Diskussionsforum der stw-boerse: Sonstiges: Inkubatoren
chinaman - Donnerstag, 5. Juli 2001 - 08:32
Aus der FTD vom 4.7.2001 www.ftd.de/vc
Deutsche Inkubatoren sind am Ende
Von Matthias Dezes, Frankfurt

Der Konsolidierungsprozess am deutschen Markt für Unternehmensbeteiligungen hat seine ersten Opfer gefunden. Die Inkubatoren, vor Jahresfrist noch als ideale Brutstätte für Jungunternehmer gefeiert, sterben als Unternehmensgattung aus.

Das schlechte Marktumfeld, aber auch mangelhafte Erfahrung haben das Ende zahlreicher Inkubatoren beschleunigt. Unternehmensgründer müssen sich nach anderen Möglichkeiten der Finanzierung und Beratung umsehen. Die so genannten Business Angels, in der Mehrzahl Unternehmer, die nach erfolgreichem Firmenverkauf eine interessante Herausforderung suchen, die obendrein noch Geld bringt, könnten diese Lücke schließen.

Inkubatoren sind Unternehmen, die gegen eine Nominalbeteiligung zwischen ein und fünf Prozent des Firmenkapitals den Unternehmensgründern Räume, Infrastruktur und Wissen zur Verfügung stellen, um ihre Geschäftsidee zur Marktreife zu führen. In den vergangenen zwei Jahren hatten diverse Anbieter versucht, das in den USA und Israel bewährte Modell auf Deutschland zu übertragen. Der Versuch gilt vorerst als gescheitert. Die spektakulärste Meldung der Branche machte in der vergangenen Woche die Runde: Der börsennotierte Softwareanbieter Pixelpark gab die Auflösung seines erst vor einem Jahr eröffneten Inkubators Venturepark bekannt. Pixelpark selbst hatte sich mit 40 Prozent oder 1,56 Mio. E an Venturepark beteiligt. Der Schnellbrüter hatte die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllt.


Ungünstigster Moment


Holger Frommann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), glaubt, dass die Inkubatoren vom Zusammenbruch der Märkte im ungünstigsten Moment heimgesucht wurden. "Die Inkubatoren haben zu wenig Erfahrung und zu wenig Rücklagen, um den gegenwärtigen Konsolidierungsprozess unbeschadet zu überstehen", sagt Frommann. "Aber ich schließe nicht aus, dass die Idee eines Tages wiederkommt."


Drastischer formuliert es Dirk Schernikau, Unternehmensberater und Business Angel, der selbst mehrere Beteiligungen hält: "Von diesen Leuten gehören einige selbst in den Inkubator." Das Geld sei in der Aufbauphase eines Unternehmens das kleinere Problem, meint Schernikau. "Da sind in der Regel lediglich sechsstellige Beträge im Spiel." Wichtiger seien vor allem das unternehmerische Netzwerk und die damit verbundenen Kontakte. "Das aber war genau die Schwäche der Inkubatoren", kritisiert Schernikau.


Nach Einschätzung von Schernikau, aber auch von Hartmut Schwesinger, Vorstandsvorsitzender der Business-Angel-Initiative Rhein-Main, gibt es in Deutschland eine Systemlücke in der Förderung von Unternehmensgründern: Neben Bankkrediten, öffentlicher Förderung etwa durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Risikokapital sei es vor allem die Kombination aus Eigenkapital und zusätzlichem Know-how, die Jungunternehmern den Start erleichtere. Durch das schlechte Marktumfeld wird die Systemlücke zurzeit größer: "Die Venture Capitalists gehen in schwierigen Zeiten von der Frühphasenfinanzierung weg", beobachtet Cornelius Boersch, Business Angel und Gründer von ACG, einem Beratungsunternehmen für Chipkartenapplikationen. Und die Banken hätten ohnehin kein Verständnis für Unternehmen: "Ich möchte niemals einem Bänker erklären müssen, warum ich gerade jetzt ein Problem habe", sagt Boersch.


Doch auch private Kapitalgeber wie die Business Angels haben es zurzeit nicht einfach. "Mit der Besteuerung von Verkaufserlösen aus Beteiligungen, die höher sind als ein Prozent, hat die Regierung das zarte Pflänzchen Eigenkapital aus privater Hand beinahe abgewürgt", meint Boersch.


Gleichwohl sehen Schwesinger und Schernikau gerade jetzt die Zeit für private Investitionen in Jungunternehmen gekommen. "Das beste Investment ist immer antizyklisch", meint Schernikau. "Und im Moment sind die Preise am Boden."


Trotz des durchaus vorhandenen Geldes sind die Aussichten für Jungunternehmer nach Einschätzung von Business Angel Cornelius Boersch trübe: "In dem derzeitigen Umfeld kann man niemandem ernsthaft raten, sich selbstständig zu machen."



© 2001 Financial Times Deutschland

Diskussionsforum der stw-boerse: Sonstiges: Inkubatoren
Eine Nachricht hinzufügen

Benutzername:   Dies ist ein privater Board-Bereich. Bitte geben Sie Ihre ID und Ihr Passwort an.
Passwort: