Diskussionsforum der stw-boerse: Auslandswerte: Türkei
chinaman - Donnerstag, 28. September 2006 - 04:32
Handelsblatt Nr. 186 vom 26.09.06 Seite 29


Türkei-Anleger sind nervös

Währungsrisiken und steigende Zinsen belasten die Stimmung an der Börse in Istanbul

GERD HÖHLER | ISTANBUL Noch vor wenigen Wochen waren die meisten Analysten am Bosporus positiv gestimmt für türkische Dividendentitel: Nach starken Kursverlusten im Mai und Juni locke die Istanbuler Aktienbörse wieder mit attraktiven Bewertungen, meinten die Marktbeobachter mehrheitlich. Doch inzwischen beginnt sich die Stimmung wieder einzutrüben. Vergangene Woche verlor der Istanbuler Leitindex ISE National 100 fast fünf Prozent. Gestern gab das Kursbarometer rund ein Prozent nach. Für ausländische Türkei-Anleger war die Wochenbilanz noch schlechter, weil auch die Landeswährung Lira gegenüber dem US-Dollar fast vier Prozent abwertete.

Schon im Frühjahr zeigte sich, dass die Istanbuler Börse empfindlicher als die meisten anderen Schwellenmärkte auf die Zinserhöhungen im Dollar- und Euroraum reagiert. Die Gründe dafür lagen vor allem in der wieder anziehenden türkischen Inflation, der überbewerteten Lira und dem ausufernden Leistungsbilanzdefizit. Dass nun offenbar immer mehr Anleger am Bosporus kalte Füße bekommen, dürfte in erster Linie mit den dunklen Wolken zu tun haben, die am politischen Horizont der Türkei aufziehen: Die EU-Beitrittsperspektive, die in den vergangenen Jahren für Kursphantasie sorgte, verfinstert sich zusehends. Am 8. November will die Brüsseler Kommission ihren jüngsten Fortschrittsbericht vorlegen. Er dürfte herbe Kritik an fortbestehenden Demokratie-Defiziten und erlahmendem Reformeifer in der Türkei enthalten. Womöglich kommen die vor einem Jahr aufgenommenen Beitrittsverhandlungen in Kürze zum Stillstand, weil Ankara die Anerkennung des EU-Neumitglieds Zypern verweigert. Erweiterungskommissar Olli Rehn warnte bereits vor einem drohenden "Frontalzusammenstoß". Überdies stehen im kommenden Frühjahr Präsidenten- und im Spätherbst Parlamentswahlen an. Damit könnten sich die Konflikte zwischen den Islamisten um Ministerpräsident Tayyip Erdogan auf der einen und dem kemalistischen Establishment sowie der Armee auf der anderen Seite in den kommenden Monaten weiter zuspitzen. Das Land steht also vor einer langen politischen Zitterpartie.

Andererseits sind die makroökonomischen Rahmenbedingungen keineswegs schlecht. Das Wirtschaftswachstum dürfte 2006 erneut die von der Regierung bei fünf Prozent angesetzte Zielmarke übertreffen. Im ersten Halbjahr legte das Bruttoinlandsprodukt um 7,5 Prozent zu. Die Regierung hat den Haushalt im Griff, die Defizitquote dürfte in diesem Jahr unter zwei Prozent fallen. Profitieren könnte die Türkei auch von der Entspannung beim Ölpreis: "Fällt der Rohölpreis um zehn Dollar, würde das die türkischen Energieimporte aufs Jahr gerechnet um 4,2 Mrd. Dollar und die Leistungsbilanz um 3,5 Mrd. entlasten", rechnet der Volkswirt Serhan Cevik vor, Türkei-Experte bei Morgan Stanley. Die im Frühsommer hochgeschnellte Inflation scheint ebenfalls wieder auf dem Rückzug: Nach 11,7 Prozent im Juli fiel sie im August auf 10,3 Prozent. Wirtschaftsminister Ali Babacan hält an seinem Inflationsziel von vier Prozent für Ende 2007 fest, der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt in seinem jüngsten Türkei-Gutachten im Jahresmittel eine Teuerungsrate von 7,2 Prozent an. Die türkische Zentralbank, die seit Anfang Juni die Leitzinsen in drei Schritten um 425 Basispunkte anhob, sieht allerdings noch keine dauerhafte Entwarnung an der Preisfront und unterstreicht, sie werde "auf die kleinste negative Entwicklung bei der mittelfristigen Inflation empfindlich reagieren". Am heutigen Dienstag steht die nächste Zinsentscheidung des Zentralbankkomitees an.

Zinsängste, Währungsrisiken, politische Unsicherheit: Es gibt viele Gründe für Nervosität am Istanbuler Aktienmarkt. Denkbar, dass viele Anleger, die seit dem Krisenjahr 2001 Gewinne von immerhin rund 400 Prozent erzielen konnten, ihre Schäfchen nun erst einmal ins Trockene bringen.

Höhler, Gerd



26. September 2006

chinaman - Donnerstag, 16. November 2006 - 09:40
Handelsblatt Nr. 219 vom 13.11.06 Seite 28


Banken empfehlen türkische Aktien

Gute Fundamentaldaten überlagern die Unsicherheit über die EU-Perspektiven des Landes

GERD HÖHLER | ISTANBUL Der EU-Fortschrittsbericht drückt auf die Stimmung am Bosporus: Aktien und Lira-Kurs sind auf Talfahrt, seit die Brüsseler Kommission am vergangenen Mittwoch ihr kritisches Gutachten vorlegte. Nicht nur der ungelöste Zypernstreit und eine mögliche Aussetzung der Beitrittsverhandlungen am Jahresende lassen viele Anleger nervös werden. Auch die Gewinne der Demokraten bei den US-Wahlen werden als negativ für die türkischen Interessen interpretiert und beeinträchtigen das Börsenklima.

Dennoch bleiben viele Analysten positiv gestimmt für türkische Dividendenpapiere. "Die Bewertungen zählen zu den attraktivsten aller Schwellenländer", meinen Andrew Howell und Geoffrey Dennis von der Citigroup. Die Bank empfiehlt ebenso wie JP Morgan, türkische Aktien überzugewichten. Zuversichtlich stimmen vor allem die Fundamentaldaten: Das Wirtschaftswachstum dürfte im kommenden Jahr mit etwa sechs Prozent erneut weit über dem EU-Durchschnitt liegen. Die Firmengewinne steigen, die im Inflation beginnt sich wieder abzuschwächen und das Haushaltsdefizit ist im Griff.

Wie positiv Ausländer den Markt sehen, zeigen die steigenden Investitionen: Die Citigroup kaufte Mitte Oktober 20 Prozent an der zweitgrößten türkischen Bank Akbank. Die französische Crédit Agricole zeigt Interesse an einer Übernahme der Oyak Bank. Für 2007 rechnet Finanzminister Kemal Unakitan mit ausländischen Direktinvestitionen im Rekordvolumen von 20 Mrd. Dollar.

Vor diesem Hintergrund treten die Schwierigkeiten bei den EU-Beitrittsverhandlungen für viele Anleger in den Hintergrund. Selbst wenn der EU-Gipfel die Aussetzung einiger Verhandlungskapitel beschließe, werde das die Märkte nicht entmutigen, glaubt Tevfik Aksoy, Türkei-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Analysten verweisen zudem darauf, dass ein EU-Beitritt - wenn überhaupt - frühestens in 10 bis 15 Jahren vollzogen werde.

Ein Unsicherheitsfaktor für ausländische Anleger bleibt allerdings der hoch volatile Wechselkurs der Lira. Im Mai und Juni, als ausländische Anleger den Schwellenmärkten den Rücken kehrten, verlor die Lira gegenüber dem Dollar fast ein Viertel ihres Wertes. Die Verluste sind zwischen weitgehend wieder wettgemacht, "wir sind für die Lira aber nicht besonders optimistisch", sagt Murat Ülgen, Chefvolkswirt bei HSBC in Istanbul. Nicht nur das ausufernde Leistungsbilanzdefizit könnte die Währung erneut unter Druck bringen. Risikofaktoren sind auch die im kommenden Jahr fälligen Präsidenten- und Parlamentswahlen.

Höhler, Gerd



13. November 2006

chinaman - Mittwoch, 22. November 2006 - 08:02
Türkei

Oger Telecom sagt milliardenschweren Börsengang ab

Die türkische Telekomholding macht einen Rückzieher. Grund: Die Aktienmärkte der Golfregion waren zuletzt stark eingebrochen. Oger Telecom wollte seine Papiere an der Börse Dubai platzieren.
Istanbul - Angesichts der Talfahrt der Aktienmärkte im Mittleren Osten hat die Telekomholding Oger Telecom ihren geplanten Börsengang über 1,25 Mrd. Dollar (975 Mio. Euro) abgesagt. Die Mutter des staatlich kontrollierten türkischen Telefonmonopolisten Turk Telekomunikasyon teilte am Dienstag mit, ein IPO sei "nicht mehr empfehlenswert". An den regionalen Märkten seien die Bedingungen zu volatil. Eigentlich wollte Oger Telecom Aktien an der Börse Dubai platzieren und in London Aktienzertifikate ausgeben.

Die Aktienmärkte in der Golf-Region sind in diesem Jahr jedoch eingebrochen. Das Börsenbarometer von Dubai fiel 64 Prozent. Kein anderer Aktienindex, den Bloomberg weltweit beobachtet, entwickelte sich so schwach. Die Aktienmärkte in Saudi-Arabien und den Emiraten Abu Dhabi und Katar verloren jeweils mindestens 40 Prozent ihres Wertes. "Beobachter führen den Abwärtstrend darauf zurück, dass es zu viele IPOs gibt", sagte Khan Zahid, Chefvolkswirt der Riyad Bank in Saudi Arabien. "Ich bin nicht überrascht, dass sie abgesagt haben."

