Diskussionsforum der stw-boerse: Auslandswerte: JustEat Takeaway (JET)
al_sting - Montag, 19. April 2021 - 12:34
Zur Quartalsauswertung habe ich angedeutet, dass ich mir die Lieferdienste gerade näher anschaue und auf die Watchlist setze. Das hatte ich auch konkretisiert, mein klarer Favorit war Just Eat Takeaeway (JET), die mit Lieferando auch den deutschen Markt dominieren.

Eine Vorstellung:
- Im Gegensatz zu neueren Lieferdiensten wie Deliveroo, Doordash und Uber Eat setzt JET in erster Linie auf ein "Marktplatzmodell".
Dabei verdienen sie eine Marge (kommuniziert werden etwa 13%) für die Vermittlung von Kunden an Restaurants. Ein klassisches Plattformgeschäft, sehr gut skalierbar und bei Erreichen einer starken Marktstellung sehr profitabel.

- Das Logistikgeschäft der Zulieferung (Marge für Marktplatz+Lieferung ca. 30%) ist eher ein Zusatzgeschäft, um auch Restaurnats ohne eigene Lieferanten anbieten zu können, die Marktdurchdringung und damit die "Burggräben" zu stärken und eben Lieferkonkurrenten wie Deliviery Hero, Deliveroo, Uber Eats und Doordash abzuwehren. Ich halte dieses Geschäftsmodell für schlecht skalierbar und auch perspektivisch wenig profitabel. Aber als Mittel zum Zweck ist es vernünftig. Wenn es etwa gewinnneutral betrieben werden kann, die eigene Marktstellung festigt und das Geld über die Kundenvermittlung (Marktplatz) verdient werden kann, stärkt es das Gesamtgeschäft. (Analog zu Amazon, die mit der Logistik, ja insgesamt mit dem Verkaufsgeschäft eher kein Geld verdienen, aber die Marktmacht zur Sicherung und Ausbau profitabler Nischen erreichen.)

- Die Profitabilität von Plattformmodellen steigt massiv mit der Marktmacht. Der Marktführer ist oft hoch profitabel, der Zweite verdient auch noch Geld, danach wird es so langsam schwierig.
JET hat seinen niederländischen Heimatmarkt stets erfolgreich gegen "Eindringlinge" verteidigt und sich im deutschen Markt 2019 mit dem Aufkauf von Lieferheld & Co. nach einem harten Markt erfolgreich durchgesetzt. Der holländische Markt ist hoch profitabel, Ebdita-Margen von 50%. Der deutsche Markt geht auch in diese Richtung.

- Mit den Gewinnnen aus diesen Ländern kann JET den teuren Marktkampf in anderen Ländern wie UK (Deliveroo und UberEats) und bald den USA (DoorDash, UberEats) führen und finanzieren.

- JET ist zweifellos Corona-Profiteur, und ein Teil der Umsatzgewinne verlieren sie später wieder. Aber wie viel ist Corona, wie viel ist allgemein steigende Marktdurchdringung?
In den letzten Tagen kamen Quartalszahlen heraus, sehr stark, dank Corona.
Die für mich interessanteste Zahl kam aber aus Australien: Da war das Wachstum +200% und das ohne Lockdown.

- JET ist in der westlichen Welt stark vertreten (Westeuropa flächendeckend, Kanada, Australien, Israel, bald auch mit der Grubb-Übernahme auch in den USA), wo aufgrund des hohen Einkommensniveau die erzielbaren Margen besonders hoch sein dürften. Das deutsche DAX-Unternehmen Deliviery Hero hat den deutschen Markt aufgegeben und ist schwerpunktmäig in Schwellenländern weit weg vom Heimatmarkt vertreten. Finde ich schwieriger.

- Die Regierungen gehen zunehmend gegen die Scheinselbstständigkeit in der Lieferbranche vor. Das kann manches Geschäftsmodell zerlegen, dass auch einer Ausbeutung der Lieferanten basiert.
JET rollt international die Festanstellung seiner Fahrer aus, mit einem Lohngefüge über Mindestlohn und inklusive der resultierenden Sozialleistungen. Damit setzen sie auch in Märkten, wo das noch nicht vorgeschrieben ist (z.B. UK, Australien) die Konkurrenz unter Druck, in der öffentlichen Wertschätzung (Kundenimage!) ebenso wie im Wettbewerb um die Mitarbeiter. Auch ich als Aktionär schätze ein Unternehmen ohne derartige Ausbeutung mehr.
Da im Geschäftsmodell sind die fairen Lohn- und Sozialkosten bereits abgebildet und eingepreist sind, besteht auch hier kein wirtschaftliches Risiko durch absehbare Veränderungen.

