Diskussionsforum der stw-boerse: Börsen-Know-How: Indikatoren: Gleitende Durchschnitte
j_r_ewing - Freitag, 22. März 2002 - 06:38
Frage an Techno (oder wer es sonst weiß)
zur EMA 200 (und andere - im Prinzip dürfte es ja überall gleich sein):

es wird doch jeder Tag um einen Faktor q schwächer gewichtet als der vorhergegende :

wie groß ist q ?

Mathematisch kann man ja Beliebiges annehmen; aber es wird doch wohl ein bestimmtes q verwendet werden
- aus psychologischen Gründen (menschl. Zeitgefühl);
- vom Erfolg her.

Danke !
JR

techno - Freitag, 22. März 2002 - 17:50
Schauen wir doch mal nach, was "Das Grosse Buch Der Technischen Indikatoren" von Müller/Nietzer dazu sagt:

"Exponentieller Gleitender Durchschnitt (Exponential Moving Average ,kurz EMA):

... wobei 2/(n+1) den gebräuchlichsten Wertungsfaktor darstellt ...

Standardeinstellungen (in Tagen)
n = 5-13 = sehr kurzfristig
n = 14-25 = kurzfristig
n = 26-49 = kurz- bis mittelfristig
n = 50-99 = mittel- bis langfristig
n > 100 = langfristig

... je kleiner die Einstellung in der jeweiligen Kategorie gewählt wird, um so sensitiver verhält sich der EMA ..."


Ich persönlich lese sehr oft n = 9 oder n = 20 in der Fachliteratur.

Ich hoffe das genügt Dir soweit.

Ciao
techno

techno - Freitag, 22. März 2002 - 17:52
Sorry, Fehler, es muss heißen : (2/n)+1

j_r_ewing - Dienstag, 26. März 2002 - 03:41
Danke für die prompte Bedienung, Techno!

Wobei ich mich allerdings ein bißchen wundern muß:
könnte es sein, daß die zweite Version doch nicht die endgültige ist...?

Die Formel (2/n)+1 ist von der Struktur her irgendwie gar nicht plausibel, und von der sich ergebenden Zahlenfolge her würde sie bei 3 anfangen, dann zügig abfallen und dann knapp über 1 verlaufen, langsam gegen 1 herabsinkend - bis in alle Ewigkeit. Das ist doch wohl kaum der Sinn einer Kurve, die den "Nebel des Vergessens" widerspiegeln soll - von der wäre doch wohl zu fordern, daß sie im Laufe der Zeit gegen Null geht.
Die erste Version wäre da plausibler: ihr liegt im Grunde die Folge (1/n) zugrunde, die hier sehr nahe liegt, da sie eine Folge ist, die mit 1 anfängt, mit wachsendem n fällt (und zwar gleichmäßig), und zwar gegen Null, und weil sie darüber hinaus absolut einfach ist (im Sektor der Finanzen hat man ein Faible für schnelle, einfache Lösungen...)

Die "+1" gehören vermutlich zu n und berücksichtigen, daß man die Zählung mit einer Null für "heute" ("Tag Null") anfangen läßt. Eine Null im Nenner geht halt mathematisch nicht, deshalb einfach zu allen noch Eins dazu. (Ein gängiges Verfahren.)
Womit wir bei 1/(n+1) wären.

Die 2 wirkt auf den ersten Blick völlig unmotiviert. Wozu soll sie gut sein ? Es muß ja noch ein Normierungsfaktor dazu, damit die Summe der Gewichte 1 ergibt (das ist ja der Sinn der Sache).
Ein linearer Faktor 2 ließe sich aber ausklammern und geriete bei der Normierung unter die Räder - es sei denn, die 2 WÄRE der Normierungsfaktor; was hieße, das die Summe OHNE ihn den Wert 1/2 hätte. Hat sie aber offenkundig nicht - in keiner der beiden Versionen.

