Diskussionsforum der stw-boerse: Börsen-Know-How: Sozialversicherungssysteme
  Thema Posts Stand
Archivierte Beiträge bis 30. April 2004 20    8.6. - 21:09

chinaman - Montag, 7. Juni 2004 - 07:27
Altersrente wird zum Minus-Geschäft
Experten: Jüngere zahlen mehr ein, als sie heraus bekommen - Verfassungsrechtliche Bedenken
von Christoph B. Schiltz

Berlin - Das Verhältnis zwischen Beiträgen und Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung wird sich nach Ansicht führender Experten negativ entwickeln. "Immer mehr junge Menschen werden aus der Rentenversicherung weniger heraus bekommen, als sie eingezahlt haben", sagte der Freiburger Finanzwissenschafter Bernd Raffelhüschen der WELT.


Laut Bundesverfassungsgericht würde die gesetzliche Rentenversicherung in diesem Fall in Konflikt mit dem Grundgesetz geraten. "Die Verfassung verbietet eine offenkundige Unverhältnismäßigkeit zwischen Beitrags- und Versicherungsleistungen", sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, dieser Zeitung.


Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) verwies unterdessen auf Berechnungen, wonach die kapitalmarktanalogen Renditen der Rentenversicherung auch nach der Rentenreform nach 45 Versicherungsjahren bei mindestens drei Prozent liegen werden (siehe Grafik).


Die geplante Rentenreform sieht eine Dämpfung des Rentenanstiegs vor. Damit wird die staatliche Altersrente, die derzeit bei 53 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt, bis 2030 durch Einführung eines "Nachhaltigkeitsfaktors" auf 43 Prozent gesenkt. Der Ökonom Meinhard Miegel meinte hingegen: "Die langfristigen Prognosen der Rentenversicherer von mindestens drei Prozent Rendite beruhen auf haltlosen Annahmen, die geeignet sind, die Bevölkerung weiter in die Irre zu führen."


Miegel zufolge sinken die Renditen in der Rentenversicherung dramatisch: "Während der Jahrgang 1930 noch eine Rendite von etwa drei Prozent erzielt, wird die Rendite des Jahrgangs 1950 nur noch ein Prozent betragen." Der Jahrgang 1970 könne überhaupt keine Rendite mehr erwarten. "Alle später Geborenen werden aus der Rentenversicherung voraussichtlich weniger heraus bekommen, als sie eingezahlt haben - sie werden also eine negative Rendite haben."


Diese Auffassung teilt auch Raffelhüschen, der Mitglied der Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme war: "Die Rendite-Prognosen der BfA waren immer schon viel zu optimistisch - und in dieser Tradition steht tendenziell auch die jüngste Prognose von 3,0 bis 3,6 Prozent." Von den negativen Renditen seien vor allem ledige junge Männer betroffen.


Für Bundesverfassungsgerichtspräsident Papier könnte eine negative Rendite verfassungsrechtliche Folgen haben: "Eine dauerhafte "Null-Rendite' oder gar ein Minuswert dergestalt, dass die Rentenzahlungen "nicht mehr ausreichen', um die für die Alterssicherung aufgewendeten Beiträge gleichsam "zu verbrauchen', könnte jedoch die Frage aufwerfen, ob nicht die Grenze der verfassungsrechtlich unzulässigen, evidenten Unverhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung erreicht bzw. überschritten wird."


Entscheidend ist laut Papier in der gesetzlichen Rentenversicherung aber nicht die Versicherungsbiographie des Einzelnen, sondern der typische Rentenverlauf: "Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den Rentenbeiträgen nicht nur die Alterssicherung finanziert wird, sondern beispielsweise auch der Versicherungsschutz vor Berufs- und Erwerbsunfähigkeit." Für heutige Beitragszahler müsse aber die "im Wege einer solchen "bereinigten' Vergleichsrechnung ermittelte "Rendite' ihrer Beitragsleistungen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unbedingt das bisherige Niveau halten".


Versicherte, die heute in Ruhestand gehen, erzielen laut BfA mit Nachhaltigkeitsfaktor Renditen zwischen 4,6 und 4,0 Prozent. 1997 wurden noch bis zu sieben Prozent erzielt.


Artikel erschienen am 7. Juni 2004
Die Welt

chinaman - Montag, 7. Juni 2004 - 07:30
Schlimme Erfahrung
Der Kommentar
von Christoph Schiltz

Die gesetzliche Rentenversicherung steht auf wackeligen Füßen. In ihrer jetzigen Form könnte sie langfristig sogar in Konflikt mit dem Grundgesetz geraten. Diese Sorge hat das Bundesverfassungsgericht jetzt vorsichtig formuliert, damit allerdings auf ein drängendes Problem hingewiesen. Wahrscheinlich werden nun Politiker empört abwiegeln. Aber ist alles nur Panikmache?


Fest steht: Das Verhältnis zwischen Beitrag und Leistung in der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert - und es wird künftig noch schlechter. Dabei erwarten die offiziellen Prognostiker zwar auch langfristig positive Renditen. Es ist aber unklar, ob sich diese Voraussage auch erfüllt. Die Erfahrung spricht dafür, dass die Annahmen über die Entwicklung von Inflation, Nominallohn und Zinsen sowie künftige Rentenanpassungen sich schnell als haltlos erweisen. Allzu häufig gab es hier in der Vergangenheit Korrekturen. Solche Erfahrungen zeigen eine schlimme Wirkung: Das Vertrauen gerade der jüngeren Bürger in die staatliche Altersvorsorge sinkt stetig.


Dabei gibt es Lösungen, die das System sicherer machen könnten: Das Regelrentenalter muss angesichts der alternden Bevölkerung auf mindestens 67 Jahre steigen. Gleichzeitig sollte die Kapitaldeckung ausgebaut werden.


Artikel erschienen am 7. Juni 2004
Die Welt

stw - Dienstag, 8. Juni 2004 - 21:09
Traurig traurig: ich kann diese Artikel schon fast nicht mehr lesen, obwohl ich persönlich als Selbständiger natürlich weniger betroffen bin als andere. Das deprimiert !!!

:-(( stw

Diskussionsforum der stw-boerse: Börsen-Know-How: Sozialversicherungssysteme
Eine Nachricht hinzufügen

Benutzername:   Dies ist ein privater Board-Bereich. Bitte geben Sie Ihre ID und Ihr Passwort an.
Passwort: