Diskussionsforum der stw-boerse: Börsen-Know-How: Handelsunterbrechnungen an der NYSE
prof_b - Sonntag, 16. September 2001 - 10:11
Wer kann zu diesem Thema mal was posten? Die machen doch bei Verlust erst mal Pause.
Kommt morgen überhaupt ein ordentlicher Handel zustande?
Prof

techno - Montag, 17. September 2001 - 12:26
Also ich bin auch skeptisch, ob heute ein vernünftiger Börsenhandel in New York möglich ist. Aber ewig kann man die Börsen auch nicht geschlossen lassen, das wäre noch gefährlicher für die Finanzmärkte.
Wenn's so läuft wie heute in Frankfurt, dass es anfangs ein paar Minuten bergab geht und dann aber wieder nach oben dreht, sehe ich einen "Silberstreif" am Horizont. Wenn's aber in New York stundenlang nur Richtung Süden geht ... (kein weiterer Kommentar an der Stelle).
Hoffen wir mal, dass die Händler und Anleger die Nerven behalten. Ich behalte jedenfalls meine US-Aktien im Depot. Warum sollte ich Sie auch verkaufen? Die Unternehmen sind ja nach wie vor substanziell genau so gut, wie noch vor einer Woche und politische Börsen haben ja bekanntlich kurz Beine ...

Ciao
techno

techno - Montag, 17. September 2001 - 12:39
Ich habe gerade im Handelsblatt etwas zu dem Thema gefunden:

Die längste Schließung der New Yorker Börse seit dem Börsencrash von 1929 wird heute wieder aufgehoben werden. Während Pessimisten panikartige Verkäufe befürchten, erwarten Optimisten eine patriotische Reaktion der Investoren, die den Markt stärken könnten.

US-Investoren halten bei Wiedereröffnung der Börse sowohl wilde Verkäufe als auch stärkende Käufe für möglich. So sagte Arthur Hogan, Chef-Marktanalyst bei Jefferies & Co., die Fragen, die sich alle jetzt stellten, seien: "Wie schlimm wird es werden? Wird es einen großen Ausverkauf geben?" Er zweifle aber daran, dass panikartige Verkäufe einsetzten - schon allein, weil dies angesichts der Tragödie unangemessen wäre. Die lange Schließung der Börse über vier Handelstage ermögliche es zudem, dass ruhigere Köpfe die Oberhand gewännen.
Dennoch: "Der Angst-Faktor ist gegenwärtig extrem hoch", sagt Alan Ackerman, Vizepräsident von Fahnestock & Co. Viele Investoren seien in einer Stimmung, in der sie nur raus wollten aus dem Markt - solange sie könnten. Doch auch er schränkt ein: Dieser Stimmung bei verschiedenen Anlegern stünden professionelle Investoren gegenüber, die wüssten, dass Geduld sich auszahlen kann.
Gegen rasante Verkäufe könnte nach Ansicht verschiedener Analysten auch sprechen, dass der Nationalstolz in den USA die Märkte stützen könnte. So sagt James Collins, Chef von Insight Capital Research and Management, offenbar gebe es eine Menge Patrioten in Amerika die entschlossen seien deutlich zu machen, dass Terroristen die Kapitalmärkte nicht zum Erliegen bringen könnten. So kündigten in den USA einzelne Investoren an, aus Patriotismus Aktien kaufen zu wollen. Unter anderem haben die Konzerne Cisco Systems und Pfizer ein Aktienrückkaufsprogramm beschlossen.

Um den wieder beginnenden Handel zu beruhigen, hat die US-Börsenaufsicht SEC die Regeln für den Rückkauf eigener Aktien durch Unternehmen erleichtert. Schon nach dem Börsencrash 1987 hatten viele Firmen Aktien zurückgekauft - für die Investoren häufig ein Signal, dass die Firmen sowohl in das eigene Unternehmen als auch in die Märkte und die Wirtschaft Vertrauen haben.

