Diskussionsforum der stw-boerse: Auslandswerte: Indische Aktien
chinaman - Samstag, 5. Juni 2004 - 11:43
Aus der FTD vom 4.6.2004
Portfolio: Börse Bombay, bitte reservieren
Von Horst Fugger, Geisenfeld

Es gibt viele gute Gründe, in indische Aktien zu investieren - aber nur wenige, dies ausgerechnet jetzt zu tun. Am 17. Mai mussten die Börsianer wieder einmal erfahren, dass an den Aktienmärkten der Schwellenländer ein schärferer Wind weht als in Frankfurt oder an der Wall Street.

Der unerwartete Ausgang der indischen Parlamentswahlen führte an der Börse Bombay zum heftigsten Crash in ihrer nunmehr 135 Jahre währenden Geschichte. Binnen weniger Stunden stürzte der indische Leitindex Sensex um nahezu 18 Prozent ab und beendete den Handelstag schließlich mit einem Minus von elf Prozent.

Als Hauptursachen für den Kurssturz wurden politische Faktoren genannt, insbesondere die Besorgnis, Indiens neue Regierung, die mangels eigener Mehrheit auf die Unterstützung der Kommunisten angewiesen ist, könnte den wirtschaftsfreundlichen Kurs verlassen, den die vorherige Regierungspartei BJP verfolgt hatte. Der wichtigere Grund dürfte jedoch gewesen sein, dass internationale Investoren nur auf einen guten Grund gewartet hatten, die seit Mitte 2003 reichlich angefallenen Gewinne mitzunehmen. Nach einem Indexplus von mehr als 100 Prozent im vergangenen Jahr hatte die Börse Bombay schon seit Januar den Rückwärtsgang eingelegt. Da fühlten sich viele Anleger wohl an die Ereignisse zwischen Anfang 2000 und Ende 2001 erinnert, als der Sensex von mehr als 6000 auf 2800 Punkte abstürzte. Das Indexhoch von Anfang 2000 wurde Ende 2003 nur ganz knapp übertroffen, ehe der Abschwung einsetzte.


Bewertungen gehen weit auseinander


Wie in solchen Fällen üblich, gehen die Meinungen der Marktbeobachter nun sehr stark auseinander. Die einen verweisen auf die nun wieder attraktivere Bewertung indischer Aktien, auf das nach wie vor imponierende Wirtschaftswachstum - so wird für 2004 eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von etwa 6,5 Prozent erwartet - und auf die langfristigen Chancen im nach China bevölkerungsreichsten Land der Welt. Die anderen stellen nüchtern fest, dass nach dem extremen Kursanstieg des vergangenen Jahres zumindest auf kurze Sicht die Risiken die Chancen überwiegen. Die Wachstumsargumente galten schließlich auch schon vor drei Jahren, was den Sensex allerdings nicht davor bewahrte, innerhalb weniger Monate um mehr als 50 Prozent einzubrechen.


So gibt es zwar viele gute Gründe, in indische Aktien zu investieren, aber nur wenige, das ausgerechnet jetzt zu tun. Gerade an den Börsen der Schwellenländer sind internationale Investoren nach einem starken Aufschwung sehr schnell bereit, ihre Gewinne mitzunehmen und sich für längere Zeit zu verabschieden, wenn die Richtung nicht mehr stimmt. Wer den Index der Börse Bombay im Langfristchart betrachtet, erkennt unschwer, dass der Anlageerfolg in den vergangenen Jahren fast ausschließlich vom richtigen Timing abhing. Wer zu früh einstieg, erlitt schmerzliche Verluste. Das wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Gut möglich, dass man in einigen Monaten weitaus günstiger einsteigen kann als jetzt.


