Diskussionsforum der stw-boerse: Sonstiges: Politik Deutschland: Archivierte Beiträge bis 4. Mai 2004
prof_b - Freitag, 16. November 2001 - 10:01
Also eines muss man unserem Kanzler lassen, er weiß wie er seine Macht ausspielen kann. Natürlich würde er von Neuwahlen stark profitieren.

Grundsätzlich ist ein Ausscheiden von Grün aus der Regierung für Wirtschaft und Börse zu begrüßen. Allerdings dürfte man von einem wahrscheinlich FDP-Einstieg keine Kurzfristwunder erwarten.

Einzige Möglichkeit für die Grünen, mittelfristig zu Überleben: Heute geschlossen gegen Schröder und Truppeneinsatz stimmen! Das wäre eine Haltung und würde vom Wahlvolk geachtet werden. Aber die Grünen sind machtbesessen und dazu noch dumm. Wer so seine Ideale verrät und sich vom Kanzler vorführen lässt, kriegt kein Mitleid von mir.

Falls Rot/Grün fällt dürfte es an der Börse einen starken Ruck nach oben geben. Dann dreht sich die Spekulationsspirale noch ein paar Runden weiter. Stört mich nicht, die Pläne liegen in der Schublade.

Prof

stw - Samstag, 18. Januar 2003 - 15:28
Was sagt ihr zu den neuesten Plänen von Superminister Clement, das Kündigungsschutzgesetz für kleine Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern zu entschärfen. Für mich ist das ein sensationeller Vorschlag, der wirklich Arbeitsplätze schaffen kann. Aktuell ist es doch so, dass jeder Unternehmer es sich 3mal überlegt, bevor er den 6.Arbeitsplatz in seinem Betrieb schafft und sich somit im Zweifelsfall mit den Gewerkschaften anlegen muss. ´Bin mal gespannt, ob so eine Idee durchsetzbar ist bei den gegenwärtigen Machtverhältnissen. Kaum vorstellbar, dass Teile der SPD/Grüne das zusammen mit der Oposition durchziehen gegen den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften. Das wäre vielleicht ein Signal für unser Land...zumindest ein Hoffnungsschimmer. Ich habe Clement wohl unterschätzt...

:-) stw

chinaman - Sonntag, 19. Januar 2003 - 12:09
"Ich habe Clement wohl unterschätzt... "

Da befürchte ich eher, dass Du Ihn nun überschätzt. Hat ja schon als Miniserpräsident in NRW vor allem als Ankündiger überzeugt

;-)
Gruss
Chinaman

mib - Montag, 20. Januar 2003 - 08:52
wie heisst es...?

"ich vernehm es wohl, doch allein mir fehlt der Glaube"?

aber egal, ob er das nun durchsetzen kann oder nicht... es ist ja schon erfreulich, dass sowas ueberhaupt oeffentlich diskutiert wird.

Gruss - Mib

stw - Montag, 20. Januar 2003 - 17:58
Reden und diskutieren alleine bringt aber nichts. Wir müssen schleunigst was tun, um uns aus dem Sumpf zu ziehen und dafür braucht es andere Rahmenbedingungen. Vielleicht gibt es nach den zu erwartenden Denkzettel-Wahlen in Niedersachsen und Hessen wirklich den Druck, so etwas nicht nur anzukündigen, sondern auch durchzuziehen. Meine Hoffnung stirbt jedenfalls zuletzt...

;-) stw

stephan - Montag, 20. Januar 2003 - 17:58
apropos Glaube-

Kann man noch daran glauben, das mib wieder anfängt sein Depot selbstständig zu aktualisieren?

Mit wenig Hoffnung

Stephan

mib - Montag, 20. Januar 2003 - 23:06
bin unschludig... als ich sonntag um 22.30 aktualisieren wollte, war's schon erledigt!

aber DANKE! :)

chinaman - Dienstag, 11. Februar 2003 - 11:29
Die SPD Linke schießt sich auf Clement ein und Schröder (als der eigentliche Wahlverlierer) tut unbeteiligt ...

:-)
Gruß
Chinaman


SPD-VORSTAND

Clement soll der Sündenbock sein

Nach den verheerenden Wahlniederlagen der SPD in Hessen und Niedersachsen hat der Vorstand der Sozialdemokraten sich offenbar zumindest auf einen Schuldigen verständigt: Superminister Wolfgang Clement, der seine eigenen Vorstellungen zum Kündigungsschutz hat.

Berlin - Clement sei bei der Sitzung des SPD-Vorstands am Montag in Berlin von führenden Vertretern des linken Parteiflügels kritisiert worden, berichtet die "Berliner Zeitung". Die Kritiker hätten Clement mitverantwortlich für die schweren Niederlagen der SPD bei den Landtagswahlen gemacht. Sie hätten ihm vorgeworfen, mit seinem Vorschlag, den Kündigungsschutz zu lockern, Wähler verschreckt zu haben.
Zu den Kritikern gehörten angeblich unter anderem Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, der stellvertretende Fraktionschef Ludwig Stiegler und der Vorsitzende der Jungsozialisten, Niels Annen. Nach Angaben des Blattes berichteten Teilnehmer, Bundeskanzler Gerhard Schröder habe sich nicht in diese Debatte eingeschaltet. Beistand habe Clement lediglich von Peer Steinbrück bekommen, seinem Nachfolger im Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten.


Quelle: Spiegel online

stw - Dienstag, 11. Februar 2003 - 15:25
Die haben wirklich die Zeichen der Zeit noch nicht mal ansatzweise erkannt... warum gucken die nicht einfach mal in eine Statistik, wieviele Unternehmen mit GENAU 5 Mitarbeitern es in D gibt. Jeder Kleinunternehmer wird mir bestätigen, dass das Kündigungsschutzgesetz DER entscheidende Grund ist, im Zweifelsfall eben keinen 6. Arbeitnehmer einzustellen... und die roten Socken kapieren das einfach nicht.

:-(( stw

stw - Mittwoch, 19. Februar 2003 - 12:55
Na toll: erst merkt es jeder von uns in seiner tagtäglichen Arbeit, jetzt endlich kommen auch die Wirtschaftsforscher auf die Idee und dann kommt lange lange nichts, bis unsere Regierung viel später im Jahr wieder völlig überrascht werden wird von den miserablen Wirtschaftszahlen.

Wir stecken bereits mitten drin in der Rezession, warum sagt das denn keiner !?

:-( stw

Berlin, 19. Feb (Reuters) - Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland schließen nicht aus, dass die deutsche Wirtschaft bereits in einer leichten Rezession steckt.

"Die Wirtschaft durchläuft eine Zitterpartie - ich halte eine technische Rezession nicht mehr für unwahrscheinlich", sagte Udo Ludwig, Konjunkturexperte beim Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle, der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Auch das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo), das Hamburgische Welt-Wirtschaftsarchiv (HWWA), das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, das Essener Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin halten ein negatives Wachstum im laufenden und im vergangenen Quartal für möglich.

Allerdings betonten die meisten Forscher, dass die derzeitige Wirtschaftslage eher eine Stagnation als eine Rezession sei. "Ich würde etwa bei zwei Quartalen mit minus 0,1 Prozent eher von einer Stagnation sprechen", sagte beispielsweise der HWWA-Konjunkturexperte des Eckhart Wohlers.

chinaman - Mittwoch, 19. Februar 2003 - 14:57
Meiner Überzeugung nach werden wir in den nächsten Monaten bald von 5 Mio. Arbeitslosen lesen. Dann kommt richtig Dampf in den Kessel.

:-(
Gruß
Chinaman

chinaman - Sonntag, 2. März 2003 - 09:25
KÜNDIGUNGSSCHUTZ

Clement ist nicht zu bremsen

Trotz anhaltender Kritik aus Partei und Fraktion hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement beim Streit um den Kündigungsschutz seine Vorstellungen konkretisiert. Dem SPD-Fraktionsvorstand hat Clement am Montag seine Pläne en detail vorgestellt.

Hamburg - Danach soll der so genannte Schwellenwert im Arbeitsrecht, nach dem in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten der volle Kündigungsschutz gilt, flexibilisiert werden. Künftig soll in einem Betrieb, der den sechsten Mitarbeiter einstellt, nur der am längsten Beschäftigte vor einer Entlassung geschützt werden.
Zählt der Betrieb sieben Beschäftigte, können nach Clements Plänen zwei Angestellte nicht gefeuert werden. Bei mehr als zehn Beschäftigten kann der Arbeitgeber also stets fünf Arbeitnehmer ohne Begründung entlassen. Zudem plant Clement, dass Beschäftigte künftig wählen dürfen, ob sie bei einer Kündigung eine gesetzlich festgelegte Abfindung annehmen oder gegen die Kündigung klagen wollen.