Ein Blick zurück zeigt, dass die Börsenreaktion nach Schocks einem klaren Muster folgt. Meist fielen die Kurse zunächst. Darauf folgte aber oft eine Erholung. Wer in der Krise kaufte, machte in den meisten Fällen Gewinn, wie eine Studie des Research-Hauses Ned Davis ergab. Darin wurden 14 Krisenereignisse untersucht - vom Angriff auf die US-Marinebasis Pearl Harbor über den Golfkrieg bis zum ersten Attentat auf das World Trade Center 1993.
Das Ergebnis: Unmittelbar nach dem Ereignis erlitt der Dow-Jones-Index der 30 führenden US-Aktien einen mittleren Tagesverlust von 1,4 %. Einen Monat danach lag der Median-Verlust sogar bei 3,7 %. Doch sechs Monate später hatte das weltweit wichtigste Kursbarometer alle Verluste aufgeholt und notierte im Mittel 6,6 % höher.
„Die Geschichte lehrt, dass die Märkte zur Eröffnung oft fallen, aber in der Regel klettern sie danach“, sagt J. Thomas Madden, Investment-Chef der US- Fondsgesellschaft Federated Investors, „der Grund liegt in der Hilfe der Notenbanken, die jetzt auch zu erwarten ist“. Viele Anlageprofis urteilen ähnlich.
Mehr Sorgen machen die Experten sich um die mittel- und langfristige Börsentendenz. „Dieser Anschlag ist so gravierend und die Folgen sind so unvorhersehbar, dass Investoren sich am besten auf das Schlimmste einrichten“, sagt Howard Wheeldon, Europa-Chefstratege des US-Finanzkonzerns Prudential. Jetzt seine Aktien zu verkaufen, ähnele aber dem Versuch, „das Tor zu schließen, wenn die Herde schon entlaufen ist“, sagt Wheeldon.
Andererseits zitiert derzeit kaum ein Experte das Motto des Börsenaltmeisters André Kostolany, zu „kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Denn nach den Kursrückschlägen in Europa existiert keinerlei Erholungsgarantie. Historiker betonen, dass die Kurse nach Schocks zwar meist wieder gestiegen sind - aber nicht immer. So folgte dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eine jahrelange Börsenschwäche.
„Es kommt immer darauf an, in welchem Kontext ein Ereignis steht“, sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der US- Bank Morgan Stanley. Der jüngste Terroranschlag treffe auf eine bereits gefährdete US-Konjunktur. Die Stimmung der Investoren sei nach dem langen Kurssturz ohnehin angespannt. „Dieser Schock kann durchaus der Stoß sein, der die Wirtschaft vollends in eine Rezession stürzt“, meint Roach.
Hoffnung macht dagegen der Börsenverlauf während des Golfkrieges von 1990 bis 1991. Damals rutschte die angeschlagene US-Wirtschaft zwar in eine Rezession, die Weltkonjunktur flaute deutlich ab. Doch die Kurse an der Wall Street brachen zwar zunächst ein, erholten sich aber recht zügig wieder.
Nach Meinung von Michael Hartnett, Leiter der europäischen Anlagestrategie bei Merrill Lynch, hängen die Folgen der Terrorangriffe auf New York und Washington vor allem von zweierlei ab: der Geldpolitik und dem Ausmaß der erwarteten Vergeltungsmaßnahmen. Die Analysten der Commerzbank betonten ebenfalls den militärischen Aspekt und außerdem die Bedeutung des Ölpreises: „Sollte es nicht zu umfangreichen militärischen Aktionen im Nahen und Mittleren Osten kommen, die dann sicherlich wie während des Golfkrieges zu einem dauerhaft höheren Ölpreis führen würden, wären die Risiken von dieser Seite eher begrenzt“, heißt es in einer Studie.
Als der Irak am 2. August 1990 Kuweit überfiel, schoss der Ölpreis um mehr als die Hälfte in die Höhe. Die Angst vor einem dauerhaften Preisschub und den damit verbundenen Inflations- und Konjunkturrisiken ließ die Börsen einbrechen. Der Dow-Jones-Index sackte bis Mitte Oktober von 2 900 Punkten auf rund 2 350 Zähler. Anders als beim Börsencrash 1987 lockerten die Notenbanken ihre Geldpolitik nicht - im Gegenteil: Die Zinsen stiegen zunächst sogar.
Als im Januar 1991 die Befreiung Kuwaits mit der Operation Wüstensturm (Desert Storm) begann und sofort die Luftüberlegenheit der Alliierten klar wurde, kletterte der Dow wieder über 2 600 Punkte. Die Märkte hofften, dass der Golfkrieg schneller und mit weniger Opfern enden würde, als zuvor befürchtet. Noch vor Ende des Golfkrieges im Februar 1991 hatte der Dow-Jones-Index bereits wieder einen Stand von 2 900 Zählern erreicht.
Der US-Milliardär Warren Buffet will nach eigener Aussage am Montag mit Wiedereröffnung der New Yorker Aktienbörse keine eigenen Aktien verkaufen. Der Großinvestor sagte am Sonntag in Washington, falls die Wall Street nachhaltig fallen sollte, werde er dies zu Käufen nutzen. Die Börse war vergangene Woche Dienstag in Reaktion auf die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington geschlossen worden. Buffet sagte im CBS-Programm "60 Minuten": "Ich werde überhaupt nichts verkaufen." Das Land befinde sich wirtschaftlich nicht in einer anderen Verfassung als vor einer Woche, von daher wäre es "verrückt", Aktien zu verkaufen.
Buffet sagte: "Falls die Preise deutlich fallen sollten, dann gib es einige Dinge, die ich kaufen könnte." Der frühere Chef des US-Konzerns General Electric, Jack Welsh, sagte in der selben Sendung, er werde wahrscheinlich seine Aktien am Montag behalten.