Wer sich in Indien engagieren möchte, hat keine allzu große Auswahl. Einzelaktien von Investmentqualität gibt es nur wenige, und der direkte Kauf an der Börse Bombay ist Privatanlegern nicht möglich. Von den in Deutschland gehandelten Titeln dürften der Mischkonzern Reliance Industries und der Motorradhersteller Bajaj Auto langfristig die besten Chancen bieten. Eine vernünftige Alternative zu Einzeltiteln sind Fonds oder das mit unbegrenzter Laufzeit ausgestattete Indien-Zertifikat von ABN Amro.

trick17 - Samstag, 5. Juni 2004 - 13:14
Jaja, Fonds kaufen und fett
Managementgebühren löhnen,
dafür bekommt man dann prozyklische Aktien.
Ich finde Hindalco ziemlich spannend
und beobachte die Aktie schon länger.

Die machen in Aluminium und Kupfer.
Im Bereich Alu betragen die Ebitda-Margen
fast 40% und beim Kupfer wird gerade expandiert,
um die Margen weiter zu verbessern.

trick17

chinaman - Mittwoch, 13. September 2006 - 05:43
Handelsblatt Nr. 176 vom 12.09.06 Seite 26


Indien ringt um die Rupie

Die Regierung will die Währung konvertierbar machen und Kapitalströme erleichtern

OLIVER MÜLLER | NEU DELHI Eine politische Kontroverse verunsichert Investoren in Indien. Grund ist die Absicht der Regierung, die Rupie konvertierbar zu machen und Kapitalströme zu erleichtern. Der Fünf-Jahres-Fahrplan eines Expertenkomitees zur Liberalisierung der Kapitalbilanz bringt die Zentralbank, das Finanzministerium, den Premierminister und seine kommunistischen Partner gegeneinander auf.

Für den Handel ist die Rupie weitgehend konvertierbar. Kapitalzu- und abflüsse unterliegen jedoch weiter engen Beschränkungen, obwohl diese in den vergangenen Jahren gelockert wurden. Im März hatte der reformfreudige Premier Manmohan Singh eine Idee aus dem Jahr 1997 wieder aufgenommen. Damals plante die Regierung eine Freigabe der Rupie innerhalb von fünf Jahren. Dann brach die Asien-Krise herein, und das Vorhaben wurde auf Eis gelegt. Der neue Plan ähnelt dem alten. Er sieht unter anderem vor, Obergrenzen für Auslandskredite indischer Firmen und Banken stark zu erhöhen und Privatbürgern zu erlauben, jährlich 200 000 Dollar ins Ausland zu überweisen, statt derzeit 25 000. Das verspricht globalen Finanzhäusern besseren Zugang zu indischen Privat- und Geschäftskunden. Auch indische Fonds sollen viel mehr Kapital außerhalb des Landes anlegen dürfen. Im Gegenzug winkt Auslandsanlegern leichterer Zugang zu indischen Wertpapieren.

Singh setzt wie eine Reihe von Experten darauf, dass eine Liberalisierung der Kapitalbilanz das Wirtschaftswachstum stützt und Investoren anlockt. Außerdem weiß er, dass dadurch Reformen im Finanzsystem nötig würden, die dessen Gesundheit stärken. Die Bedingungen für die Konvertierbarkeit der Rupie bis 2011 umfassen eine Umwandlung des Budgetdefizits in ein Plus von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dies würde die Abarbeitung einer anschwellenden Schuldenlast fördern, die sich auf fast 80 Prozent des BIP beläuft. Außerdem soll die Regierung ihren Anteil an Banken von über 50 auf 33 Prozent herunterfahren. Staatsbanken kontrollieren drei Viertel der Kreditvergabe. Sie sind ineffizient, überbesetzt und verlieren Marktanteile an private Institute.

Solche Vorschläge haben die Kommunisten auf den Plan gerufen, von deren Tolerierung die Regierung abhängt. Ihr Politbüro hat angekündigt, den Staatsanteil an Banken "mit Zähnen und Krallen" zu verteidigen. Die fiskalpolitischen Bedingungen des Komitees stoßen nicht nur bei der Linken auf Ablehnung, die darin einen Angriff auf Sozialprogramme sieht und vor den "Gefahren spekulativen Kapitals" warnt. Auch in der Planungskommission und in Singhs eigener Kongresspartei gibt es Kritik. "Ich denke nicht, dass volle Konvertierbarkeit in fünf Jahren erreichbar ist", meint daher ABN-Amro-Volkwirt Abheek Barua angesichts der heftigen politischen Debatte. Dennoch dürfte eine schleichende Liberalisierung weitergehen. "Indiens Wirtschaft bewegt sich stetig auf volle Konvertierbarkeit zu", sagt Subir Gokarn, Chefvolkswirt der Ratingagentur Crisil.

