. In dieser Doppelbesteuerung sehen die Versicherer eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber Fonds und anderen Sparanlagen. Am Freitag geht das Gesetz in seine abschließende Lesung. Änderungen werden kaum erwartet.

„Wenn es nicht gelingt, Wettbewerbsgleichheit herzustellen, kann die Kapital bildende Lebensversicherung nicht überleben“, warnt Günter Schlatter, Steuerexperte und Chef der Rheinischen Provinzial- Gruppe. Der Gesamtverband der Versicherer ist ebenso „tief besorgt“, dass die Koalition „die praktikabelste und wirksamste Vorsorgeform“ behindere. Die Änderung soll für Abschlüsse ab 2005 gelten.

Die Erfahrungen früherer Versuche der Steueränderung zeigen, dass die Versicherer in diesem Jahr noch auf eine Art Schlussverkaufs-Boom hoffen dürfen. Die Kehrseite: Hohe Kosten für Vermittlungsprovisionen belasten die Ergebnisse – und die Einnahmen können nur zu den heutigen unattraktiven Zinssätzen angelegt werden.

Ab 2005 bekommen auch die Vermittler ein massives Problem. Laut Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), der Interessenvertretung der selbstständigen Vertreter, machen die Einnahmen aus Provisionen für Lebensversicherungen im Schnitt ein Sechstel ihrer gesamten Provisionserlöse aus. „Das ist oft der entscheidende Anteil, um noch wirtschaftlich arbeiten zu können“, sagt BVK-Vizepräsident Ulrich Brock. Er sieht mit dem Wegfall dieses Geschäfts einen erheblichen Erwerbszweig wegbrechen. Nur finanzstarke Versicherer können diesen Einbruch bei ihren Verkäufern auszugleichen.

An der Finanzkraft der Lebensversicherungsunternehmen scheidet sich nach Meinung von Experten in nächster Zukunft die Spreu vom Weizen. International steigen die Anforderungen an die Sicherheitsmittel (Solvency II). Die Gesellschaften bereiten sich darauf vor, ihr Kapital aufzustocken. Erkennbar ist das an der schleichenden Veränderung der Gewinnverteilung zu Lasten der Kunden. Mindestens 90 Prozent der Kapitalerträge stehen laut Gesetz den Kunden zu. In der Praxis sind es bis 2001 weit mehr als 95 Prozent gewesen. Der Rest war für die Aktionäre trotzdem auskömmlich, weil die finanzielle Basis stimmte. Doch das anhaltend niedrige Zinsniveau und die Aktienkrise haben den zu verteilenden Gewinn drastisch geschmälert. Deshalb gehen die Gesellschaften dazu über, das Verhältnis zu Gunsten der Eigentümer zu verbessern.

Geld brauchen die Lebensversicherer zudem für die kommende Anpassung ihrer Bestände an die steigende Lebenserwartung: Wer länger lebt, bezieht länger Rente. „Notwendige Anpassungen werden die Ergebnisse der nächsten Jahre belasten“, befürchtet daher Wilhelm Schneemeier, Aktuar der Geschäftsleitung der deutschen Swiss Life.

chinaman - Sonntag, 23. Mai 2004 - 07:55
In Schieflage
Börsenerholung verpufft, Renditen mau, Steuerprivileg gefährdet. Die Krise der Lebensversicherungen verschärft die Problematik der Altersvorsorge
von Michael Höfling und Ulrich Machold

Kai A. weiß nicht viel über das Jahr 2036. Lange Zeit glaubte der 33-Jährige zu wissen, er werde dann einen schönen Batzen Geld von seiner Lebensversicherung erhalten, der ihm einen Ruhestand ohne finanzielle Engpässe ermöglichen würde. Diese Zuversicht schwindet von Mai zu Mai mehr. Immer dann nämlich erfährt A. durch die so genannte Standmitteilung, wie es um die voraussichtliche Ablaufleistung seiner Police bestellt ist. Und mit der geht es seit Jahren rapide bergab. Die Gesamtverzinsung der Kapitallebensversicherungen deutscher Anbieter ist auf wenig mehr als vier Prozent zusammengeschmolzen.


Und das tut weh. Denn es gibt wenig, was den krisengeschüttelten Deutschen noch Geld wert ist - die Lebensversicherung gehört allemal dazu. Rund 88 Millionen Policen haben sie, allein 2003 kamen zehn Millionen mit einem Volumen von 245 Milliarden Euro dazu.


Deren Inhaber fragen sich nun: Wie konnte das passieren? Denn die seit Jahren sinkenden Überschussbeteiligungen wurden meist damit begründet, dass man sich unglücklicherweise am Aktienmarkt verspekuliert habe. 2003 allerdings legten die meisten Börsen eine rekordverdächtige Performance hin. Warum ist davon nun nichts zu merken?


"Viele Versicherungen haben mit ihren Aktienanteilen schief gelegen, was zu hohen Verlusten geführt hat", sagt Reiner Will, Geschäftsführer der Versicherungs-Rating-Agentur Assekurata. "Die konnten nicht auf einen Schlag an die Versicherten weitergegeben werden. In den Büchern der Anbieter haben sich also stille Lasten angehäuft, die immer noch abgearbeitet werden. Auch deshalb wird es mittelfristig mit den Überschussbeteiligungen kaum nach oben gehen."