Die entsprechenden Abfindungen sollen Clements Plänen zufolge nach sozialen Kriterien wie Alter und Kinderzahl gestaffelt werden und nach seinen bisherigen Vorstellungen mindestens ein halbes Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr betragen.

Darüber hinaus will Clement die Auswahlkriterien präzisieren, nach denen Arbeitgeber bei Entlassungen vorzugehen haben. Müssen die Unternehmen heute eine Vielzahl von Gesichtspunkten berücksichtigen, sollen sie sich künftig auf die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Alter und Familienstand beschränken dürfen. Haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat über konkrete Kündigungsfälle verständigt, sollen die Entlassenen nur noch in Ausnahmefällen gegen den Rauswurf klagen können.

chinaman - Samstag, 3. Januar 2004 - 05:57
Projektentwicklern drohen Probleme durch Mindestbesteuerung
Standpunkt
von Markus Böhl

Die neuen Steuerregelungen weisen mit der Einführung der Mindestbesteuerung von Unternehmen insbesondere für Projektentwickler eine gewaltige Tücke auf. Nach der vereinbarten Regelung sollen Unternehmen Verlustvorträge künftig nicht mehr unbeschränkt von späteren Gewinnen abziehen können. Zwar gelten für die Abziehbarkeit von Verlustvorträgen bis eine Mio. Euro auch weiterhin keine Einschränkungen, doch danach verbleibende Gewinne dürfen nur noch bis 60 Prozent durch Verlustvorträge gemindert werden.


Diese Regel kann für eine Reihe von Immobilienunternehmen zu einer übermäßigen Besteuerung oder sogar Verlusten führen - und zwar auch dann, wenn vor Steuern ein Gewinn erzielt wurde. Bei Immobilienprojektgesellschaften verteilen sich Aufwendungen und Erträge unregelmäßig auf unterschiedliche Perioden. Am Anfang entstehen normalerweise nur Verluste, da den hohen Aufwendungen noch keine Erträge gegenüber stehen. Dagegen wird bei erfolgreicher Abwicklung des Projekts am Ende meist ein einmaliger Gewinn erzielt, da die in der Schlussphase zu verbuchenden Erträge aus der Abrechnung des Projekts oder aus dem Verkauf noch anfallende Aufwendungen weit übersteigen.


Die Auswirkungen der neuen Regelungen illustriert ein Beispiel: Einer Gesellschaft entstehen zunächst Verluste in Höhe von 2,2 Mio. Euro, doch im letzten Jahr des Projekts wird ein Gewinn von 2,5 Mio. Euro erzielt. Vor Steuern ergäbe sich also insgesamt ein Gewinn von 300 000 Euro. Da aber steuerlich nur noch Verluste in Höhe von 1,9 Mio. Euro verrechnet werden dürfen, müssten nun 600 000 Euro versteuert werden. Bei einem angenommenen Steuersatz von 40 Prozent würde dies eine Steuerbelastung von 240 000 Euro bedeuten, was 80 Prozent des eigentlichen Vorsteuergewinns entspricht. Berechnet man ein Beispiel mit einem Verlustvortrag von 2,7 Mio. Euro und einem Gewinn im letzten Jahr des Projekts von drei Mio. Euro, dann wird aus einem Vorsteuergewinn von 300 000 Euro nach Steuern sogar ein Verlust von 20 000 Euro.


Insbesondere Unternehmen, die von den neuen Regelungen mitten in laufenden Projekten überrascht worden sind, stehen nun vor einem schwer lösbaren Problem. Sie können entstandene hohe Verluste nicht mehr vollständig mit dem künftigen Gewinn in der Schlussphase verrechnen, obwohl sie genau dies wegen der steuerrechtlichen Bedingungen zu Projektbeginn geplant hatten. Zwar ist es möglich, nicht verbrauchte Verlustvorträge unter Beachtung der neu eingeführten Beschränkungen auch mit Gewinnen in späteren Jahren zu verrechnen. Das würde jedoch voraussetzen, dass die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit weiterführt. Gerade das ist aber bei projektbezogenen Immobiliengesellschaften oftmals aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll.


Bei neuen Projektentwicklungen wird man angesichts dieser Situation nun versuchen, keine zu hohen Verlustvorträge entstehen zu lassen. Eine Chance dazu bietet die Ausnutzung von Aktivierungswahlrechten, indem etwa herstellungszeit- und gebäudebezogene Fremdfinanzierungskosten als "Bauzeitzinsen" aktiviert werden. Zudem ist zu erwägen, das Konzept der separaten Gesellschaften für einzelne Bauvorhaben aufzugeben und die damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen.