Wie alle Analysten, Fondsmanager und Banker wendet sich Gokarn jedoch gegen eine Forderung der Kommission, die an den Märkten Unsicherheit ausgelöst hat: die nach einem Verbot für so genannte "Participatory Notes" innerhalb eines Jahres. Über solche Derivate kommt fast die Hälfte der Portfoliozuflüsse ins Land. Ihnen verdankt Indien eine Verdreifachung der Börsenstände seit 2003. Mit den "P-Notes" lassen sich Beschränkungen für Auslandinvestoren unterlaufen. Investmentbanken mit Handelslizenz in Indien wie Citigroup oder Merrill Lynch kaufen Aktien in Bombay und händigen Kunden in Übersee Derivate darauf aus. Das verstimmt die Zentralbank, weil die Eigner anonym bleiben und sich die Quelle ihres Geldes nicht nachvollziehen lässt.

"Erst die strengen Kontrollen für Auslandsinvestoren haben einen Offshore-Markt für P-Notes geschaffen", kritisiert Surjit Bhalla, Direktor von Oxus Research und selbst Mitglied der Kommission. Eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs mache solche Derivate von alleine überflüssig. Das Finanzministerium macht sich für eine Beibehaltung der Praxis stark, und wegen der Marktfolgen hält der CLSA-Asienstratege Christopher Wood eine Abschaffung der P-Notes für unwahrscheinlich. Aber er warnt: "Aggressives Vorgehen dagegen könnte über Nacht eine Börsekorrektur von 20 Prozent auslösen." Dies wäre für ihn indes "eine fantastische Kaufgelegenheit".

Müller, Oliver



12. September 2006

chinaman - Dienstag, 19. September 2006 - 05:12
Handelsblatt Nr. 179 vom 15.09.06 Seite b03


INDIEN: Eine boomende Wirtschaft heizt den Immobilienmarkt an und lockt ausländisches Kapital ins Land

Hohe bürokratische Hürden

NEU-DELHI. Indien hat seinen Immobilienmarkt Anfang 2005 für Ausländer geöffnet. Eine Fülle von Vorschriften setzen diesen indes nach wie vor Grenzen. Projektentwickler unterliegen einer Mindestkapitalvorschrift. Bei der Gründung einer 100-Prozent-Tochter müssen wenigstens zehn Mill. Dollar eingebracht werden, bei einem Joint Venture die Hälfte. Projekte müssen eine Mindestgröße von 50 000 Quadratmetern haben, die Hälfte muss innerhalb der ersten fünf Jahre fertig gestellt sein, und Gewinne dürfen erst nach drei Jahren zurückgeführt werden. Die Untergrenze beim Bau von Wohnimmobilien beträgt zehn Hektar. Um Spekulation zu verhindern, ist Weiterverkauf von unbebautem Land verboten. Für den Bau von IT-Parks, Sonderwirtschaftszonen und Hotels gelten lockerere Vorschriften.

Auf eigene Faust indes wagt bislang niemand den Weg nach Indien. Grassierende Korruption und eine kafkaeske Bürokratie machen den Kauf von Bauland und den Erwerb der nötigen Genehmigungen zu einem Irrgarten. Oft sind auch Eigentumsrechte unklar. Fast alle suchen daher nach Partnern, die solche Probleme aus dem Weg räumen. Doch die Auswahl ist begrenzt. Etablierte Größen wie DLF, Unitech oder Raheja sind finanzstark und machen lieber auf eigene Rechnung. Kleine Familienfirmen benötigen zwar Kapital und Know-how, sind aber oft undurchsichtig und haben keine Erfahrung mit Großprojekten. Bei Gemeinschaftsprojekten haben zudem Inder immer einen Vorteil: Sie bringen meist vor Jahren erworbenes Land zu heutigen Preisen ein und machen bereits einen Gewinn, sobald die Tinte auf dem Joint-Venture-Vertrag trocknet. Experten raten daher, lokale Partner immer an den Entwicklungsrisiken zu beteiligen.

Als Alternative für institutionelle Investoren bietet sich der vergleichsweise einfache Erwerb von Aktien börsennotierter Immobilienfirmen. Auch Fonds und Private-Equity-Firmen können in indische Immobilien investieren. Dafür ist allerdings die Zustimmung der Zentralbank und der Börsenaufsicht erforderlich. Die gängigste Route für indirekte Investments führt über gepoolte Fonds, die zusammen mit indischen Finanzhäusern aufgelegt werden. Die für 2008 geplante Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits) könnte den Markt weiter beflügeln und für mehr Transparenz sorgen. olm

-olm



15. September 2006

chinaman - Donnerstag, 21. September 2006 - 17:47
Handelsblatt Nr. 180 vom 18.09.06 Seite 11


Indiens Unternehmen entdecken Brasilien

Die Wirtschaft der beiden Schwellenländer ergänzt sich gut - doch auf dem Weltmarkt konkurrieren sie.

ALEXANDER BUSCH | SÃO PAULO Noch vor kurzem war Indien für brasilianische Unternehmen und Regierungen ein weißer Fleck auf der Landkarte - und umgekehrt: Gerade mal 500 Mill. Dollar betrug der bilaterale Handel zwischen den beiden großen Emerging-Markets noch im Jahr 2000. Investitionen von Unternehmen im jeweils anderen Markt existierten nicht. Der letzte große Staatsbesuch liegt ganze 40 Jahre zurück: Damals war es Indira Gandhi, die Brasilien besuchte.

Inzwischen hat sich die Lage fundamental verändert: Die Staatsvisite des indischen Premiers Manmohan Singh in Brasilien in der vergangenen Woche ist Ausdruck eines intensiven wirtschaftlichen Annäherungsprozesses. Die Unternehmen beider Länder entdecken zunehmend die Chancen auf dem jeweils anderen Markt.

Das drückt sich jetzt schon im Zuwachs des bilateralen Handels aus, der sich seit dem Jahr 2000 auf 2,3 Mrd. Dollar verfünffacht hat. Bis 2009 soll er sich noch einmal verdoppeln. Interesse zeigen auch Konzerne am jeweils anderen Standort: Indische Unternehmen interessieren sich vor allem für brasilianisches Know-how und Technologie bei alternativen Energien wie Ethanol und Biodiesel oder in der Landwirtschaft.

Zur Sicherung der eigenen Energieversorgung kündigen indische Konzerne massive Investitionen in Brasilien an: Der staatliche indische Ölkonzern ONGC hat von Shell in Brasilien für 1,4 Mrd. Dollar Öl-Explorationsfelder übernommen. Auch der private Bergbaukonzern Mine Planning & Construction wird 1,5 Mrd. Dollar in die Ölförderung in Brasilien investieren, den damit wichtigsten ausländischen Standort des Konzerns. "Unser Plan ist, in den nächsten 15 Jahren 18 Mrd. Dollar in Brasilien zu investieren", sagt Simran Bedi, Geschäftsführer des Konzerns. Auch der größte indische Zuckerproduzent Bajaj Hindustan will 500 Mill. Dollar in Zuckerplantagen und Destillen in Brasilien stecken. "Die indischen Konzerne kommen spät, aber dafür umso aggressiver nach Brasilien", sagt Rengaraj Viswanathan, im indischen Außenministerium für Lateinamerika zuständig.

Schwieriger ist es für Unternehmen, die den brasilianischen Markt erobern wollen: So haben indische Pharmakonzerne rund 200 Mill. Dollar in Brasilien investiert. Doch so richtig glücklich werden sie damit nicht: Der größte indische Generika-Hersteller Ranbaxy ist zwar die größte ausländische Firma im Markt. Er hält aber nicht mehr als drei Prozent des Generikamarktes - zu wenig, um die Produktionskosten durch hohe Stückzahlen senken zu können. "Die Konkurrenz ist extrem stark", sagt Alok Kapoor, Chef von Ranbaxy in Brasilien, "man braucht einen langen Atem zum Überleben."