Trotz all solcher Rettungsversuche ist ein solcher Ansatz verwunderlich : heißt die Chose doch EMA (EXPONENTIAL Moving Average) - also : wo bleibt die Exponentialfunktion ??? Wenn der Name nicht abartig gewählt ist, müßten die Gewichtungsfaktoren eine EXPONENTIELLE Abhängigkeit von der Zeit haben, d.h. etwas der Art
y = a hoch x,
was für diesen Fall hier hieße:
Faktor am Tag n = q hoch n, mit q < 1;
oder = Q hoch (minus n), mit Q > 1
(wobei n für die Anzahl der - rückwärts gezählten - Tage stünde.)

Das wäre gegeben, wenn die Formel etwa hieße
... = (1/2) hoch n , also die gute alte Folge 1, 1/2, 1/4, 1/8, ...
was der simpelste aller Ansätze in dieser Richtung wäre - und wo die 2 auf einmal wieder sinnvoll aufträte. Mit Normierungsfaktor:
Faktor(n) = 1/2 * (1/2) hoch n
= (1/2) hoch (n+1)
= 2 hoch (-n-1)

Allerdings hätten hier die ersten 3 Tage schon ungefähr soviel Gewicht wie alle folgenden zusammen - ganz egal, wie viele noch kommen: eine ziemlich rabiate Gewichtung, entspräche sie von daher doch etwa einer SMA-7-Tage-Linie - alle früheren Kurse wären da kaum mehr als nur rechnerischer Ballast. Von daher wäre jegliche solche EMA über mehr als etwa 10 Tage Zeitbasis ein kompletter Schmarrn.

Ähnlich unsinnig wäre - wenn auch nicht ganz so ausgeprägt - wäre die o.g. Gewichtung 1/(n+1) (1, 1/2, 1/3, usw) : die Gewichte der ersten 9 Tage (das Gewicht des 9. Tages wäre nur 1/10 dessen des Anfangstages) ergäben zusammen schon halb so viel wie die Summe der ersten 200 Tage; die ersten 5 Tage erbrächten allein schon 39%. Alles ab EMA 20 etwa wäre schon langsam unsinnig; eine EMA 38 z.B. ein höherer Blödsinn.
Also auch von daher macht diese Gewichtung nur sehr beschränkt Sinn.

Kurzum: ich vermute mal was in Richtung
Faktor(n) = 0,95 hoch n ; eher noch näher an 1 dran (sonst machen längere EMAs keinen Sinn).
(Irgendwo hatte ich auch gehört, die Kurve des Vergessens (bzw. des behaltenen Restes) verliefe exponentiell abwärts [und die des Lernens linear aufwärts, weshalb man nicht zu früh vor Prüfungen lernen sollte!])

Hast Du evtl. noch ein weiteres schlaues Buch dazu ?

Gruß
JR

techno - Dienstag, 26. März 2002 - 07:44
.. noch mehr schlaue Bücher? Sicher! Aber die schreiben alle im Grunde genommen das, was ich Dir schon gesagt habe (einzige Variation: einige nehmen 2/(n+1), andere 2/n).
Von daher empfehle ich Dir lieber einen Link, in dem Du selber nachlesen kannst:

http://www.technical-investor.de/content.asp?p=wsn/artikel.asp&WAID=1249&wid=1549&selfid=1592

Dort sind auch noch weitere (meist englischsprachige Literaturtipps angegeben).

Ciao
techno

j_r_ewing - Mittwoch, 27. März 2002 - 06:54
Danke; bin dem Link nachgegangen - fand nicht Unerstaunliches vor : eine Rekusionsformel,

- genauer gesagt eine halbe: der Schritt von n auf n-1 war angegeben, aber kein Ausgangspunkt ! Diese Formel liefert kein Ergebnis, da sie ohne Rekursionsanfang einen Regress ins Unendliche darstellt. Den Anfang muß man willkürlich setzen --> Ergebnis zufallsabhängig !!