Oger Telecom ist neben der Türkei auch in anderen Ländern des Mittleren Ostens und in Afrika aktiv. In Südafrika ist das Unternehmen beispielsweise indirekt am Mobilfunkbetreiber Cell C beteiligt. Telecom Italia hält 13 Prozent an Oger Telecom, wie das Unternehmen im Juli mitteilte. Mehrheitsaktionär ist das saudische Bau- und Immobilienunternehmen Saudi Oger, das 78 Prozent an Oger Telecom hält.

WELT.de/Bloomberg

Artikel erschienen am 22.11.2006

chinaman - Samstag, 25. November 2006 - 12:09
Beitrittsverhandlungen


Türkei-Investoren sind nicht zu beneiden


Auf den Türkei-Investor kommen wieder einmal stürmische Zeiten zu. Wer noch vor Jahresfrist der Annahme erlag, nach dem Beginn der Verhandlungen zur EU-Mitgliedschaft im Oktober 2005 käme Ruhe in das politische Verhältnis der Türkei zur Europäischen Union, sah sich wahrlich getäuscht.


Von Erwin Grandinger


Beide Seiten machen weiterhin gravierende Fehler. Brüssel war so naiv, nicht auf eine komplette Anerkennung Zyperns zu bestehen, bevor das Verhandlungsmandat durch die EU Staats- und -Regierungschefs erteilt wurde. Ankara wiederum nervt mit seiner kompromisslosen und autistischen Haltung zur Zypernfrage. Selbst die in den letzten Monaten von der finnischen Ratspräsidentschaft gebaute goldene Brücke - Ende der EU-Isolierung Nordzyperns, während im Gegenzug Ankara türkische Häfen und Flughafen für Zypern zu öffnen hat - fand am Bosporus keine Resonanz.

All das hat am türkischen Aktienmarkt natürlich Spuren hinterlassen. Die Euphorie einer baldigen EU-Mitgliedschaft ist dahin. Von der technischen Seite gibt der Anlass Sorge, dass der ISE National 100 Anfang November die Tiefs vom Frühjahr nicht nach oben durchbrechen konnte und sich jetzt wohl wieder dem Juni-Tief nähert. Auch gerät die türkische Lira, nach einer längeren Seitwärtsbewegung, gegenüber dem Euro wieder unter Abwertungsdruck. All dies muss dem Türkei-Investor zu denken geben.

Die Türkei pokert hoch, sie ist Rohstoff- und Regionalmacht - und weiß dies zu nutzen. Im Januar wird die EU-Kommission ein Strategiepapier zur langfristigen Energieversorgung der EU vorlegen. Neben Russland spielt die Türkei für die EU in der Energiepolitik eine zentrale Rolle. Man denke nur an die enorm wichtige, 1768 Kilometer lange BTC-Pipeline, die seit Mai 2005 aus Baku (Aserbaidschan) über Tiflis (Georgien) nach Ceyhan in der Türkei täglich bis zu eine Million Barrel Öl für den europäischen Markt liefert. Seit den islamistischen Anschlägen vom 11. September ist die Türkei für Europa Gefahr und Hoffnung zugleich: Man hofft, die Türkei der EU zu inkludieren (EU-Mitgliedschaft oder privilegierte Partnerschaft), aber man sieht die Gefahr des Scheiterns (religiöse Radikalisierung, Militärputsch). Vor diesem geopolitischen Hintergrund ist es aus unserer Sicht völlig ausgeschlossen, dass der EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember die Mitgliedsverhandlungen mit Ankara abbricht.

Obwohl der Türkei-Fortschrittsbericht der EU-Kommission von Anfang November sehr negativ ausfiel, sieht eine ernsthafte Zurückweisung anders aus. Man mag einige Verhandlungskapitel vorerst aussetzen (etwa Handelsfragen), aber das Gespräch, sprich Mitgliedsverhandlungen, nicht abbrechen. Die Türkei ist wieder einmal am Scheideweg, aber die EU wird das Tischtuch nicht zerschneiden.

Natürlich wissen alle Beteiligten, dass vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahlen in der Türkei (Mai) und den Parlamentswahlen (November) der Bewegungsspielraum der Erdogan-Regierung sehr gering ist. Darüber hinaus ist es auch von Bedeutung für den weiteren Weg der Türkei, wie die französischen Präsidentschaftswahlen (April, Mai) und die Parlamentswahlen (Juni) ausgehen werden. Während der derzeitige französische Präsident Jacques Chirac noch die Hand über die Türkei hält (siehe die innenpolitische Auseinandersetzung über den Armeniergenozid), sind weder Marie-Ségolène Royal, die Präsidentschaftskandidatin der Sozialistischen Partei, noch Nicolas Sarkozy, der vermutliche Kandidat der konservativen UMP, besonders geneigt, sich auf die Seite der Türkei zu stellen. Dem gegenüber steht, dass unter der deutschen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 (und dem jährlichen G-8-Vorsitz) Kanzlerin Angela Merkel außen- und innenpolitisch keine andere Wahl hat, als die Türkei zu unterstützen.

Der Autor ist Politikwissenschaftler und Partner bei EPM Group

Artikel erschienen am 25.11.2006

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