Brasilianische Konzerne sehen umgekehrt die größten Chancen in der indischen Infrastruktur und Logistik: Der Busausrüster Marcopolo gründete mit dem indischen Industrieriesen Tata im Mai ein Jointventure zum Bau von Bussen in Indien mit einer anfänglichen Jahresproduktion von 7 000 Fahrzeugen. Jetzt verhandelt Marcopolo ein weiteres Kooperationsprojekt mit der Tata-Tochter Taco für den Bau von Busteilen.

CVRD, der brasilianische Eisenerzgigant und wichtigste Logistikanbieter Lateinamerikas, modernisiert für 600 Mill. Dollar das indische Schienennetz. Dafür kauft der Konzern in Indien Eisenbahnwaggons für seine Erztransportzüge. Im Unterschied zu den indischen Konzernen beteiligen die brasilianischen Unternehmen bei den meisten Investitionen lokale Partner. "Die brasilianischen Konzerne schließen immer mehr Geschäfte auf Gegenseitigkeit ab", beobachtet Joachim Zahn, internationaler Berater von CVRD. "Das ist nachhaltiger für die Geschäftsbeziehungen."

Denn auch der Honeymoon in den brasilianisch-indischen Wirtschaftsbeziehungen wird nicht lange anhalten: Viele Unternehmen entdecken, dass sie auf dem Weltmarkt harte Konkurrenten sind. Bei den jetzigen Verhandlungen in Brasília gelang es den Delegationen deshalb auch nicht, den Anteil der zollfreien Produkte im bilateralen Handel zu erhöhen. Vor dem Treffen der Staatschefs sorgte ein Interview des stellvertretenden Ministers für Handel aus Indien für Verstimmung. Es sei "etwas naiv", von einer natürlichen Allianz zwischen Indien und Brasilien zu sprechen. "Denn wir konkurrieren auf dem Weltmarkt mit verarbeiteten Produkten", sagte Jairam Ramesh. "Während Brasilien offene Agrarmärkte will, wollen wir den Schutz unserer Bauern. Brasilien will seinen Markt für Dienstleistungen schützen, wir unseren öffnen."

Busch, Alexander



18. September 2006

chinaman - Donnerstag, 28. September 2006 - 04:09
Handelsblatt Nr. 186 vom 26.09.06 Seite 9


Indiens lange Aufholjagd

Nur wenn das Land weitere ökonomische und soziale Reformen schafft, kann es zu einer der wirtschaftlichen Supermächte werden

Wie China vor 15 Jahren steht Indien heute an einem Wendepunkt. Nachdem ein großer Teil der anfänglichen harten Arbeit zur Öffnung der Wirtschaft getan ist, muss die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt nun entscheiden, ob sie das Tempo des Wandels bremsen oder die nächste Stufe der Reformen angehen will. Indien kann am Rande der Weltwirtschaft stehen oder, wie China es getan hat, einen Platz in der Champions League anstreben.

Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat Indien große Fortschritte gemacht. Innerhalb von 15 Jahren hat es sich von einer unterentwickelten, landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaft zu einer Wirtschaft gemausert, die auf Wissen und Dienstleistungen basiert. Die Statistiken sind eindrucksvoll: Die reale Wirtschaftsleistung hat sich seit 1991 verdoppelt, die aktuellen Wachstumsraten liegen bei sieben Prozent pro Jahr. In einigen Sektoren hat Indien eine Basis von Weltklasse aufgebaut - Informations- und Biotechnologie, Pharma, Autoindustrie. Hier ist Indien zum bevorzugten Ziel internationaler Investoren geworden. Ausländische Direktinvestitionen erreichen jetzt über sechs Mrd. US-Dollar jährlich, während sie in den frühen 90er-Jahren noch bei 100 Mill. Dollar lagen.