Artikel erschienen am 3. Jan 2004
Die Welt

chinaman - Samstag, 6. März 2004 - 20:08
DER SPIEGEL 11/2004 - 08. März 2004
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,289441,00.html
Staatsfinanzen

Eichels Schwenk

Der Bundesfinanzminister will die enorme Zinslast des Bundes drücken - und dafür unter die Zocker gehen.

Fast so wichtig wie der neueste Sparplan von Bundesfinanzminister Hans Eichel selbst ist dessen Geheimhaltung: Die Gruppe seiner Experten ist handverlesen und zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet. Auf jeder einzelnen Seite ihres Berichts prangt der Schriftzug "Streng vertraulich". Eine penibel geführte Liste verzeichnet zudem, wer das Papier wann zu Gesicht bekommen hat. All das hat einen guten Grund.

"Was hier zum Schuldenmanagement des Bundes vorgeschlagen wird", so ein Beteiligter, "ist äußerst kapitalmarktrelevant." Wer vorab weiß, wie Eichel die Zinsbelastung des Bundes senken will, könnte illegale Insidergeschäfte tätigen. Das brisante Papier droht zudem die Anleihemärkte in Aufruhr zu versetzen. Denn Berlins Kassenwart will unter die Zocker gehen und sich auf hoch spekulative Geschäfte einlassen.

Devise eins: Nach uns die Sintflut. Devise zwei: Ohne Risiko kein Profit.

Schon heute zahlt der Bund jedes Jahr rund 38 Milliarden Euro an Zinsen. Zwischen 2004 und 2006 werden obendrein rund 250 Milliarden der Gesamtschulden von knapp 800 Milliarden Euro fällig. Dieser Berg muss umgeschichtet werden. Das Ministerium fürchtet, der Kapitalmarkt werde die hohen Summen nur mit teuren Aufschlägen akzeptieren.

Ein ganzes Bündel von Maßnahmen soll die Situation deshalb kurzfristig entspannen. Der Kern von Eichels Geheimplan ist die "Neustrukturierung der Staatsschulden", für die das Ministerium ein "Zielportfolio" entwickelt hat, das in zehn Jahren erreicht werden und deutlich mehr Anleihen mit kurzen Laufzeiten enthalten soll als heute (siehe Grafik).

Die durchschnittliche Laufzeit sinkt schon bis 2007 von 6,17 auf 5,22 Jahre, was die Zinsenausgaben in dieser Zeit um rund 500 Millionen Euro drückt. Doch die Ersparnis hat ihren Preis.

Denn je kürzer die Laufzeiten der Anleihen ausfallen, desto stärker wirken sich auch Zinsänderungen aus. Jeder Häuslebauer weiß das. Selbst Ex-Finanzminister Theo Waigel predigte stets: Sind die Zinsen niedrig, muss man sich Geld langfristig leihen. Eichel schwenkt nun um - obwohl dadurch auch Mehrausgaben entstehen können, wie seine Experten zugeben. Bis 2007 sei diese Gefahr jedoch gering, denn bis dahin überwiegen die billigeren Zinsen durch die Umschichtung.

Ist das Zielportfolio aber erreicht, steigt das Haushaltsrisiko kräftig an - und liegt dann "15 Prozent über dem Niveau des derzeitigen", was Eichels Fachleute noch für vertretbar halten. Das ist Ansichtssache.

Denn möglich ist auch, dass sich der Bund dann in einer Phase steigender Zinsen am Kapitalmarkt neu verschulden muss. Mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 30 Prozent, so die Berechnungen, müsse er schon im ersten Jahr 570 Millionen Euro mehr aufbringen als unter der jetzigen Schulden-Architektur. Vier Jahre später läge die Summe bei 3,2, nach zehn Jahren sogar bei etwa 5,5 Milliarden Euro.

Die Umschichtung könnte so zu einem teuren Ausflug werden, der den relativ kleinen, kurzfristigen Gewinn kaum rechtfertigt. Doch das muss nicht mehr das Problem von Eichel sein, der dann sicher nicht mehr oberster Kassenwart in Berlin ist.