- Die Marktkapitalisierung von 13 Mrd€ relativiert sich, wenn man bedenkt, dass alleine der 33%-Anteil an der brasilianischen Beteiligung iFood auf über 2Mrd. geschätzt wird. (Sie sind zu einem Verkauf der Beteiligung bereicht, haben aber Angebote von bis zu 2,3 Mrd als unattraktiv abgelehnt). Wenn dazu das Marktpotential, das Marktwachstum im coronafreien Australien und das Profitabilitätspotential am Beispiel von den Niederlanden gesehen wird, ist hier noch Luft nach oben.
Ich traue JET zu, zum globalen Marktführer aufzusteigen. Dafür werden sie noch lange, teure Makrtkämpfe durchstehen müssen, bis sie eine Marktposition wie in Deutschland erreichen, und auch noch einige teure Übernahmen stemmen, aber das Potential ist beachtlich.

- Der Chart hatte mich bislang von einer Aufnahme ins Musterdepot abgehalten - habe ich etwas übersehen und greife in fallende Messer?
Jetzt wurde die 55-d-Linie überwunden, diese Sorge streiche ich also.

Ich war lange Uber short (mit relevanter Tochter UberEats) und gehe jetzt beim Teilkonkurrenten JET long. Ist das ein Widerspruch? Ich denke nicht.
- Bei JET sehe ich den klaren Fokus auf ein profitables Geschäftsmodell, das ausgebaut und auch durchaus agressiv verteidigt wird.
- Bei Uber sehe ich den klaren Fokus auf Umsatzwachstum ohne einen für mich erkennbaren oder gar fokussierten Pfad in Richtung Profitabilität.

Lese- und Sehempfehlungen:
1. Analyse des immer lesenswerten Blogs von MMI vom 11.01.21: "Just EAT Takeaway.com – Just another roll-up or long term growth opportunity?" http://valueandopportunity.com/2021/01/11/just-eat-takeaway-com-just-another-roll-up-or-long-term-growth-opportunity/
2. Der Blog von Newmoon Capital mit mehr als 10 (!) lesenswerten Analysen zu Just Eat Takeaway und den in UK agierenden Konkurrenten Deliveroo und Uber Eats: http://newmooncap.substack.com/archive?sort=new
3. Zum Hören/Sehen ganz nett: "Just Eat Takeaway - Die Lieferando Aktie vor Fusion mit Grubhub -2. grösster Essenslieferer der Welt" (Dezember 2020) http://www.youtube.com/watch?v=KkOxxxelekw


Langer Rede kurzer Sinn: Aufbau einer Position Just Eat Takeaway.
Kauf 275 Stück, Euronext Amsterdam, Kurs 92,89€
--> 275 x 92,89€ = 25.544,75€

al_sting - Mittwoch, 21. April 2021 - 15:17
UberEats will in Deutschland einsteigen.
Wie üblich im Testmarkt Berlin, mit dem Schwerpunkt Lieferdienst.
UberEats wird damit zwar nur weiteres Geld verbrennnen, aber sie können zugleich Lieferando (und damit JET) die Margen zerlegen.

Der ehemalige Lieferando-Gründer ist jetzt COO bei JET und hat hier ein lesenswertes Interview zu dem Geschäftsmodell der Lieferdienste gegeben.

prof - Mittwoch, 21. April 2021 - 15:53
Hm, ich habe noch nie bei einem Lieferdienst bestellt. Ist halt was für die Großstadt. Deshalb meine dumme Frage:

Warum soll ich die Pizza meines Lieblingsitalieners nicht direkt bei ihm bestellen sondern den Weg über einen Lieferdienst nehmen?
Welchen Vorteil habe ich davon? Ich weiß ja dass der Italiener ordentlich Provision zahlen muss.

Und: Ist das Lieferantengeschäft nicht eher ein primitives Fahrgeschäft? Lässt sich dies nicht regional mit besseren Ortskenntnissen kopieren? Müssen die Restaurants Knebelverträge eingehen?

al_sting - Mittwoch, 21. April 2021 - 18:02
Ich wohne in einer etwas größeren Stadt, und ich habe auch nie bei einem Lieferdienst bestellt. Ich denke, es ist teils eine Generationsfrage.

Zudem habe ich gelernt, dass ich nicht repräsentativ bin. Als Amazon startete, fragte ich mich, warum ich dort und nicht beim Buchhändler bestellen sollte.

Als ich von Booking.com mitbekam, fragte ich mich, warum ich dort und nicht direkt beim Hotel bestellen sollte.