Eine Mittelklasse von 100 Millionen konsumstarken Haushalten, die ein verfügbares Pro-Kopf-Einkommen von 5000 Dollar haben, ist entstanden und hat die Nachfrage belebt. Die Zahl der Flugreisenden beispielsweise hat sich in zehn Jahren versechsfacht, der Auto- und Motorradabsatz verdoppelt. 120 Mill. Inder nutzen ein Mobiltelefon, vor vier Jahren waren es erst 45 Mill.

Dieser rasche Fortschritt war die unmittelbare Folge von vielen Liberalisierungsschritten. Die Frage ist nun, ob Indien weiter restrukturiert und einen größeren Teil der Bevölkerung in den Genuss von Wohlstand kommen lässt. Man darf nicht vergessen, dass ein Drittel der Bevölkerung noch mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen muss.

Indiens Potenzial für weiteres Wachstum hängt von drei Bedingungen ab. Die erste ist das wirtschaftliche Umfeld, unterstützt von entwickelten Finanzmärkten und der erwiesenen politischen Stabilität. Fast das gesamte politische Spektrum stützt die wirtschaftliche Liberalisierung, fünf wechselnde Koalitionsregierungen haben nichts getan, um sie zurückzurollen. Wechselkurse, Inflation und Zinsen haben in den vergangenen fünf Jahren kaum geschwankt. Der Geldmarkt ähnelt dem in stärker entwickelten Ländern. Indiens Demokratie, seine freie Presse und sein Rechtssystem stärken die Attraktivität für Auslandsinvestoren.

Die zweite Bedingung: Die demographischen Trends müssen bewältigt werden. Sie bieten das Potenzial, umfangreiche zusätzliche Nachfrage und auch zunehmende Reserven an heimischem Kapital zu schaffen. Die Intelligence Unit des Economist prognostiziert, dass 544 Mill. Inder in den nächsten sechs Jahren in die Mittelklasse aufrücken. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Verbraucherzuwachses, der für die Entwicklungsländer vorausgeschätzt wird. Doch lauern hier auch Gefahren, wenn das Jobwachstum nicht Schritt hält.

Drittens entwickelt Indien starke Unternehmen, die von Dienstleistungen zur Industrie diversifizieren, darunter auch eine wachsende Gruppe international tätiger Unternehmen. Multinationale Unternehmen aus dem Ausland investieren in indischen Branchen, in denen dereguliert wurde, und steigern so die Wettbewerbsfähigkeit.

Indien könnte angesichts all dessen sagen, es habe nun genug getan und weitere schwierige Reformen seien nicht nötig. Doch das wäre ein Unglück.

Denn anhaltendes Wachstum bleibt aus verschiedenen Gründen gefährdet. Ohne einen weiteren Reformanstoß könnte Indien zurückfallen. Am gefährlichsten ist die geradezu explosive Bevölkerungszunahme. Indien wird 2035 voraussichtlich das bevölkerungsreichste Land der Erde sein und ist heute schon das mit der größten Anzahl junger Menschen: 20 Prozent der unter 24-Jährigen leben in Indien. Dieses Bevölkerungswachstum kann eine Chance sein, weil es ein nahezu unbegrenztes Angebot an Arbeitskräften und Nachfrage darstellt.

Aber was geschieht, wenn nicht genügend Jobs vorhanden sind? Um ein zweistelliges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, das aus Beschäftigungsgründen notwendig ist, braucht Indien eine ganze Serie weiterer Wirtschafts- und Sozialreformen. Drei Aufgaben sind vorrangig: Die maßvolle Deregulierung bestimmter prioritärer Industrien, ein Anstoß für bessere Infrastrukturen und die Ermutigung von industrieller Produktion neben den wissensbasierten Dienstleistungen.

Sinnvolle Deregulierung war ein wichtiger Teil der Wirtschaftsreformen der vergangenen 15 Jahre. Aber immer noch bleiben zu viele Hemmnisse. Die Weltbank schätzt, dass leitende Manager zwölf Prozent ihrer Zeit mit regulatorischen Fragen verbringen, während es in China nur acht Prozent sind. Deregulierung ist vor allem im Einzelhandel, im Rüstungssektor, in den Medien und im Finanzbereich notwendig. Indien muss noch einen weiten Weg zurücklegen, bis es bei der Produktivität zu China aufschließt. Im Zuge der Marktöffnung kann ausländisches Kapital einfließen, das die Effizienz steigert.