techno - Montag, 17. September 2001 - 12:41
Und hier ein Überblick der geltenden Regeln für Handelsbeschränkungen, -unterbrechungen und -aussetzungen, die sogenannte "Trading Collars":

- Bei einem Rückgang um 210 Punkte des Dow Jones Industrial Average werden Handelsbeschränkungen entsprechend der "Uptick-Rule" ausgelöst. Damit bleibt der Programmhandel auf die im S&P-500-Index enthaltenen Aktien so lange unterbunden, bis der Verlust auf die Hälfte des Schwellenwertes eingegrenzt ist.

- Bei einem Rückgang um 1.100 Punkte bis 14.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MESZ) wird der Handel für eine Stunde unterbrochen. Zwischen 14.00 und 14.30 Uhr Ortszeit beträgt die Unterbrechung 30 Minuten, nach 14.30 Uhr Ortszeit wird der Handel nicht mehr unterbrochen.

- Ein Rückgang um 2.150 Punkte vor 13.00 Uhr Ortszeit (19.00 Uhr MESZ) hat eine Handelsunterbrechung von zwei Stunden zur Folge, zwischen 13.00 und 14.00 Uhr Ortszeit von einer Stunde. Bei einem Rückgang um 2.150 Punkte nach 14.00 wird die Börse für den Rest des Tages geschlossen.

- Ein Rückgang um 3.250 Punkte führt zur Einstellung des Handels für den Rest des Tages. Ergänzend hat die Securities and Excange Commission (SEC) weitere vorübergehende Regeländerungen angeordnet: - Unternehmen dürfen eigene Aktien ohne die üblichen zeitlichen und volumenmässigen Restriktionen zurückkaufen, ohne nachteilige bilanzielle Konsequenzen befürchten zu müssen.

- Broker dürfen Kapitalwerte ohne Berücksichtigung der Tage, während denen die Börse geschlossen war, berechnen.

- Investmentfonds dürfen untereinander Kapitel aufnehmen und ausleihen.

- Wirtschaftsprüfungsfirmen dürfen ihre Dienste anbieten, um Kunden mit Büros in und um das World Trade Center zu helfen, ihre Akten wieder herzustellen. Dabei werden die Unabhängigkeitskriterien der Revisoren außer Kraft gesetzt.

- Short-Selling wird nicht verboten.

prof_b - Montag, 17. September 2001 - 13:40
"Ich behalte jedenfalls meine US-Aktien im Depot. Warum sollte ich Sie auch verkaufen? Die Unternehmen sind ja nach wie vor substanziell genau so gut, wie noch vor einer Woche und politische Börsen haben ja bekanntlich kurz Beine ..."

Ich denke du bist techno, was sagen deine Signale?

Der Unterschied zu den politischen Börsen der Vergangenheit ist, dass wir uns bereits in einem Abwärtstrend befinden.

Gerade weil der Patriotismus so groß ist, befürchte ich rote Kerzen. Weiße Kerzen mit tiefem Einsieg wären weniger schlimm. Der amerikanische Patriotismus an der Börse wird seine Grenzen haben, Absprachen unter Börsianern funktionieren wahrscheinlich nicht!
- Der Familienvater, dem das Auto unterm Hintern wegrostet.
- Das Rentnerehepaar, was noch 20 Jahre vom Ersparten leben will.
- Der Fondsmanager ...

Gruß Prof

techno - Montag, 17. September 2001 - 14:47
OK, ich bin schon Fan von technischen Signalen, die zugegebenermaßen zur Zeit allesamt auf Dunkelrot stehen.
Aber deswegen schalte ich - gerade in solchen Zeiten - meinen "fundamentaler Verstand" nicht aus.
In politisch motivierten Börsen sind Kurse weitgehend ein Zufallsprodukt und daher - meiner Meinung nach - nicht sinnvoll mit dem Instrumentarium der technischen Analyse auswertbar - aber auch Fundamentalanalysen versagen, wie wir es leider zur Zeit auf breiter FRont miterleben müssen.
Natürlich wäre es "das Sicherste" jetzt alles zu verscherbeln. Aber irgendwie kann und will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass in wenigen Tagen die Lage sich wieder normalisiert hat. (Hoffentlich!)
Ciao
techno

techno - Montag, 17. September 2001 - 15:40
... es geht los: in den ersten 5 Minuten ist der Dow schon um 150 Punkte gefallen ... mal sehen, wann der "turn around" einsetzt ...

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