Und die Magerzinsen sind nur die letzte einer Reihe von Hiobsbotschaften. Seit Jahren sind die Versicherer auf Grund angeblich überhöhter Gebühren und mangelnder Transparenz unter Beschuss. Mit der Pleite der Mannheimer, die von der Auffanggesellschaft Protektor abgefedert wurde, hat die Branche ebenfalls Kredit verspielt. Dazu kommt, dass sich die Versicherten kaum der desaströsen Entwicklung entziehen können: Ein Ausstieg aus einer laufenden, meist auf 30 Jahre angelegten Police ist nur unter Verlusten möglich. Was bleibt, sind Löcher in der Altersvorsorge. Die Lebensversicherung, der Deutschen liebstes Kind - ein Auslaufmodell?


Mit Einsicht ist es nicht weit her. "Die meisten Kunden wären mit der Information über die tausende Transaktionen, die die Gesellschaften abwickeln, ohnehin überfordert", sagt Gabriele Hoffmann, Leiterin Kommunikation beim Versicherungsverband GdV. Ihre Branche sei im Übrigen die einzige, die sie kenne, von der immer wieder Transparenz verlangt werde: "Wer ein Auto kauft, fragt doch auch nicht, was der Händler dafür zahlt oder wie viel Provision der Verkäufer erhält." Dafür allerdings weiß der Auto-Käufer auch sofort, was er für sein Geld bekommt. Wer eine Lebensversicherung abschließt, kennt nur seinen gesetzlich festgelegten Garantiezins. Der ist von einst vier Prozent für neu abgeschlossene Policen Anfang 2004 auf 2,75 Prozent gefallen. "Selbst höhere Renditen wären noch kein Argument für eine Lebensversicherung", sagt Frank Braun vom Bund der Versicherten. "Die aktuellen Angebote sind ein Produkt, das sich für den Verbraucher fundamental nicht empfiehlt."


Denn selbst die ausgewiesenen Zinsen beziehen sich nur auf den "Sparanteil" der Versicherung - also das Geld, das tatsächlich angelegt wird. Oft sind das aber nur 75 bis 80 Prozent der Prämie. Der Rest geht für Provisionen, Gebühren und die eingebaute Risikolebensversicherung drauf. Allein für die Verwaltung stecken sich laut der Zeitschrift "Finanztest" einzelne Anbieter bis zu elf Prozent der Beiträge in die Tasche, für Abschlusskosten gehen noch einmal bis zu 4,7 Prozent drauf. Bezieht man das in die Rechnung mit ein, liegt der "echte" Garantiezins nur noch bei höchstens 2,2 Prozent.


Dazu kommt, dass die Versicherer nach ihrem glücklosen Ausflug in die Welt der Aktien wieder verstärkt auf Anleihen setzen. Dort aber sind nur noch niedrige Zinsen zu holen, es sei denn, man verlegt sich auf Papiere mit langen Laufzeiten. Steigen dann aber die Zinsen wieder, fallen deren Verkaufskurse an der Börse am meisten - wieder entstehen stille Lasten, die an die Versicherten weitergereicht werden. Angesichts solcher Aussichten denken einzelne Versicherer schon laut darüber nach, den Garantiezins während der Laufzeit an die Zinsentwicklung "anzupassen" - sprich, wohl zu senken. Die Versicherten wüssten dann gar nicht mehr, was ihnen am Ende bleibt.


Und zu allem Überfluss ist der chronisch blanke Finanzminister Eichel fest entschlossen, das Steuerprivileg der Lebensversicherungen zu kippen. "Wenn es so käme, würde diese Form der Altersvorsorge gar keinen Sinn mehr machen", sagt Lutz Schumann, Chefredakteur des Infodienstes Steuer-Schutzbrief. Einziger Trost: Bis Ende des Jahres abgeschlossene Verträge gelten als Altfälle und blieben von den geplanten Änderungen am Alterseinkünftegesetz verschont (siehe Kasten unten). Wie genau die ausfallen, klärt gerade der Vermittlungsausschuss des Bundesrates - die Hoffnungen der Branche ruhen dabei auf den unionsregierten Ländern.


Dabei könnte es um die Rendite deutscher Lebensversicherungen besser bestellt sein. "Der Knackpunkt ist, dass man hier seine Verträge kündigen kann - und rund 50 Prozent der Versicherten das auch tun", sagt Hans-Peter Schwintowski, Versicherungsrechtler an der Berliner Humboldt-Universität. "Für diese Fälle müssen die Gesellschaften Kapital zur Auszahlung bereithalten, mit dem sie keine Rendite erwirtschaften können." In England funktioniert eine Alterssicherung, aus der man nicht aussteigen kann, eindrucksvoll. "Eine monatliche Rate von 100 - die Währung ist gleichgültig - brachte dem Briten nach 30 Jahren eine Ablaufleistung von 260 000", sagt Schwintowski. "Der Deutsche muss sich mit 95 000 begnügen."