Was Deregulierung bewirken kann, hat sich in der Autoindustrie gezeigt, wo die Produktivität zwischen 1992/93 und 1999/2000 um 256 Prozent gestiegen ist und die Beschäftigung um elf Prozent zugenommen hat, weil die Regeln für ausländischen Wettbewerb gelockert wurden. Auch die Privatisierung von Staatsunternehmen ist hilfreich.

Die Arbeitsmarktgesetze sind ein weiterer Fall, wo maßvolle Deregulierung nötig ist. Alle Arbeiter sollten ähnliche Rechte genießen wie Gewerkschaftsmitglieder, aber es sollte mittleren und großen Firmen gestattet sein, ihre Belegschaft ohne staatliche Genehmigung zu verringern. Bislang darf ein Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten niemanden entlassen, ohne vorher die Genehmigung der regionalen Regierung einzuholen.

Viel mehr muss geschehen, um die Infrastrukturen voranzubringen, sowohl "weiche" wie im Bildungs- und Gesundheitswesen als auch "harte" wie für Verkehr und Energieversorgung. Um ehrlich zu sein: Indiens bisherige Entwicklung hat trotz, nicht dank seiner Infrastruktur stattgefunden. Dafür wird das Land zu Recht kritisiert. In den vergangenen 15 Jahren hat Indien im Schnitt 4,4 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Infrastruktur investiert, China dagegen 25,7 Prozent.

Die gute Nachricht ist, dass es in jüngster Zeit einen Anstieg gab. Für die nächsten fünf bis sieben Jahre sind Investitionen in Höhe von rund 300 Mrd. Dollar angekündigt, und die müssen unbedingt verwirklicht werden. Teil dieser Aufgabe ist es, das nötige Kapital bereitzustellen. Sparen muss ermutigt, das öffentliche Defizit verringert werden. Daneben muss Indien auch ausländische Quellen erschließen, was wiederum verlangt, Beschränkungen für Direktinvestitionen im Schienen- und Luftverkehr aufzuheben.

Indien kann nicht länger erwarten, leistungsfähiger als seine Wettbewerber zu sein, wenn es die Industrie nicht stärkt. Der gute Ruf als Standort für High Tech und für unternehmensnahe Dienstleistungen ist berechtigt, und Indien wird hier viele neue Jobs schaffen. Allein das Outsourcing von Unternehmensaktivitäten sowie die IT-Aktivitäten werden sich bis 2010 verdreifachen. Doch sie allein werden nicht die Jobs bieten können, die zur Verbesserung der Lage in den ländlichen Gebieten nötig sind. Dort sind die Durchschnittseinkommen zweieinhalbmal niedriger als in den Städten. Arbeitsintensive Industrien sind in Indien unterentwickelt. 2002 waren rund 6 Mill. Menschen in der Industrie beschäftigt, während es 160 Mill. in China waren.

Wenn Indien seine grundsätzlichen Stärken nutzt, kann es seine Industriegüterexporte um 300 Mrd. Dollar steigern und bis 2015 zusätzliche 25 bis 30 Mill. Arbeitsplätze schaffen. Priorität sollten die Nahrungsmittel verarbeitende Industrie, baunahe Bereiche, Autoteile, elektronische Produkte und Spezialchemie genießen. In diesem Kontext spielen die weitere Stärkung der Sonderwirtschaftszonen und die Einführung der Mehrwertsteuer eine Rolle, die ein konsistentes Zoll- und Abgabensystem erlauben wird.

Im Sozialsystem muss Indien sich auf Bildung und Gesundheit konzentrieren. Heute leben 35 Prozent von Indiens 1,1 Mrd. Menschen in Armut. Die meisten Inder können nichts zum Wachstum ihres Landes beitragen, weil ihnen dafür Bildung und berufliche Fertigkeiten fehlen. Das unzureichende Gesundheitssystem tut ein Übriges. Fortschritte auf diesen Gebieten werden das Leben der Inder dramatisch verbessern.

