Diskussionsforum der stw-boerse: Auslandswerte: AOL Time Warner
chinaman - Montag, 22. Juli 2002 - 17:18
Aus der FTD vom 22.7.2002 www.ftd.de/aol
AOL Time Warner: Das Ende der Illusionen
Von Nicola Liebert, New York

Beim Medienkonzern AOL Time Warner haben jetzt die Fusionsgegner das Sagen. Nach dem Rücktritt des AOL-Managers Robert Pittman übernehmen Time-Warner-Leute die Kontrolle über den Konzern.

Der führender Manager des Onlinedienstes America Online (AOL), Robert Pittman, der bisher als "Chief Operating Officer" auch für die Tagesgeschäfte des Gesamtkonzerns verantwortlich war, räumt seinen Posten. Wie erwartet erklärte Pittman auf der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag seinen Rücktritt.

Ersetzt wird er durch altbewährte Manager aus dem Time-Warner-Lager. Don Logan von der Zeitschriftensparte Time wurde zum Chef einer neugebildeten Mediengruppe ernannt, die die Onlinedienste, das Kabelnetz und die Printmedien umfasst. Jeff Bewkes, bislang an der Spitze des Bezahlfernsehens HBO, leitet künftig die Sparten Film und Fernsehen sowie Musik. Von den alten AOL-Veteranen ist jetzt nur noch Aufsichtsratsvorsitzender Steve Case übrig, und der hat sich in letzter Zeit ganz im Hintergrund gehalten.


Die Personalfluktuation steht für einen klaren Wechsel der Machtverteilung zwischen den fusionierten Partnern: Anfang 2001 hatte AOL dank des damals hohen Aktienkurses den wesentlich umsatzstärkeren Medienkonzern Time Warner gekauft. Jetzt dreht Time Warner den Spieß um und übernimmt mit Logan die Kontrolle über America Online. Von der Vision, die neuen und die alten Medien zu etwas revolutionär Neuem zu verschmelzen, ist nicht viel übrig geblieben. Im Gegenteil: Konflikte zwischen verschiedenen Abteilungen, ein Aktienkurs, der seit der Fusion um fast drei Viertel gefallen ist und eine Rekord-Abschreibung von 54 Mrd. $ im ersten Quartal wegen des dramatischen Wertverlusts des Konglomerates.


Time-Warner-Lager übernimmt das Ruder


Mit Pittman, der zuletzt von Managern aus dem Time-Warner-Lager als Sündenbock für die Probleme der Megafusion ausgemacht wurde, ist eine ehemalige Galionsfigur abgetreten. Er stand für eine enge Integration von alten und neuen Medien. Doch das lahmende Onlinegeschäft auf der einen Seite und das ausgeprägte Unabhängigkeitsstreben vieler Time-Warner-Abteilungen auf der anderen Seite machten Pittman einen Strich durch die Rechnung.


Sowohl Logan als auch Bewkes gelten als Skeptiker, was das Potenzial der Fusion anbelangt. Selbst der Chef des fusionierten Gesamtkonzerns und Pittmans Vorgesetzter Richard Parsons räumte ein, dass sein Vorgänger Gerald Levin dem Unternehmen keinen Gefallen getan habe, als er Time Warner zu einem aufgeblasenen Aktienpreis an AOL verkauft habe. Zugleich stellt er den Sinn einer Integration der alten und neuen Medien in einem Interview aber nicht in Frage: "Das Ganze sollte und wird unter diesem Managementteam mehr wert sein als die Summe seiner Teile."


Zu viel versprochen

Skeptiker hatten insofern recht, als sich die Integration bisher nur mäßig ausgezahlt hat. Da hilft es auch nicht, dass die einzelnen Konzernabteilungen zum größten Teil profitabel sind. "Das ist ein Teil ihres Problems", erklärte Logan. "Sie haben zu viel versprochen und zu wenig geliefert."


In dieser Woche wird der Konzern die Quartalsbilanz vorstellen. Analysten erwarten einen Gewinn von 22 Cent pro Aktie, fast ein Drittel weniger als im Vorjahresquartal. Bei AOL gingen die Werbeeinnahmen im ersten Quartal um fast ein Drittel zurück. Logan wies aber darauf hin, dass auch die Onlinesparte durchaus profitabel ist - nur eben weniger als versprochen.


Während manche den Neuanfang begrüßen, fürchten andere, dass der Onlinedienst mit Pittman seinen fähigsten Manager verloren hat. "Er versteht AOL besser als irgendjemand sonst im Unternehmen", meint Tom Wolzien, Analyst bei Sanford Bernstein.


Und Jeffrey Logsdon von der Bostoner Investmentbank Gerard Klauer Mattison fügt hinzu: "Ich bin nicht sicher, ob Pittmans Weggang die Sorgen behebt, die die Investoren über America Online haben." Ein neuer Chef der Onlinesparte wird derzeit noch gesucht.


Don Logan, 58, der nun unter anderem AOL vorsteht, hat beim Zeitschriftenverlag Time über zehn Jahre Gewinnsteigerungen erzielt.


Jeff Bewkes, 50, der neue Film- und Musikchef, hat seit 1995 dem Bezahlfernsehen HBO 43 Prozent mehr Zuschauer und stetige Gewinnzuwächse beschert.



© 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP

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