Diese Internetplattformen haben Anreie, die mich lange nicht ansprachen (Amazon nutze ich mittlerweile, aber nicht für Neubücher, Booking.com nutze ich bis heute nicht), weswegen ich ihr Potential nicht erkannte.
Ich sehe bei den diesen Onlineplattformen mit Lieferdiensten nicht nur eine wachsende Nutzerzahl, sondern auch einen steigenden Umsatz bei längerfristigen Nutzern. Rein empirisch betrachtet haben sie solide "Klebeeffekte".

al_sting - Mittwoch, 21. April 2021 - 18:10
Und ja: Lieferantengeschäft ist ein primitives Fahrgeschäft. Logistik halt.
Mittlerweile dürfte die Software / (Maps, aber auch anderes) mit lokalen Ortskenntnissen meist gut konkurrieren können.
Knebelverträge: Es ist schon eine Hassliebe zwischen den Essensportalen und den Restaurants, denn die Portale bringen einerseits Kunden, aber andererseits haben die Restaurants Probleme, wenn die Kunden zum Portal loyaler sind als zum Restaurant. Die Beziehung des Restaurants zum Kunden leidet darunter.
Auch ein zweischneidiges Schwert: Lieferando bietet in den Verträägen an, Restaurants ohne Homepage an, kostenlos eine Homepage mit deren Restaurantkarte zu erstellen. Das kann Kunden bringen, natürlich nur über das Portal.
ABER: Einige dieser Homepages sind oder waren zumindest nicht direkt als Lieferando-Homepages zu erkennen. Und dieses Recht auf Homepages steht auch in den Verträgen mit Restaurants mit eigener Homepage. Das kam zu fiesen Verwechslungen (teils sicher auch von Lieferando provoziert) und großem Ärger führen, Stichwort Fake-Homepages.
https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/lieferando-websites-101.html

prof - Mittwoch, 21. April 2021 - 18:49
Danke für Deine Erläuterungen!

al_sting - Sonntag, 16. Mai 2021 - 20:39
Nach UberEat hat jetzt auch Delivero Hero den Wiedereinstieg in Deutschland angekündigt.
Klingt für mich so, als hätten alle Seiten Lust auf einen richtig teuren Kampf. Nicht nur in den USA (wo JustEat mit der Gubhub-Übernahme angreift) und UK, sondern auch hier in Deutschland.

Zumindest der Zug von Delivero Hero ist für mich eine negative Überraschung, das kostet die Firmen und damit Aktionäre aller beteiligten Unternehmen.


Privat will ich an dem Umplatzierungsangebot für Weng Fine Art teilnehmen und meine dortige Position etwa verdoppeln. Dafür kann ich Geld gebrauchen.
Fazit: Ich werde wahrscheinlich morgen bei JustEats die Reißleine ziehen.
Ob ich die geplante Positionsverdopplung bei Weng Fine Arts auf im Musterdepot abbilde, weiß ich noch nicht.

al_sting - Sonntag, 16. Mai 2021 - 20:48
OT-Anmerkung: Ich kann im Thread zu Borussia derzeit nichts posten. Kann jemand anderes (Prof?) mal bitte dort sein Grück versuchen?

Merci, Al Sting

prof - Sonntag, 16. Mai 2021 - 21:51
"Firefox darf die eingebettete Seite nicht öffnen"

al_sting - Montag, 17. Mai 2021 - 16:10
Die Fehlermeldung hatte ich auch.
Während es hier läuft.
Strange.

Sei es drum, Zeit für Werbung: Die Forensoftware ist nach über 20 Jahren zuverlässiger Funktionsweise recht veraltet. Für die Zeit nach dem Zusammenburch dieses Forums haben wir ein Forum (Aktienclub) bei Sharewise gestartet: Independent Investors https://www.sharewise.com/de/clubs/independent_investors
Dort läuft schon jetzt mehr als hier. Fühlt euch willkommen, euch dort anzumelden!

al_sting - Montag, 17. Mai 2021 - 16:51
Verkauf JET, Kurs 71,59€
--> 275 x 71,59€ = 19.687,25€.

20% Verlust in nur einem Monat ist schon happig. Aber nach dem doppelten Tiefschlag hätte ich bei 30% Verlust nicht aufgestockt.
Privat kann ich das Geld zudem für die Aufstockung bei Weng Fine Art gebrauchen. Für das Musterdepot muss ich noch schauen, ob ich auch bei Weng oder aber bei Borussia zukaufe. Wahrscheinlich verteile ich es auf beide Werte.

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