Indiens Bildungswesen steht auch im Vergleich zu China nicht gut da. 40 Prozent der Inder sind Analphabeten, in China sind es nur zehn Prozent. Die Reformen müssen in der Grundschule beginnen. Bei der höheren Bildung muss das System offener werden, um mehr jungen Menschen den Zugang zu ermöglichen, und die Qualität muss sich verbessern. Public-Private-Partnerships für die Ausbildung von Industriearbeitern sind empfehlenswert, und die Regierung sollte in einigen Regionen ausprobieren, welche Verbesserungen möglich sind, wenn Zulassung, Gebühren, Einstellung und Evaluierung den Instituten völlig freigestellt werden.

Kurz gesagt: Indien muss mehr Studenten mit den Qualifikationen ausbilden, die in der globalen Wirtschaft benötigt werden. Obwohl Indien heute bereits jährlich Hunderttausende Hochschulabsolventen zählt, erreicht Studien von McKinsey zufolge nur ein kleiner Prozentsatz von ihnen die Qualifikationen, die für eine zufrieden stellende Leistung in globalen Unternehmen nötig sind.

Was das Gesundheitswesen anbelangt, werden in Indien jährlich 375 professionelle Spitzenkräfte ausgebildet - so viel wie allein einige Institute in Deutschland oder den USA qualifizieren. Gleichzeitig hat Indien heute die größte Zahl von Aids-Infizierten, 5,2 Mill. Menschen. Seine Geburtensterblichkeit ist doppelt so hoch wie die in China, das auch eine deutlich höhere Lebenserwartung hat. Sauberes Wasser ist ein unerreichbarer Luxus für viele.

Der Staat gibt weniger als ein Prozent des BIP für das Gesundheitswesen aus. Wenn Indien eine starke und gesunde Erwerbsbevölkerung bekommen soll, müssen dringend mehr und bessere öffentliche Einrichtungen des Gesundheitswesens geschaffen werden. Die notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen sind nicht leicht zu erreichen. Sie werden auch nicht bei allen Betroffenen auf Gegenliebe stoßen, andernfalls wären sie bereits vollzogen. Aber sie sind wichtig. Wenn Indien sie entschlossen und mit Vertrauen verwirklicht, kann es einen Platz unter den wirtschaftlichen Supermächten einnehmen.

RAJAT GUPTA ist Senior Partner der Wirtschaftsberatung McKinsey.

Gupta, Rajat



26. September 2006

chinaman - Sonntag, 12. November 2006 - 16:33
Asien-Boom


Investieren in die Indien-Story


"Bei diesen Kursen darf konjunkturell und politisch nichts schiefgehen", meint Asienexperte Hoelzl und spielt darauf an, dass an der Börse Bombay Rückschläge in der Luft liegen.

Langfristig denkende Anleger sollten Korrekturen allerdings als Chance nutzen, Positionen in einem der Wachstumsmärkte der Zukunft aufzubauen.
Berlin - Direkt-Investments in Einzeltitel sind allerdings schwierig, da viele der 6000 indischen Aktien nur wenig liquide sind. Hierzulande werden Papiere vom Ganges meist nur als Hinterlegungsscheine gehandelt. Auch aus Gründen der Risikostreuung bieten sich daher Indien-Fonds an. Der Vorteil: Viele der Produkte lassen sich regelmäßig besparen, wodurch die Problematik des richtigen Timings entschärft wird.

Als das am besten gemanagte Portfolio gilt der HSBC Indian Equity, der mittlerweile vier Mrd. Dollar schwer ist und dadurch an Flexibilität verloren hat. Dennoch gibt es an der langfristigen Wertentwicklung von 36,5 Prozent jährlich nichts zu deuteln. Zu den größten Positionen gehört Hutchison Telecom. Ebenfalls erfolgreich operierte in der Vergangenheit der JP Morgan India Fund, der stark auf Satyam Computer und Wipro setzt. Auch die DWS hat einen Indien-Fonds im Angebot. Größte Position ist die indische IT-Ikone Infosys Technologies.

dde

Artikel erschienen am 10.11.2006
Die Welt

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