- kein Entfernen des frühesten Wertes !! Die Information aller vorheriger TAge wird auf ewig weiter mitgeschleppt, im Widerspruch zum Erschaffungszweck : eine EMA 20 wäre im Prinzip eine EMA unendlich ! (bei gleichem n)

Na knöpfen wir uns das gute Stück mal näher vor :


mit: Cx := Schlußkurs (close) des xten Vor-Tages,
Ex := EMA x Tage,
q als tägl. Gewichts-Verkleinerungsfaktor
q' := 1 - q
lautet die Formel

im Rückgriff 1 :

E0 = E1 + q * (C0 - E1)

= E1 + q * C0 - q * C1

= E1 * ( 1 - q ) + q * C0

E0 = E1 * q' + q * C0


im Rückgriff 2 :

E0 = [ E2 * q' + q * C1 ] * q' + q * C0

E0 = E2 * q' ^2 + q * q' * C1 + q * C0


im Rückgriff 3 :

E0 = [ E3 * q' + q * C2 ] * q' ^2 + q * q' * C1 + q * C0

= E3 * q' ^3 + q * q' ^2 * C2 + q * q' * C1 + q * C0


Aha :
allgemein im Rückgriff m :

E0 = Em * q' ^m + Summe aller (q * q' ^i * Ci) , mit i von 0 bis m-1

E0 = Em * q' ^m + q * Summe aller (q' ^i * Ci) , mit i von 0 bis m-1

Man sieht : alle Gewichte bis auf das zeitlich früheste (ausschließlich) bilden untereinander in der Tat eine "geometrische Folge" (q' hoch 1, q' hoch 2, usw.), es handelt sich also in der Tat um eine exponentielle Gewichtung - nur das erste Glied fällt aus der Reihe !

Da q' ^m der Gewichtungsfaktor des zeitlich ersten Gliedes ist, würde Em hier sinnvoll stehen, falls Em = Cm * q stände und q der Normierungsfaktor wäre.
q taucht ja auch auf vor der Summe der restlichen Glieder; dort, wo an sich der Normierungsfaktor stehen müßte. Und in der Tat macht q hier einen gewissen Sinn :

Die Summe aller a(i), i von 0 bis j, ist (a^(j+1) - 1) / (a - 1). Da die Summe der Gewichte aber 1 sein muß, muß zu jedem Glied noch der Normierungsfaktor
(a - 1) / (a^(j+1) - 1) dazu. Da a<1 ist, geht für große j der Term a^(j+1) gegen Null, der Nenner somit gegen -1, der Bruch somit gegen 1-a; in unserem Fall mit q' für a und q' = 1 - q somit gegen q.

Für eine EMA 200 mag das wohl Sinn machen. Allerdings sind wir mit j mindestens im Bereich 10...20... noch in einem Bereich, wo die Abweichung sehr wohl noch spürbar sein kann. Das hängt sehr von der Wahl von n ab ! Und q war die Abkürzung für 2/n, wobei die Konstante n ja gerade mit längerer zugrundegelegter Zeitbasis ebenfalls größer gewählt wird. Effekt: ist m groß (bzw. j), ist auch mit großem n und damit einem q' (bzw. a) zu rechnen, daß nahe bei 1 bleibt, so daß der Term vorn im Nenner sich mit dem Gehen gegen Null durchaus Zeit lassen kann und der Gewichtungsfaktor somit spürbar verschieden von q sein kann !

Auf die Relationen innerhalb EINER solchen EMA-Kurve hat das natürlich keinen Einfluß; sehr wohl aber, wenn man - und das ist ja meist der Fall - sich für ihre Schnittpunkte mit einer anderen EMA oder mit dem Kurs selbst interessiert, denn wenn die Kurve z.B. zu hoch oder zu niedrig verläuft, liegen natürlich auch die Schnittpunkte woanders ! Ob das den Anlageerfolg besser machen würde...

Fazit : Man achte darauf, wie die genaue Definition der EMAs ist ! (Und gegebenenfalls auf den Erstwert Cm * q !)

(Die Frage, ob das n angemessen zur Zeitbasis gewählt ist, ist noch eine ganz andere...)

Gruß
JR

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