Zur "Strukturkomponente" des neuen Schuldenmanagements kommt eine "taktische Komponente". Die Finanzagentur des Bundes, die für Eichels Ministerium die Schulden managt, soll die Zinsentwicklung anhand von Wirtschaftsprognosen für die jeweils nächsten drei Jahre vorhersagen - und darauf spekulieren. Das tut sie mit Swaps, also hochriskanten Finanzinstrumenten, die eigentlich zum Absichern von Zinsrisiken gedacht sind.

Eichel hat die Finanzagentur bereits ermächtigt, diese Zockergeschäfte im Jahr 2004 auf 80 Milliarden Euro zu erhöhen. Obendrein will er künftig auch Fremdwährungsanleihen begeben, also Bundesschulden in Dollar, Rubel, britischen Pfund oder auch anderen Währungen.

Rechtlich ist das aber nicht möglich, der Bundestag müsste zustimmen. Doch auch diese Geschäfte sind riskant: Sinkt der Euro-Kurs gegenüber der jeweiligen Emissionswährung zum Ende der Laufzeit etwa um 20 Prozent, muss der Bund 20 Prozent mehr zurückbezahlen, als er sich geliehen hat.

Selbst bei einer Währungsabsicherung, heißt es in dem Bericht, "könnte der Eindruck von Spekulationsgeschäften entstehen". Andererseits führten diese Finanzinstrumente zu einer "Entlastung der Liquiditätssituation". Die sperrige Formulierung kaschiert eine prekäre Situation.

Die hohen Tilgungsverpflichtungen ab 2004 und die deshalb nötigen Umschuldungen könnten an den Märkten zu einem Überangebot führen, das von Investoren nur zu deutlich höheren Zinsen akzeptiert wird. Die Bundesanleihe, einst das sicherste Schuldpapier der Welt, droht dabei unter die Räder zu kommen. Wenn aber ein Teil der Schulden im Ausland platziert werde, sei diese Gefahr geringer.

Schon deshalb wollen Eichel und seine Finanzmanager den Gang zum Parlament antreten. Das einzige Problem: "Bisher wissen wir noch nicht", sagt ein Insider, "wie wir den Abgeordneten die Materie erklären sollen, ohne unsere Pläne im Detail offen zu legen."

WOLFGANG REUTER

stw - Montag, 8. März 2004 - 08:43
Da kann es einem wirklich Angst und Bange werden...

:-( stw

stephan - Montag, 8. März 2004 - 10:15
In einer Niedrigzinsphase die Laufzeit zu senken ist ja eigentlich richtig, aber nur aus Sicht des Gläubigers. Da hat sich ein Berater wohl versprochen...

chinaman - Dienstag, 4. Mai 2004 - 08:01
Mehr Mittel für Wissenschaft

Clement will an Sparerfreibetrag ran


In der Debatte um die künftige Finanzpolitik der Bundesregierung hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) eine Streichung des Sparerfreibetrags vorgeschlagen.

HB BERLIN. Dadurch würden jährlich Mittel im Umfang von rund 2,5 Milliarden Euro frei, um sie in Wissenschaft und Forschung zu investieren. Dies sagte Clement der „Berliner Zeitung“. Der Sparerfreibetrag wurde bereits gesenkt - für Ledige von 1 550 auf 1 370 Euro und für Verheiratete von 3 100 auf 2 740 Euro. Der Wirtschaftsminister erklärte, die völlige Streichung sei angesichts der ohnehin hohen Sparneigung der Bundesbürger vertretbar.

Wie Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) sprach sich Clement dafür aus, die Eigenheimzulage zu streichen und dieses Geld Wissenschaft und Forschung zugute kommen zu lassen. Clement mahnte, die Regierung müsse den Konsolidierungskurs unbedingt fortsetzen. „Wir haben zum ersten Mal seit langem positive Signale aus der Wirtschaft.“. So sei die Auftragslage der Industrie im März, gemessen an den Vorjahren, deutlich besser ausgefallen, und auch im Einzelhandel bewege sich etwas. „In einer solchen Phase zu sagen, wir ändern den Kurs, wäre grundfalsch“, betonte Clement.

Clement gehörte nicht zu der Runde aus Bundeskanzler Gerhard Schröder, dessen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier, Finanzminister Hans Eichel (alle SPD), dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering sowie Vizekanzler Joschka Fischer (Grüne), die in der vergangenen Woche Medienberichten zufolge den künftigen Kurs der Haushaltspolitik und ein Ende des Sparkurses diskutierte. Am Montag erklärte Schröder, die Regierung werde ihren Konsolidierungskurs beibehalten. Die geplante Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Forschung solle nicht über Schulden finanziert werden.


HANDELSBLATT, Dienstag, 04. Mai 2004, 07:23 Uhr

chinaman - Dienstag, 4. Mai 2004 - 08:42
Das Phänomen "Staatsverschuldung" haben wir hier ja schon öfter andiskutiert. Während ich die Entwicklung doch "kritisch" sehe, waren Boardteilnehmer wie J.R. viel gelassener. Sein Argument lautete ja: "Solange das Wirtschaftswachstum höher ist wie die Neuverschuldung ist alles beherrschbar".

Nur ? Wie lange ist dies bspw. für Deutschland schon nicht mehr der Fall ???


:-)
Gruß
Chinaman


FINANZEN
Spiegel online


Eichel rechnet mit Rekord-Neuverschuldung

Finanzminister Hans Eichel geht davon aus, dass die Neuverschuldung in diesem Jahr eine neue Rekordmarke erreicht. Die neuen Kredite könnten 47 Milliarden Euro erreichen.

München - Mit dem Betrag von 47 Milliarden Euro würde Rot-Grün den Rekord des Finanzministers Theo Waigel (CSU) von 40 Milliarden Euro aus dem Jahre 1996 brechen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Das Blatt bezieht sich bei ihren Informationen auf Regierungskreise.

"Es bleibt beim Konsolidierungskurs", sagte Eichel zwar. Wie der Sparkurs eingehalten werden soll, sei angesichts neuer Haushaltslöcher aber unklar. Für den Etat 2004 plante Eichel bisher 29 Milliarden Euro neue Schulden ein, doch nach den neuen Rechnungen seines Hauses werden möglicherweise weitere 18 Milliarden Euro fehlen.

Ähnlich sehe es für das nächste Jahr aus. Da plane Eichel 21 Milliarden neue Schulden, doch seine Beamten sehen einen zusätzlichen Bedarf von 15 Milliarden. Grund seien die schwache Konjunktur und geringere Steuereinnahmen als erwartet. Genauere Zahlen erhofft sich Rot-Grün von den Steuerschätzern, die am 13. Mai ihre Prognose vorlegen.

Eichel versicherte in der "Financial Times Deutschland", die Bundesregierung wolle allen Problemen zum Trotz die EU-Defizitgrenze von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung wieder einhalten. Das gleiche gelte für den Artikel 115 des Grundgesetzes, der vorschreibt, dass die Summe der Investitionen die der neuen Kredite übertreffen muss.

chinaman - Dienstag, 4. Mai 2004 - 10:24
Auf dem Weg nach ganz unten
Der Solidarpakt II wird die neuen Länder tiefer in die Krise reißen, wenn diese nicht radikal gegensteuern
von Uwe Müller

Berlin - Wenn Ökonomen in die Zukunft schauen wollen, entwerfen sie ein Rechenmodell. Um mit ihm Trends vorhersagen zu können, müssen die Ökonomen Teile der überaus komplexen Wirklichkeit ausblenden. Die Ergebnisse solcher Projektionen sind deshalb stets davon abhängig, welche Faktoren berücksichtigt werden und welche nicht.


Im bestehenden Modell, das Perspektiven beim Aufbau Ost auslotet, ist die Herangehensweise klar: Die Annahmen sind überaus optimistisch, etliche Negativeinflüsse ausgeklammert. Umso mehr überrascht, dass trotzdem ein eher düsteres Zukunftsszenario herausgekommen ist. Die wenig erfreuliche Aussicht setzt in der Debatte um die missglückte Einheitspolitik einen völlig neuen Akzent.


Der Finanzwissenschaftler Helmut Seitz hat jetzt seine Forschungsergebnisse zur Entwicklung der öffentlichen Haushalte in Ostdeutschland bis zum Jahr 2020 vorgelegt. Das Fazit steht in der jüngsten Ausgabe des Forschungsmagazins "Ifo Dresden" und lautet leicht verkürzt: Womöglich stehen den neuen Länder und Ost-Kommunen schon bald schwere Zeiten bevor.


Im Streit um die Einheitspolitik richtete sich der Blick bisher meist in die Vergangenheit: "War der Aufbau Ost bisher ein Misserfolg?" Seitz hingegen skizziert die nächsten 15 Jahre. Seine Befunde sind beunruhigend und deuten an, dass im Osten Verwerfungen drohen, die Politik und Gesellschaft noch nicht hinreichend zur Kenntnis nehmen.


Hintergrund von Seitz' Berechnungen ist der Solidarpakt II, der im nächsten Jahr in Kraft tritt und bis Ende 2019 läuft. Das größte Hilfspaket, das in der deutschen Nachkriegsgeschichte geschnürt wurde, umfasst 156,5 Mrd. Euro und soll Schwung in den erlahmten Aufholprozess bringen. Tatsächlich aber könnte der Pakt, mit dem sich die Rahmenbedingungen beim Aufbau Ost grundlegend verändern, genau das Gegenteil bewirken.


Mit dem Solidarpaktgeld wird zum einen die Infrastruktur ausgebaut, zum anderen soll es die Steuerkraft der öffentlichen Haushalte in den neuen Ländern ausgleichen, die unter dem bundesdeutschen Schnitt liegt. Ein Problem, denn die Ostländer müssen überdurchschnittlich viel Geld ausgeben, um Rückstände gegenüber dem Westen aufzuholen. Und hier tickt die Zeitbombe.


Denn anders als der bestehende Solidarpakt sieht der neue einen degressiv gestaffelten Verlauf der Transferzahlungen vor. Das gilt zumindest für einen Betrag von 105,3 Mrd. Euro. Diese so genannten SoBEZ - das Kürzel steht für Sonderbundesergänzungszuweisungen - fließen über den gesamten Förderzeitraum hinweg nicht gleichförmig, sondern werden von 2006 an Jahr für Jahr verringert. Richtig bergab geht es mit dem Geld nach 2008.


Welche Folgen hat das für die Ost-Haushalte? Damit sind wir wieder beim Modell von Seitz und seinen wohl wollenden Prämissen. Der Professor, der an der TU Dresden einen Lehrstuhl für Finanzpolitik hat, unterstellt großzügig ein langfristiges Wachstum von 1,5 Prozent, sieht von Bevölkerungsverlusten ab und hofft zudem auf eine kräftige Steigerung der seit Jahren stagnierenden Steuerkraft der Ost-Kommunen. Sie soll, gemessen am Niveau der Gemeinden und Städte in finanzschwachen Flächenländern Westdeutschlands, von derzeit 51 Prozent auf 62,5 Prozent im Jahr 2020 steigen - "eine recht optimistische Annahme", wie Seitz selbst zugibt.


Doch selbst unter diesen Bedingungen steht Ostdeutschland ein kaum zu bewältigender Kraftakt bevor. Laut Seitz liegen die Pro-Kopf-Einnahmen der Ost-Länder (Landes- und Kommunalebene) gegenwärtig bei 121 Prozent der Einnahmen der finanzschwachen West-Flächenländer. Weil die Transfers über die Jahre sinken, dürften die Ostländer bereits 2015 auf dem Niveau der finanzschwachen West-Flächenländer ankommen. Im Jahr 2020 werden die Einnahmen dann nur noch 95 Prozent betragen.


In der Folge müssen die Ost-Etats in einem Umfang zusammengestrichen werden, der in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel ist. Die schrumpfenden Osttransfers führen dazu, dass die neuen Länder da, wo sie heute 100 000 Euro einnehmen, im Jahr 2020 nur noch 78 500 Euro zu erwarten sind. Angesichts solcher Dimensionen warnt Seitz: Falls das Wirtschaftswachstum in den neuen Länder und in Deutschland insgesamt weiterhin so schwach wie bisher ausfalle, seien die Auswirkungen für die ostdeutschen Länder und Kommunen dramatisch.


Dem politischen Personal im Osten empfiehlt Seitz daher dringend, die Haushalte zu konsolidieren und Ausgaben deutlich gezielter als bisher für eine Wachstumspolitik einzusetzen. Doch Belege dafür, dass die politischen Akteure den Ernst der Lage erkannt und Sparprogramme eingeleitet haben, lassen sich nicht erkennen.


Nicht nur aus diesem Grund dürfte sich die Wirklichkeit noch viel prekärer entwickeln als die Modellrechnung. Schon heute zeichnet sich ab, dass nach 2008 so mancher Ost-Haushalt zusammenbrechen könnte - mit verhängnisvollen Folgen für den Aufholprozess. Denn trotz des derzeit üppig fließenden Solidarpaktgeldes befinden sich die meisten Ost-Etats längst in einer desolaten Verfassung.


