Diskussionsforum der stw-boerse: Börsen-Know-How: VWL : Rezession, und ihre Zusammenhänge
j_r_ewing - Montag, 12. November 2001 - 04:12
Damit dergleichen nicht in den Tagesdiskussions-Threads in Vergessenheit gerät, mache ich mal einen extra-Thread auf :

j_r_ewing - Montag, 12. November 2001 - 04:13
Mir ist ein Chart unter die Finger gekommen, der US-Rezessions-Zeiten darstellt.
Als Datenquelle ist das "Congressional Budget Office" genannt; also wohl
- in der Mainstream-Definition des Begriffes, und
- von den Daten her absolut vertrauenswürdig (vorbehaltlich Übertragungsfehlern)

Danach sieht es so aus : (Chart beginnt mit dem Jahr 1960)

-) ? - IIII/60
-) I/70 - IIII/70
-) I/74 - I/75
-) I/80 - II/80
-) III/81 - IIII/82
-) III/90 - I/91

Dies stützt die Darstellung nach Schulz, die Aquamarin benutzt hat. Die Phase, das Prof genannt hat, war demnach keine Rezession in diesem Sinne.

Gruß
JR

j_r_ewing - Montag, 12. November 2001 - 04:16
Die in o.g. Chart aufgetragene Größe ist die "High-Employment Budget Balance: % of Potential GDP" (ich kürze es mal ab HEBB).
Was das genau heißt, weiß ich auch nicht (mib, ist Dir das schon mal untergekommen ?) Es wird verwendet im Sinne von Steuerbelastung, bzw. gegenwärtig Steuerkürzungen zum Wirtschafts-Ankurbeln (fiscal stimulus package).

Der Bereicht unter 0 für HEBB im Chart (= die Kürzungen) wird "fiscal stimulus" genannt; über 0 "fiscal restraint".

Der Verlauf der HEBB stellt sich dar wie folgt :

- in den 60ern: knapp >0 bis gut -1 (und keine Rezession);
- 69: hochgeschossen bis auf fast +2,5 ; 70: REZESSION
- Abfall bis auf -0,5; im Bogen wieder hoch bis gut +1,5 in 74 ; 74: REZESSION
- steiler Abfall bis ca. -1,7; steiler Wiederanstieg
- ab Anf. 77 pendelnd um +0,3; ab 80 (mit Unterbrechung) : REZESSION
- ab deren Mitte steiler Abfall bis -2,2 in 83
- dann ziemlich steiler Anstieg bis ca. +1,4 ca. Mitte 87 [dort Crash]; dann langsameres Absinken bis auf 0 Mitte 90 (d.h. jahrelang im +Bereich): REZESSION
- kurz in - getaucht, ab 94 bis 2000 wechselnd um +0,5.

Somit gibt es eine beträchtliche Korrelation zwischen HEBB bzw. "fiscal restraint" und Rezessionen : zieht man dem Steuerzahler mehr Geld aus der Tasche, droht alsbald Rezession; läßt man es ihm großzügiger zukommen, brummt die Wirtschaft. (jedenfalls ab '82 - dort beginnt die Kurve.)

Klar: eine Korrelation ist streng genommen noch kein Kausalzusammenhang; aber heuristisch eine gute Vermutung. (Und individualpsychologisch - im statistischen Mittel - ist ja auch unmittelbar klar: läßt man dem Bürger mehr Geld, gibt er tendenziell auch mehr aus; und bei den Investitionen: wird für den Unternehmer das Unternehmen lohnender, unternimmt er auch mehr.)

Aktuell wird berichtet über das neue Steuererleichterungspaket (Stand Ende Oktober): das Repräsentantenhaus will 100 Mrd $ , der Senat "nur" 75 Mrd. "Even with the lower Senate magnitue, the federal fiscal stimulus in 2002 will amount to a total of about $200 billion or nearly 2% of GDP. By historical standards, this is a very large dose of fiscal thrust. The change in the high-employment budget balance prvides a gauge of discretionary fiscal acrion. Increasing deficits on this basis signify stimulus."

In der Tat: diese Größe wurde in dem Chart seit '82 nie erreicht.

Zudem haben wir etliche Jahre fiskalischen Bremsens hinter uns :
- der Dreh kommt nicht von 0, sondern aus dem positiven Bereich: dürfte also enstprechend wirksamer sein.
- die Wirtschaft ist geraume Zeit fiskalisch niedergehalten worden. Es hat sich was angestaut.

Gruß
JR

j_r_ewing - Dienstag, 12. August 2003 - 02:05
Jetzt hab ich's definitiv: Die USA haben für das Feststellen von Rezessionen extra ein Gremium: das Business Cycle Dating Committee des National Bureau of Economic Research (NBER).
Dies hat kürzlich bekanntgegeben, daß die Rezession beendet ist. Seine Angaben dürften die maßgeblichen sein:


"Peak" "Trough" Dauer Bekanntgabe nach ...Monaten


11/48 10/49 11 -

07/53 05/54 10 -

08/57 04/58 08 -

04/60 02/61 10 -

12/69 11/70 11 -

11/73 03/75 16 -

01/80 07/80 06 12

07/81 11/82 16 08

07/90 03/91 08 21

03/01 11/01 08 20


Mittel: 10,4

"Peak": anscheinend geht man nach dem absoluten Entwicklungsstand, nicht nach der Ableitung (Wachstum)
"Trough" (Trog, Mulde) ist wohl der Punkt, an dem die Entwicklung nach dem Rückfall wieder das letzte Top erreicht hat


Zwei Rezessionen fallen raus: die ab 1973 und die ab 81 sind wesentlich länger als die anderen; erstere wohl vom Ölpreisschock, zweitere von der Reagan'schen Hochzinspolitik - beide unter "unnormalen" Randbedingungen.
Rechnet man sie heraus, bleibt für die "normalen" Rezessionen ein Mittelwert von 9 Monaten [!? :-)] Dem entspricht die letzte sogar in etwa.


Gruß
JR

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