Artikel erschienen am 23. Mai 2004
Die Welt

chinaman - Dienstag, 15. Juni 2004 - 08:32
Analyse: Den Vorsorgesparern droht bereits die nächste böse Überraschung
In Deutschland wird immer später gestorben. Dies hat Folgen auch für private Rentenpolicen. Die neue Sterbetafel offenbart die Risiken
von Thomas Exner

Was kann es schöneres als ein gesundes und langes Leben geben? Eigentlich nichts - und doch, gerade für Vorsorgesparer hat ein solches Szenario auch seine Schattenseiten. Dann nämlich, wenn aus dem individuell Wünschenswerten ein gesamtgesellschaftliches Phänomen wird und zur Vorsorge eine private Rentenversicherung gewählt wurde.


Denn genau wie die Einnahmen in der gesetzlichen Rentenkasse sind auch die in privaten Policen angesparten Mittel nicht beliebig vermehrbar. Steigt die Lebenserwartung und damit die Dauer des Rentenbezugs, bleiben dem Versicherer nur zwei Möglichkeiten: Entweder er erhöht die Prämien oder er kürzt die monatlichen Leistungen in der Auszahlungsphase. Und beides wird passieren, wenn die Deutsche Aktuarsvereinigung am Mittwoch ihre neue Sterbetafel - die Kalkulationsbasis aller Rententarife - der Öffentlichkeit präsentiert hat. Vielen Kunden der Lebensversicherer steht so nach Aktienkrise, sinkenden Überschussbeteiligungen und dem Verlust des Steuerprivilegs schon die nächste böse Überraschung ins Haus.


Exakte Zahlen sind zwar noch nicht bekannt. Doch fest steht, dass die durchschnittliche Lebenserwartung seit der letzten Aktualisierung der Sterbetafel im Jahr 1994 merklich zugenommen hat. Neukunden werden deshalb nach den Berechnungen einiger Versicherungsgesellschaften in der privaten Rentenversicherung ab dem Jahr 2005 im Schnitt etwa zehn Prozent mehr zahlen müssen, um sich die gleiche Rentenhöhe wie bisher zu sichern. Aber auch die Bestandskunden werden nicht ungeschoren davonkommen. Die Höhe der Prämien und die garantierten Leistungen bestehender Rentenpolicen bleiben hier zwar unangetastet. Dafür werden allerdings ihre Überschussbeteiligungen sinken. Denn die Assekuranzen müssen auch bei alten Verträgen zusätzliche Rückstellungen zur Deckung des gestiegenen Langlebigkeitsrisikos bilden. Die nötigen Mittel werden voraussichtlich den laufenden Kapitalerträgen entnommen - der Topf, aus dem die Kunden über die Garantieleistungen hinaus Kapital gut geschrieben bekommen, leert sich damit. Es bleibt weniger auf die einzelnen Verträge zu verteilen.


Im Vergleich zur letzten Aktualisierung der Sterbetafel 1994, als im Bestand Untertarifierungen von bis zu 30 Prozent entdeckt wurden, dürften die Folgen für die Versicherten diesmal allerdings nicht ganz so gravierend ausfallen. Denn einerseits wird von Experten nicht ein so starker Sprung in der zu berücksichtigenden Lebenserwartung wie damals erwartet. Andererseits sind inzwischen dynamische Rentenversicherungen mit jährlichen Aufschlägen die Regel. Die Versicherten müssen sich so wegen der veränderten Biometrie zwar auf niedrigere Zuwächse bei den Rentenzahlungen einstellen, aber eben nicht auf eine nominale Kürzung der monatlichen Überweisung, wie es 1994 durchaus häufig der Fall war. Die Einbußen werden damit nicht so offensichtlich.


Trotzdem zeigt der Korrekturbedarf in den Kalkulationsgrundlagen der Versicherer, dass auch private Rentenpolicen keine uneingeschränkte Garantie für ein wirklich auskömmliches Einkommen im Alter bieten können. Sie sind eben nicht nur den Unbilden der Kapitalmärkte, sondern auch den Unwägbarkeiten des medizinischen Fortschritts ausgesetzt. Ihr Vorteil gegenüber der gesetzlichen Rente liegt allein in der Kapitaldeckung. Ob dies aber die ausschließliche Fokussierung der Politik auf das Leibrentenmodell rechtfertig, darf getrost in Frage gestellt werden. Denn was passiert, wenn etwa eines Tages der Krebs tatsächlich besiegt werden sollte oder es der Gentechnik gelingt, den Alterungsprozess des Menschen zu manipulieren? Bei der verpönten Kapitallebensversicherung würde dies immerhin die Kosten senken.


Artikel erschienen am 15. Juni 2004
Die Welt

prof - Dienstag, 15. Juni 2004 - 10:30
Wenn man ganz pessimistisch denkt, könnte auch das Thema Sterbehilfe irgendwann einmal aktuell werden:

Nach dem Motto: Entweder du willigst in die "Sterbehilfe" ein, oder deine Kinder müssen für dich zahlen! Ich weiß, klingt ziemlich grausam, aber denkbar ist alles ...
Prof

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