Bei der Pro-Kopf-Verschuldung haben die neuen Länder bereits 1998 die alten Flächenländer überholt. Auf jedem Ostdeutschen lasteten Ende 2003 im Schnitt Landesschulden von 4927 Euro, im Westen waren es demgegenüber 4265 Euro. Die Versuche, die ausufernde Verschuldung zu begrenzen, waren bislang kaum von Erfolg gekrönt.


Im Gegenteil: Zuletzt ist oftmals die Nettokreditaufnahme sogar ausgeweitet oder zumindest auf hohem Stand fortgesetzt worden. Das Land Brandenburg etwa hat im vergangenen Jahr gut eine Mrd. Euro neue Schulden aufgenommen und damit die Pro-Kopf-Verschuldung um fast zwölf Prozent auf 6315 Euro erhöht - schlechter stehen unter den Flächenländern nur das Saarland (6562 Euro) und Schleswig-Holstein (6596 Euro) da, wobei diese beiden Länder allerdings eine erheblich größere Wirtschaftskraft aufweisen und bereits über eine gut ausgebaute Infrastruktur verfügen.


Kaum günstiger fällt das Bild in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern aus. Allein Sachsen ist dank einer eisernen Haushaltsdisziplin und strikten Begrenzung von Personalkosten nicht so tief in der Schuldenfalle verstrickt. Weil Ausgaben und Einnahmen nicht frühzeitig ins Lot gebracht wurden, muss inzwischen der Rotstift sogar dort angesetzt werden, wo es am wenigsten Sinn macht: Die Investitionsquoten der ostdeutschen Länder und Kommunen sind seit Jahren deutlich rückläufig.


Geringere Investitionen der öffentlichen Hände - die Kommunen sind wichtigster Auftraggeber des Handwerks - gehen zu Lasten der Arbeitsplätze, des Wachstums und künftiger Steuereinnahmen. Der private Sektor bringt da in den neuen Ländern kaum Entlastung: Im Osten rutschten die Investitionen in Ausrüstungen und Anlagen schon 1997 unter das West-Niveau und liegen bei 85 Prozent.


Sogar die Bauinvestitionen, die aus privaten Taschen und aus öffentlichen Kassen finanziert werden, sind laut Frühjahrsgutachten mittlerweile auf westdeutschem Durchschnitt angekommen. Damit ist unklar, aus welchen Quellen das zusätzliche Wachstum gespeist werden könnte, das Ostdeutschland auch braucht, um die hohe Transferabhängigkeit der Haushalte zu vermindern.


Zusätzlichen Anlass für pessimistische Szenarien bietet die demografische Entwicklung. Die Länder, Kommunen und Zweckverbände Ostdeutschlands, wo rund 13,6 Millionen Menschen leben, hatten Ende 2002 einen gigantischen Schuldenberg von fast 78 Mrd. Euro aufgehäuft. Experten erwarten, dass die Bevölkerungszahl bis 2020 um 1,7 Millionen Menschen zurückgeht. Allein dadurch steigt die Pro-Kopf-Verschuldung automatisch um gut 14 Prozent.


Nicht berücksichtigt sind dabei die zusätzlichen Kosten für eine überdimensionierte Infrastruktur, die bei ihrer Erstellung noch für höhere Einwohnerzahlen ausgelegt war oder die geringeren Steuereinnahmen, die mit einer schrumpfenden Bevölkerung verbunden sind.


Die vorherrschende Vorstellung, dass mit dem Solidarpakt II die Finanzausstattung der Ost-Haushalte auf hohem Niveau gesichert ist und der Aufholprozess neue Impulse erhält, könnte sich jedenfalls schon in wenigen Jahren als fataler Irrtum erweisen. Eine solche Möglichkeit schließt auch Finanzwissenschaftler Seitz nicht aus.


Deshalb fragt er sich, ob das derzeitig gültige Finanzausgleichssystem zu Gunsten des Ostens umgestellt werden muss. Das bedeutet, dass den Architekten des Solidarpaktes II ein schwerer Konstruktionsfehler unterlaufen wäre. Denn entgegen ihrer erklärten Absicht würden die neuen Länder auch noch weit über 2019 hinaus auf Sonderhilfen angewiesen sein.


Artikel erschienen am 4. Mai 2004
Die Welt

prof - Dienstag, 4. Mai 2004 - 10:56
Wenn man hier lebt, ist wohl am schlimmsten wenn man sieht, dass die Jugend fast komplett abwandert.
:-( Prof

Diskussionsforum der stw-boerse: Sonstiges: Politik Deutschland: Archivierte Beiträge bis 4. Mai 2004